Vor einigen Tagen, eher später am Abend wurde ein Film über Savonarola gezeigt. (Ihn früher sehen zu können, wäre von Vorteil gewesen, vielleicht statt einiger „Lokal“ Krimis oder den bayrischen Endlosserien, z.B. „der Bulle von Tölz“).
Ich maße mir an, mir ein Urteil über diesen Mönch bilden zu können. Das, was ich gesehen habe, war Fanatismus, Frauenhass und Verbrennung von Kulturgütern. Ich finde, dass dieser Mann – Girolamo (Hieronymus) Savonarola, (*1452; † 1498) ein selbsternannter Bußprediger, extrem ehrgeizig war, auch politische Ziele verfolgte und seine Rolle dem Status der katholischen Kirche verdankte, die damals eine unangreifbare (moralische?) Macht darstellte, die alles beherrschte.
Zu den Fakten: Seine flammenden Reden gegen die Verkommenheit der herrschenden Schichten wurden von großen Teilen des Volks bejubelt. Er entwickelte sich zu einem gesuchten Prediger, der eine grundlegende Kirchenreform forderte. 1487 wurde er aus Florenz abberufen und setzte sein Predigtwerk in verschiedenen oberitalienischen Städten fort. In ganz Norditalien erzielte er eine erhebliche Massenwirkung.
Nicht nur kirchliche Missstände, sondern auch Reichtum, ungerechte Herrschaft und die Ausrichtung des zeitgenössischen Humanismus an den Idealen der Antike prangerte er an. Besonders hatte er es auf (schöne, junge) Frauen abgesehen, denen er Schmuck und Putz abnahm, und ihnen empfahl sich zu verschleiern!
Obwohl von den Medicis (Lorenzo dem Prächtigen und auch von dessen Sohn Piero) stark gefördert, war er schließlich zu einem guten Teil für die Vertreibung ebendieser Medici 1494 aus Florenz verantwortlich.
Letztlich zum Verhängnis wurden Savonarola allerdings seine offene Unterstützung König Karl VIII (* 1470; † 1498 von 1483 bis 1498 König) von Frankreich und sein Kampf gegen Papst Alexander VI (Rodrigo Borgia; * 1431; † 1503, Papst von 1492 bis 1503), der wesentlich machtbewusster handelte als sein Vorgänger Innozenz VIII. Savonarola predigte mit den zu ihm haltenden Dominikanern in Florenz für Frankreich und auf das Drängen der entsprechenden Partei für die Volksregierung.
Im Jahre 1495 untersagte Papst Alexander VI. Savonarola, weiterhin zu predigen. Für kurze Zeit hielt dieser sich auch daran, prangerte aber schon bald wieder die Missstände in der Kirche an.
Savonarola plante den kompletten Umsturz der politischen Machtverhältnisse – und setzte dabei auf Kinder. Savonarolas Kinderpolizei patrouillierte durch die Straßen, aber fast unmerklich nahm eine neue Herrschaftsform Gestalt an: der Gottesstaat. 1497 ließ Savonarola große Scharen von Jugendlichen und Kindern durch Florenz ziehen, die im Namen Christi alles beschlagnahmten, was für sie als Symbol für die Verkommenheit der Menschen gedeutet werden konnte. Dazu gehörten nicht nur heidnische Schriften (oder solche, die von Savonarola dazu gezählt wurden) oder pornographische Bilder, sondern auch „Luxusgegenstände“ wie Gemälde, Schmuck, Kosmetika, Spiegel, weltliche Musikinstrumente und -noten, Spielkarten, aufwändige Möbel oder teure Kleidungsstücke. Teilweise lieferten die Besitzer diese Dinge selbst ab, aus echter „Reue“ oder aus Angst vor Repressalien? 1497 und 1498 wurden all diese Gegenstände auf einem riesigen Scheiterhaufen auf der Piazza della Signoria verbrannt. Der Maler Sandro Botticelli (* 1445 ; † 1510), dem wir die „Geburt der Venus“ verdanken, warf einige seiner Bilder selbst in die Flammen. Nicht alle Bürger, auch nicht alle Mönche und Kleriker, unterstützten diese Verbrennungsaktionen.
Ohne den Rückhalt König Karls, aber auch aufgrund der Opposition der alten Eliten sowie der Franziskaner und einiger Dominikaner kam es in Florenz zu einem Stimmungswandel, so dass Savonarolas Anhänger bei den städtischen Wahlen zur Signoria im Frühjahr 1498 die Mehrheit verfehlten. Aber schon 1497 war Savonarola von Papst Alexander VI. als „Häretiker, Schismatiker und Verächter des Hl. Stuhles“ exkommuniziert worden.
Als der Papst vom Magistrat der Stadt unter Androhung des Interdiks (Einstellung von gottesdienstlichen Handlungen als Kirchenstrafe für ein Vergehen gegen Kirchenrecht) für die ganze florentinische Republik forderte, den Bußprediger gefangen zu nehmen, schleppte die aufgebrachte Menge Savonarola aus dem Kloster. Er wurde eingekerkert, gefoltert und zum Tode verurteilt, nachdem er die ihm zur Last gelegten Verfehlungen gestanden hatte. Vor seiner Hinrichtung widerrief er seine Geständnisse, doch man fälschte seine Prozessakte diesbezüglich. Savonarola wurde schließlich vor einer riesigen Menschenmenge gehängt und dann verbrannt. Dies geschah auf der Piazza della Signoria – demselben Platz, auf dem er zuvor die „Verbrennungen der Eitelkeiten“ hatte veranstalten lassen. Am nächsten Tag wurde Savonarolas Asche in den Fluss Arno geworfen.
Die in den Grundzügen von Savonarola geschaffene Volksregierung behauptete sich bis 1512 durch französische Protektion.
Die Evangelische Kirche in Deutschland gedenkt seiner als Märtyrer der Kirche. In der römisch-katholischen Kirche wurde durch Papst Johannes Paul II 1998 ein Seligsprechungsprozess in Gang gesetzt. Leider kann ich das nicht nachvollziehen.
Niccolo Machiavelli zufolge predigte Savonarola einen Bildersturm und betrieb die Verhetzung von Kindern, die ihre Eltern denunuzieren sollten, wobei er demagogisch eiferte, dass der als tolerant geltende Machiavelli ihm religiös-idealistische Verblendung attestierte. Zudem sah Machiavelli keinen Sinn in der Zerstörung schöner und wertvoller Sachen, sondern erkannte im späten Wirken von Savonarola nur Destruktives. Die Entscheidung, ein gottgefälliges Leben in Armut zuzubringen, sei nur für jeden Gläubigen selbst zu verantworten und rechtfertige keinerlei Übergriffe auf Mitbürger und deren Eigentum. Zudem sei Savonarola keiner mäßigenden „Stimme der Vernunft“ zugänglich – sei sie weltlicher oder kirchlicher Herkunft. Eigenmächtigkeiten seiner Lehre (etwa die Erklärung, der Besitz schöner Dinge sei automatisch „verkommen“) und die daraus motivierten Übergriffe führten ja auch zu Savonarolas Untergang.
Diesem Urteil kann ich mich nur anschließen. Obwohl ich gegen Hängen und Verbrennen von Menschen bin, finde ich, dass Savonarolas Schuld in meinen Augen im Verbrennen von Büchern liegt, in seiner extremen Frauenfeindlichkeit, und in seiner Nutzung der mächtigen Stellung der Kirche in dieser Zeit. Aber das entspricht der heutigen Sicht der Dinge. Mich erinnert sein „Gottesstaat“ an jenen, der heute vom IS angestrebt wird.