Gedanken bei der Fahrt von Grado nach Wien

Schon die Ausfahrt aus Grado ist ein Erlebnis, mitten durch die Lagune führt die Straße; windig ist es da, sogar die Arbeiter haben Kapuzen auf.

Und kaum 10 km entfernt , ist man schon in Aquileia; noch ein letzter Blick im Vorüberfahren auf die mittelalterlichen Kathedrale, in der man das bedeutendste frühchristliche Fußbodenmosaik Italiens vom Anfang des 4.Jahrhunderts weiß. Die Bedeutung der Stadt ergab sich aus ihrer Funktion als wichtigem Verkehrsknotenpunkt bis in die Zeit der Völkerwanderung und ins hohe Mittelalter. Hier lag auch einer der Endpunkt der Bernsteinstraße. Die Bischöfe hier nahmen als Patriarchen einen hohen kirchlichen Rang ein. Erst im Jahr 1751 wurde das Patriarchat von Aquleia aufgehoben.

Aber eigentlich sind wir auf dem Weg nach Hause, es geht sich nur mehr ein kurzer Blick auf die Ausgrabungen aus. Von hier gibt es mehrere Wege zur Autobahn, ob man sich für den kürzesten entschieden hat? Jedenfalls quält man sich langsam, zwar ohne Ampeln, aber über zahlreiche Kreisverkehrsanlagen (fast wie in Niederösterreich) bis zur Autobahnauffahrt. Es waren dann so um die 30 km. Also endlich zieht man sein Billet, nachdem man auf einer Tafel gelesen hat, dass es bei „Udine Sud“ irgendein Problem gibt. Jetzt könnte man noch abfahren und auf der Straße direkt nach Udine fahren, aber ein derartiger Umweg dauert meist länger, als Warten in einem Stau.

Bald stehen wir also im Stau – aber Italiener sind da, scheint es, gelassener als Österreicher. Sie steigen aus, plaudern ein wenig mit den Anderen im Stau stehenden, rauchen eine Zigarette. Damit lassen sich 17 Minuten gut verbringen, dann beginnen sich abwechselnd jeweils die rechte  und die linke Spur in Gang zu setzen: Also vorwärts im „Zippverschluss-Verfahren“! Rechts die Laster aus ganz Europa, links meist Personenauto, zumeist Italiener. Nach einer gefühlten langen Zeit erreichen wir den Unfallsort; ein Laster hat seine Ladung verloren, riesige Papierrollen liegen auf der Fahrbahn, der davon betroffenen „zerdepschte“ Wohnwagen steht schon bereit zum Abschleppen.

Dann geht’s weiter an Udine vorbei, auch da viele Erinnerungen – hauptsächlich an Shopping- und Ess-Erlebnisse – ins Kanaltal. Ich fahre die Strecke gerne – fast lieber noch auf der alten Bundesstraße, aber zeitlich geht’s doch schneller, über die Autobahn. Und schön ist die Landschaft von hier aus auch. Am schönsten allerdings soll es auf dem Fahrrad sein, auf der alten, umgebauten Bahnstrecke.

Und dann ist bald die Grenze erreicht. Es freut mich ganz ungemein, dass hier nicht kontrolliert wird. Also Schengen funktioniert noch! Aber kurz danach werden alle Fahrzeuge von der Autobahn abgeleitet – es steht schlicht „Kontrolle“ dort. Man fährt langsam an einem streng ins Auto schauenden Organ vorbei, dahinter steht noch eine ganze Gruppe von Polizisten, die ebenfalls auf die Gesichter der Fahrenden Schauen, aber dann kann man flugs zurück – auf die Autobahn. Grenzkontrolle oder Fahndung?

Die Fahrt entlang es Wörthersees wäre ja wunderschön, sähe man ihn zuweilen, aber da sind wieder die unvermeidlichen Lärmschutzwände davor! Ob sie wirklich alle erforderlich sind? Naja, als Fahrer sollte man ohnedies mehr auf die Fahrbahn als auf die Umgebung schauen.

Die ärgerliche Abfahrt „nach Wien“, die Hauptstraße führt natürlich nach Klagenfurt, auch so eine der Frechheiten des verstorbenen Landeshauptmannes; und so viele weitere Abfahren nach Klagenfurt, als ob s sich um eine riesige Stadt handeln würde! Aber die Kosten, ja die waren ja damals sichtlich egal, zu höheren Ehre dieses verunglückten Landeshauptmannes, ob es sich um das Stadion, die Seebühne oder den Koralmtunnel handelt. Oh, und nicht zu vergessen;: die Hypo! Das geht einem so durch den Sinn, wenn man durch die vielen Tunnels fährt. Bald schon kommt die Burgruine Griffen in Sicht. Und die Erinnerung, dass diese Straße vor 60 Jahren noch nicht asphaltiert war …

Die Zwischenkriegszeit war, wie in ganz Südkärnten, neben den allgemeinen gesellschaftlichen Spannungen und der gesellschaftlichen Desintegration besonders charakterisiert von ethnischer Intoleranz exklusivistischer territorialer Geschichtsansprüche. Nachdem nach der Naziokkupation 1941 bereits 60.000 Slowenen aus der besetzten slowenischen/jugoslawischen Untersteiermark deportiert worden waren, wurden im April 1942 auch planmäßig Slowenen aus Kärnten unter anderem dem Griffener Raum deportiert, was in der Folge zum organisierten bewaffneten Widerstand insbesondere auch auf der Saualpe führte, der zur militärischen Befreiung von der Terrorherrschaft sowie maßgeblich zur Wiedererrichtung Österreichs beitrug. Der Schriftsteller Peter Handke, der aus  Altenmarkt/Stara vas bei Griffen stammt, gibt in seinem Werk vielfach Zeugnis über die existentiellen Fragen, die sich aus diesem geistigen Umfeld ergeben.

Der Rest der Fahrt – vor allem über den wunderschönen Packsattel – verläuft eher reibungslos und ohne viele Assoziationen. Auf alten Landkarten wird der Packsattel mit „Vier Töre“ bezeichnet: Das bezieht sich darauf, dass die am Sattel zusammenstoßenden vier Wege jeweils mit einem Tor verschlossen waren, um zu verhindern, dass sich Weidevieh auf andere Grundstücke verlief.

Dass man dann in Wien auf der die Triester Straße wieder im Stau steckt, ist nicht wirklich problematisch, obwohl man eigentlich schon gerne zu Hause wäre!

Gedanken bei der Fahrt von Grado nach Wien

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