Das leidige Arbeitsleid

Ich finde, dass „arbeiten dürfen“ heutzutage ein Privileg ist.

Das Recht auf Arbeit ist das Recht, bei freier Berufswahl und Sicherung der menschlichen Würde arbeiten zu können. Dies beinhaltet keinen individuellen Anspruch auf einen Arbeitsplatz, sondern das Recht auf einen Schutz vor unverschuldeter Arbeitslosigkeit. Es geht zurück auf Charles Fourier, der es, in der Kritik der abstrakten Rechte der französischen Revolution, als erster artikuliert hatte.
Nach Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird es als elementares Menschenrecht betrachtet; diese Erklärung ist allerdings keine verbindliche Rechtsquelle ungleich Artikel 6 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und Artikel 1 der Europäischen Sozialcharta. Zusätzlich besteht für jede Person das gleiche Recht, bei gleicher Leistung den gleichen angemessenen Lohn bei angemessenen und befriedigenden Arbeitsbedingungen zu erhalten. Angemessen und befriedigend ist eine Entlohnung dann, wenn sie für eine menschenwürdige Existenz der Person und die ihrer Familie ausreichend ist. Zum Schutz und zur Durchsetzung dieser Rechte dient das Recht, Berufsvereinigungen zu bilden und ihnen beizutreten. Dies wird damit begründet, dass ein Mindestmaß an finanzieller Freiheit materielle Grundlage sei für zahlreiche andere Rechte und Freiheiten, die Geld oder irgendeine Art von Bezahlung oder Vergütung voraussetzen, beispielsweise Reisefreiheit oder Informationsfreiheit, das Recht auf Krankenversorgung und eine Wohnung.

Die Situation in Österreich

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 7).
Manche Menschen sind in Österreich gleicher als die anderen. Inländer zum Beispiel sind gleicher als „Fremde“. Darum steht auch in der Verfassung: „Alle Staatsbürger“ (und nicht: alle Menschen) sind vor dem Gesetz gleich…

„Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit.“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 23).
Das Recht, zu arbeiten, wird durch die Allgemeine Erklärung jedem Menschen garantiert: auch Asylwerbern, auch Fremden, jedem Menschen ohne Ansehen der Person. „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht auf Arbeit, welches das Recht jedes Einzelnen auf die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte oder angenommene Arbeit zu verdienen, umfasst, und unternehmen geeignete Schritte zum Schutze dieses Rechts.“ (Internationaler Pakt über wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte, Artikel 6).
Österreich hält diesen Pakt nicht ein. Hierzulande gilt das „Ausländerbeschäftigungsgesetz“. Fremde sind an Bewilligungen gebunden. Neu Gekommenen, Asylwerbern vor allem, wird der Zugang zum Arbeitsmarkt radikal verwehrt.

Es gibt endlose Debatten über das Frauenpensionsalter. Derzeit ist es noch niedriger als jenes der Männer, und die Anpassung lässt noch auf sich warten. Das allerdings führt auch zu Altersarmut von Frauen. Und manche Frauen würden sehr gerne länger arbeiten.

Aber all dem steht auch das Arbeitsleid entgegen!

Es äußert sich schon in Aussagen (auch in den Medien): der furchtbare Montag, an dem man wieder arbeiten gehen muss; das wunderbare Wochenende, das nicht und nicht kommen will; Urlaub scheint überhaupt die einzig lebenswerte Zeit zu sein. So wird den (jungen) Menschen eingegeben, dass Arbeit eigentlich Leid bedeutet. Aber ist Arbeit eigentlich „Leidenszeit“? Natürlich gibt es Jobs, besonders wenn eintönige geisttötende Arbeit verrichtet werden muss, die „Leiden“ verursachen. Aber ich meine, dass Arbeit ja auch Freude macht: Jeder (Handwerker) ist letztlich stolz auf sein Produkt. Aber auch die oft zitierte „Billa-Verkäuferin“ hat nachweislich Freude an ihrer Arbeit, an der positiven Zuwendung der Kunden.

Viele stellen erst nach ihrer Pensionierung fest, wie sehr ihnen „Arbeit“ und alles, was damit zusammenhängt, abgeht. Wenn sie kein erfüllendes Hobby haben (oder Freiwilligenarbeit leisten), kommen ihnen die Sozialkontakte, die sich aus der Arbeit ergeben haben, recht bald abhanden – sie trinken und rauchen dann vermehrt, und haben – statistisch nachgewiesen – eine verkürzte Lebenserwartung gegenüber den „Arbeitenden“. Vor allem in dieser Zeit gibt es die Möglichkeit, endlich das zu tun, was man sich schon immer gewünscht hat.

Wir „Abendländer“ des 21. Jahrhunderts kennen unser Arbeitsethos. Sowohl die Antike als auch das Mittelalter verfügten über ein grundlegend anderes Verhältnis gegenüber der Arbeit. Bei den alten Griechen war körperliche Arbeit verpönt und das hochgeschätzte Philosophieren setzte Muße voraus. Im Mittelalter wurde Arbeit bis zur Reformation als Mühsal, also als Strafe aufgefasst; Augustinus betont beispielsweise, im Paradies sei „lobenswerte Arbeit nicht mühselig“ gewesen, während die Strafe in der Hölle in ewiger Arbeit bestünde. Dann kam die protestantische Arbeitsethik auf: Arbeit als Pflicht, die man nicht in Frage stellen darf.

Wir müssen selbstverständlich den richtigen Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit finden, aber sie sollten uns bei gleich wert sein; und wir sollten endlich diesen Begriff des „Arbeitsleides“ aus unserem Vokabular verbannen.

Das leidige Arbeitsleid

wenn die Post „auslässt“

Heute wollte ich auf der Post eine Briefmarke kaufen. Wir haben ja, im Gegensatz zu früher, heute keine Briefmarken mehr zu Hause. Erstens schreiben wir selten Briefe, meist eben nur e-Mails, und außerdem ändern sich die Tarife so oft, dass es dann kompliziert ist, Zusatzmarken zu kaufen.

Die Post war offen, an der Tür standen einige Angestellte und teilten mir mit, dass die Filiale (BAWAG und Post) seit heute früh „off-line“ wäre, und daher „nichts mehr ginge“. Das heißt, ich konnte keine Briefmarke kaufen, die Kassen an den Schaltern waren nicht verfügbar, aber auch die Selbstbedienungsgeräte waren ausgefallen, man konnte keine Zahlscheine aufgeben, kein Geld abheben, keine Kontoauszüge drucken. Auch das Paketsystem war lahmgelegt.

Die Filiale war vor nicht allzu langer Zeit umgebaut worden und ist, im Gegensatz zu vielen anderen Zweigstellen, nicht geschlossen worden. Normalerweise ist sie ziemlich voll, in unserer Umgebung gibt es viele Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder, die ihre Post abholen und/oder verschicken wollen. Es kommen auch Ausländer, die ihre Postkarten aufgeben möchten.
Außerdem wurde reichlich in Funkionen investiert, die eigentlich mit Post und Bank nicht allzu viel zu tun haben. Die Postfiliale ersetzt eine Papierhandlung (die vorher noch bestehende ist jetzt auch eingegangen), es gibt auch sonst allerhand Krimskrams, das Leute einfach mitnehmen, wenn sie in einer Schlange stehen.

Der Filialleiter war ziemlich böse und murmelte: „zu Tode gespart; jetzt warten wir sei 3/4 sieben, da wurde das Gebrechen an den Helpdesk gemeldet, auf den Techniker“ (es war inzwischen 1/2 zwölf geworden). Ja, und sie wären die einzige Filiale, die nicht funktionierte.
Ich ging also wieder – ohne eine Briefmarke erstanden zu haben, so eilig ist der Brief nun auch wieder nicht.

Aber ich fing an nachzudenken, gibt es für einen solchen Fall keinen Plan B? Als ich noch beruflich mit der Entwicklung von Computerprogrammen zu tun hatte, also in der Steinzeit der Informationstechnologie, wurden immer Ausfallsszenarien entwickelt. Endlose Handbücher wurden verfasst, denn es galt: wenn eine Bank mehr als 3 Tage off line ist, dann ist sie pleite. Jedenfalls durften die Kunden nicht davon betroffen sein. Vielleicht war es damals einfacher, die meisten Angestellten kannten noch die Durchführungsmethoden „ohne Computer“. Es war nicht alles vernetzt, einzelne Teile konnten abgeschaltet werden, aber der Rest funktionierte noch.
Und dann dachte ich weiter, darüber was wohl die Ursache sein könnte. und was wohl geschähe, wenn das nicht nur eine Filiale beträfe – oder „nur“ die Post …

Ich glaube, wir sollten mehr in den Schutz unserer Einrichtungen, die rasche Wiederherstellbarkeit der Funkionen investieren und uns überlegen, wie manches doch auch „von Hand“ (Zettel und Bleistift) durchgeführt werden könnte, wenn die Computer „auslassen“.

wenn die Post „auslässt“

das Muslim Dilemma

Es ist wirklich schwierig, ein guter Muslim in Europa zu sein.

Einerseits werden sie von „den Einheimischen“ nach jedem Terroranschlag aufgefordert, diesen zu verdammen. Die meisten Muslime fürchten den Terror, sind gegen Anschläge, aber – andererseits: die Terroristen sind doch auch Muslime? Für manche (viele?) ist das ein Dilemma. Außerdem fürchten sie die Rache dieser terroristischen Vereinigungen. Denn deren Ziel ist es nicht nur, Europa in Angst und Schrecken zu versetzen, sondern auch dieses Europa noch weiter zu polarisieren, in der Hoffnung, dann die Muslime in Europa mir ihrer Hassbotschaft mobilisieren zu können.
Denn im Denken der Extremisten gibt es in der Welt nur zwei Gruppierungen: das Haus des Islams und das Haus des Krieges – Dar al Islam: das Kalifat – Dar al-Harb: die Ungläubigen, bzw. ihre militante Ausprägung: die Kreuzfahrerstaaten.
Muslime, die diese Dualität nicht akzeptieren, gehören in den Augen der Dschihadisten ausgelöscht. Genau so, wie die Revolutionäre des Arabischen Frühlings – also säkular denkende Muslime – in ihren Augen keine Daseinsberechtigung haben.

Während dieses Konzept des Haus des Islam/Haus des Krieges auf alte islamische Rechtsbegriffe zurück geht, ist es nirgends in Koran oder Sunna angesprochen. Kriegszüge gegen die Dar al-Harb werden aus traditioneller Sicht des Islam nicht als Kriege betrachtet und deshalb auch nicht als solche bezeichnet, sondern als „Öffnungen“. Nach traditioneller islamischer Auffassung kann es keinen Salam („Frieden“) mit der Dar al-Harb geben, sondern nur eine zeitlich begrenzte Hudna („Waffenstillstand“). Kriege gegen die Dar al-Harb werden als Dschihad bezeichnet

Aber spätestens seit der Entstehung des Islamischen Staates und des Kalifats gibt es für Muslime keine Ausrede mehr, nicht am Krieg gegen die Ungläubigen teilzunehmen. Damit werden seitens der Extremisten jene Muslime, die sich in dieser Polarisierung neutral verhalten und ihre Unabhängigkeit vom Dschihad bewahren wollen, als „Sünder“ gebrandmarkt. Denn wer sich als Muslim nicht im Sinne des IS verhält, muss als Abtrünniger seiner Religion gehandelt werden.

Daher zielen die Anschläge in Europa auch darauf, die hier lebenden Muslime zu veranlassen, sich für die dschihadistische Ideologie zu entscheiden. Und als Reaktion darauf – so hoffen diese Terroristen – würde Europa seine Muslime ausgrenzen; diese wären dann eher bereit, sich dem Dschihad anzuschließen. Das ist jedenfalls die Hoffnung der Dschihadisten: „wenn die Kreuzfahrer in den Ländern des Kreuzes die Muslime überwachen, verhaften und verhören, werden sie bald beginnen, sie zu deportieren, sie werden tot sein gefangen und ohne Heimat. Sie werden niemanden in Ruhe lassen, außer jene Muslime, die von ihrer Religion abtrünnig geworden sind und die ihrer folgen“.
Und wir diskutieren mit Muslimen über einen Euro-Islam, der mit Demokratie und Menschenrechten kompatibel wäre ….

Andererseits propagieren die rechtspopulistischen Bewegungen in Europa ebenfalls die „zwei-Lager-Theorie“: hier das Abendland, dort die Muslime. Und nach jedem Anschlag in Europa wird diskutiert wie sich dieser Kontinent schützen und verteidigen kann. Meist kommt es zu neuen Sicherheitsmaßnahmen.
Es wird nicht einfach, nicht für die Muslime, nicht für die Europäer. Aber keiner von uns beiden darf in die Falle tappen, die der IS für uns ausgelegt hat. Das beste Mittel ist: Ruhe bewahren, wachsam bleiben und eine tolerante Koexistenz weiterleben, die dem IS so ein Dorn im Auge ist.

das Muslim Dilemma

Wenn man solche Verbündete hat …

Jordanien und die Türkei sind Alliierte im Kampf gegen den Islamischen Staat und Assad.

Allerdings scheint man nicht immer einer Meinung zu sein: Der Jordanische König Abdullah II kritisierte die Türkei scharf, da sie die Unterwanderung Europas durch islamistische Terroristen zulässt und außerdem eine „radikal-islamische Lösung“ des Problems des Nahen Ostens anstrebt. Es wurde auch die Anklage erhoben, dass die Türkei dem islamischen Staat beim Export seines Erdöls unterstützt und außerdem die Europäische Flüchtlingskrise anheizt, um damit die Europäische Union unter Druck setzen zu können.
Die Tatsache, dass Terroristen nach Europa gelangen scheint Teil der türkischen Politik zu sein, meint man in Jordanien. Sucht Erdogan eine radikal-islamische Lösung für die Region? Die Türkei sieht eine „religiöse“ Lösung für Syrien, während Jordanien eine säkulare anstrebt.
Es wurde auch der Vorwurf erhoben, dass die Türkei nicht nur religiöse Gruppen in Syrien unterstützt, und ausländische Kämpferauf dem Weg nach Syrien durchlässt, sondern auch den islamistischen Kämpfer in Libyen und Somalia hilft. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass „Radikalisierung in der Türkei geschürt würde“. Ja, und warum bilden die Türken eigentlich die somalischen Armee aus?

Nach außen hin sind beide Länder der Meinung, dass es keine Probleme in den Beziehungen zwischen Türkei und Jordanien gäbe.

Türkische offizielle Stellen müssen sich laufend gegen derartige Vorwürfe wehren, sie sind ja auch bei uns nicht unbekannt, unbekannt ist eigentlich nur, dass sie von einem Verbündeten der Türkei im Kampf gegen Assad erhoben werden. Dagegen kann nur gehalten werden, dass das Land eine Serie grausamer Anschläge erleiden musste, sowohl von IS Anhängern, aber auch durch den derzeit stattfindenden kurdischen „Aufstand“. Dazu kommt, dass die Türkei eine sehr große Anzahl von Flüchtlingen seit 2011 aufgenommen hat, die aus Syrien geflohen sind. Das Flüchtlingsproblem ist allerdings in Jordanien proportional noch größer! Es gibt 2,7 Millionen Flüchtlinge bei 70 Millionen Einwohner in der Türkei und 636 000 Flüchtlinge bei ca. 10 Millionen Einwohnern in Jordanien. Dazu kommt, dass syrische Flüchtlinge laufend die Türkei verlassen um in die EU zu gelangen, und dass die Türkei große Zahlungen von der EU erwartet.

Die Gefahr sowohl seitens des Islamischen Staates also auch seitens Assad wird von beiden Ländern eher ähnlich eingeschätzt. Beide Länder haben den IS in Syrien bombardiert. Beide Länder haben die Gewalt Assads gegens eine eigene Bevölkerung verurteilt und zeigen sich über die russische Militärintervention beunruhigt.

Aber viele der Vorwürfe des Königs von Jordanien gleichen den Beschuldigungen, die Assad gegen die Türkei erhoben hat!

Wenn man solche Verbündete hat, dann braucht man keine Feinde!

Wenn man solche Verbündete hat …

Die toten Christen von Pakistan

Die Toten waren hauptsächlich Kinder und Frauen auf einem Spielplatz, wo man Ostern feierte. Im pakistanischen Lahore hat ein Selbstmordattentäter mindestens 70 Menschen getötet, davon auch mindestens 35 Kinder. Mehr als 340 Menschen wurden bei dem Terrorakt am Ostersonntag verletzt Angeblich haben die zuständigen Behörden in Lahore und in anderen Städten bereits Razzien durchgeführt und mutmaßliche Terroristen festgenommen sowie ein „riesiges Lager mit Waffen und Munition“ ausgehoben. Lahore ist mit 7.092.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Pakistans. Sie liegt in der Provinz Punjab nur wenige Kilometer von der Grenze zu Indien entfernt.
Als Täter konnte ein 28-jähriger Mann aus Süd-Punjab identifiziert werden. Angeblich war er Lehrer an einer Religionsschule. Rekrutiert hatte ihn die pakistanische Taliban-Gruppe Jamaat ul-Ahrar. Sie ist eine der aktivsten und brutalsten Extremistengruppierungen des Landes. Die sunnitischen Islamisten verüben landesweit Anschläge gegen den Staat, aber auch gegen Nicht-Muslime, etwa Christen. Als Grund für den Anschlag am Ostersonntag war, dass die Christen Ostern gefeiert hätten.

Die christliche Minderheit macht in Pakistan nur 1,6 Prozent der rund 200 Millionen Einwohner aus. Die Gesellschaft Pakistans wird aber zunehmend islamisiert, zahllose islamistischen Gruppen bilden sich. Politiker benutzen sie gerne für ihre eigenen Zwecke, denn damit kann man hunderttausende, meist junge Menschen mobilisieren und auf die Straße bringen – ein starkes politisches Werkzeug, mit dem sich politische Ziele kraftvoll durchsetzen lassen. Diese Macht zur Mobilisierung von Mobs haben Christen bereits mehrfach schmerzhaft erlebt. Verbotene extremistische Gruppierungen benennen sie sich einfach um, oft als Wohltätigkeitsorganisation getarnt, leisten für die Bevölkerung soziale Dienste und versprechen den Jugendlichen eine Perspektive, die sie so dringend brauchen. Der Großteil der Bevölkerung ist 24 Jahre oder jünger; da ein Drittel unter 14 Jahren alt ist, wird sich dieser Trend nicht so bald abschwächen und schafft riesige Herausforderungen. Mit 67,39 Jahren ist die Lebenserwartung nicht sehr hoch, wohl aber die Fruchtbarkeitsrate mit 2,75. Diese Strukturen führen dazu, dass große Mengen junger Menschen jedes Jahr die Schule verlassen, mit wenig Perspektiven für ihre Zukunft. Soziale Unruhen sind also absehbar. Dies spielt wiederum den extremistischen islamischen Gruppen in die Hände, die den Jugendlichen ein Gefühl von Wertschätzung vermitteln, das sie sonst nie hatten. Denn ein endloser Strom von Jugendlichen, die ihre Bildung in Koranschulen erhielten, strömt in die Gesellschaft. Wird jedoch die Lehre in den Medressen nicht kontrolliert, können extremistische Ideen in die Köpfe der Jugendlichen gepflanzt werden. Eines der wichtigsten Themen in Pakistan ist daher die Kontrolle der Medressen, von denen es schätzungsweise 35.000 im Land gibt und von denen 11.000 dem konservativen Deobandi-Islam folgen. Kinder und Jugendliche sind extremistischen Lehren ausgesetzt, die Hass gegen Minderheiten schüren. Viele Medressen erhalten Gelder aus dem Mittleren Osten, etwa aus Katar, Kuwait oder Saudi-Arabien. Allein schon der Versuch, die Medressen im Land auf einer Karte und einer Liste zu verzeichnen, wird als Angriff auf den Islam gewertet, von Überwachung und Steuerung gar nicht zu sprechen. Die Behörden wissen meist nicht, was hinter den Mauern der Koranschulen geschieht, Hassreden werden unbemerkt verbreitet. Religiöse Minderheiten, nicht nur Christen, sondern auch Hindus, erleiden wegen dieser Radikalisierung ebenfalls Verfolgung. Außerdem betroffen sind muslimische Minderheiten wie die Ahmadi oder Schiiten, die – weil sie nicht als wahre Muslime gelten – auch gewaltsame Verfolgung erleben. Sie werden als abtrünnige Sekten angesehen, was zur Rechtfertigung jeder Gewalt gegen sie genutzt wird.
Vom organisierten Verbrechen sind Christen auch deshalb betroffen, weil viele von ihnen arm und ohne Verteidigung sind. Der Mord an dem christlichen Ehepaar am 4. November 2014 wegen angeblicher Blasphemie zeigt dies. Sie arbeiteten in der dritten Generation in Schuldknechtschaft für den Ziegeleibesitzer. Arbeiter in dieser Lage sind völlig der Gnade des Arbeitgebers ausgeliefert. Da sie wegen horrender Zinsen ihre Schulden nie zurückzahlen können, gibt es auch keinen Ausweg. Sie können nicht gerichtlich dagegen vorgehen und bleiben so ohne Schutz und Perspektive. Denn die Korruption zieht sich in Pakistan durch alle Ebenen der Behörden und der Armee. Die Armee ist eng mit der Wirtschaft des Landes verflochten.

Die Zersplitterung der Gesellschaft, aber auch der Verwaltung des Landes, trägt außerdem zur schlechten Lage bei. Manche Regionen stehen außerhalb der Reichweite staatlichen Einflusses. Im Stil eines Fürsten herrschende Landbesitzer befehligen in den ländlichen Regionen von z.B. Punjab eigene Milizen, Gerichtshöfe und Gefängnisse. All das hat auch Auswirkungen auf die schutzlose christliche Minderheit. Die Rechtsprechung in den national verwalteten Stammesgebieten (FATA) ist eingeschränkt und ungerecht. In manchen Regionen scheint Pakistans Verfassung nicht zu gelten.

Pakistan ist eine Islamische Republik. Die jüngere Entwicklung der Islamisierung der Gesellschaft begann bereits in den 80er-Jahren, als General Zia 1986 die berüchtigten Blasphemiegesetze einführte. Bald wurde das zur Bedrohung für die christliche Minderheit. Diese Blasphemiegesetze werden missbraucht, um persönliche Streitigkeiten auszutragen, sich zu bereichern oder dem Nachbarn etwas heimzuzahlen. Aber sie werden auch politisch instrumentalisiert und haben symbolische Bedeutung für extremistische islamische Gruppierungen.

Alle Versammlungen – also auch die der Christen –unterliegen stärkeren Einschränkungen. Die Christen dürfen wohl am Sonntag Gottesdienst feiern, doch Treffen darüber hinaus sollten sie unterlassen, um „terroristische Akte“ zu vermeiden. Diese Formulierung wird inzwischen dankbar von lokalen Behörden aufgegriffen, um christliche Aktivitäten insgesamt zu verhindern.
Schätzungsweise 700 christliche Mädchen und Frauen werden jedes Jahr entführt, oft auch vergewaltigt und dann mit Muslimen zwangsverheiratet. Dazu gehört immer auch die Zwangsbekehrung zum Islam. Christen werden hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge diskriminiert. Diese erhalten nur Personen, die islamische Steuern entrichten; Christen sind also ausgeschlossen. Christliche Kinder werden in der Schule zur Teilnahme an religiösen islamischen Handlungen und Festen gezwungen. Sie werden beständig aufgefordert, Muslime zu werden, und Eltern werden oft besucht und dazu angehalten, ihre Kinder zu islamischen Veranstaltungen zu schicken und sie Arabisch lernen zu lassen.

Die Zukunft der Christen sieht nicht gerade rosig aus: Erwartet wird ein Machtkampf zwischen den Taliban und dem „Islamischen Staat“ (IS), der den Druck auf beide Gruppen erhöhen wird, mehr Anhänger zu generieren. Dies bedeutet, dass sie sich als „islamischer“ erweisen als die andere Gruppe und einen noch „echteren“ Islam vertreten müssen. Dazu gehören Attacken auf „Dhimmis“, Schutzbefohlene, die als Ungläubige Kopfsteuer zahlen und als die Schwächsten in der „rein islamischen“ Lehre gelten. Noch radikaler aufzutreten heißt auch, die Christen stärker zu verfolgen und ihre Rechte und ihren Bewegungsspielraum noch weiter einzuschränken. Dies schürt den Hass und Argwohn weiter Teile der Gesellschaft gegen die Kirche – vorhanden sind beide schon lange.

Die toten Christen von Pakistan

Belgien und Europa

Wenn Sie mich fragen, (wenn Sie mich aber nicht fragen wollen, dann brauchen Sie gar nicht weiter zu lesen) dann ist es recht unfair, wie derzeit über die belgischen Behörden hergezogen wird. Denn hinterher sind wir immer alle gescheiter.

Es wird ihnen vorgeworfen, dass sie Hinweise aus der Türkei nicht beachtet haben. Aber wissen wir, wie viele Hinweise von der Türkei (oder anderen Staaten) kommen, denen dann doch aus Personalmangel nicht nachgegangen werden kann? Und wie viele Hinweise kommen denn an die anderen Länder, wird da jedem einzelnen Hinweis nachgegangen?
Es wird ihnen vorgeworfen, dass Informationen zwischen den einzelnen Behörden nicht rasch genug weitergegeben wurden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das in anderen Bürokratien nicht vorkommt.
Es wird ihnen vorgeworfen, nach den Pariser Attentaten nicht „durchgegriffen“ zu haben, die Drahtzieher von Paris nicht rechtzeitig festgesetzt zu haben. Ich bin nicht ganz sicher, ob sie dieses große Netzwerk schon anfänglich erkannt haben, und außerdem scheint es mir gefährlich, durch Verhaftungen ganze „Stadtviertel“ aufzuhetzen.
Wie man heute weiß, wurde in Belgien vom IS ein Wissenschaftler ausgespäht, mit dessen Wissen eine schmutzige Bombe, oder eine Atombombe, hätte gebaut werden können. Und dann hat sich außerdem einer ihrer Anhänger als Mitarbeiter bis in den innersten Sicherheitsbereich eines Atomkraftwerks einschleichen können.

Ja, selbst der belgische Justizminister hat eingestanden, dass seine Behörden Informationen „nicht schnell genug“ weitergegeben haben. Die Türkei hatte Belgien nach eigenen Angaben schon 2015 vor einem der Attentäter gewarnt. Belgiens Innenminister Jan Jambon und Justizminister Koen Geens haben Medienberichten zufolge wegen der Anschläge in Brüssel ihren Rücktritt angeboten. Ministerpräsident Charles Michel lehne sie aber ab.
Das betraf aber nur Belgien!

Wie sieht es auf Europäischer Ebene aus? Sind die Sicherheitsbehörden in Europa beim Austausch von Informationen kooperativ genug? Denn viele nationale Behörden wollen nicht mit allen anderen ihre Informationen teilen. Kann man diese Mentalität ändern? Denn es bestehen selbstverständlich „Kooperationen“ zwischen den Staatsschutzbehörden. Man denke nur an den Inhalt der Snowden Papiere. Die USA teilt die Welt in verschiedene „Klassen“ von Verbündeten, mit denen sie mehr oder weniger Informationen teilt. Schon aus diesem Grund allein gibt es Limits der Weitergabe.
Dazu kommen noch erhebliche technische Probleme, jedes Land hat sein eigenes System – auch sein eigenes Computersystem – entwickelt, für eine effiziente Weitergabe müssten eventuell sogar Systeme angepasst werden, und das ginge dann wirklich gar nicht so schnell.
Eine gemeinsame Informationsdatenbank wird vorgeschlagen, auch ein Büro für die Koordination der Staatssicherheitsdienste könnte eingerichtet werden. Denn die europäische Zusammenarbeit auf dem polizeilichen Sektor funktioniert sehr gut.

Europol koordiniert die Arbeit der nationalen Polizeibehörden Europas im Bereich der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität (OK) und fördert den Informationsaustausch zwischen den nationalen Polizeibehörden. Der Grundgedanke von Europol ist die Zusammenführung von bi- und multilateralen Übereinkommen wie TREVI (französisch Terrorisme, Radicalisme, Extremisme et Violence Internationale), Schengener Abkommen und der EDU (European Drug Unit). Arbeitsbereiche sind unter anderem die Terrorismusbekämpfung, die Bekämpfung und Prävention des illegalen Waffenhandels, des Drogenhandels, der Kinderpornografie und der Geldwäsche.
Seit 1. Januar 2010 ist Europol eine Agentur der Europäischen Union, wie OLAF (Europäische Amt für Betrugsbekämpfung), CEPOL (Europäische Polizeiakademie) und Eurojust (Einheit für justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union). Die Anbindung an die nationalen Strafverfolgungsbehörden erfolgt durch Verbindungsbeamte (sog. „ELOS“ – Europol-Liaison Officers). Über diese Verbindungsbeamten wird Dienst- und Rechtsaufsicht durch die jeweiligen Justiz- und Innenminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgeübt. Europol hat ihren Sitz in Den Haag. Die Zweigstellen von Europol finden sich mittlerweile in jedem EU-Mitgliedsstaat. Neben einigen Ausnahmen kann Europol grundsätzlich dann ermitteln, wenn Verbrechen in mindestens zwei EU-Mitgliedsstaaten verübt wurden und zum Zuständigkeitskatalog der EU gehören. Seit 2007 existiert das First Response Network (FRN), ein maßgeblich durch Europol erstelltes Programm der EU zur Reaktion auf mögliche Terrorangriffe. Die Umsetzung der entworfenen Szenarien kann von einem betroffenen Staat eingefordert werden. Bisher blieb es inaktiv und dient daher als Trainingsprogramm.

Auch das zeigt: Europa reagiert „bei Bedarf“, nicht immer schnell, denn noch immer haben die derzeit 28 das Sagen, und dieser Abstimmprozess ist, wie es heute in der Jugendsprache heißt: „zach“.

Wünschen wir uns, dass die europäische Zusammenarbeit auf dem Terrorismussektor bald und effektiv funktionieren wird!

Wünschen wird man sich ja noch etwas dürfen!

Belgien und Europa

Über den Steinzeitislam

Von manchen wird er „Steinzeitislam“ genannt, jener „Islam“, der von den Dschihadisten wie den Mitglieder von Al Qaida oder Advokaten des so genannten Islamischen Staates oder Kalifates gelebt wird. Sichtbar gemacht werden die Methoden des Steinzeitislam bei der Bestrafung von „Ungläubigen“, zu denen alle gehören, die nicht den Glauben dieser Dschihadisten teilen.
Der Glauben dieser Gotteskrieger beruht auf den Aussagen von Predigern. Sie selbst haben sich kaum mit Koran oder Sunna, bzw. dem Leben des Propheten beschäftigt. Und diese Prediger verbreiten den Salafismus oder den Wahhabismus.

Wahhabiten/Saudi Arabien

Als Wahhabiten werden die Anhänger einer puristisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islams bezeichnet. Die Bewegung gründet sich auf die Lehren Muhammad ibn Abd al-Wahhabs (* 1702/3 † 1792). Die Wahhabiten nehmen für sich in Anspruch, als einzige heute die islamische Lehre authentisch zu vertreten. Glaubensauffassungen, die mit dem Wahhabismus nicht vereinbar sind, werden von ihnen als unislamisch deklariert. Die meisten Wahhabiten leben heute in Saudi-Arabien, wo ihre Lehre staatliche Förderung genießt und durch die Islamische Weltliga global verbreitet werden soll. Die Bezeichnung „Wahhabiten“ wird nur von Gegnern dieser Gruppierung verwendet. Sie selbst bezeichnen sich als Salafis oder einfach als „Sunniten. Kennzeichnend für den Einfluss der Wahhabiten sind unter anderem folgende Praktiken im öffentlichen Leben: Verbot des Autofahrens für Frauen; Verbot für Frauen, sich in der Öffentlichkeit mit fremden Männern zu zeigen; Öffentliche Scharia-Strafen wie Hinrichtungen und Auspeitschungen; Verbot der freien Religionsausübung; Lange Zeit waren Musik und Fernsehen uneingeschränkt verboten.
In seinem Herrschaftsgebiet führte auch der Islamische Staat einen auf der Scharia und dem Wahhabismus basierenden 16-Punkte-Katalog ein, der das öffentliche und private Leben massiv normiert und einschränkt. Demnach sind der Konsum und Verkauf von Alkohol, Tabakwaren und anderen Drogen ebenso untersagt wie das Abhalten von Versammlungen, „Götzen-Bildnisse“ und Schreine. Das Rasieren und Trimmen des Bartes ist verboten. Frauen müssen „züchtig-bedeckende Kleidung“ tragen, Verlautbarungen in Moscheen unterliegen der Zensur. Im Juni 2015 wurde das im Nahen Osten beliebte Taubenzüchten verboten, weil es die Muslime vom Beten abhalte und der Anblick von Taubengenitalien ihre Sittlichkeit verletzte. Bereits vor dem Verbot wurden drei Männer wegen Taubenzüchtens hingerichtet.
Saudi-Arabien ist an der Verbreitung des Wahhabismus sehr interessiert und unterstützt dies durch den Bau repräsentativer Moscheen und Entsendung wahhabitischer Prediger. Es sei in diesem Zusammenhang auch an das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog, mit Sitz in Wien erinnert, eine staatenübergreifende Organisation, die im Oktober 2011 von Saudi-Arabien, Österreich und Spanien gegründet wurde.

Salafismus

Der Begriff Salafiyya kann frei als „die Orientierung an den frommen Altvorderen“ wiedergegeben werden. Zu verschiedenen Zeiten haben sich Bewegungen herausgebildet, deren Verständnis des Islam sich an der Frühzeit der Religion orientiert und das daher von ihren Anhängern als unverfälscht angesehen wird. Je nach Kontext waren diese radikalen Strömungen unterschiedlich geprägt und hatten unterschiedliche Forderungen. Gemeinsam ist ihnen jedoch ein Fundamentalismus, da viele Jahrhunderte theologischer Entwicklung ignoriert werden, um direkt zu den Quellen Koran und Sunna zurückzugehen. Im Alltagsgebrauch wird damit die „Rückwärtsgewandheit“ von Muslimen bezeichnet, die versuchen, die Sitten und Gebräuche des 7. Jahrhunderts als Tradition in der modernen Welt zu leben. Die ehrwürdigen, rechtschaffenen Vorfahren sind die ersten drei Generationen von Muslimen. Diese standen entweder in unmittelbarem Kontakt mit dem Propheten Mohammed und waren dessen Anhänger, oder sie kannten seine Nachfolger.
Warum haben sich so viele Muslime dem Salafismus zugewendet? Nachdem der Kolonialismus endlich überwunden schien, versuchten die verschiedenen Machthaber in muslimischen Staaten nationale Ausrichtungen – sogar (nicht lange funktionierende) Zusammenschlüsse, Ägypten und Syrien: Vereinigte Arabische Republik, später sozialistische Wege, die ebenfalls nicht zum gewünschten Erfolg führten. Es folgten zumeist Militärputsche und Diktaturen.
Dazu kamen die Kriege gegen Israel, in denen die Araber allesamt besiegt wurden. Das hat am Selbstbewusstsein der Menschen gekratzt und sie nach Lösungen dagegen suchen lassen. Man besann sich seiner glorreichen, erfolgreichen Vergangenheit, des Siegeszuges gegen die Christenheit und die Perser unter dem Propheten und seinen Nachfolgern – darin sah man nun das Modell, das endlich zu einem islamischen, arabischen Sieg führen könnte. Nach dem Aufkommen der Islamischen Revolution im Iran 1979 erfuhren religiöse muslimische Strömungen in den arabischen Staaten zusätzlich einen enormen Auftrieb, im Zuge dessen sich auch eine Salafiyya-Bewegung wieder neu formierte.
Die damit emporgekommene heutige Salafiyya ist zweigeteilt in einen konservativen Teil sowie einen dschihadistischen Flügel. Der dschihadistische Salafismus ist militant.
Durch Rückbesinnung auf ursprüngliche Werte soll den Muslimen die verlorengegangene zivilisatorische Vorreiterrolle wieder verschafft werden. Damit wird die heutige Welt insgesamt als feindlich betrachtet. Jedenfalls gilt die Salafiyya als die am schnellsten wachsende radikale Strömung des Islams. Es handelt sich um eine entterritorialisierte Bewegung, die losgelöst von jeder kulturellen „Verunreinigung“ die „wahre“ Religion praktizieren möchte.
Z.B. gehörten die islamistischen Terroristen des 11. September 2001 der salafistischen Strömung an. In Deutschland folgt eine Minderheit der Salafisten einer gewaltbereiten dschihadistischen Ideologie, die laut deutschem Verfassungsschutz mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar ist, weil die Salafisten den Koran über alle weltlichen Gesetze stellen. Ziel von Salafisten ist die vollständige Umgestaltung von Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als „gottgewollte“ Ordnung angesehen wird. Es soll ein islamischer „Gottesstaat“ errichtet werden, in dem wesentliche, in westlichen Demokratien garantierte Grundrechte und Verfassungspositionen keine Geltung haben dürfen.
Salafistische Propagandaaktivitäten finden sowohl im Internet als auch in der Realwelt statt. Salafisten geben ihren Propagandaaktivitäten den Schein einer legitimen Religionsausübung und bezeichnen sie verharmlosend als „Missionierung“ oder „Einladung zum Islam“. Es handelt sich in Wahrheit jedoch um eine systematische Indoktrinierung, die oft den Beginn einer weitergehenden Radikalisierung darstellt.
Salafistische Ideologieinhalte werden durch eine Vielzahl von Webseiten sowie durch zahlreiche Kurzvideos vermittelt. Gerade hier werden junge Menschen als Adressaten erreicht. Durch Chats, Foren und soziale Netzwerke erfolgt zugleich auch eine Vernetzung der Szene. Das Internet dient somit nicht nur als Mittel zur Verbreitung salafistischer Propaganda, sondern auch als zentrale Kommunikationsplattform der Akteure.
Neben der Verbreitung salafistischen Gedankenguts über das Internet treten Salafisten in den letzten Jahren vermehrt auch mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen „auf der Straße“ in Erscheinung. Propagandaaktivitäten wie Open-Air-Veranstaltungen in Innenstädten. „Infostände“ haben großen Zulauf unter (muslimischen) Jugendlichen.
Salafistische Bestrebungen bieten ein Orientierung und Sicherheit gebendes (einfaches) ideologisches Sinn- und Regelsystem, die vollständige Integration in eine Gruppe von „Rechtgläubigen“ sowie ein auch öffentlich dargebotenes Leben in Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft. Die salafistische Ideologie vermittelt ihren Anhängern das Bewusstsein, Angehörige einer gesellschaftlichen und moralischen Elite zu sein. Salafisten fühlen sich ihrer Umwelt, die sie als verdorben betrachten, moralisch überlegen und werten andere Lebensentwürfe ab.
Die Dynamik salafistischer Bestrebungen wird sich wohl bis auf Weiteres fortsetzen, entsprechend ist kurz- und mittelfristig mit weiter steigenden Anhängerzahlen zu rechnen. Dies gilt auch für den Zulauf von Personen aus anderen islamistischen Organisationen. Dabei ist der Einfluss salafistischer Propaganda grundsätzlich geeignet, Radikalisierungsverläufe zu beschleunigen.

Über den Steinzeitislam

Vor den US-November Wahlen

Neulich wurde ich gefragt, ob Wahlmänner auch Frauen sein können. Vorweg habe ich versucht zu klären, wie Wahlmänner überhaupt in den USA genannt werden: elector, electoral delegate oder presidential elector.

Da mir das Prozedere dieser US Vorwahlen sehr verwirrend erscheint, habe ich im Internet Antworten gesucht. Zwar können wir Europäer weder bei den Vorwahlen noch bei den Wahlen des Präsidenten der USA mitstimmen, sind aber doch stark davon betroffen – noch immer! Diesmal hege ich besondere Befürchtungen: die Äußerungen des Donald Trump sind für mich weit entfernt, vertrauenserweckend zu sein.

Vorwahlen gehören zur politischen Tradition in den USA. Es wird als besonders demokratisches Element der Politik betrachtet, da auch die Parteispitzen einen relativ geringen Einfluss auf die Kandidatenauswahl haben.

Also so funktionieren Vorwahlen: Vorwahlen (englisch primary elections) und Caucuses, sind ein Teil des Verfahrens zur Nominierung der US-Präsidentschaftskandidaten. Das Verfahren ist nicht in der Verfassung der Vereinigten Staaten geregelt, sondern im Lauf der Zeit von den politischen Parteien geschaffen worden. Einige Bundesstaaten halten nur Vorwahlen ab, einige nur Caucuses, andere verwenden eine Kombination beider Verfahren.
Vorwahlen- primaries – finden öfter statt als Caucuses. Primaries sind geheime Wahlen auf Ebene der Bundessaaten. In open primaries kann jeder mitwählen, bei closed primaries nur registrierte Wähler der jeweiligen Partei. Das Caucus Verfahren ist ein Wählertreffen auf kommunaler Ebene, am Ende langer Debatten bekennen sich Caucus Teilnehmer in offener Abstimmung zu ihrem Kandidaten.
Die Vorwahlen werden von den staatlichen oder örtlichen Behörden organisiert, während Caucuses private Veranstaltungen der jeweiligen Parteien sind. Eine Vorwahl oder ein Caucus in einem Bundesstaat ist meist eine indirekte Wahl, bei der die Wähler nicht den Präsidentschaftskandidaten selbst wählen, sondern bestimmen, welche Delegierte aus ihrem Bundesstaat zum Nominierungsparteitag (national convention) ihrer Partei entsandt werden. Diese Delegierten wählen dann den Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei.
Bei den Vorwahlen werden die Kandidaten nicht direkt gewählt, sondern Delegierte, die später auf den Parteitagen für einen Kandidaten stimmen. Je bevölkerungsreicher ein Bundesstaat, desto mehr Delegierte kann er entsenden. Die Demokraten verteilen ihre Delegierten pro Staat nach dem Proporzsystem, bei den Republikanern dominierte lange das „the winner takes it all“ – Prinzip, doch eigentlich steht es den Staaten offen, welches System sie anwenden.
Die Delegationen, die zu den Parteitagen der Demokraten bzw. Republikaner entsandt werden, enthalten zusätzlich zu den in den Vorwahlen und Caucuses bestimmten Delegierten weitere ungebundene Delegierte (unpledged delegates), meist frühere oder gegenwärtige Inhaber hoher Ämter oder Parteiführer, die ihre Stimme für einen Kandidaten ihrer Wahl abgeben können.
Das Endergebnis muss jedoch nicht unbedingt repräsentativ für die Gesamtheit der US-Wähler sein.

Die beiden großen politischen Parteien der Vereinigten Staaten – die Demokratische Partei und die Republikanische Partei – nominieren ihren Präsidentschaftskandidaten offiziell auf ihrem jeweiligen Nominierungsparteitag. An jedem dieser Parteitage nimmt eine bestimmte Zahl von Delegierten teil, die entsprechend der Satzung und den sonstigen Regularien der Partei ernannt wurden. Für die Nominierung eines Kandidaten reicht dann die einfache Parteitagsmehrheit. Ein Demokrat benötigt 2383 von 4764 Delegierten, ein Republikaner 1237 von 2472.
Während eines Vorwahlkampfes scheiden oft nach und nach einzelne Bewerber aus. Auch hier gibt es unterschiedliche Regelungen: Bei den Republikanern ist es in unterschiedlichen Staaten unterschiedlich geregelt. Manche Delegierte sind dann nur so lange an ihren Kandidaten gebunden, bis dieser aufgibt oder die Delegierten „entbindet“. Manchmal gibt der Kandidat auch eine Empfehlung ab, aber daran müssen sich Kandidaten nicht unbedingt halten. Bei den Demokraten ist ein sehr großer Teil der Delegierten – die Superdelegierten – nicht an einen Kandidaten gebunden. Auch die so genannten gebundene Delegierten (pledged delegates) dürfen einen anderen Bewerber wählen, sollte ihr Kandidat aus dem Rennen ausscheiden.
Wenn keiner der Kandidaten eine Mehrheit der Delegierten hinter sich hat, kommt es zu einer Brokered Convention mit mehreren Wahlgängen. In den letzten Wahlen war aber bereits lange vor dem Parteitag bekannt, wer dort zum Präsidentschaftskandidaten gewählt werden würde. Das letzte Mal, dass der Kandidat vor dem Parteitag noch nicht feststand, war 1976, als Ronald Reagan knapp von dem amtierenden Präsidenten Gerald Ford geschlagen wurde.
Vereint etwa bei den Republikanern kein Kandidat bei der ersten Abstimmung genügend Delegierte auf sich, muss laut Statut so lange gewählt werden, bis einer der Kandidaten die absolute Mehrheit hat. Dabei ist es letztlich möglich, dass die Wahl schließlich auch auf einen Bewerber fällt, der zu Beginn nur sehr wenige Stimmen gewinnen konnte oder sogar als Kompromisskandidat ins Rennen geht.
Die jeweiligen Parteitage sind eigentlich ein Riesenspektakel, sie werden von den Kommentatoren oft auch als Krönungsmessen bezeichnet: Wer Kandidat wird, wird meist schon vorher entschieden und von den Delegierten dann förmlich abgesegnet. Auch der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten wird auf den Parteitagen nominiert. Wichtig ist neben der „acceptance speech“ der Kandidaten auch die so genannte keynote speech eines wichtigen Unterstützers oder prominenten Förderers

Der Nominierungsparteitag der Republikaner findet vom 18. bis zum 21. Juli statt, jener der Demokraten eine Woche später.

Und wer wird das Rennen machen? Am 8. November 2016 findet die Präsidentschaftswahl statt.

Vor den US-November Wahlen

22/03

Woher kommt dieser Hass? Warum werden derartige Anschläge verübt? Was ist das eigentliche Ziel?

Will der Attentäter direkt ins Paradies zu den 72 Jungfrauen? Soll damit „Rache“ geübt werden, für die Zustände in der arabischen Welt? Soll damit Europa in Angst und Schrecken versetzt werden? Soll Europa destabilisiert werden?

Eines ist jedenfalls sicher: solche Anschläge nützen eher den Flüchtlingsgegnern. Dabei ist es für die Flüchtlinge ohnedies schon schwierig genug. Denn derzeit sitzen viele fest: jene, aus dem ehemaligen „sogenannten Dschungel“ in Calais, die gerne nach England gelangen möchten und denen es mit viel Aufwand verwehrt wird. Frankreich bietet ihnen Asyl, aber ihre Freunde und Familien sind in Großbritannien und sie können kein Französisch, dafür aber Englisch. Der Dschungel wird nach und nach aufgelöst.
Aber an der Französischen Mittelmeergrenze bei Menton/Ventimiglia werden von der französischen Polizei Flüchtlinge daran gehindert, nach Frankreich einzureisen. Die Menschen kampieren weiterhin am Strand.
In Idomeni an der griechisch mazedonisch-griechischen Grenze sitzen weiterhin 12 -14 000 Flüchtlinge in Zelten fest. Trotz schlechten Wetters und schlammigen Bodens geben sie die Hoffnung nicht auf, dass sich die Grenze auch für sie wieder öffnet und sie nach Deutschland, Schweden oder Österreich weiterreisen können.
Und es gibt noch sehr viele Menschen, die noch immer versuchen, die griechischen Inseln rechtzeitig zu erreichen, um nicht unter jene Gruppe zu fallen, die nach den neuesten Vereinbarungen in die Türkei zurück geschickt wird. Gestern allein sind 1600 Flüchtlinge aus der Türkei in Griechenland angekommen.

Ist dieser Deal ausreichend? Was ist denn mit den Flüchtlingen in den riesigen Lagern in Jordanien, oder überall in Libanon? Und vor allem – Libyen ist ein zerfallender Staat! Mit dem kann man keinen Deal machen und Flüchtlinge kann man dorthin auch nicht zurückschicken!
Europa hat zwar einstimmig diesen Deal mit der Türkei beschlossen, aber wird es auch entsprechend solidarisch agieren? Wird ausreichend qualifiziertes Personal nach Griechenland geschickt werden? Ich sehe ja dort ohnedies riesige Probleme allein durch die Sprachunterschiede und die verschiedenen „Bürokratismus-Kulturen“ der europäischen Länder. Ist Frontex diesen Aufgaben überhaupt rechtzeitig gewachsen Frontex fordert 1.500 Polizisten für den Flüchtlingsdeal. Österreich hat angeboten, zwischenzeitlich auszuhelfen.

FRONTEX: Die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ist eine Gemeinschaftsagentur der Europäischen Union mit Sitz in Warschau. Sie ist zuständig für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der Europäischen Union. Frontex wurde im Jahr 2004 errichtet. Eine Veränderung fand im Jahr 2011 statt. In seiner Rede zur Lage der Union 2015 sprach sich Kommissionspräsident Juncker dafür aus, Frontex zu einem „operationellen Grenz- und Küstenwachsystem“ auszubauen. Bis Ende 2015 sollten von der Kommission dafür „ehrgeizige Pläne“ zu diesem Ausbau vorgelegt werden.
Für Einsätze setzt die Agentur auf das Konzept sogenannter Rapid Border Intervention Teams (RABIT), Einheiten, die in Ausnahmesituationen und dringenden Fällen für einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden. Die hierfür benötigte technische Ausrüstung wird bei Bedarf über einen extra hierfür geschaffenen Katalog, den Centralised Record of Available Technical Equipment (CRATE) bereitgestellt.
Das Frontex-Budget setzt sich aus Beiträgen der Schengen-Mitgliedstaaten sowie in einzelnen Jahren Beiträgen Norwegens, Islands, Irlands und dem Vereinigten Königreich zusammen.

Selbst wenn die Außengrenzen geschützt sind. sind wir von einer fairen, solidarischen Flüchtlingsverteilung in Europa noch sehr weit entfernt. Es fehlt noch immer an einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingsstrategie. ….

Jammern nützt nichts, was ist kurzfristig, was ist langfristig zu tun? Wahrscheinlich sind noch schärfere Kontrollen an neuralgischen Stellen in Städten erforderlich. Möglicherweise würde verstärkte Überwachung von potentiellen Tätergruppen helfen, aber dazu wären V-Leute erforderlich, die ja im Grunde keiner wollte (bisher). Sollte eine weiter ausgebaute Video-Überwachung von neuralgischen Stelle etabliert werden, um möglicherweise flüchtende Komplizen hinterher ausfindig machen zu können? Aber Videoüberwachung beschränkt ja individuelle Rechte… Vielleicht müssen wir alle über unseren Schatten springen, und all die mögliche Überwachung zu zulassen.(Sicherlich – hoffentlich – werden wir alle wieder nach einer Pause bei den Anschlägen die verstärkte Überwachung beklagen!)
Wahrscheinlich müssen aus den Kriegen im Nahen Osten zurückkehrende Kämpfer noch schärfer überwacht werden – das alles kostet aber Geld, das wir bisher nicht bereit waren, dafür aufzuwenden.

Vielleicht könnte man die muslimische Gemeinden aufrufen, um endlich klarzustellen, dass Mord- und Selbstmord auch im Islam verboten sind. Ich weiß nicht, ob sich noch immer so viele Muslime in die Luft sprengen würden, wenn sie wüssten, dass keine 72 Jungfrauen auf sie im Paradies warten … Und nicht nur das: Vielleicht sollten muslimische Geistliche von Rang (z.B. jene der Ahzar Universität, Kairo) den Steinzeitislam des IS als nicht jenen deklarieren, den Mohammed verkündet hat.

Und auch wir werden „Integrationsarbeit“ leisten müssen, nicht nur Integration von den „anderen“ fordern. Also: Toleranz dem friedlichen Islam gegenüber leben, den kulturellen Hintergrund verstehen, …

Ein Problem, das wir in Österreich noch nicht haben, sind Ghettos, in denen nur Randgruppen zusammenleben. Diese Ghettos müssen unbedingt aufgelöst werden, den dort lebenden Jugendlichen müssen Bildungsinstitute offen stehen, es muss dafür gesorgt werden, dass die Menschen aus diesen Ghettos auch Arbeit finden können. Es ist schon klar, das ist eine Herkulesaufgabe, aber ohne diese Bereinigung muss man weiterhin mit Hass auf die westliche säkularisierte Gesellschaft rechnen.

Und vielleicht sollte dafür Sorge getragen werden, dass nicht laufend aus Europa Waffen in Kriegsgebiete geliefert werden.

Ich fühle mich als Europäerin. Dieser Anschlag heute hat Europa gegolten – also auch mir!

22/03

Wo Krokodile Menschen fressen:

Die vergessenen Bürgerkriege: z.B. der Südsudan

Man kann ja nicht aufhören, Zeitungen zu lesen, um dem Grauen zu entgehen:Da ist die Situation im Südsudan, die Kämpfe dort finden komplett unter unserer Wahrnehmungsschwelle statt, übrigens wie auch jene im Jemen. Aber hier geht es um den Südsudan.

Der Südsudan ist der zuletzt gegründete Staat: Er erlangte am 9. Juli 2011 die Unabhängigkeit vom Sudan; zuvor war das Gebiet von 1972 bis 1983 und erneut von 2005 bis 2011 eine autonome Region innerhalb des Sudans. Die Grenze ist allerdings nicht markiert, und es gibt Grenzregionen mit Weideland und Rohstoffvorkommen, deren Staatszugehörigkeit ungeklärt ist. Weitere Gebiete werden von Kenia und Äthiopien, früher auch vom Sudan beansprucht.
Auch die Einwohnerzahl dieses neuen Staates ist umstritten: sie scheint zwischen 8 bis 12 Millionen zu liegen. Nach Angaben der südsudanesischen Behörden für 2010 sind 73 % der über 15-Jährigen Analphabeten. 20–34 % der Bevölkerung sind unterernährt. Die Blindheitsrate ist mit über 1% eine der höchsten der Welt, der Krieg verhinderte e weitgehend eine Bekämpfung dieser Krankheiten.
Die größte Bevölkerungsgruppe sind die zu den Niloten zählenden Dinka (die jetzt die Herrschaft im Lande ausüben), daneben gibt es die ebenfalls nilotischen Nuer und Schilluk, die Azande und etliche weitere Gruppen.
Anders als im mehrheitlich islamischen Sudan bekennt sich die Bevölkerung im Südsudan vorwiegend zu lokalen Religionen oder zum Christentum. Die Christen sind mehrheitlich Katholiken und Anglikaner. Inzwischen gehört die Mehrheit der Einwohner (76,8 %) christlichen Konfessionen an, die Anhänger afrikanischer Religionen stellen 21 % und die Muslime 2,2%.

Der Südsudan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Schon vor dem Bürgerkrieg war es für ein Mädchen wahrscheinlicher nach dem Aufzuwachsen im Kindbett zu sterben als einen Schulabschluss zu machen.
Ein weiteres großes Problem des Südsudans sind Flüchtlinge: es gibt 1,5 – 2 Millionen Binnenflüchtlinge, und über 730.000 Menschen sind aus dem Südsudan in Nachbarländer geflohen.

All das klingt leider schon allzu vertraut. Aber wie sieht das aus Sicht der Bevölkerung aus: die „Staatsmacht“, eingesetzt und unterstützt von den USA, verbrennt die Hütten der „Gegner“, tötet unbewaffnete Bauern, kastriert Knaben und vergewaltigt Frauen und Mädchen, plündert Spitäler. Die so genannten Rebellen führen sich gegenüber anderen Bevölkerungsteilen ähnlich auf. Internationale Helfer und Journalisten werden angegriffen. Daher fliehen die so Verfolgten in die Sümpfe, wo sie mit Ausnahme der Nasenspitze untertauchen, um von den Truppen nicht gesehen zu werden. Dort drohen aber neben Hunger noch andere Gefahren: es leben Schlangen und Krokodile in diesen Sümpfen; aber lieber liefert man sich einem Krokodil, als einem Soldaten aus.
Beide Seiten haben in diesem Krieg Gräueltaten begangen, aber dieser Bürgerkrieg hat sich in einen ethnischen Konflikt entwickelt. Schon die Kinder bereiten sich auf Kampf vor, befragt, wen sie denn töten wollten, sagten sie die Angehörigen der „anderen“ Ethnie.
In einem neuen Bericht der UN wird erwähnt, dass es den regulären Truppen gestattet wurde, Frauen und Mädchen statt einer Entlohnung zu vergewaltigen. Internationale Hilfsorganisationen versuchen Leid zu mindern, aber sie werden selbst angegriffen, und jede zweite Woche wird einer dieser Helfenden getötet.

Diese Situation wird in der internationalen Presse nicht beleuchtet, aber wahrscheinlich gibt es in diesem Bürgerkrieg ähnlich viele Tote wie in Syrien. Hier entsteht ein Rückzugsgebiet, aber auch eine Brutstätte für den internationalen Terrorismus.

Was könnte getan werden? Zu allererst sollten Waffenlieferungen eingestellt werden. Die Unnachgiebigkeit der handelnden Personen könnte von außen beeinflusst werden, indem man ihr durch Korruption erlangtes Vermögen angreift, anstatt es zu vermehren.
Amerika kann wahrscheinlich all das kaum stoppen, aber wenn Menschen aufgrund ihrer Ethnie getötet oder vergewaltigt, verstümmelt oder ausgehungert werden, wenn eine Regierung, die von den USA eingesetzt wurde, von ihren Bürgern gefährlicher als Krokodile erachtet wird, wäre es an der Zeit, dass sich die USA etwas mehr um Frieden in dieser Region bemühen könnte. Andererseits haben auch wir, die Christen, auch die katholische Kirche, eine Verpflichtung, in diesem Dilemma für Ordnung zu sorgen, um die ärgsten Gräueltaten zu stoppen

Wo Krokodile Menschen fressen: