Mein Etablissement Ronacher

Heute waren wir bei einer Matinee im Ronacher. Und da kamen sie nun, die Erinnerungen an die verschiedenen Zeiten, als ich hier gewesen bin.

Wohl die erste war ein Besuch mit meinen Eltern eines Varietés, mit Conférencier, mit einem durchaus beeindruckenden Zauberer, bunten Tanznummern … es gab viel zu staunen für ein kleines Mädchen.

Dann aber kam das Kriegsende, und das Ronacher wurde ab dem 30. April 1945 zum Ersatzburgtheater. Denn bei einem Bombenangriff war das Burgtheater am Ring beschädigt worden und am 12. April 1945 war es völlig ausgebrannt. Man muss sich aber vor Augen halten, dass mit einem Generalangriff von Süden her am 5. April 1945 die Schlacht um Wien begonnen hatte . Erst in den Abendstunden des 13. April verstummte der Gefechtslärm. Die Russen waren nun Herren von Wien.

Aber erst am 27. April wurde die Republik wiederhergestellt, am 28. April marschierten die US Truppen in Tirol ein und erst am 7.5. gelangten die Briten nach Kärnten. Offiziell fand der Zweite Weltkrieg am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands sein Ende.

Die sowjetische Besatzungsmacht erwartete vom Wiener Kulturstadtrat Wiens Kulturleben so rasch wie möglich wieder in Gang zu bringen. Der Stadtrat berief daher für den 23. April (eine Staatsregierung bestand noch nicht) eine Versammlung aller Wiener Kulturschaffenden ins Rathaus ein. Resultat der Besprechungen war, dass Ende April 1945 acht Kinos und vier Theater den Betrieb wieder aufnahmen, darunter das Burgtheater. Das Haus übernahm das Etablissement Ronacher, das von vielen Burgschauspielern als „Exil“ verstanden wurde, als Ausweichquartier (und blieb dort bis 1955). Dieser Spielort war vom neu ernannte Direktor Raoul Aslan ausgewählt worden.

Die erste Vorstellung nach dem Zweiten Weltkrieg war am 30. April 1945 Sappho. Nach und nach kehrten die großen Schauspieler, die alle noch unter Max Reinhardt gespielt hatten, nach Wien zurück. Gespielt wurden – großartig gespielt – wurden Klassiker: Nestroy, Schiller, Shakespeare. .

Für uns Jugendliche damals kam nun eine Einrichtung ins Spiel, die uns für immer zu Fans für Burgtheater bzw. Oper werden ließ. Es ist das Theater der Jugend. Gegründet wurde es bereits 1932 unter dem Namen Theater der Schulen. 1934 erhielt es seinen heutigen Namen, 1938 wurde es aufgelöst. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges dauerte es nicht einmal ein halbes Jahr, bis es neu gegründet wurde und wieder seine Funktion ausübte. Diese bestand bis zum Jahre 1952 ausschließlich darin, allen Wiener Schulen preisgünstige und von der öffentlichen Hand geförderte Karten anzubieten.

In jeder Schule gab es einen Beauftragten des „Theaters der Jugend“, der jederzeit die jeweiligen Klassen betreten durfte, um verfügbare Vorstellungen anzubieten und Kartenwünsche entgegenzunehmen. Er oder sie waren in manchen Stunden sehr willkommen. Und wir, wir machten reichlich Gebrauch von dem breiten Angebot. Besonders in Erinnerung blieben mir die Aufführungen von Schillers „Räubern“ – mit dem unvergleichlichen Albin Skoda (in grünem Schlafrock!), aber auch Lessings „Nathan der Weise“ mit Raoul Aslan. Damals wurde unser Geschmack geprägt, aus dieser Zeit stammt unsere Vorstellung, wie ein Klassiker interpretiert werden sollte. Das macht uns heute allerdings manchmal sehr kritisch.

Aufführungen, für die wir halt keine Karten im „Theater der Jugend“ bekommen konnten, verfolgten wir einfach vom Stehplatz. Aber wir kannten dann letztlich das gesamte Repertoire.

Aufregend für alle theaterbegeisterten Menschen war dann die Wiedereröffnung des Burgtheaters am Ring im Jahr 1955 mit „König Ottokars Glück und Ende“. Es folgten viele bemerkenswerte Aufführungen, wieder besonders in Erinnerung sind die damals kontroversen Inszenierungen von Peymann. Heute sind wir selektiver geworden, als wir es als Jugendliche waren….

Dennoch blieben wir auch dem Ronacher treu: dort fand z.B. eine Aufführung des „Cyrano de Bergerac“ in französischer Sprache statt. Verstanden habe ich nicht sehr viel, aber die französischen Schauspieler waren grandios.

Ich bin dankbar für alle, die beigetragen haben, mein Leben durch Aufführungen im Burgtheater/Akademietheater, in der Josefstadt, im Volkstheater zu bereichern.

Mein Etablissement Ronacher

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