Wo alles so ist, wie es früher war oder wo gar nichts mehr ist, wie es früher war
Grado wurde vermutlich im 2. Jahrhundert vor Christus als Seehafen der Stadt Aquileia gegründet, hauptsächlich für militärische Zwecke. Aquileia ist fast jedem historisch interessierten Österreicher immer wieder ein Reiseziel. Dann fegten die Markomannen durch das Land. Schon ab dem 4. Jahrhundert wurden die ersten christlichen Kirchen in Grado errichtet, z.B Sant’Eufemia. Das Zentrum der Altstadt, am Platz der Patriarchen gelegen. Wenn man die Stadt an der Meerseite umrundet, begleitet die Sicht auf den Turm von Sant’Eufemia dem gesamten Weg. Noch immer werden Messen in Sant’Eufemia gefeiert. Dann eroberten die Hunnen die Gegend. Nach dem Zerfall des Römisches Reiches gehörte Grado zur Republik Venedig..
Über einige Jahrhunderte hindurch wurde Grado von Seeräubern und Nachbarn überfallen und geplündert, doch blieben die frühchristlichen Kirchen Sant’Eufemia, Santa Maria delle Grazie und das Baptisterium San Giovanni Battista als wertvollster Schatz der Altstadt erhalten.
Mit dem Frieden von Campo Formio 1797 und erneut ab 1815 gehörte Grado zum habsburgischen Kaisertum. Es wurde zu „unserem Grado“.
1854 wurden für Badegäste die ersten „camerini“, d.h. Umkleide- und Badekabinen aufgestellt, und 1892 kam es unter Kaiser Franz Josef I. per Erlass zur Gründung der „Kur- und Badeanstalt Grado“ und der Fischerort wurde zum kaiserlich-königlichen (k.k.) Seebad Grado ausgebaut. Die Errichtung eines artesischen Brunnens für die Trinkwasserversorgung und der Anschluss an die Bahnlinie nach Wien waren Voraussetzungen für die Umsetzung dieses Vorhabens. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die Zeit der österreichischen Riviera vorbei. Wirklich?
Im Mai 1915 wurde Grado nach strategischem Rückzug der k.k.-Truppen hinter den Isonzo von Italien besetzt. Die vielen Toten in den Isonzoschlachten scheinen heute sinnlos. Nach kurzer Rückeroberung im Jahre 1917 wurde es in den Friedensverhandlungen von St. Germain (1919) endgültig Italien zugesprochen. In den 1920er Jahren setzte bereits wieder reger touristischer Zustrom aus Mitteleuropa ein, der durch den Zweiten Weltkrieg abermals ein jähes Ende fand. Heute leben die Einwohner vorwiegend von der Fischerei und vom Tourismus, der seit den 1960er-Jahren floriert.
Hier atmet noch das alte Österreich – auch bei den Gästen. Sie kommen noch immer aus den verschiedenen „Kronländern“ – und Deutschland. Es gibt in Grado die deutschsprachigen Zeitungen, fast alle Geschäftsleute sprechen deutsch. Die Speisekarten der Restaurants werden italienisch und deutsch angeschrieben. Die Rolle der ehemaligen direkten Bahnverbindung aus Wien haben nun Autobuslinien übernommen, die die Gäste werden in Grado direkt in die einzelnen Hotels direkt gebracht und bei der Heimfahrt wieder abgeholt. Viele haben hier auch ihre Wohnungen. In Grado kann man sich als Österreicher zu Hause fühlen. Hier sendete im vorigen Jahrhundert „Radio Adria“, betrieben von engagierten Österreichern. Radio Adria war bei den deutschsprechenden Gästen sehr beliebt.
Aber was hat dieser Tourismus der Stadt angetan? Es gab in der Monarchie wunderschöne Hotels, gemütliche Villen, die alle in einem bestimmten Stil erbaut worden waren. Und was dann passiert? Es wurden besonders hässliche Hochhäuser zwischen diese alte Baukultur gesetzt, die noch dazu große Teile des Jahres leer stehen. Es scheint, dass in Strandnähe Gründe geteilt wurden, um Platz für diese „grottenschiachen“ Hochhäuser zu machen. Daher war es auch notwendig, den Strand zu parzellieren. Zudem ist jetzt Herbst und die vielen Reihen von Liegestühlen mitsamt Sonnenschirmen werden schon weggeräumt.
Es gibt noch hübsche Teile der Stadt, die fast dem Wiener Cottage-Viertel ähneln, oder noch das alte Flair haben. Die Altstadt wurde wunderschön restauriert, Ausgrabungen werden präsentiert …
Damit hat sich auch die Klientel geändert, leider ähneln die Gäste immer mehr jenen, wie man sie früher in Jesolo oder Bibione angetroffen hat. Und natürlich kommen auch viele Tagestouristen, die sich dann in den Cafés und Bars niederlassen.
In Wien gab’s vor Kurzem die hervorragende Ausstellung über die „österreichische Riviera“. Präsentiert wurden etwa 450 Objekte, darunter unveröffentlichte Fotografien aus Istrien und Dalmatien zur Jahrhundertwende, bisher nicht gezeigte Objekte aus den Sammlungen des Wien Museums, Einrichtungsgegenstände aus Hotels, zeitgenössische Fremdenverkehrswerbung sowie Kunstwerke, u. a. von Egon Schiele, Rudolf von Alt oder Albin Egger-Lienz. Die Bedeutung der militärpolitischen Aneignung und verkehrstechnischen Erschließung der oberen Adria wurde ebenso thematisiert wie die entscheidende Rolle der Medizin bei der Propagierung von Kurorten am Meer.
Wir verbringen gerne einige Urlaubstage hier, vornehmlich in der Nachsaison, wenn es nicht mehr so heiß ist und nicht so viele Gäste und Touristen in der Stadt sind. Uns gefällt das städtische Ambiente, kombiniert mit der wunderbaren Promenade am Meer, die die Altstadt umrundet.Wo alles so ist, wie es früher war oder wo gar nichts mehr ist, wie es früher war.