Es war vor dreißig Jahren. Ich erinnere mich noch genau an diese Zeit. Tschernobyl! Es war, als ob die Welt düsterer geworden wäre. Jeder, der zu dieser Zeit gelebt hat, erinnert sich daran (wie z.B. auch an den 11.Sepember 2000).
Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl ereignete sich am 26. April 1986 in Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl in der Ukraine nahe der Weißrussischen Grenze. Auf der siebenstufigen internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse wurde sie als erstes Ereignis der Kategorie „katastrophaler Unfall“ eingeordnet.
Bei einer durchgeführten Simulation eines vollständigen Stromausfalls kam es auf Grund schwerwiegender Verstöße gegen die geltenden Sicherheitsvorschriften sowie der bauartbedingten Eigenschaften des mit Graphit moderierten Kernreaktors vom Typ RBMK-1000 zu einem unkontrollierten Leistungsanstieg, der zur Explosion des Reaktors und zum Brand des als Moderator eingesetzten Graphits führte. Innerhalb der ersten zehn Tage nach der Explosion wurde eine Aktivität von mehreren Trillionen Becquerel freigesetzt. Die so in die Erdatmosphäre gelangten radioaktiven Stoffe, darunter die Isotope 137CS mit einer Halbwertszeit (HWZ) von rund 30 Jahren und 131I (HWZ: 8 Tage), kontaminierten infolge radioaktiven Niederschlags hauptsächlich die Region nordöstlich von Tschernobyl sowie viele Länder in Europa. Nach der Katastrophe begannen sogenannte Liqidatoren mit der Dekontamination der am stärksten betroffenen Gebiete. Es wurde bis November 1986 ein aus Stahlbeton bestehenden provisorischen Schutzmantel, der meist als „Sarkophag“ bezeichnet wird, errichtet.
Über die weltweiten gesundheitlichen Langzeitfolgen, insbesondere jene, die auf eine gegenüber der ntürlichen Strahlenexposition erhöhte effektive Dosis zurückzuführen sind, gibt es seit Jahren Kontroversen. Die WHO hält insgesamt weltweit ca. 4000 Todesopfer für möglich. Dies erfuhr man erst viel viel später.
Es ist vieles damals falsch gelaufen; aus der Sowjetunion kamen lange keine Nachrichten darüber. Auch das eigene Volk wurde lange im Dunkeln gelassen. Entdeckt wurde es in Europa an regelmäßig durchgeführten Strahlenmessungen. Das war eine lange Zeit, zu der sich nur wenige der großen Gefahren bewusst waren.
Wir selbst waren am 1.Mai 1986 in „der Stadt“ spazieren (Ringquerung war ja aufgrund der 1. Mai Veranstaltungen nicht möglich. Daher konnten wir auch unser Auto nicht aus der Garage im Ersten Bezirk holen). Das Wetter war warm, aber es war bedeckt und nieselte zuweilen. Erst Mittag, als wir nach Haus kamen, hörten wir die Nachrichten, wo erstmals über das Reaktorunglück berichtet worden war. Gerüchteweise war diese Tatsache angeblich den Regierendern schon vorher bekannt, aber man wollte auf die Aufmärsche am 1. Mai nicht verzichten. Franz Kreuzer war damals Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz, sowohl im Kabinett Sinowatz als auch später Vranitzky. Aber das war die erste Nuklearkatastrophe ud niemand hatte damit gerechnet.
Selbst dann war uns die Gefahr gar nicht so bewusst, als aber dann die Verhaltensregeln verlautbart wurden, waren wir alle sehr schockiert. Unsere (damals einzige) noch ganz kleine Enkeltochter durfte nicht mehr im Garten spielen, jetzt zu Beginn der schönen Jahreszeit. Noch viele Jahre nachher denke ich beim Kauf von Schwammerln an Tschernobyl, und daher lehnte ich manche Angebote ab, weil ich meine, dass sie dort noch immer verstrahlt sein könnten.
Das österreichische Bundesgebiet zählt zu den am stärksten betroffenen Gebieten Westeuropas: Von den insgesamt 70 PBq freigesetzten Radiocäsiums wurden 1,6 PBq, also 2 %, in Österreich deponiert, die durchschnittliche Belastung 137Cs aus den Tschernobyl-Ereignis lag 1986 bei 19,1 kBq/m², wobei besonders das Salzkammergut und Nachbargebiete, die Welser Heide und die Hohen Tauern betroffen waren, sowie die Niederen Tauern und die Koralpenregion, auf die Bevölkerung bezogen der Linzer Zentralraum und die Stadt Salzburg, sowie Wien, Graz, Klagenfurt, Villach und Innsbruck. .
Als Maßnahmen wurden primär Kontrollen im Nahrungsmittelbereich gesetzt: Verkaufsverbot für Grüngemüse und von Schaf- und Ziegenmilch, der Grünfutterfütterung bei Milchkühen, des Genusses von Zisternenwasser, und langfristiger etwa Importverbote für Nahrungsmittel aus hochbelasteten Agrarproduktionsländern, Verbot des Wildabschusses, Fütterungspläne in der heimischen Landwirtschaft (oder Grenzwerte für die Klärschlammausbringung).
In späteren Studien hat sich gezeigt, dass diese in der Öffentlichkeit nur wenig beachteten Maßnahmen auf Produktions- und Handelsseite mehr Schutzwirkung gebracht haben als etwa Empfehlungen zu direkten Verhaltensänderungen.
Die deutlichsten Folgen des Tschernobyl-Ereignisses in Österreich sind politischer Natur: „Tschernobyl“ hat 1986 die österreichische Anti-Atom-Politik noch verfestigt, sie war seither sowohl gesellschaftlich, wie auch parteipolitisch einhelliger Konsens und wurde nie mehr in Frage gestellt.
Tschernobyl war nicht der letzte Nuklearkatastrophe. Der Atomunfall im japanischen Fukushima am 11. März 2011 zählt zu den schlimmsten der Menschheit. Die Entsorgungsarbeiten sollen Jahrzehnte dauern. Dabei ist das Ausmaß für Mensch und Umwelt noch immer nicht vollständig absehbar. Vier von sechs Reaktorblöcken wurden beschädigt. In drei Blöcken kam es zu Kernschmelzen.
Aus dem japanischen Kernkraftwerk ist etwa doppelt so viel radioaktives Xenon ausgetreten, wie im Jahr 1986 in Tschernobyl. Außerdem traten 36 Peta-Becquerel radioaktives Cäsium aus, dessen Halbwertszeit bei 30,17 Jahren liegt. Cäsium macht auch das umliegende Gebiet auch für Jahrzehnte landwirtschaftlich unbrauchbar.150.000 Einwohner mussten ihr Zuhause verlassen
Die Katastrophenschutzmaßnahmen des Kraftwerkbetreibers Tepco waren zwar dilettantisch. Doch sind die Gesamtfolgen der Katastrophe von Fukushima nicht so verheerend ausgefallen wie die des Nuklearunfalls in Tschernobyl.
War nun Fukushima der letze Unfall, oder wird erst keine mehr geben, wenn alle Atomkraftwerke herunter gefahren wurden?