„Brexit heißt Brexit, und wir werden einen Erfolg daraus machen.“

Meint Theresa May. Wirklich?

Wie Theresa May den Interessenkonflikt zwischen einem freien Zugang zum Binnenmarkt, den sich weite Teile der Wirtschaft wünschen, und der Begrenzung der Immigration aus den EU-Staaten lösen wird, ist noch unklar. Die EU pocht auf einen offenen Arbeitsmarkt, wenn die Briten vom Binnenmarkt profitieren wollen. May, die als Innenministerin die Migrationsbestimmungen für Nicht-EU-Bürger verschärfte, sieht aber die Einschränkung der offenen Grenzen als Auftrag aus der Brexit-Abstimmung. Sie will auch die Zukunft der EU-Bürger, die bereits in Großbritannien sind, als Verhandlungsmasse nutzen, was ihr sogar Kritik vonseiten der Brexit-Befürworter eingebracht hat.

Aber das ist jedenfalls nicht der einzige „Kriegsschauplatz“ von Frau May: ihr Land ist tief gespalten. Fast die Hälfte der Stimmbürger hat sich für einen Verbleib in der EU ausgesprochen. Bisher haben 4,1 Millionen Briten eine Petition unterschreiben, dass es ein weiteres Referendum geben solle. Denn die ältere Generation stimmte für eine Zukunft, die die Jüngeren nicht wollen. Durch die britische Gesellschaft gehen mehrere Risse: Nord gegen Süd, Jung gegen Alt, Arm gegen Reich, Globalisierungsverlierer gegenüber der metropolitanen Elite, die von diesen Teilen der Bevölkerung als abgehoben und unrepräsentativ empfunden wird.

In ihren ersten Statements hat Theresa May diese „Gräben“ angesprochen, sie wird sich auch der bisher Benachteiligen annehmen.

Nicht nur das Land ist gespalten, auch die Partei, der Frau May angehört: primär in Brexit Befürworter und Remain-Befürworter. May war zwar Teil des „Remain“-Lagers, hat sich aber während des Abstimmungskampfes nicht stark exponiert. Nach dem Referendum hat sie keinen Zweifel daran gelassen, den Brexit-Entscheid als Regierungschefin ohne Wenn und Aber umzusetzen. Damit kam sie dem „Leave“-Lager demonstrativ entgegen.

Sie hat bei der Wahl z.B. ihres Außenministers bereits ein Zeichen gesetzt: Boris Johnson, wobei sie ihm sehr geschickt Grenzen gesetzt hat.

Um einer Rezession zuvorzukommen wird May die Sparpolitik des bisher amtierenden Schatzkanzlers George Osborne nicht fortsetzen können, sondern im Gegenteil mit einer freigiebigeren Ausgabenpolitik gegensteuern müssen. Osborne ist nun auch zum Hinterbänkler geworden. Nach ihren Aussagen wird sie verstärkt in die Wirtschaftspolitik eingreifen im Sinne einer konservativen One-Nation-Politik, welche mehr für die Ärmeren in der Gesellschaft zu tun verspricht.

Vom Standpunkt der EU aus gesehen: Mit Großbritannien verliert die EU die Finanzhauptstadt der Welt, seine zweitgrößte Volkswirtschaft und das Land mit der drittgrößten Bevölkerung. Zudem ist es (zusammen mit Frankreich) einer von bislang zwei EU-Staaten mit Atomwaffen und Ständigem Sitz im UN-Sicherheitsrat. Die EU hat international künftig weniger Gewicht. Aber: Sie bleibt der wirtschaftsstärkste Staatenblock der Welt. Jedenfalls wird sich der Schwerpunkt der EU mehr in Richtung Mittel- und Osteuropa verlagern, und Deutschland wird eine neue Rolle übernehmen müssen.

Bei den Austrittsverhandlungen will sich Theresa May nicht hetzen lassen, sie wird den Antrag wahrscheinlich erst in einem halben Jahr stellen. Damit kann Zeit für Überlegungen und Planungen gewonnen werden, denn von diesen Verhandlungen hängt letztlich die wirtschaftliche Zukunft der Briten ab.

Der Austritt aus der Europäischen Union könnte Großbritannien bis Ende 2017 einen Rückgang seines Bruttoinlandsprodukts zwischen einem und 2,5 Prozent kosten. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sagte am Montag in Brüssel, nach vorläufigen Schätzungen dürfte sich der Rückgang des BIP in den übrigen 27 EU-Mitgliedstaaten zwischen 0,2 und 0,5 Prozent im gleichen Zeitraum bewegen. Diese Einschätzung sei keine offizielle EU-Prognose, betonte der französische Politiker. Die Brexit-Folgen könnten noch begrenzt werden, „wenn es uns gelingt, die Ungewissheit einzuschränken und eine angemessene politische Antwort zu geben“.

Ganz klar ist die Zukunft der City of London auch nicht, ob es Profiteure in Frankreich oder Deutschland geben wird. Auch der Fischfang in der Nordsee wird Teil der Verhandlungen werden müssen.

Aber was heißt Brexit eigentlich und wer entscheidet, nach welchen Regeln er abläuft? Um die Verhandlungen beginnen zu können, muss Großbritannien einen Antrag nach Art. 50 stellen: In Artikel 50 des EU-Vertrags ist seit 2009 zumindest in groben Zügen festgelegt, wie ein Staat aus der Union austreten kann:

  1. Schritt: Großbritannien informiert die Vertretung der EU-Staaten über seine Absicht, aus der Union auszutreten.
  2. Schritt: Die Staats- und Regierungschefs legen unter Ausschluss Großbritanniens Leitlinien für die Austrittsverhandlungen fest.
  3. Schritt: Die EU-Kommission oder ein anderes, von den Mitgliedsstaaten ernanntes Gremium handelt mit Großbritannien ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts aus. Dabei wird auch der Rahmen für die künftigen Beziehungen Großbritanniens zur Europäischen Union festgelegt.
  4. Schritt: Die EU-Staaten beschließen das Abkommen mit qualifizierter Mehrheit, nachdem zuvor das Europäische Parlament zugestimmt hat.
  5. Schritt: Wenn kein Abkommen zustande kommt und keine Fristverlängerung gewährt wird, scheidet Großbritannien zwei Jahre nach dem Einreichen des Austrittsgesuchs ungeregelt aus der EU aus.

Praktisch gesehen dürften die Briten versuchen, sich über ein umfassendes Freihandelsabkommen den Zugang zum Binnenmarkt zu sichern. Sie hoffen dabei auf ein „Gentlemen’s Agreement“, eine Trennung gütlicher Art. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker drohte aber schon: „Der Deserteur wird nicht mit offenen Armen empfangen.“ Hinter vorgehaltener Hand ließen EU-Politiker wissen, dass ein Exempel statuiert werden könnte. Ziel: Nachahmer abschrecken.

Aber unabhängig von all diesen Überlegungen spielt die Welt: Pokemon Go.

„Brexit heißt Brexit, und wir werden einen Erfolg daraus machen.“

Aufräumen? Die Frauen müssen her!

Einerseits: Theresa May wird Parteivorsitzende der Konservativen in Großbritannien. Der britische Premier hat seinen Rücktritt bis 13.7.2916 angekündigt. Dann übernimmt die bisherige Innenministerin. In ihrer Antrittsrede hob May drei zentrale Anliegen hervor. Erstens bräuchte es in den kommenden politisch und wirtschaftlich turbulenten Zeiten eine starke Führung – auch, um ein bestmögliches Ergebnis mit der EU zu erreichen. Zweitens hob sie hervor, das Land zu einigen und drittens will sie eine neue positive Vision zur die Zukunft Großbritanniens erarbeiten. May hat beim Referendum wie Cameron für einen Verbleib in der Union plädiert, hielt sich aber mit ihrer Meinung im Wahlkampf zurück. Die 59-Jährige gilt als EU-kritisch und resolut. Den Tories präsentierte May sich als Versöhnerin, die die auch über den Brexit tief gespaltene Partei einigen will. Als Innenministerin seit 2010 gab sie sich gerade bei der Debatte um Zuwanderung hart. „Brexit bleibt Brexit“, sagte May. „Es wird keine Versuche geben, in der EU zu bleiben, es wird keine Versuche geben, durch die Hintertür wieder hinein zu kommen, kein zweites Referendum.“ Die Verhandlungen mit ihr werden für die EU hart werden.

Theresa Mary May (*1956  als Theresa Mary Brasier), eine Pfarrerstochter (man denkt unweigerlich an Merkel), studierte nach ihrer Schulzeit am St Hugh’s College in Oxford. 1977 erlangte sie den Bachelor in Geographie. Nach ihrem Studium arbeitete sie bis 1983 bei der Bank of England. Danach war sie als finanzielle Beraterin für die UKPA (Association for Payment Clearing Services) tätig. Im zweiten Anlauf gelang ihr bei der Unterhauswahl 1997 der Sieg im Wahlkreis Maidenhead und sie wurde Abgeordnete im britischen Unterhaus. Von 2002 bis 2003 war sie „Chairman“ der Konservativen Partei.

Dazu denke ich mir, dass (wieder einmal) eine Situation eingetreten ist, bei der eitle Männer eine Situation eher sehr vermurkst haben. David Cameron, der eine Abstimmdebatte zur Überbrückung seiner Probleme mit der konservativen Partei überhaupt erst losgetreten hat, Boris Johnson, der m.E. aus persönlichem Ehrgeiz sich auf die Seite der Austrittsbefürworter gestellt hat, und Nigel Farage, der sich mit seiner UKIP beweisen wollte, sie alle haben mit dem jetzigen Ausgang des Referendums nicht gerechnet, keine entsprechenden Pläne für ein Nachher bedacht und sich umgehend davongemacht bzw. aus der Verantwortung gestohlen. Jetzt wird es einer Frau überlassen, aufzuräumen.

Und auch in der Labour Partei rumort es. Die britische Labour-Abgeordnete Angela Eagle tritt nun offiziell als Kandidatin für den Labour-Vorsitz an, sie will den Parteichef Jeremy Corbyn entmachten. Die 55-jährige Ex-Gewerkschafterin machte am 11.07.2016  ihre Bewerbung um den Labour-Vorsitz offiziell.

Und dass in Großbritannien eine Königin seit 1953 regiert, sollte ebenfalls in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Und Königin Elisabeth II. begrüßt bald den dreizehnten Regierungschef ihrer Regentschaft.

Andererseits ist da die Geschichte von Fayrouz Ahmed Haider, sie ist 11 Jahre alt und lebt in Jemen. Sie wurde von ihrem Vater mit einem 25jährigen Mann verheiratet, da Geld für die Spitalsrechnungen der Mutter benötigt worden war. Immer mehr und immer jüngere Mädchen werden von ihren Vätern verheiratet, um die restliche Familie zu unterstützen bzw. zu entlasten. Die Familie von Fayrouz hatte allen Besitz verkauft und war aus Saada geflohen; aber das Geld, das zusammengekommen war, reichte nicht, um die Schulden beim Spital und bei den Verwandten zu bezahlen. Eine Tochter bringt aber immerhin z.B. 1 600 – 2000 Dollar Brautgeld! Allerdings müssen davon auch die Kosten für die Hochzeit bestritten werden. Manchmal wird versucht, den Bräutigam dazu zu bringen, ein Dokument zu unterschreiben, dass er die Ehe nicht konsumieren würde, bis das Mädchen die Pubertät erreicht hat.

Vor zwei Jahren noch hatte die Zukunft  von Fayrouz glücklicher ausgesehen, ihr Vater arbeitete in Saada, und sie konnte in die Schule gehen. Noch im Jänner 2015 wurde in Yemen das Heiratsalter für Mädchen auf 18 in der neuen Verfassung festgeschrieben. Aber dann hatte der Krieg begonnen und die Huthis ratifizierten dieses Dokument nicht. Daher gibt es heute kein Mindestalter für Verehelichung in Jemen. Und damit steigt auch die Müttersterblichkeit erheblich an, denn 12jährige überleben eine Geburt oft nicht. Sobald ein Mädchen bei der Schwiegerfamilie angekommen ist, muss sie schwere Hausarbeit übernehmen. Kontakt zu der eigenen Familie gibt es nur, wenn man in „Gehweite“ geblieben ist. Und zur Schule gehen und etwas lernen liegt nicht im Interesse der neuen Familie. Manche der Mädchen versuchen dann einfach davonzulaufen. Aber damit bleiben sie dennoch verheiratet und haben noch geringere Chancen im Leben.

Abgesehen von Krieg und Armut liegt eine Wurzel für diese Kinderheiraten auch im tradierten Verhalten von Mohammed, der als Vorbild aller Muslime gilt. Seine Lieblingsfrau Aischa war noch im kindlichen Alter, als der Prophet sie ehelichte. Aber nicht alle Muslime folgen diesbezüglich diesem Vorbild.

PS: Der Kampf zur Überwindung der in Ägypten weit verbreiteten weiblichen Genitalverstümmelung trifft nun auch bei Abgeordneten des ägyptischen Parlaments auf offenen Widerstand. Ahmed el-Tahawy, Mitglied des parlamentarischen Gesundheitsausschusses und selbst Arzt, erklärte am Montag in einer Rede vor dem ägyptischen Parlament, dass weibliche Genitalverstümmelung von einem religiösen und gesundheitlichen Standpunkt aus gesehen eine Notwendigkeit sei. Genitalverstümmelung ist seit dem Jahr 2008 in Ägypten gesetzlich verboten – außer, wenn die Verstümmelung „medizinisch notwendig“ sei. In der Praxis ignorieren die ägyptischen Behörden das Problem komplett.

Aufräumen? Die Frauen müssen her!

1954: Rassenprobleme in den USA

1954 nahm die ganze Welt nahm mit Entsetzen zur Kenntnis, dass Amerika im Pazifik eine Wasserstoffbombe gezündet hatte, deren Stärke die Hiroshima-Bombe um das 600-fache übertraf. Die USA veröffentlichten den „Communist Control Act of 1954“, die schwarze Liste für unerwünschte Einwanderer. Personen, die annähernd mit kommunistischen Bestrebungen in Verbindung gebracht wurden, durften nicht ins Land einreisen. Das internationale politische Klima wurde auch weiterhin von den Auswirkungen des „Kalten Krieges“ der vergangenen Jahre bestimmt, obwohl es 1954 zu keiner direkten Konfrontation der Supermächte kam: In den USA nutzt Senator Joseph Raymond McCarthy den „Senatsausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe“ – auch unter Umgehung juristischer Grundsätze – zur Verfolgung von Personen, die als Kommunisten verdächtigt werden. In Guatemala helfen die USA beim Sturz der demokratisch gewählten Regierung unter Präsident Jacobo Arbenz Guzmán (1913 – 1971), den sie als „kommunistisch“ bezeichnen.

Damals war von Rassenproblemen noch wenig die Rede. Das kam dann erst später. Noch bis in die 50er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts wurden Gesetze zur Beschäftigung der Schwarzen hauptsächlich als schlecht bezahlte Farmarbeiter aufrecht erhalten und umgingen das Wahlrecht durch Einschränkungen wie einen Alphabetismus-Test. Zusammen mit der massiven Einschüchterung schwarzer Wähler durch die Gewalt des 1865/66 gegründeten Ku-Klux-Klans führte das zum Erliegen der politischen Repräsentation der Schwarzen. Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre bestand in den USA ein umfassendes System der „Segregation“, durch das Afroamerikaner gegenüber Weißen in fast allen Lebensbereichen benachteiligt waren. Grundlegende Veränderungen – die Abschaffung der Segregation und eine rechtliche Gleichstellung – konnte die afroamerikanische Minderheit erst in der Mitte der 1950er Jahre entstandenen Bürgerrechtsbewegung erkämpfen. Viele Probleme – besonders die wirtschaftliche und Bildungsbenachteiligung der Afroamerikaner, ihre Diskriminierung im Alltag und die „White Supremacy“ -Ideologie – sind jedoch bestehen geblieben und beschäftigen die amerikanische Gesellschaft bis heute. Da die ländlichen Regionen arm waren und keine Perspektiven boten, zog es viele freie Schwarze in die Städte, besonders nach New York City, Philadelphia und Boston. Billige Mieten fanden sie dort nicht in schwarzen Ghettos, sondern in zum Wohnen eigentlich nicht geeigneten Industriegebieten in den Außenbezirken der Städte, wo sie zunächst neben armen Weißen lebten.

 

Ich hatte die Zeit von September 1953 bis September 1954 in den USA verbracht. Zuerst in einem College in Fresno, Kalifornien, dort gab es keine rassischen Diskriminierungen – besonders wohl deshalb, weil es kaum Afroamerikaner am College gab. In Kalifornien waren damals die „Benachteiligten“ die so genannten wetbacks, so wurden die illegal in die USA eingewanderten Mexikaner bezeichnet. Diese Menschen suchten Arbeit, sie halfen hauptsächlich in der Landwirtschaft. Sie lebten unter entwürdigenden Bedingungen. Wenn sie erwischt wurden, wurden sie umgehend deportiert.

Juli/August 1954 verbrachte ich dann, von meinem Ersparten kärglich lebend, in New York. Ich wohnte in einem kleinem Kammerl mit Aussicht auf einen Lichthof im „International House“, aber ich besuchte wirklich aufregende Sommer-Kurse an der Columbia University. Dort lernte ich zum ersten Mal über die Austrian School of Economics: Carl Menger, Eugen von Böhm-Bawerk, Joseph A. Schumpeter, Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek und deren Lehren. Und dort auch hörte ich zum ersten Mal über Begriffe und Inhalte von Econometrics. Die Kurse waren herausfordernd, aber faszinierend.

Auch in diesem Umfeld merkte ich eher nichts von einem Rassenproblem. Im International House gäbe es so etwas eher nicht (meinte ich). Meine Freundin dort war eine Südafrikanerin, „colored“, über die ich dann Zugang zur schwarzen Community bekam. Diese meine Freundin hatte zwar ein großes Zimmer mit Blick auf den Hudson, aber ihr Schicksal berührte mich sehr. Sie war die Tochter eines weißen wohlhabenden Farmers. Ihre Schwester galt als „Weiße“, bei meiner Freundin aber schlugen die Gene irgendwelcher schwarzer Vorfahren durch. Sie musste andere Schulen besuchen als ihre Schwester, wurde in andere Gesellschaftskreise eingeführt. Und ihr Vater schickte sie in die USA um dort zu studieren. Geld spielte bei ihr keine Rolle. Wir gingen gemeinsam mit Afroamerikanern aus; es waren sehr kultivierte, gebildete Personen. Dennoch, und das verstand ich erst später, war ich eine „trophy“ für sie, eben weil ich eine Weiße war. Harlem war oft unser Ziel, dort gab es gute Musik und eine fröhliche Stimmung.

Mein diesbezügliches soziales Verhalten hatte allerdings Konsequenzen. Weiße US Amerikaner, also Studienkollegen, begannen mich zu „schneiden“, weil es in ihren Augen einfach unpassend für eine Weiße war, mit Afroamerikanern auszugehen. Anfangs hatte ich ihr Verhalten nicht verstanden, aber nach einigem Nachdenken dämpfte das schon meine damals sehr, sehr positive Meinung über „die Amerikaner“. Es betraf mich langfristig allerdings nicht sonderlich, da ja mein Schiff nach good old Europe am 9. September in New York ablegte.

Übrigens, meine südafrikanische Freundin schloss sich später einer revolutionären linken Bewegung an – wie ich aus einer Zeitung erfuhr – und landete im Gefängnis. Dann verlor sich ihre Spur für mich.

1954: Rassenprobleme in den USA

1945: die drohende Aufnahmeprüfung ins Gymnasium

Als ich meine Volksschulzeit begann – im Herbst 1941 – war ein Übertritt ins Gymnasium nicht selbstverständlich. Nicht nur musste man gute schulische Leistungen bringen – also orthographisch richtiges Schreiben, Beherrschung der Grundrechnungsarten, man musste auch körperlich fit sein und das im Turnsaal beweisen können. Also Turnen war nie mein Lieblingsfach gewesen, weder damals noch später. Aber ins Gymnasium wollte ich dennoch kommen können, und das war auch davon abhängig, ob ich an einem Seil hinaufklettern konnte. Konnte ich gar nicht, ich hing wie ein Mehlsack am unteren Ende dieses Seils, obwohl ich kein übergewichtiges Kind gewesen bin..

Meine umsichtige Mutter suchte Abhilfe: die war dann bald gefunden, eine private Turnschule im Schwarzspanier Hof. Dort fanden sich dann Mütter mit ihren Kindern, die ähnliche Probleme hatten. Alle Übungen konnte ich halbwegs ordentlich durchführen, nur die Kletterei auf dem Seil, die funktionierte einfach nicht.

Die Kriegshandlungen unterbrachen alle Planungen, im Februar 1944 mussten wir Wien verlassen und fanden uns im Mühlviertel wieder. Meine Mutter sorgte sich wegen der Qualität der dortigen Volksschule – würde ich dann auch die Prüfung fürs Gymnasium in Wien bestehen können? Ich aber fand meine Freiheit großartig. Ein langer Schulweg, der allerhand Möglichkeiten zur Unterhaltung bot. Eine völlig neue ländliche Umgebung, mit Menschen, die ich anfänglich nicht verstand, die mir dennoch freundlich begegneten. Mitschüler, die in der Landwirtschaft mithelfen mussten, die Väter und Knechte waren ja alle im Kriegseinsatz, Mütter waren bestenfalls unterstützt von Kriegsgefangenen. Vieles war anders als in Wien: Wasser, das nicht aus der Wasserleitung kam, sondern das aus einem Brunnen (eine Quelle) geholt werden musste, Kochen nicht mit Gas, das man aufdrehen konnte, sondern mit gesammelten Brennholz; das zuerst gehackt und gespalten werden musste. Das Klo nicht in der Wohnung, sondern im Hof, zu erreichen über eine steile Holztreppe. Der Schulweg, nicht über die Thurnstiege, Liechtensteinstraße, Porzellangasse in die Grünentorgasse, sondern über den doch steilen Kalvarienberg. Obst und Gemüse nicht beim Pracker (mobile Verkaufsstände) kaufen, sondern entweder aus dem Garten holen oder am Weg pflücken (z.B. Heidelbeeren). Für das Mittagessen Schwammerl suchen gehen.

Aber bis der Garten uns versorgen konnte, war viel Arbeit notwendig, und auch Gefahren war ich ausgesetzt! Unser „Garten“ konnte nur über einen steilen Weg auf dem Gebiet eines Nachbarn erreicht werden. In diesem Gebiet herrschte ein recht aggressiver Hahn, der mich immer in die Wadeln zwickte. Und wenn man mit einer doch schweren Gießkanne unterwegs war, konnte man diesem Vieh auch nicht entkommen. Dieser Gemüsegarten wurde von meiner Mutter mit großer Hingabe gepflegt; allerdings forderte sie Unterstützung! Und mir dauerte alles zu lange, und als dann die Ergebnisse dann vorlagen, hatte man plötzlich von einer Sorte zu viel – Radieschen, Gurken, Salat. Auch Mohn gab es, sogar Tabak wurde angepflanzt, nach der Ernte der Blätter mussten sie aufgefädelt zum Trocknen aufgehängt werden. Das Kühe Hüten war mir dann doch lieber, das war doch einigermaßen geruhsam, man konnte dabei lesen, und die Kühe waren ungleich friedlicher als der grässliche Hahn.

Bei all dem Neuen geriet bei mir die Aufnahmeprüfung etwas in Vergessenheit. Leider nicht bei meiner Mutter. Sie war ob meiner Fortschritte sehr besorgt, weil jetzt mehr und mehr der Unterricht ausfiel. Sie war dann immer in der Lage, unter den deutschen Flüchtlingen eine Lehrerin aufzutreiben, die dann mit mir den Stoff der dritten und vierten Klasse rekapitulierte, mir auch Hausübungen auftrug. Mir war das höchst unwillkommen, aber Turnen, das war bei diesem Unterricht auch nicht dabei.

Gelernt  habe ich in der Zeit sehr viel, allerdings nicht für eine Aufnahmeprüfung!

Naja, inzwischen hatten sich die Verhältnisse aber geändert. Die strammen Herren, die auf körperliche Ertüchtigung so großen Wert gelegt hatten, hatten dann im Frühjahr 1945 nicht mehr das Sagen. Bei der Anmeldung ins Gymnasium war aufgrund der politischen Turbulenzen keine Aufnahmeprüfung mehr erforderlich, – schon gar nicht in Turnen! Man musste nur bis Weihnachten beweisen können, dass man das notwendige Wissen und die Eignung besaß, die für den Verbleib im Gymnasium erforderlich waren.

Alle vorherige Aufregung war umsonst gewesen!

1945: die drohende Aufnahmeprüfung ins Gymnasium

Interregnum 2016

Interregnum (lateinisch für „Zwischenregierung“), bezeichnet eine Übergangsregierung oder den Zeitraum, in dem eine solche herrscht; insbesondere in Wahlmonarchien die Zeit zwischen dem Abdanken oder Ableben eines Regenten und der Amtsaufnahme seines Nachfolgers.

Wir denken bei “ Interregnum in der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches an die Periode zwischen der Absetzung Kaiser Friedrich II. durch Papst Innozenz IV. im Jahre 1245 und der Wahl Rudolfs I., eines Habsburgers, im Jahre 1273.

oder

In der Geschichte Österreichs an die Zeit zwischen dem Aussterben der männlichen Linie der Babenberger 1246 bis zur Wahl Ottokar Premysls 1256 zum österreichischen Herzog. Die Habsburger, die nach dem Sieg Rudolf von Habsburgs in der Schlacht auf dem Marchfeld 1278 an die Macht kamen, erkannten die Herrschaft Ottokars allerdings nicht an, weshalb in vielen Quellen auch die Zeit zwischen 1256 und 1278 zum Interregnum gerechnet wird.

Sind wir vielleicht geprägt durch Schillers Ballade „der Graf von Habsburg“: „Denn geendigt nach langem verderblichen Streit, War die kaiserlose, die schreckliche Zeit, Und ein Richter war wieder auf Erden. Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer, Nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mehr, Des Mächtigen Beute zu werden“?

Also ganz so schlimm wird es ja nicht werden können, denn wir leben immerhin in einer demokratischen Republik, und es gibt eine Verfassung: wir haben zwar noch keinen Nachfolger, aber wir haben zwischenzeitlich lt. Art. 64 der Verfassung ein Kollegium der drei Nationalratspräsidenten Doris Bures, Karlheinz Kopf und Norbert Hofer.

Dennoch, viele „Pflichten“ eines Staatsoberhauptes werden nicht wahrgenommen: Festspiele werden zwar eröffnet werden, aber nicht durch den Präsidenten; dem Bundesheer fehlt derzeit der Oberbefehlshaber; neue Botschafter werden nicht akkreditiert und scheidende nicht verabschiedet. Es wird keine präsidentiellen Staatsbesuche geben …

Man kann fragen, wie wichtig das alles  überhaupt ist und ob das Amt nicht auch „abgespeckt“ bestehen könnte. Aber wenn das Leben auf das „Notwendige“ beschränkt wird, wäre das dann nicht auch einigermaßen langweilig? Also: meinen Kindern hat früher das Pony der Militärmusik sehr gut gefallen. Die Militärmusik war mit der Garde beim Antrittsbesuch eines Botschafters aufmarschiert. Wozu braucht man einen roten Teppich?

Vieles von unseren Zeremonien sind noch aus der Monarchie übernommen und dem Staatsoberhaupt, wenn er sich  „ordentlich“ verhält und lange genug im Amt verweilt, haftet ja dann doch die Aura eines Ersatzkaisers an. Schon allein, dass er in Hofburg amtiert – in den Prunkräumen – hat etwas „Kaiserliches“ an sich. Und die Fahne der Republik und die Europafahne werden mir abgehen, denn die werden nicht gehisst, solange wir keinen Bundespräsidenten haben.

Ich habe schon eine Reihe von Bundespräsidenten erlebt, die ihr Amt immer wieder unterschiedlich ausgeübt haben, die auch von der Bevölkerung unterschiedlich wahrgenommen wurden. Für die ersten beiden war meine Haltung von Respekt geprägt (Karl Renner, Theodor Körner), Franz  Jonas kannte ich nicht persönlich, ich erinnere mich primär an die Witze über ihn. Die waren unfair, denn er übte sein Amt mit Umsicht aus. Adolf Schärf, auch als Bundespräsident ein ordentliche Beamter, wurde von seiner Tochter aufopfernd unterstützt. Wir lernten sie später näher kennen und schätzen. Rudolf Kirchschläger: Er war eine beeindruckende, sehr ernste Persönlichkeit, seine Frau eher eine gestrenge Person, wenn man nicht dem Anlass entsprechend gekleidet bei einer Einladung auftauchte, konnte man sich schon ihren Unwillen zuziehen. Kurt Waldheim, zuerst mit Lob überhäuft, als langjähriger Generalssekretär der UNO, dann aber einer mitleidlosen Kampagne ausgesetzt, die dazu führte, dass sein und damit Österreichs Ruf erheblich litten. Er war im persönlichen Umgang immer höflich und korrekt. Seine Frau und seine zwei Töchter unterstützten ihn liebevoll, auch nachdem er aus dem Amt ausgeschieden war. Thomas Klestil kannten wir schon länger, er war ein sehr aktiver Diplomat, bevor er das Amt des Bundespräsidenten antrat. Wir haben auch seine Frau Edith, die ihn in allen seinen Funktionen immer unterstützt hatte, gekannt und geschätzt. Uns war sein Verhalten ihr gegenüber eher unverständlich. Es war auch verstörend, dass ein aktiver Bundespräsident seine privaten Probleme in einer Wochenzeitschrift darlegte. Bis dahin war das Privatleben von aktiven Politikern, auch wenn es bekannt war, nicht Gegenstand von Zeitungskolumnen gewesen. Dieses Verhalten war ein Dammbruch und hat der Society-Berichterstattung über Politiker so richtig Auftrieb verliehen.

Wir waren öfter in der Präsidentenvilla auf der Hohen Warte eingeladen gewesen, wo wir meist sehr interessante Persönlichkeiten trafen und es zu guten Gesprächen zu wesentlichen Themen kam. Bei den „großen“ Einladungen z.B. im Imperial oder auch in der Hofburg war das nicht immer gegeben, da war man halt abhängig von seinen Sitznachbarn, die manchmal „no known language“ sprachen, und daher eine Kommunikation etwas schwierig war und sich so eine Einladung etwas ziehen konnte.

Dann gab’s noch Damenempfänge bei Staatsbesuchen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir jener von Präsident Jimmy Carter. Im Belvedere waren „Damen der Gesellschaft und Frauen von Journalisten“ eingeladen, um Rosalynn Carter und Tochter Amy kennenzulernen. Amy wurde von einigen als VIP bezeichnet – Abkürzung von „very important Pamperletsch“.

Während es Interregnums wird auch derartiges ausfallen, was aber nicht unbedingt ein Unglück ist.

Interregnum 2016

Wiener Spaziergang – mit Überraschungen

Ich liebe Wien – natürlich, ich gebe zu, es gibt noch ein wenig Verbesserungsbedarf.

In Wien gibt es liebenswerte Überraschungen (selbst wenn man darüber gelesen haben sollte): wie ich so durch den Burggarten gehe, auf dem Weg nach Mariahilf, treffe ich, ja, es ist so, auf in eine ordentliche Reihe gestellte Lipizzaner-Mamas mit ihren dunkeln Fohlen. Natürlich standen einige Betreuer um sie herum. Nur die Fohlen tänzelten zuweilen etwas aus der Reihe. Schaulustige sammelten sich, Touristen – natürlich – aber auch Einheimische, fast alle zückten ihre Kameras (Handys). Keiner ging weiter! Als Wiener liebt man ja „seine“ Lipizzaner. Keinem hier Lebenden würde es einfallen, wenn diese Pferde die Stallburggasse queren, um zu ihrer Morgenarbeit zu schreiten, zu hupen oder dieses Spektakel zu stören. Also wartete man, jene, die näher kommen wollten, um die Pferde zu streicheln oder gar zu füttern, wurden unwillig abgewiesen. Dann setzte sich der Tross in Gang und es ging auf die Wiese, genauer gesagt auf ein abgezäuntes Stück Wiese. Dort gingen die Pferde anfangs alle weiterhin hübsch ordentlich im Kreis, wie man es gewohnt zu sein scheint, bis dann angeführt von den Fohlen, vergnügt herum galoppiert wurde. Keiner der das beobachtet hatte, ging grantig weiter, alle hatten ein Lächeln im Gesicht!

Ich finde die Ringstraße wunderschön, nicht nur die Gebäude sondern die ganze Anlage. z.B. auch die einfachen oder auch doppelten Alleen. Schon zu Zeiten der Planung der Ringstraße war man sich über die Sorten der neu zu pflanzenden Bäume lange Zeit uneinig. Einig war man sich nur in der Ablehnung der Rosskastanie, da diese in Wien allerorts üblich und daher zu „plebejisch“ wären. Man einigte sich schließlich auf Platanen und Götterbäume, die sich später nicht bewährten. Denn der Götterbaum breitet sich schnell und unkontrolliert aus und verdrängt dabei heimische Gehölze. Aufgrund seiner Robustheit ist der Götterbaum in einigen Städten in Grünstreifen zwischen Verkehrsflächen anzutreffen, jedoch sind viele Teile des Götterbaumes giftig. Insbesondere beim Entfernen und Rückschnitt sind Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, da jeder Kontakt zu allergischen Reaktionen führen kann.

Jedenfalls sind noch einige wunderschöne Platanen anzutreffen, aber inzwischen sind viele höchst unterschiedliche Bäume gepflanzt worden – in meinen Augen einfach schade. Aber natürlich sind alle diese Bäume den Folgen des Verkehrs, der Abgase, dem Salz im Winter etc. ausgesetzt, mit dem bei der ursprünglichen Planung nicht gerechnet werden musste. Aber neulich, am Schottenring, bemerkte ich ein paar Tamarisken! Ich meine, man sollte lieber auf die Platanen zurückgehen.

Besonders freuen mich aber die wirklich hervorragend gepflegten Wiener Parks, mit ihrem prächtigen Blumenschmuck. Noch immer blühen die Rosen im Volksgarten. Und dort kann man sich auch wunderbar erholen, in dem friedlichen Eckerl rund um das Denkmal der Kaiserin Elisabeth. Diese wunderschöne, heiter-gelassene Frau, die sie nicht war –  hat mich – in der Form dieses Denkmals – schon als Kind beeindruckt. Den Standort des Denkmals hat Kaiser Franz Josef persönlich bestimmt. Sisi wäre mit diesem verborgenen Ort einverstanden gewesen, hat sie doch das angegafft werden gehasst. Bei dem Denkmal handelt es sich um eine umfangreiche Anlage von Friedrich Ohmann, er stammte aus Lemberg, damals Galizien – Österreich-Ungarn, heute Lwiw, Westukraine. Im Zentrum befindet sich die sitzende Elisabeth-Statue von Hans Bitterlich. Die Figur der Kaiserin wurde aus einem 8000 kg schweren Block Laaser Marmor aus Südtirol geschaffen und misst 2,50 m Höhe. Die Enthüllungsfeierlichkeiten fanden am 4. Juni 1907 in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I. statt.

Der Laaser Marmor wurde noch für ein anderes Denkmal im Volksgarten verwendet, es handelt sich dabei um eine Marmorplastik, errichtet 1889 von Carl Kundmann, dahinter Wand von Karl Freiherr von Hasenauer mit Reliefs von Rudolf Weyr, die Säulen aus Granit. Dieses eindrucksvolle Denkmal, dem österreichischen Dichter Franz Grillparzer gewidmet, ist mir deshalb weniger lieb, als jenes der Kaiserin Elisabeth, da es manchmal  zum Abprüfen verwendet wurde: was bedeuten die Szenen, wer waren die handelnden Personen in den dargestellten Dramen: auf der architektonisch gestalteten Wand hinter dem Denkmal: also: links „Ahnfrau“, „Der Traum ein Leben“ und „König Ottokars Glück und Ende“, rechts „Sappho“, „Medea“ und „Des Meeres und der Liebe Wellen“.

Aber unabhängig von Denkmälern gibt es noch das Volksgartencafe, mit vielen romantischen Erinnerungen an die Fünfuhrtanzveranstaltungen mit Big Band und Glenn Miller Musik an Samstagen im Sommer.

Und nicht zu vergessen die lauschige Meierei, mit den Spatzen, die sich der anfallenden Brösel schon auf den Tellern der Gäste annehmen. Dieses Gebäude wurde 1890 ursprünglich als Wasserspeicher erbaut und 1924 in eine Milchtrinkhalle umgewandelt. Meine Lieblingsbestellung: ein Glas saure Milch und ein Butterbrot mit Schnittlauch!

Ganz verstehe ich jetzt etwas nicht: Die „Österreichischen Bundesgärten“ betreuen die Gartendenkmale (in Wien: Augarten, Belvederegarten, Burggarten, Volksgarten, Schlosspark Schönbrunn) im Eigentum der Republik Österreich. Das ist eine Dienststelle des Lebensministeriums. Diese historischen Parks, sie gehören zum Weltkulturerbe, wurden soeben trotz massiver Proteste von Experten einer Gartenbau-Mittelschule unterstellt. Man rätselt, warum. Cui bono?

Wiener Spaziergang – mit Überraschungen

Kommen sie oder holen wir sie?

Wahlbeobachtung: eine Klarstellung

Wahlbeobachter sind weder Wahlhelfer noch Wahlüberwacher. Der Wahlbeobachter ist eine unabhängige Person, die eine Wahl beobachtet und dadurch auf ihre rechtmäßige Durchführung hin überprüft und Wahlfälschung verhindern soll. Die Wahlbeobachtung erstreckt sich sowohl auf die Vorbereitung der Wahlen (Wählerlisten, Stimmzettel, Wahllokale usw.) als auch – unter Wahrung des Wahlgeheimnisses – auf die Wahlhandlung selbst (mögliche Behinderungen oder Beeinflussungen), auf die Stimmauszählung und Protokollierung des Wahlergebnisses. International ist es üblich, dass auch ausländische Wahlbeobachter, zum Beispiel von der OSZE, am Ort sind und ihre Erkenntnisse ungehindert veröffentlichen können. Dabei verfolgt eine Gruppe unabhängiger internationaler und/oder lokaler Beobachterinnen und Beobachter den Wahlprozess, um ihn unter Berücksichtigung internationaler Standards sowie der Gesetzgebung des Landes kritisch zu bewerten.

In der heutigen Form gibt es Wahlbeobachtungsmissionen seit dem Ende des Kalten Krieges. Diese Missionen leisten einen wichtigen Beitrag zur Krisenprävention. Wahlbeobachtung kann auf diese Weise für Transparenz und Akzeptanz bei allen beteiligten Akteuren sorgen und zur politischen Stabilisierung vor allem in Transitions- und Post-Konflikt-Ländern beitragen.

Die derzeit viel zitierte Verpflichtung zur Wahlbeobachtung „vor, während und nach Wahlen“ wurde durch das Budapester Dokument von 1994 fixiert. Das BDIMR (engl.: ODIHR) organisiert vor allem Wahlbeobachtungsmissionen, fördert Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und Nicht-Diskriminierung, führt institutionelle Aufbauhilfe und Beratung durch und wacht über die Einhaltung der Standards. Die Einhaltung dieser Verpflichtungen wird bei jährlichen Implementierungstreffen diskutiert.

Darüber hinaus gibt es keine speziellen Verpflichtungen, sondern lediglich Beauftragungen an das BDIMR, wie etwa diejenige zur Koordinierung der internationalen Wahlbeobachtung oder zur Beurteilung der Freiheit und Unabhängigkeit der Medien. Umfangreiche Aufgabenstellungen an das BDIMR zu Ansätzen und Details seiner Beobachtungsmethodik sind im Brüsseler Beschluss zur Stärkung der Wirksamkeit der OSZE enthalten.

Das BDIMR als eigenständige Institution der OSZE (d.h. nicht die OSZE als solche) hat sich zudem der Declaration of Principles for International Election Observation (2005) angeschlossen. Das BDIMR hat hierauf aufbauend eigene, interpretative Wahlbeobachtungsstandards geschaffen, publiziert und in über 100 Beobachtungsmissionen mit Hilfe von mehr als 30.000 Beobachtern zur Anwendung gebracht.

Im Zentrum der Wahlbeobachtungsmissionen des BDIMR standen von Beginn an die postkommunistischen Transformationsländer. Auswahlkriterium für die Ansetzung von Wahlbeobachtungen ist die Unterscheidung zwischen Teilnehmerstaaten „mit nichtdemokratischer Vergangenheit“ und „alteingeführten Demokratien“. In Reaktion auf den Vorwurf der geographischen Einseitigkeit der Wahlbeobachtung führt das BDIMR seit längerem auch in westlichen Teilnehmerstaaten wie Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Kanada, den Niederlanden, der Schweiz, Spanien und den USA Wahlbeobachtungen durch, wenngleich in kleineren Formaten (wie z.B. Bedarfserhebungsmissionen oder Wahlbeurteilungsmissionen) und mit weniger öffentlicher Resonanz.

Der Umgang mit der OSZE-Wahlbeobachtung war zunächst sowohl für westliche als auch für östliche Teilnehmerstaaten eine Herausforderung. Die Anwesenheit ausländischer Beobachter bei politischen Wahlen, einem der wichtigsten innenpolitischen Vorgänge überhaupt, und die Beurteilung der Wahlen vor der Weltöffentlichkeit wurden oftmals als belastend empfunden. Zudem mussten selbst in der Gesetzgebung mehrerer westlicher Teilnehmerstaaten überhaupt erst einmal Vorkehrungen für internationale Wahlbeobachtungen getroffen werden.

Die Wahlbeobachtung des BDIMR wird von einigen Teilnehmerstaaten stark kritisiert. Trotzdem ist es in der OSZE diesbezüglich zu keiner Blockadesituation gekommen. Denn die OSZE verfügt über ein gut entwickeltes Verpflichtungswerk zu demokratischen Wahlen (Wahlgrundsätze, Wahlprozeduren) und zur Wahlbeobachtung. Es existieren originäre und interpretative Verpflichtungen zur Durchführung von Wahlen und Wahlbeobachtungen. Dabei werden originäre Verpflichtungen, von kaum einer Seite in Frage gestellt. Anders verhält es sich mit den interpretativen Verpflichtungen, die sich durch Auslegung und vor allem jahrelange Anwendung durch das BDIMR zu praktizierten Standards entwickelt haben. An ihrer Implementierung waren die Teilnehmerstaaten stets beteiligt und haben sie auf diese Weise legitimiert.

Um diese interpretativen Verpflichtungen geht es in der Diskussion über die Methodik der Wahlbeobachtung des BDIMR. Die Methodik des BDIMR erfasst und kommentiert den Gesamtvorgang des Wahlgeschehens von der Gesetzgebung über die Bekanntgabe der Ergebnisse bis hin zu Beschwerden und Einsprüchen. Die Methodik stellt eine Innovation dar, zu der es in der internationalen Wahlbeobachtungspraxis gegenwärtig keine Alternative gibt. Von den Teilnehmerstaaten wird die Wahlbeobachtung in der Regel als Instrument der technischen Zusammenarbeit begrüßt.

Die OSZE verfügt neben dem BDIMR mit der Parlamentarischen Versammlung über einen zweiten unabhängigen Wahlbeobachter. Zwischen beiden Institutionen besteht keine strukturelle Verbindung, was zu internem Wettbewerb und Polemik geführt hat.

Im Fokus der generellen Diskussionen steht die Wahlbeobachtung der OSZE insbesondere dort, wo sie als Instrument der innenpolitischen Beeinflussung wahrgenommen wird. Künftige Vorsitzländer sollten sich nicht nur speziell auf die in ihre Amtszeiten fallenden Wahlbeobachtungen vorbereiten, sondern auch auf einen Dialog darüber, wie die Wahlbeobachtung als eine der profiliertesten und politisch bedeutendsten Feldaktivitäten der OSZE fortgesetzt werden kann.

Voraussetzung für eine OSZE-Beobachtermission ist eine Einladung durch den jeweiligen Mitgliedsstaat. Bei der Bundespräsidentenwahl 2010 waren bereits Wahlbeobachter der OSZE eingeladen gewesen. Die österreichischen Innenminister und Außenminister, kündigten an, dass sie dafür sorgen wollen, dass in den österreichischen Bezirken, die Fehler gemacht hatten, OSZE-Wahlbeobachter eingesetzt werden. Das wird vom Bundeskanzler als nicht notwendig erachtet.

Kommen sie oder holen wir sie?

Was bezweckt der türkische Präsident?

 

Der von Erdogan installierte Ministerpräsident Binali Yildirim verkündete erst vor wenigen Tagen, außenpolitisches Ziel Ankaras sei es, „die Zahl der Freunde zu mehren, die der Feinde zu verringern“. Dass sich der Mangel an Freunden inzwischen auch wirtschaftlich niederschlägt, zeigt ein Blick auf die leeren Urlaubsstrände. Gleich mit zwei wichtigen Ländern, mit denen sich die Türkei scheinbar hoffnungslos überworfen hatte, soll nun ein neues Kapitel aufgeschlagen werden: Mit Israel und Russland.

Israel

Nach sechs Jahren diplomatischer Eiszeit haben sich Israel  und die Türkei  auf eine Normalisierung ihrer Beziehungen geeinigt. Anlass für den Zwist war 2010 die Tötung von zehn türkische Aktivisten bei einem Einsatz der israelischen Marine auf der  Mavi Marmara, dem Hauptschiff eines Gaza-Hilfskonvois.  Ihren Angehörigen sollten mit rund 20 Millionen Dollar entschädigt werden. Israel hatte den Marine-Einsatz mit dem Argument verteidigt, dass auf dem Seeweg Waffen an die Hamas gelangen könnten. Unter dem Druck der USA entschuldigte sich Netanjahu Ende März 2013.

Aber nicht genug damit: Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan nannte 2014 das Vorgehen Israels bei der einer Offensive in Gaza eine „Barbarei, die Hitler überflügelt“. Das israelische Militär gehe unangemessen hart vor. Der Anlass war, dass Hamas-Kämpfer zwei israelische Soldaten getötet hatten. Die Palästinenser waren durch einen Tunnel aus dem Gazastreifen in Israel eingedrungen. Die Kernforderung Erdogans, der enge Beziehungen zur radikal-islamischen Hamas pflegt, war ein Ende der Blockade des Gazastreifens.

Russland

Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern hatten im November 2015 ein neues Tief erreicht, als die türkische Luftwaffe einen Sukhoi-24M-Bomber an der syrischen Grenze wegen Verletzung des türkischen Luftraums abschoss. Die Türkei legte zum Beweis Radaraufnahmen vor, Moskau bestand darauf, dass keine Luftraumverletzung vorgelegen habe.

Erdogan schrieb nun einen Brief an Putin, in dem er sich entschuldigte, aber nicht bei Russland, sondern bei der Familie des getöteten Piloten. Beide Seiten wahren ihr Gesicht und können nun wieder Geschäfte miteinander machen.

Aber über Syrien ist man sich mit Russland gar nicht einig

Russland unterstützt Assad, die Türkei möchte ihn stürzen. Offiziell soll es gegen den IS gehen. Tatsächlich kämpft die Türkei vor allem gegen die Kurden. Die Türkei profitiere von Geschäften mit dem IS, meint man in Russland. Tatsächlich will Erdogan die Kurden in Syrien schwächen. Er behauptet, dass die Kurden eine Allianz mit der PKK hätten. Weil der Westen dieser Einschätzung nicht folgt, hat Erdogan die EU mehrfach beschimpft: Sie unterstütze Terroristen. Er werde genau deshalb die Terror-Gesetze des Landes nicht entschärfen.

Probleme in der Türkei

In der Türkei selbst hat der Kampf der Regierung gegen die PKK mittlerweile militärische Ausmaße angenommen. Innerhalb eines Jahres sind in der Türkei bei etwa 20 Attentaten mehr als 300 Menschen getötet und über 1000 verletzt worden. Davon allein vier Terroranschläge in Istanbul und zwei in Ankara zeigen, wie verwundbar das Land geworden ist. Auch wenn die Sicherheitsvorkehrungen noch so umfassend sind, und in Istanbul waren sie besser als anderswo, so gilt: Wollen Terroristen „weiche“ Ziele angreifen, kann man sie nicht immer daran hindern. Mit Anschlägen wie dem in Istanbul will der „Islamische Staat“ die Illusion am Leben erhalten, dass er noch immer in der Offensive sei. In Syrien und im Irak schrumpft sein Territorium, seine Finanzen trocknen langsam aus, die Zahl der Deserteure wird größer. Um den Überlebenskampf zu kaschieren, startete der IS eine virtuelle Gegenoffensive über Twitter und eine blutige des Terrors in Ländern, die sich am Krieg gegen ihn beteiligen.

Noch vor zwei Jahren war die Türkei von IS-Terror weitgehend verschont gewesen. Heute wird sie von den Folgen ihrer Politik in Syrien und gegenüber den Kurden eingeholt. In Syrien war der Türkei zunächst jedes Mittel recht, wenn es nur dem Ziel diente, den Machthaber Assad rasch zu stürzen. Auch als der IS mit mehreren tausend „Schläferzellen“ in der Türkei eine Infrastruktur aufgebaut hatte und die Türkei selbst bedrohte, sah Ankara weiter in den Kurden die größere Gefahr.

Um all das einzudämmen benötigt Präsident Erdogan Verbündete und keine Feinde. Aber gleichzeitig  will Erdogan möglichst bald ein Referendum über eine Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems abhalten lassen. Für ein Referendum über eine Verfassungsänderung ist eine 60-Prozent-Mehrheit im Parlament nötig, zu der der AKP derzeit 13 Sitze fehlen.

Hat der Präsident deshalb den syrischen Flüchtlingen einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft seines Landes in Aussicht gestellt? Will er damit seiner islamisch-konservativen Partei neue Wähler verschaffen? Will er damit sein geplantes Referendum sichern? Will er damit das demographische Gefüge seines Landes verändern, um die Macht der Kurden zu schwächen? Oder hat er eine andere Agenda? Europa will er sich aber nicht zum Freund machen, sonst wäre er eher bereit, die türkischen Terrorgesetze zu ändern.

Quo vadis, Turcia?

Was bezweckt der türkische Präsident?

Der Muezzin ruft wieder von der Hagia Sofia

Es gibt noch andere Problemfelder als den Brexit und die Wahlwiederholung in Österreich.

Die Türkei wandelt die weltberühmte Hagia Sophia in Istanbul schrittweise wieder in eine Moschee um. Dahinter steckt auch politisches Kalkül von Präsident Erdogan. Für konservative Muslime, Nationalisten und junge Radikale hat der türkische Präsident jetzt einen Traum erfüllt: Die Hagia Sophia in Istanbul wird Schritt für Schritt wieder eine Moschee. Am 2. Juli hat erstmals seit 85 Jahren ein Imam vom Inneren des riesigen Gotteshauses zum Morgengebet aufgerufen, live übertragen vom türkischen Staatsfernsehen. Auch der Leiter der mächtigen Religionsbehörde Diyanet befand sich unter den Gläubigen. Die „Nacht der Bestimmung“, eine besonders gesegnete Nacht gegen Ende des Fastenmonats Ramadans, ging gerade vorbei.

Entsprechend groß ist die Erwartung unter den türkischen Muslimen, dass die Uhr nun nicht mehr zurückgedreht wird. Mehr als 900 Jahre lang war die Hagia Sophia die Kathedrale von Byzanz, die Kirche des „zweiten Roms“. Seit der Eroberung Konstantinopels durch die Muslime diente sie 481 Jahre lang als Moschee. Bis Kemal Atatürk kam, der Gründer der türkischen Republik, der Staat und Religion trennte. Aus der Hagia Sophia wurde 1935 ein Museum, für das Besucher aus aller Welt Eintritt zahlten und in dem fortan weder Christen noch Muslime beten sollten. Vor allem nationalistisch gesinnte, gläubige Türken störte das.

Erdogan hatte schon im Mai den 563. Jahrestages der Eroberung Konstantinopels groß feiern lassen. Er, der sich gerne mit dem Konstantinopel-Bezwinger Mehmed II. vergleicht, lässt dazu die osmanische Geschichte in bunten Farben auferstehen. Die Wiederbenutzung der Hagia Sophia als Moschee, so lassen Erdogans Gefolgsleute in Partei und Medien verstehen, ist nun so etwas wie die zweite Eroberung Konstantinopels: der Sieg der „neuen Türkei“ Erdogans über die säkulare Republik von Kemal Atatürk.

Den ersten Schritt zur Umwandlung der Hagia Sophia hatte die türkische Führung schon zu Beginn des Fastenmonats Ramadan im Juni unternommen, als sie erstmals wieder unter der Kuppel der Kirchenhalle aus dem Koran lesen ließ. Die griechische Regierung hat dagegen protestiert. Für die orthodoxen Griechen sind Konstantinopel und die Hagia Sophia immer noch die Fixpunkte ihres mehr als tausendjährigen Reichs von Byzanz.

Die Hagia Sophia ( „heilige Weisheit“), erbaut von Kaiser Justinian I. im sechsten Jahrhundert  befindet sich  im europäischen Teil Istanbuls. Indem erstmals eine Kuppel mit 32 m Spannweite auf nur vier Auflagepunkten einen zentralen Raum überdeckte, und auf Grund der besonders kostbaren Innendekoration nebst den allgemeinen Dimensionen des Bauwerkes, gilt die Hagia Sophia als eines der großartigsten Gebäude aller Zeiten. Sie selbst ist darüber hinaus das Vorbild für die Entwicklung der christlichen Baukunst, da sie den endgültigen Bruch gegenüber der heidnischen antiken Baukunst vollzog. Die Hagia Sophia war die Hauptkirche des Byzantinischen Reiches, Kathedrale Konstantinopels und religiöser Mittelpunkt der Orthodoxie. Heute ist sie ein Wahrzeichen Istanbuls.

Sie war die Krönungskirche der byzantinischen Kaiser (seit 641), sie fungiert als Kathedrale des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel, und ist ein Ort wichtiger historischer Geschehnisse und damit in besonderer Weise mit der byzantinischen Geschichte verbunden. Die Hagia Sophia blieb über die Zeit des Mittelalters auch ein universelles christliches spirituelles Zentrum. Der dort befindliche „Omphalion“ (Nabel der Welt), symbolisiert die Mitte der Erde Sie gilt  den meisten orthodoxen Christen noch heute als großes Heiligtum.

Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 wurden christliche Insignien, Inneneinrichtung, Dekorationen und Glocken der Hagia Sophia entfernt oder durch Putz verdeckt. Daraufhin wurde sie als Hauptmoschee der Osmanen adaptiert. Das Gebäude diente vom 29. Mai 1453 bis 1931 als Moschee, wurde dann säkularisierte und am 1. Februar 1935 als Museum eröffnet. Eine islamische Legende behauptet, dass die Hagia Sophia auf einem Platz stehe, den der israelitische König Salomon in einem Gebet vorhergesagt habe. Da sich der Islam als einzig wahrer Erfüller des jüdisch-christlichen Monotheismus versteht, wird die angebliche jüdische Weissagung in dieser Legende zum Hinweis für die Muslime, den Platz der Hagia Sophia als für sie bestimmt anzusehen.

Auch Ruland ist an der Hagia Sophia interessiert. Russische Duma-Abgeordnete fordern die Rückgabe der Hagia Sophia an die orthodoxe Kirche. Als solche wurde sie erbaut und sie war wesentlich länger als Kirche genutzt worden, als als Moschee. Auch Bartholomeos I., Erzbischof von Istanbul und Ökumenischer Patriarch, betonte Wenn die Hagia Sophia zum Gebet eröffnet wird, dann sollte sie wieder zu einer Kirche umgewandelt werden“.

Aber die rechtsnationale Splitterpartei BBP forderte von der türkischen Regierung, sie solle die Hagia Sophia am Ende des Fastenmonats Ramadan (September 2010) für das muslimische Gebet öffnen. Im Vorfeld der Kommunalwahlen in der Türkei 2014 forderte die islamisch-konservative Regierung Ende 2013 die Rückwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee mit dem Ziel, Stimmen strenggläubiger Muslime zu gewinnen. Von einer regierungsnahe Jugendorganisation wurde Ende Mai 2014 ein demonstratives Massenbeten mit tausenden Teilnehmern vor dem Museum veranstaltet.

Im Rahmen der Eröffnungsfeier einer neuen Ausstellung in der Hagia Sophia, wurde am 10. April 2015, dem Karfreitag des Orthodoxen Christenfestes, erstmals nach 85 Jahren, wieder Suren aus dem Koran von einem Imam rezitiert. An der Feierlichkeit, die den Propheten Mohammed ehren soll, nahmen auch Regierungsmitglieder teil. Teile der Opposition sahen in dieser Zeremonie einen weiteren Vorstoß der Regierung, die Hagia Sophia wieder in eine Moschee umzuwandeln.

Anlässlich des Fastenmonats Ramadan im islamischen Jahr 1437 wurde die Hagia Sophia im Juni 2016 vorübergehend wieder als Moschee genutzt, was in der Türkei und in Griechenland zu einer Kontroverse führte.

Erdogan lässt derzeit seine eigene Moschee bauen, auf dem Camlica-Hügel auf der asiatischen Seite des Bosporus – noch höher und noch größer als die Hagia Sophia.

Ich finde es jedenfalls schade, dass die Hagia Sophia, die heilige Weisheit, zu politischen Machtspielen benutzt wird.

Der Muezzin ruft wieder von der Hagia Sofia

Faragexit – wie die Phalanx der Brexit Befürworter zerfällt

Der Chef der rechtspopulistischen britischen Partei UKIP, Nigel Farage (geboren 1964, ehemaliger Rohstoffhändler), tritt zurück. „Ich war nie und ich wollte nie ein Berufspolitiker werden“, meinte der Brexit-Befürworter. Sein Ziel sei es gewesen, Großbritannien aus der Europäischen Union zu führen. Das sei erreicht, nun er wolle „sein Leben zurückhaben“. Er geht als Sieger ab. Im Wahlkampf hatte UKIP vor allem damit geworben, den Zuzug von Ausländern aus der EU zu begrenzen. Allerdings sollte auch ein möglichst ungehinderter Zugang zum gemeinsamen Markt der EU erhalten bleiben. Ein Paradoxon!

Farage gehört der Partei seit deren Gründung 1993 an und wurde 1999 ins Europaparlament gewählt. Seinen Sitz dort will er behalten, um dort den Fortschritt der britischen Austrittsverhandlungen zu verfolgen. Gerade erst hatte er sich mit EU-Kommissionspräsident Juncker dort verbale Attacken geliefert. Farage will im Europaparlament nun die Austrittsbewegungen in anderen europäischen Ländern unterstützen. Denen sollte nun lieber die Situation in Großbritannien eine Warnung sein.

Es ist bereits die dritte Rücktrittserklärung Farages: 2009 legte er den Vorsitz von UKIP nieder, um sich auf den Wahlkampf in seinem Wahlkreis zu konzentrieren, den er nicht gewann. Nach der Wahl im Mai 2015 hatte Farage als Konsequenz des Wahlergebnisses seinen Rücktritt vom Parteivorsitz erklärt, und ihn drei Tage später widerrufen. Diesmal aber meint er es ernst, mit dem Rücktritt, sagt er. Diesmal werde er seine Meinung nicht wieder ändern.

Nach dem Ex-Bürgermeister von London, Boris Johnson, ist nun auch Nigel Farage, der Chef der britischen EU-Austrittspartei UKIP, zurückgetreten. Das enthüllt eine ziemlich erbärmliche Situation jenes Lagers, das eigentlich das britische EU-Austrittsreferendum gewonnen hat. Das Nein-Lager hat nur in einem einzigen Punkt zusammengefunden, dem Nein zu der EU, wie sie sich heute präsentiert. Über den nächsten Schritt, das „Was dann?“, hat man dort aber überhaupt nicht nachgedacht.

Premierminister Cameron hatte das Referendum möglich gemacht, weil ihm sonst womöglich seine Partei zerbrochen wäre. Er hat sich verspekuliert, das Land in seine tiefste Krise nach dem Zweiten Weltkrieg gestürzt. Und ob seine Partei dies alles überlebt, ist auch noch nicht sicher. Cameron verlässt sein Amt. Aufräumen müssen andere.

Sein Widersacher und früherer Londoner Bürgermeister Johnson hatte für den Brexit geworben, ist das Gesicht der Austritts-Kampagne geworden. Und das wahrscheinlich weniger aus tiefer Überzeugung als vielmehr, um sich in eine gute Position für die Nachfolge von David Cameron zu bringen. Auch er hat sich geirrt. Auf Kosten des Landes. Mit dem Brexit scheint er nicht wirklich gerechnet zu haben. Er hat sich nicht selbst zurückgezogen, er wurde von seinem ehemaligen Freund Gove ausgebootet.

Farage, seit zehn Jahren Chef der UKIP, glaubt jetzt alle seine politischen Ziele erreicht zu haben. Die Bürger Großbritanniens haben auch dank seiner Märchen über die grandiose Zukunft des Landes nach einem Brexit mehrheitlich für den Ausstieg aus der EU gestimmt. Er war es auch, der auf dem Rücken von Migranten und Flüchtlingen den Brexit-Wahlkampf geführt und freudig die irrationalen Ängste unter den Briten bedient hat.

Großbritannien muss jetzt mit so wenig Schäden wie irgend möglich durch die kommenden Jahre geführt werden. Die Verhandlungen mit der EU um die Bedingungen für einen Ausstieg werden schwierig. Sie werden auch zeigen, dass viele Versprechen der Brexit-Befürworter nicht zu halten sein werden. Will das Land im Binnenmarkt bleiben, muss es die Regeln der EU akzeptieren. Steigt es auch aus dem Binnenmarkt aus, wird das für die britische Wirtschaft wahrscheinlich negative Folgen haben.

Genau davor fürchten sich die Brexit Befürworter, und belegen damit, wie egal manchem britischen Politiker das eigene Volk ist. Gemeinsam mit Boris Johnson hat Farage sein Land in die größte politische Krise seit 1945 gestürzt und mit verantwortungslosem Populismus, leeren Versprechungen und übertrieben geschürten Ängsten vor der EU ins Chaos geführt. Und jetzt, da sich die öffentliche Stimmung in England gedreht hat und es darum geht, den angerichteten Schaden wieder halbwegs zu beseitigen, stiehlt er sich aus der Verantwortung: Eindeutiger kann man seinem Volk nicht zeigen, wie egal es einem ist. Ich erlaube mir diese Haltung als Feigheit zu bezeichnen. Verantwortungsbewusstsein, Handschlagqualität geht diesen Politikern ab. Derartigen Zauberlehrlingen, die jetzt versuchen, ihre Geister loszuwerden, sollte man umgehend das Handwerk legen.

So, und was bedeutet das jetzt für uns „Rest-Europäern“? Hüten wir uns vor Zauberlehrlingen, die uns in Volksabstimmungen treiben wollen und diese mit populistischen Versprechungen in ihre Richtung drehen wollen. Hüten wir uns vor Politikern, die nur ihr eigenen Machtanspruch vor Augen haben, und denen die Sorgen und Nöte der Menschen egal sind. Hüten wir uns vor Volksabstimmungen, deren Ausgang immer ungewiss ist, wenn keine  Pläne für jeden der möglichen Ergebnisse vorliegen.

Woher kommt wohl das Misstrauen der Bevölkerung in die Politik?

Faragexit – wie die Phalanx der Brexit Befürworter zerfällt