Syrien, der Westen und die Gefahr des Nichtstuns

Was kann man derzeit aus Syrien lernen: je länger ein Krieg dauert, desto blutiger wird er. Immer mehr Länder werden in den Strudel hineingezogen, und die Optionen, den Konflikt zu beenden oder zumindest einzudämmen, werden immer geringer.
Es zeigt sich, dass die Unentschlossenheit des Westens zu einem Vakuum geführt hat, das von gefährlichen Kräften besetzt wird: Dschihadisten, Schia-Milizen und ein gestärktes Russland.
In Syrien toben Kriege im Krieg: zuerst ein Aufstand gegen einen Diktator, ein Kampf zwischen Sunniten und Alawiten – die von ihren schiitischen Freunden unterstützt werden; Ein Kurdischer Kampf um ein eigenes Land, ein regionaler Krieg zwischen Saudi-Arabien und der Türkei – gegen den Iran. Dazu kam noch kürzlich eine Auseinandersetzung zwischen einem zögerlichen Amerika und einem wieder erstarkenden Russland.
In dieser blutigen Auseinandersetzung hat sich Vladimir Putin auf die Seite Assads und seiner schiitischen Achse gestellt. Seine Luftangriffe haben eine Wende auf dem Schlachtfeld gebracht. Pro-Assad-Kräfte haben einen lebenswichtigen Korridor zwischen Aleppo und der Türkei getrennt. Assads Truppen sind gerade dabei, die einst größte Stadt Syriens, das wunderbare Aleppo einzukesseln. Flüchtlinge drängen an die türkische Grenze und werden nicht eingelassen. Auf der diplomatischen Bühne diskutiert man über Waffenstillstände, humanitäre Hilfe und eine politische Regelung, dabei gibt aber nun Russland den Ton an. Denn Obama wünschte nur, dass sich Assad zurückziehen möge, ohne etwas dazu zu tun, um ihn hinauszuwerfen.
Die Türkei wird immer tiefer in diesen Sog gezogen. Systematisch werden nun syrische Kurden entlang der Grenze bombardiert. Sie wirft sie mit den türkischen Kurden in einen Topf, die sich neuerlich gegen die türkische Herrschaft erheben. Andererseits waren die Kurden die effektivsten Verbündeten der Amerikaner gegen das „Kaliphat“ des IS. Derzeit scheinen sie sich eher den Russen und Assad zu zu wenden, indem sie halfen den Korridor nach Aleppo zu trennen, um die kurdischen Enklaven entlang der türkischen Grenze zu verbinden.
Um die Türkei zu unterstützen hat nun Saudi Arabien seine Luftwaffe eingesetzt. Und es wird nun versucht, auch Ägypten, Marokko und Pakistan zu einer Unterstützung zu bringen. Wird Saudi Arabien jetzt Waffen an sunnitische Gruppen liefern, um damit die Lufthoheit der Russen zu neutralisieren – man ist an Afghanistan erinnert, als Stinger Raketen an die Mudschaheddin geliefert worden waren.
Kommt nach all den Unter- und Nebenkriegen der ganz große Krieg? Kann dieser durch den Konflikt Türkei – Russland ausgelöste werden? Im vergangenen November hat die Türkei einen russischen Jet abgeschossen. Russland sinnt auf Rache und nach einer Möglichkeit, den reizbaren türkischen Präsidenten von seinen Freunden in der NATO zu trennen.

Syrien stellt eine immer größer werdende Gefahr für den Westen dar. Wenn immer mehr Waffen an die verschiedenen Parteien – direkt oder indirekt geliefert werden, könnten Dschihadisten westliche Kampfflugzeuge abschießen. Die Regierungen in Jordanien oder dem Libanon könnten stürzen. Die Flut der der Flüchtlinge könnte die Europäische Union destabilisieren. Die NATO könnte in einen Krieg gegen Russland stolpern. Und Putin könnte versuchen, den Westen an anderen Fronten anzugreifen. Damit könnte er andere Autokraten inspirieren …

Der Westen muss versuchen, die Türken und Saudis zurückzuhalten: die Risiken eines Krieges mit Russland sind einfach zu hoch. Die Amerikaner sollten ihre türkischen und kurdischen Freunde überreden, miteinander auszukommen anstatt gegeneinander zu kämpfen. Die Amerikaner müssen einfach mehr für Syrien tun; Wenn es Assad und seinem Verbündeter Russland gelingt, den Krieg in die Alternativen „Asssad Regime“ oder IS zu bringen, wäre das eine Katastrophe. Viele Syrer sind Sunniten, und viele von ihnen werden Assad nie verzeihen. Wenn diese Menschen keine Perspektive in ihrem eigenen Land sehen, würden sie eher nach Europa ziehen oder sich dem IS in die Arme werfen.

Man fühlt sich hier recht hilflos.

Syrien, der Westen und die Gefahr des Nichtstuns

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