Er wurde letztlich zu einem Weltkrieg, dem später so genannten Ersten, auch wenn er „klein“ begonnen hatte. Denn bald wurden die verschiedenen Bündnisse aktiv. Am Ende wurde an der Westfront gekämpft, ebenso in den Dolomiten, am Isonzo, an der so genannten Ostfront (Russland). Das ist weitgehend bewusst, es wurde aber auch im Nahen Osten gekämpft, gegen das Osmanische Reich – einem Verbündeten Deutschlands und des Habsburger Reiches – um sich dessen Provinzen einzuverleiben.
Das Osmanische Reich vor Kriegsbeginn
Der Abstieg des Osmanischen Reiches hatte schon eine Zeitlang gedauert, daher hatten die Briten ihr Interesse verloren und ihr Geld abgezogen. Das hatte den Franzosen ermöglicht, Fuß zu fassen. Außerdem wurde in Großbritannien die Rolle der Eisenbahnen unterschätzt, die von den Deutschen gebaut wurden.
Schon 1913, ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, hatte das Osmanische Reich bereits weite Teile seines einstigen Herrschaftsbereichs eingebüßt. Aus dem europäischen Balkan, wo es jahrhundertelang ein politischer Machtfaktor gewesen war, war es bereits verschwunden, aber im Nahen und Mittleren Osten war es immer noch eine formidable, wenn auch regionale Großmacht und ein imposantes Reich. Besonders die Briten wollten ihren Einfluss in der Region sichern, weil diese auf dem wirtschaftlich und strategisch so wichtigen weg nach Indien liegt. Frankreich wiederum hatte in Syrien und dem Libanon historische Interessen und das deutsche Kaiserreich träumte davon, die Eisenbahnverbindung von Berlin bis Bagdad und dann bis an den Persischen Golf weiterzuführen – auch dies von wirtschaftlicher wie militärischer Bedeutung.
Das Osmanische Reich wollte eigentlich neutral bleiben, schlug sich dann aber auf die Seite seines alten Verbündeten Deutschland.
die Ereignisse des Kriegsjahres 1916 – ein Überblick:
Am 4. Januar griffen österreichische Truppen das Königreich Montenegro an, schon am 23. Januar kapitulierte König Nikola und ging nach Frankreich ins Exil. Das Königreich Albanien wurde ebenfalls zu etwa zwei Drittel durch das österreichisch-ungarische Heer besetzt. An der Westfront hatte am 21. Februar 1916 der Kampf um Verdun begonnen. Der U-Boot Krieg der Deutschen gegen die Amerikaner verschärft sich. Am 31. Mai und 1. Juni kam es eher unabsichtlich zur Skagerrakschlacht. Die englisch-französische Streitkräfte hatten am 24. Juni 1916 mit einer groß angelegten Offensive an der Somme begonnen. Auch diese Offensive hatte sich festgebissen, und am 28. November 1916 war die Schlacht an der Somme abgebrochen worden. Eine Million Tote hatte sie gefordert. Von Mai bis Juni führte die österreichisch-ungarische Armee in Südtirol eine Offensive gegen die italienischen Stellungen, die nach geringen Anfangserfolgen aufgrund der Lage an der Ostfront (Brussilow-Offensive) abgebrochen werden musste. Die italienische Armee unternahm von März bis November mehrere Großangriffe am Isonzo (5., 6., 7. 8. und 9. Isonzoschlacht). Am 28.August 1916 erklärte Italien auch dem Deutschen Reich den Krieg. Am 4. Juni 1916 griff General Aleksei Alexejewitsch Brussilow (1853 – 1926) in Südwestrussland auf einer Breite von 250 Kilometern die deutsch-österreichischen Stellungen an (Brussilow-Offensive, Juni – Dezember 1916). Als es den Russen gelang, die rumänische Regierung zu zwingen, Österreich-Ungarn den Krieg zu erklären (27. August) und in Siebenbürgen einzugreifen, drohte die Doppelmonarchie vollends zusammenzubrechen. Deutschen Streitkräften gelang es noch einmal, die Lage zu stabilisieren. Gegen Ende des Jahres erlahmten die Aktionen der Russen, weil ihnen das Material ausging. Am 5. November 1916 proklamierten Kaiser Wilhelm II. und Kaiser Franz Joseph I. das Königreich Polen, das nach dem Krieg innerhalb noch festzulegender Grenzen die Souveränität übertragen bekommen sollte. Am 12. Dezember 1916 bot Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg der Entente im Namen der Mittelmächte förmlich Friedensverhandlungen an. US-Präsident Woodrow Wilson (1856 – 1924) war am 7. November wieder gewählt worden; und sowohl Wien als auch Berlin wollten einer von ihm nun erwarteten Friedensinitiative zuvorkommen. Das Deutsche Reich und seine Verbündeten schlugen den Gegnern vor, über einen Friedensvertrag zu verhandeln. Am 21. November 1916 war Kaiser Franz Joseph I. gestorben, und sein Großneffe, Kaiser Karl I., wollte den Krieg so rasch wie möglich beenden.
Die frühen Überlegungen zur Aufteilung des Osmanischen Reiches
In den Schützengräben an der Westfront wurde um jeden Quadratmeter gerungen, der Sieger stand noch nicht fest, aber die Niederlage der Achsenmächte begann sich langsam abzuzeichnen, als in den Regierungsbüros der militärischen Großmächte Großbritannien und Frankreich bereits um das riesige Areal der damaligen osmanischen Provinz Mesopotamien an den Flüssen Euphrat und Tigris geschachert wurde: Es war abzusehen, dass nicht nur Österreich-Ungarn ein Opfer der Kraft nationaler Autonomiekämpfe sein würde, auch das multiethnische und multireligiöse Osmanische Reich war bedroht. Das Osmanische Kalifat existierte noch, als es bereits als Beute aufgeteilt wurde, es reichte noch bis an den Suezkanal.
Aus den Archiven wurde bekannt, dass es während des Krieges eine sehr intensive Diskussion in der britischen Regierung gab, was im Hinblick auf das Osmanische Reich zu tun sei. Die Regierung setzte ein Komitee ein und dieses empfahl dringend, dieses Reich nach seiner Niederlage zu erhalten, weil alles andere verheerende Folgen haben und ernste Probleme im Nahen Osten auslösen würde. Diese weise Empfehlung wurde nicht akzeptiert. Offenbar traute man Konstantinopel nicht oder aber man versprach sich mehr Einfluss in der Region, wenn man eine radikale Neuordnung herbeiführe.
Über das Schicksal des Osmanischen Reiches wurde zwischen London und Paris, nicht auf den Schlachtfeldern entschieden. Dieses Konkurrenzstreben zwischen England und Frankreich begann bereits in den Jahren 1915 und 1916.
Das Sykes-Picot-Abkommen
Großbritannien und Frankreich – die beiden wichtigsten westeuropäischen Alliierten und die wichtigsten Großmächte jener Zeit erzielten eine Vereinbarung zwischen einem Engländer namens Sykes und einem Franzosen namens Picot über die Aufteilung der arabischen Provinzen des Osmanischen Reiches. Dies war die Grundlage – mit einigen Veränderungen – der Aufteilung des ‚Fruchtbaren Halbmonds‘. die nach 1918 zwischen Großbritannien und Frankreich in Form sogenannter Mandate vorgenommen wurde. Schon ab 1915 versuchten Großbritannien und Frankreich – damals Alliierte – die Spannungen zu mildern, die ihr rivalisierender Ehrgeiz erst geschaffen hatte.
Das Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 war eine geheime Übereinkunft zwischen den Regierungen Großbritanniens und Frankreichs, durch die deren koloniale Interessengebiete im Nahen Osten nach der – noch nicht erfolgten – Zerschlagung des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg festgelegt wurden.
In diesem geheimen Abkommen teilten sie das noch nicht eroberte Nah-Ost Imperium der Ottomanen unter sich durch eine diagonale Linie im Sand, die von der Mittelmeerküste bis in die Berge an der Grenze zu Persien lief. Die nördlichen Territorien sollten an Frankreich gehen, die Länder südlich davon an Großbritannien. Aber die beiden Mächte konnten keine Übereinstimmung zu Palästina finden. Es kam zu einem Kompromiss, der aber beiden missfiel, nämlich dass das Heilige Land einer internationalen Verwaltung unterstellt werden sollte.
Es war also ein Geheimabkommen und die Betroffenen, die arabische Bevölkerung der Region, erfuhr nichts davon. Deren Interessen waren Briten und Franzosen aber auch ziemlich gleichgültig. Das zeigt sich an der Nonchalance, mit der Sykes und Picot vorgingen: Der Brite zog eine Linie von Kirkuk (im heutigen Irak) nach Haifa im damaligen Palästina – nördlich davon sollte Frankreich das Sagen haben, südlich davon Großbritannien.
Der 1916 neu gewählte amerikanische Präsident Woodrow Wilson empfahl allen kriegführenden Parteien, doch von ihren imperialistischen Bestrebungen Abstand zu nehmen, die er für die Ursachen des Krieges verantwortlich machte. Daraufhin erhielt er von den Engländern und Franzosen die unaufrichtige Antwort, dass sie doch nicht für ihre eignen Interessen kämpften, sondern um die Unabhängigkeit der Völker und deren Rechte zu gewährleisten. Sie wollten doch nur diese Völker aus der blutigen Tyrannei der Türken befreien. Obwohl der von edler Gesinnung getragene Wilson noch keine Ahnung von dem Sykes-Picot-Abkommen hatte, betrachtete er die plötzliche Sinnesänderung der beiden mit großer Skepsis.
Vermutlich war es Zufall, dass Sykes ziemlich genau den Verlauf der späteren Ölpipeline aus dem Irak nach Haifa zeichnete. Öl spielte 1916 noch keine so große Rolle. Und es war auch mehr Zufall, dass Frankreich das Mandat für Palästina ablehnte und den Briten diese zweifelhafte Ehre zufiel. Im Gegensatz auch zu Europa, wo nationale Grenzen meist das Ergebnis Jahrhunderte langer Entwicklungen waren, wurden die künftigen Grenzen des Nahen und Mittleren Ostens mit einem Federstrich gezogen. Ohne Rücksicht auf die Menschen dort.
Das Sykes-Picot-Abkommen von 1916 ist für Islamisten eine Dauerkränkung durch den Westen.
(Fortsetzung folgt)