Gedanken beim Spaziergang durch die Tuchlauben und die Wollzeile.

Ja es passiert viel in der Welt, vieles könnte kommentiert werden. Um Ostaleppo wird noch immer erbittert gekämpft, ebenso um Mosul, dort werden „menschliche Schutzschilde“ vorbereitet. Von beiden Städten werden Flüchtlinge erwartet, in diesen Trecks können Terroristen nicht ausgeschlossen werden. Der Wahlkampf in den USA wird auch immer erbitterter und schmutziger. Erdogan verlängert neuerlich den Ausnahmezustand und will nun die Todesstrafe wieder einführen – eine Provokation für Europa? In Italien kommt die Erde nicht zur Ruhe…. Naja, und dass CETA jetzt einmal feierlich unterschrieben ist, verringert die europäische Blamage über das wallonische Debakel auch nicht wirklich, es ist klar, die EU gehört gründlich reformiert, aber sie ist gleichzeitig zerstritten – wie soll das gehen?

Also wende ich mich lieber vorläufig meiner Wiener Umgebung zu. Gar nicht weit voneinander entfernt: Zwei Straßen, die mit Textilien zu tun haben – die Wollzeile und die Tuchlauben, diese jetzt ein Teil des „Goldenen Quartiers“. Die Tuchlauben war schon immer eine der vornehmsten Straßen der Stadt, wie auch die Zunft der Tuchmacher eine der ältesten und wohlhabendsten gewesen ist und schon unter den Babenbergern mit Rechten und Freiheiten ausgestattet war.

Der Name Tuchlauben leitet sich von den hier ansässigen Tuchhändlern und Tuchschneidern  ab, die in Lauben ihre Waren feilboten. Die Lauben waren ebenerdige Arkadengänge, von denen aus die sogenannten Gewandkeller zugänglich waren; ihr Bestand lässt sich bis 1289 zurückverfolgen, manche waren schon im Mittelalter besitzmäßig vom Haus getrennt und wurden gesondert im Grundbuch eingetragen.

In der Tuchlauben wohnten z.B. Wolfgang Amadeus Mozart, Alban Berg,  Franz Schubert.  Als „besondere Bauwerke“ können des Taxsche Bierhaus, das ehemalige Vizedomamt, der Hochholzerhof, der Tuchlaubenhof und der Seitzerhof bezeichnet werden. Taxsches Bierhaus (Tuchlauben 2), das kleine Häuschen verschwand mit dem Ausbau der Ersten österreichischen Spar-Casse; es trug seinen Namen nach dem bürgerlichen Bierwirt Franz Tax, der 1822-1837 auch Besitzer des Hauses war.

Das älteste bekannte Haus, das an der Stelle nunmehrigen Hochholzerhofs stand, trug bereits im 13. Jahrhundert den Namen „Zum langen Keller“. Immer wieder kam auch die Politik in den Streitigkeiten vor: Ein Günstling des ungarischen Königs Matthias Corvinus schalte und walte in diesem seinen Haus recht rücksichtslos. 1511 wurde das Gebäude in drei selbständige Häuser geteilt. Das vordere kam in den Besitz des Fleischhauers Leonhard Hochholzer. Nach der Schlacht am Weissen Berge (9. November 1620) wurde der Besitzer des Hochholzerhofes, Wolf Parth – wie auch die anderen Parteigänger des Winterkönigs Friedrich von der Pfalz – geächtet und seines Besitzes für verlustig erklärt. Es kam jedoch zu keinem Verkauf, da sich auch kein Käufer fand. 1770-1775 befand sich hier die Kunsthandlung „Zum König von Dänemark“ der Firma „Artaria & Comp.“, 1840 „Mathias Artaria Witwe & Comp.“.

Die Fassade wurde 1949 renoviert. Die BAWAG, die den Hochholzerhof zur Erweiterung ihres Stammhauses in der Seitzergasse erwarb, ließ ihn 1984-1986 unter Erhaltung (und denkmalpflegeischer Restaurierung) der Fassade im Inneren völlig neu gestalten. BAWAG P.S.K. (Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG) entstand im Jahr 2005 und befindet sich mit ca. 52 % im Mehrheits-Eigentum des US-Fonds Cerberus. Das Bankgebäude Tuchlauben 5, also der  Hochholzerhof, wurde neben anderen BAWAG-Immobilien, u.a. dem Tuchlaubenhof in der Tuchlauben 7 und 7a, an ein Konsortium um den Immobilieninvestor Rene Benko verkauft.

Da denkt man unwillkürlich an die BAWAG Affäre, an die Karibik Geschäfte, und die betroffenen Personen, Elsner, Flöttl, die Auswirkungen auf den ÖGB und die dort handelnden Personen, wie z.B. Fritz Verzetnitsch. Und natürlich überlegt man auch, wer wohl in den „Penthouses“ dieser handelnden Personen jetzt wohl wohnt.

Und es ist nur ein Katzensprung hinüber in die Wollzeile. benannt nach den dort sesshaft gewesenen Wollwebern und Wollhändlern; urkundlich erwähnt 1158. Zur Zeit Herinrichs II. Jasomirgott lag die Wollzeile noch außerhalb des ummauerten babenbergischen Stadtgebiets, reichte einst bis zum Wienfluss und ging in die nach Ungarn führende Fernhandelsstraße über (Ungargasse).

Auch in dieser Straße gibt es bemerkenswerte Häuser wie z.B. das Erzbischöfliche Palais, oder der Schmeckende-Wurm-Hof.  Daran knüpft sich ein „G’schichtl“: Der Materialwarenhändler Thomas Racher hatte im Jahr 1700 seinen Laden hatte. Ober der Gewölbetür, zwischen dem Erdgeschoß und einem Fenster des ersten Stockwerks, war ein blechernes, lindwurmartiges Ungeheuer befestigt. An diesem Fenster saß oft ein schönes blondlockiges Mädchen. Sie soll eine Waise gewesen sein, die hier im Universitätsviertel unter den Studenten recht bald einen Verehrer fand. Dieser steckte dem „Wurm“ in der Nacht vor dem Geburtstag seiner Verehrten einen prächtigen Blumenstrauß in den Rachen. Das Mädchen nahm den Strauß nicht an, sondern ließ ihn verwelken, so dass die Wiener einige Tage hindurch sahen, wie der Wurm an den Blumen „schmeckte“ (roch). Die Sache wurde zum Gespött der Leute und das Haus fortan „Zum schmeckenden Wurm“ genannt. Auf Nummer 11 befand sich Mitte des 18. Jahrhunderts die letzte Badstube. Das Simpl auf Nummer 36 ist uns allen noch ein Begriff – als dort die Großen der Nachkriegszeit auftraten.

Aber die Wollzeile ist auch ein Einzugsgebiet von Fremdem, die die Stadt besichtigen wollen, eine Einkaufsstraße, aber da treten dann leider „Lücken“ auf: wie z.B. das Turczynski. Franz Turczynski, kam aus Polen und hat das Geschäft 1882 gegründet, stattete Aristokraten aus, schickte diesen Jagd- und Safari-Kleidung in alle Welt nach. Dieses Lokal hat allerdings ein hübsches Papierwarengeschäft besetzt. Auch der auch Kirchenbedarfshändler Janauschek hat nun zugesperrt. Der geht mir allerdings etwas weniger ab. Das große Geschäft von Kreps Lederwaren steht ebenfalls seit Kurzem leer. Nun hat auch der Feinkostladen Böhle „den Rollbalken“ heruntergelassen. Der Böhle hat die Wiener seit Jahrzehnten mit Delikatessen aus aller Welt versorgt. Allerdings benötigte man Geduld, um in diesem Geschäft bedient zu werden, und grad billig war’s auch nicht.

Aber wenigstens bleiben die großen und kleineren Buchläden in der Wollzeile offen.

Gedanken beim Spaziergang durch die Tuchlauben und die Wollzeile.

Ein Wiener Spaziergang

Bei all dem Gräuel, der überall passiert und über den ausgiebig und detailliert berichtet wird, ziehe ich mich manchmal ganz gern zurück und – gehe in Wien spazieren.

Es gibt manche Viertel, die ich besonders mag, da ist einmal die Gegend um die Alte Universitätskirche, also die Jesuitenkirche. Da gibt’s nicht nur die Drachengasse, sondern auch die Basiliskengasse. Wie muss es im alten Wien ausgesehen haben, dass es nicht weit voneinander zwei Gassen so benannt sind. Der Basilisk ist ein mythisches Tier. Der Blick eines Basilisken versteinert oder tötet. Sein Atem ist tödlich giftig. Im Hausbrunnen des Hauses Schönlaterngasse  7 hat im Jahre 1212 ein Basilisk gehaust. Ein Bäckerbub bemerkte das Ungeheuer und wollte es vor einer angesammelten Menschenmenge beseitigen. Der Junge stieg samt einem Spiegel in den Brunnen herab. Man hatte ihn vorher gewarnt, dass der Blick eines Basilisken ein Lebewesen in Stein verwandelt. Unten angekommen hielt der Bub dem Basilisken den Spiegel vors Gesicht, worauf dieser zu Stein wurde. Heute zeigt ein Fresko an der Hausmauer des Hauses die mutige Tat des Jungen.

Der Name der Drachengasse hat einen weniger spektakulären Hintergrund: sie wird erstmalig am 24. März 1656 erwähnt und mit dem Haus „Zum goldenen Drachen“ (Drachenhaus) in Zusammenhang gebracht wird, dessen Besitzer Angehörige der Familie Drach gewesen sind (Johann Martin Drach). Zuvor trug das Gässchen keinen Namen.

Aber nicht nur die mythischen Namen, mir gefallen auch die Namen jener Gassen, die daran erinnern, welches Handwerk hier ausgeübt wurde: gleich in der Umgebung hier die Bäckerstraße. Sie geht auf einen frühmittelalterlichen Marktplatz zurück und besitzt heute die besterhaltenen Renaissance-Bürgerhäuser der Wiener Innenstadt. Im 11. Jahrhundert entstand vor den Mauern des alten Römerlagers bzw. der babenbergerzeitlichen Stadtmauer Wiens ein Marktplatz, der von den heutigen Straßenzügen Sonnenfelsgasse im Norden und Bäckerstraße im Süden markiert wird. Hier siedelten sich auswärtige Kaufleute an, wie aus den Bezeichnungen Kölner Hof oder Regensburger Hof heute noch ablesbar ist. Sie brachten Waren aus dem Westen über die heutige Mariahilfer Straße und den Kohlmarkt hierher, um sie zu lagern und zu verkaufen.

Einen besonders lustigen Namen hat das Haus Nummer 12: Wo die Kuh am Brett spielt. Das ist darauf zurückzuführen, dass es dort eine Wandmalerie an der Fassade gibt, die eine Kuh mit Brille und einen Wolf zeigt, die miteinander Tricktrack (mittelalterliches Würfelbrettspiel) spielen.

Auch einige Höfe der Häuser an der Bäckerstraße sind recht sehenswert: im ehemaligen Palais Nimpsch, Nummer 10, ist es ein trapezförmiger Hof, der noch Pawlatschengänge aufweist, wie sie früher in Wien üblich waren, oder im Haus Stampa, Nummer 7: dort findet sich einer der wenigen erhaltenen Säulenarkadenhöfe der Renaissance-Zeit in Wien.

Ob wohl manchen der Bäcker in der Bäckerstraße das Bäckerschupfn drohte? Noch in der Zeit der Kaiserin Maria Theresia gab es in Wien für jene Bäcker, welche zu kleines oder schlechtes Brot verkauften, eine peinliche und demütigende  Strafe. Der Bäcker, dem nachgewiesen worden, dass er im Gewichte zu geringes oder aus schlechtem Mehl erzeugtes Brot verkaufe, wurde von dem Magistrate zu dem sogenannten Bäckerschupfen verurteilt und seine Strafe allerorts bekannt gemacht. Das scheint ein wahres Volksfest gewesen zu sein, wenn die zum „Schupfen“ verurteilten Bäcker in offenen Wagen entweder zur Donau oder auf den neuen Graben oder zum damaligen Roten Turm geführt wurden, wo schon alles bereit war, sie ihre Strafe abbüßen zu lassen. An einer langen, starken Stange hing ein hölzerner Käfig. In denselben musste sich der verurteilte Bäcker setzen und wurde nun von den Knechten bis über den Kopf in das Wasser gesteckt, um schnell wieder emporgehoben zu werden. Scharen von Menschen sahen dem Schauspiele zu und schallendes Gelächter, Spott und Hohn begleiteten den Sträfling bei seinem unfreiwilligen Bade.

Dieses Bäckerschupfen scheint aber nicht eine Erfindung der Wiener zu sein, sondern von einem alten deutschen Brauch zu stammen, nach welchem gewisse Verbrecher in einem Sumpf erstickt wurden. Nach alten beglaubigten Chroniken gab es die Strafe des Bäckerschupfens auch in einigen Städten der Schweiz. noch ärger wurden beispielsweise in der Türkei, besonders in Konstantinopel, Bäcker oder Fleischer wegen des Gebrauches unredlichen Gewichts dem öffentlichen Spott preisgegeben, indem sie an einem Ohr an der Türe ihres Geschäfts angenagelt und so einige Zeit verbleiben mussten.

In Wien jedenfalls fand das letzte Bäckerschupfen nachgewiesenermaßen 1773 statt; der humaneren Zeit der Regierung der großen Kaiserin Maria Theresia sowie ihres Sohnes, des Kaisers Josef, war es vorbehalten, diese Strafe durch andere, menschenwürdigere zu ersetzen.

Am Stephansdom kann man noch das richtige Brotmaß, aber auch die kleine Tuchelle und die große Leinenelle besichtigen, den Kreis als Brotmaß und die beiden Eisenstangen als Tuchmaß, linkerhand vom Haupteingang. Der Geschichte mit dem Kreis als Brotmaß ist allerdings eine Erfindung – wenn auch eine gute. Bis ins Jahr 1880 wurde der Haupteingang mit einem Rokokogitter verschlossen. Dieses war an der Außenseite des Portalvorbaus befestigt, die Angeln sind an der Mauer gut erkennbar. Um die Gitterteile im geöffneten Zustand zu fixieren, war links und rechts ein Haken angebracht  Wenn man sich ausrechnet, wie oft diese Haken betätigt wurden, kann man sich leicht vorstellen, wie sich die Kreise im Laufe der Jahre in die Mauer eingeritzt haben.

Was einem so alles durch den Kopf geht, wenn man in Wien durch verschiedene Grätzln geht und die schönen Tafeln mit den Straßennamen betrachtet.

Ein Wiener Spaziergang

Wie geht es weiter in Syrien und dem Irak – mit Erdogans Einmischung?

Und weil es nicht genug ist, in Mosul zu kämpfen, wird Raqqa auch gleich angegriffen – diesmal auf Vorschlag der USA, mit dem Ziel, die IS-Kämpfer nicht entkommen zu lassen. Wenn das nur gut geht, zwei Fronten waren schon öfter ein Problem.

Aber unter jenen IS-Kämpfern, die entkommen könnten, sind 4000 Europäer. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass viele von ihnen nach Europa zurückkommen könnten. Und hat Europa ein Resozialisierungsprogramm?

Das andere Problem besteht darin, dass der Fall von Mosul bzw. Raqqa eine riesige Flüchtlingswelle auslösen könnte, die wohl zuerst die Türkei träfe. Und in der Türkei werden die meisten nicht bleiben wollen. Wenn die Bedingungen „zu Hause“ nicht verbessert werden, dann werden sie wohl kaum zurück in ihre Heimat gehen wollen. Hat Europa einen Wiederufbauplan für Mosul oder Raqqa?

Das bedeutet aber, dass Erdogan wieder eine wesentliche Rolle für Europa spielen wird. Aber „der Sultan“ wird sich seine Rolle bezahlen lassen. Schon jetzt hat er sich einen Platz am Verhandlungstisch über die Zukunft von Mosul gesichert: Gegen den Willen der irakischen Regierung, deren Mitglieder er wie Vasallen behandelt, nimmt er am Kampf von Mosul teil. Auch die Amerikaner hat er in Verlegenheit gebracht, denn diese unterstützen die Kurden, die YPG (People’s Protection Units), die sehr effektiv den Kampf gegen den Islamischen Staat unterstützen, aber jetzt von den Türken bekämpft werden. Erdogan behauptet, dass der YPG ein Zweig der in der Türkei verbotenen PKK wäre, gegen den die türkische Regierung einen jahrzehntelangen Kampf führt. Die PKK wird sowohl von der Türkei als auch von den USA als terroristische Organisation eingestuft.

Wie nun dieser Verhandlungstisch für Mosul aussehen wird, ist noch weitgehend unklar, denn Erdogan findet „seine Grenzen zu eng gezogen“ (Vertrag von Lausanne 1923), Mosul mit seiner öl-reichen Umgebung hätte seiner Meinung nach Teil der Türkei sein müssen.

Ähnlich ist nun das Verhalten der Türkei im Hinblick auf den Kampf um Raqqa. Es ärgert Ankara, dass die USA meinen, dass nur mit Hilfe der YPG Raqqa eingenommen werden kann. Denn die Türken haben schon monatelang die von der YPG kontrollierten Gebiete im Norden Syriens  beschossen, um die kurdischen Gebietsgewinne in diesem Gebiet zurückzudrängen. Die Amerikaner hinwieder meinen, dass dieser Beschuss der Kurden aufhören muss, er könnte alle Planungen um Raqqa zu erobern zunichtemachen.

Bereits jetzt wird die Schlagkraft der Türken angezweifelt, denn da nun viele Rebellen Aleppo verlassen und in anderen Teilen Syriens kämpfen werden, wird der „Schutzschild Euphrat“ nicht ausreichen, um dem Islamischen Staat eine Stadt zu entreißen.

Vorläufig ist jedenfalls das Ziel der Türken, die syrische Stadt Al-Bab, die derzeit vom IS kontrolliert wird, einzunehmen, um angeblich eine Sicherheitszone für die Flüchtlingsrückkehr schaffen zu können. Al-Bab (das Tor) ist eine Stadt im Gouvernement Aleppo im Nordwesten von Syrien, Al-Bab liegt 35 Kilometer nordöstlich von Aleppo. Von dort soll es weitergehen nach Manbij, das im August 2016 von syrischen Einheiten, die weitgehend aus Mitgliedern der YPG bestanden haben. Die türkische Armee will bei dieser ihrer Anti-IS-Operation in Nordsyrien bis Raqqa vorstoßen, eine Hochburg der Islamisten. Kurdische Verbände, die ebenfalls gegen den IS kämpfen, sollen sich jedenfalls (wenn es nach der Türkei geht) nicht beteiligen.

Am 24. August hatte die Türkei im Norden Syriens ihre Operation „Schutzschild Euphrat“ begonnen, bei der die türkische Armee gemeinsam mit Einheiten der Freien Syrischen Armee auf syrisches Territorium vorrückte. Ziel des Einsatzes sei es, einen Korridor für die Truppen der „gemäßigten Opposition“ zu schaffen, die Sicherheit an der Grenze zu gewährleisten und die territoriale Integrität Syriens sicherzustellen. Damaskus verurteilte indes Ankaras Aktivitäten und stufte den Einmarsch türkischer Truppen in Syrien als Verletzung der Souveränität des Landes ein. Das Ziel des Militäreinsatzes der Türkei „Schutzschild Euphrat“ im Norden Syriens ist die Schaffung einer Sicherheitszone, dieses Projekt wird weder von der internationale Koalition noch die Weltgemeinschaft unterstützt. Aus Sicht der Türkei zielt der Angriff unter anderem auf die Befreiung des Gebietes von den kurdischen Milizen ab. Damaskus wirft der Türkei „offene Aggression“ vor. Der Iran fordert Stopp des türkischen „Schutzschilds Euphrat“ in Syrien. Bei dem türkischen Einmarsch handle es sich um eine Verletzung der territorialen Integrität einen Militäreinsatz in einem anderen Land ohne Zustimmung dessen Regierung.

Uneinigkeit innerhalb der kämpfenden Truppen und deren Auftraggebern beeinträchtigen jedenfalls die Erfolgswirksamkeit auf dem Schlachtfeld.

Es sind viele in Syrien und im Iran am Werk, die aber nur ihren eigenen Vorteil im Auge haben. Wer wird wohl gewinnen und kann ein Frieden dauerhaft sein?

Wie geht es weiter in Syrien und dem Irak – mit Erdogans Einmischung?

Mosul – jetzt und später?

Berichte über den Kampf um Mosul erscheinen weltweit in allen Medien. Trotz aller Warnungen, eine Offensive so kurz vor Winteranfang könne zu einer humanitären Katastrophe mit bis zu einer Million Flüchtlingen führen, wurde grünes Licht für die Offensive gegeben. Seit Beginn der Großoffensive zur Befreiung der irakischen Großstadt Mossul von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) vor gut einer Woche sind nach UN-Angaben bereits mehr als 10.000 Iraker aus ihren Häusern geflohen.

Die vollständige Eroberung wird nicht einfach werden, schon jetzt zeigen sich in den eroberten Dörfern, welche Probleme auf die Eroberer warten. Es sind nicht nur die Sprengfallen, die überall lauern, sondern auch unterirdische Tunnelsysteme, mit Ausgängen in mehreren Häusern. Diese unterirdischen Räumlichkeiten haben versteckte Ausgänge ins Freie, sie haben Strom- und Wasserversorgung wie auch Vorratskammern. Es gibt auch eine gut ausgestattete Kommandozentrale. All dies befindet sich vier bis fünf Meter unter dem Boden. Das zeigt nur wieder, dass die Kämpfer des IS keine Dilettanten sind, die ihre Planungen langfristig durchgeführt haben, um für einen Angriff entsprechend gerüstet zu sein. Diese Anlage wurde in einem Dorf gefunden, was erwartet die Kämpfer nun in Mosul selbst?

Aber es gibt auch Anzeichen, dass IS geschwächt ist, viele Männer rasieren plötzlich ihre Bärte – allerdings, wenn sie bei der Flucht erwischt werden, steht ihnen ein grausamer Tod bevor: sie werden bei lebendigem Leib verbrannnt.

Und während kurdische Peshmerga-Einheiten die Gebiete westlich der nordirakischen Stadt schon erobert haben, verteidigt sich der Islamische Staat erbittert gegen die irakische Armee. Dutzende Selbstmordbomber sprengen sich täglich in die Luft, die Verluste sind hoch. Und dann sind da noch die  Türkei, der Iran und die schiitischen Milizen, die r gegen den IS kämpfen. Aber geht es wirklich darum, das Terrorregime des IS im Irak zu beenden? Längst bereiten sich alle Seiten auf die absehbar folgenden Kämpfe und Konflikte untereinander vor.

Denn in Mosul da wird keiner bereit sein, auf seine Ansprüche zu verzichten. Weitere Kämpfe zeichnen sich ab, sobald nach langen und blutigen Gefechten der IS besiegt sein wird. Außer es beginnt schon vorher. Und es kann jeden Tag losgehen.

Der Eintritt der Türkei in diesen Kampf um Mosul konnte durch die Peshmerga ermöglicht werden, die sich für Kobane revanchierte.. Damals hatte ihnen die Türkei gestattet, über ihr Territorium nach Kobane zu gelangen und dort den kurdischen Milizen wie den syrischen Verteidigungseinheiten (YPG) zu Hilfe zu kommen.

Es gibt auch noch die vielen lang ansässigen Minoritäten, die früher das soziale Geflecht Syriens ausgemacht haben. Ihre Einstellung gegenüber der Regierung in Bagdad und ihre Wiedereingliederung  in die Gesellschaft, nach den Problemen, die sich durch den I Islamischen Staat ergeben haben wird wohl ein Test der Irakischen Führung sei,. ob sie in der Lage sein wird, Stabilität in die Region zu bringen. Jetzt schon hatte der Patriarch der chaldäisch-katholischen Kirche in Irak alle sechs christliche Ortschaften (u.a. Karakosh) in der Nähe von Mosul besucht, die bis vor einigen Tagen vom sogenannten „Islamischen Staat“ okkupiert waren: Geisterstädte mit abgebrannten Kirchen, heruntergerissenen Kreuzen, zertrümmerten Muttergottesstatuen, mit Hassparolen beschmierte Häuserfassaden. Überall zerstörte Häuser, kaputte Brücken, verminte Felder. Bei einem Lokalaugenschein mit anderen Priestern bedankte sich der Oberhirte der größten christlichen Minderheit des Landes sowohl bei den Generälen der irakischen Armee als auch bei den kurdischen Peschmergas für die geglückte Rückeroberung. Es sind hier vor allem Muslime, die die Befreiung christlicher Dörfer ermöglicht haben. Aber nicht nur Christen lebten in der Region, es waren auch Jesiden, Turkmenen (die besonders Erdogan am Herzen liegen) und Schabak Leute (eine von mehreren heterodoxen Glaubensgemeinschaften im Norden des Irak), die diese Region bevölkerten und nun zurückdrängen.

Aber gerade durch den Eintritt der Türkei könnte sich dieser Kampf um Mosul auf eine größere Auseinandersetzung zwischen Sunniten und Schiiten ausweiten. Die Türken behaupten nun, dass sie auf Wunsch der Peshmerga aus dem an die Türkei grenzenden irakischen Gebiet mit Artillerie, Panzern und Panzerhaubitzen auf das noch immer von dem so genannten Islamischen Staat besetzten Mosul schießen. Die Türkei setzt auf die Zeit nach Beseitigung des Islamischen Staates, sowie auch der Absetzung Bashir Assads. Dann, so hoffen die Türken, wird die Karte des Nahen Ostens neu gezeichnet werden und Gebiete Syriens und des Irak könnten auf dem Spiel stehen. Irgendwo scheint es, dass Erdogan das Osmanische Reich wieder errichten möchte. Er gibt sich einem Irredentismus hin, wobei alle Türken in einem Staat zusammengefasst werden sollen. Dazu müssten auch die Grenzen, die im Vertrag von Lausanne (1923 zwischen der Türkei sowie Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Griechenland, Rumänien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen geschlossen wurde) festgelegt wurden, neu verhandelt werden

Die Russen unterstützen Syrien, der Iran wurde in diesen Konflikt  hineingezogen. Alle Parteien hoffen, sich einen Teil des Kuchens abschneiden zu können.

Wer wird wohl eine Eroberung Mosuls am ehesten für seine Zwecke nutzen können? Es steht zu hoffen, dass diese „Aufteilung der Beute“ unblutig verlaufen und den Vertriebenen die Rückkehr möglich sein wird.

Mosul – jetzt und später?

Etwas Raunzen darf hoffentlich auch sein

Wien, BIPA im Ersten Bezirk, Ecke Walfischgasse – Akademiestraße, eine Kundin kommt mit einem gekauften Objekt zur Kassa (unbesetzt) und legt Objekt und Geld zur Kassa. Ein  zweite Kundin steht bereits hinter ihr.

Eine der Verkäuferinnen betreut einen männlichen Käufer, mittleren Alters mit aufgezwirbelten grauem Schnurrbart. Er flirtet mit dieser Verkäuferin. Inzwischen ist eine andere Verkäuferin in der Kassa eingetroffen. Sie hat schon das Objekt der wartenden Kundin in der Hand, als die flirtende Verkäuferin mit dem eher antänzelnden Herren dessen Einkauf auf die Pudel legt. Der Herr wird zuerst abgefertigt. Die wartende, etwas erstaunte Kundin fragt, ob immer Männer vor Frauen in diesem Geschäft bedient würden – eisiges Schweigen war die Antwort.

Leider hat die Kundin in diesem Geschäft etwas bestellt, das ausgegangen war – naja, kann ja passieren. Auf die Frage, wann das Produkt (keine Kosmetik-, sondern Haushaltsware) eintreffen würde: morgen wird geliefert. Am nächsten Tag kommt die Kundin gegen Mittag ins Geschäft, um die Bestellung abzuholen. Es wurde noch nicht geliefert. Wann würde denn geliefert, fragt die bereits etwas entnervte Kundin. Die Antwort:“wann er kummt, is er da“. So genau wollte man es gar nicht wissen. Aber dieses Geschäft wird man nicht mehr betreten!

Dieses Verhalten ist übrigens nicht typisch für Geschäfte im Ersten Bezirk! Obwohl, wenn ich so drüber nachdenke… Diese Geschichte liegt schon eine ganze Weile zurück: Samstag am Vormittag, ich komme gerade vom Naschmarkt mit voller Tasche. Weil ich in einem eher eleganten Geschäft (Kärntnerstraße) eine Jacke sehe, die mir sehr gut gefällt, gehe ich halt mitsamt meiner Einkaufstasche, bekleidet mit einem schon etwas ältlichem Lodenmantel, in das Geschäft, zeige auf die Jacke mit dem Wunsch sie zu probieren. Die Verkäuferin, jung, sehr aufgetakelt, meint darauf mit einem bedauernden Blick auf mich: „die werden Sie sich kaum leisten können“. Ich hab‘ mich umgedreht und bin grußlos gegangen. Das Geschäft hab ich auch nicht mehr betreten, es ist dann später auch eingegangen.

Was mir sonst noch so auffällt: früher gab es in Wien fast überall Bankomaten. Aber mit dem „Sterben“ der Bankfilialen werden auch überall die Bankomaten entfernt. Wenn man länger nicht in einem Viertel gewesen ist und noch Geld benötigt, an den gewohnten Plätzen bekommt man es nimmer. Jetzt muss man schon wissen, wo man noch sein Geld abheben kann, bzw. man muss fragen, wo denn der „nächste“ Bankomat stünde. Und der „Nächste“ ist nun gar nicht mehr so nahe. Könnte man nicht, wenn schon die Filialen gesperrt werden, die Bankomaten dort lassen?

Ähnliches gilt ja für die Post: zuerst hat man die Postkastln erheblich reduziert, und dann hat man begonnen, die Postfilialen zuzusperren. Postadressen werden schon wie gut gehütete Geheimnisse gehandelt. „Die Fahnengasse hat auch schon zugesperrt, weißt Du noch eine offene Postfialiale?“

Dass Bauarbeiter Gehsteige prinzipiell als ihren Arbeitsplatz sehen und nutzen, führt bei Fußgängern (Rollstuhlschiebern) zuweilen zu Engpässen und Behinderungen. Ein bissel denken bei dieser Nutzung wäre schon erfreulich.

Und auch um etwas Positives zu sagen: die neu gestaltete Herrengasse – als Begegnungszone -schaut schon recht gut aus. Und sie funktioniert auch bestens – während des laufenden Umbaus. Sie wird auf ihrer gesamten Länge von 430 Metern und der Bereich Fahnengasse/Wallnerstraße auf rund 120 Metern Länge neu gestaltet. Sie ist beiderseits von historischen Palais flankiert. Hier befinden sich Ministerien, zwei Hotels, das berühmte Café Central sowie das erste Hochhaus Wiens und das Loos-Haus. In der schon sehr lange bestehenden Blumenhandlung Matern hängt ein Taferl: „Cafe Central 50 m. weiter“. Dort wurde wohl zu oft gefragt.

Die Gehflächen werden mit Natursteinen ausgestattet, um mehr Platz für den Fußverkehr zu schaffen. Bis auf den Haltestellenbereich für die Busse nahe dem Michaelerplatz sind künftig keine Höhenunterschiede zwischen Geh- und Fahrflächen vorhanden. Die Fahrflächen enthalten entlang der Fiakerrouten eine Betonoberfläche und im restlichen Abschnitt bis zur Freyung einen Natursteinbelag. Außerdem wird die historische Beleuchtung, mit moderner LED-Technologie, neu hergestellt.

Der Radverkehr fährt weiterhin in beide Richtungen, Auch die Routen der Linienbusse samt Haltestellen bleiben erhalten, ebenso die Ladezonen und Vorfahrtsflächen. Die Herrengasse wird aber vor allem für Zu-Fuß-Gehende und Rad-Fahrende durch breite Gehbereiche und eine 20-km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung aufgewertet.

Zu loben sind auch die Citybusfahrer, rührend rücksichtsvoll, immer freundlich, und extrem hilfsbereit. Diese Eigenschaften gehen allerdings den Fiakern eher ab. Aber was wäre Wien wohl ohne Fiaker?

Über das Verhalten der Touristen dann das nächste Mal!

 

Etwas Raunzen darf hoffentlich auch sein

Kriegsschauplatz Mittelmeer?

Wir lesen, sehen und hören täglich von Aleppo – auf Ostaleppo fallen Bomben, es wird beschossen und Zivilisten fürchten um ihre Leben. Wir lesen ebenso von Mosul, die Dörfer rundherum werden eingenommen, die Bevölkerung ist froh, den IS Terror los zu sein. Dennoch gibt es Tote und Verletzte unter der Zivilbevölkerung. Und wie „die Beute Mosul“ unter den Eroberern aufgeteilt werden soll, ist noch unklar.

Aber wir lesen wenig darüber, was sich so im Mittelmeer tut. Ein russischer Schiffsverband unter Führung des Flugzeugträgers Admiral Kusnezow (ein 55.000 Tonnen“Schlachtross“ mit 305 Metern Länge, ausgelegt für bis zu 50 Kampfflugzeugen) und des Atomkreuzers Pjotr Weliki ist vom russischen Eismeerhafen Seweromorsk in Richtung syrische Küste ausgelaufen. Der nukleargetriebene Kreuzer Pjotr Weliki (Peter der Große) ist das Flaggschiff der Nordflotte, ausgerüstet mit unter anderem mit Raketen und Marschflugkörpern. Zum Konvois gehören auch das Anti-U-Boot-Kriegsschiff Severomorsk und den Zerstörer Vize-Admiral Kulakov. Sie werden die Feuerkraft der russischen Luftwaffe in Syrien verdoppeln. Stolz hat dieser Flottenverband den Ärmelkanal durchfahren, als Demonstration gegen England und Frankreich, die im Syrienkonflikt Russland scharf kritisieren, um dann bei Gibraltar in das Mittelmeer einzudringen.

Die Admiral Kusnezow ist der einzige Flugzeugträger Russlands, er stammt noch aus Sowjetzeiten. 2015 wurde in Moskau das Projekt eines neuen Modells vorgestellt. Das neue Schiff soll bis zu 90 Flugzeuge tragen können — mehr als die weltweit größten amerikanischen Träger der Nimitz-Klasse.

Normalerweise ist dieser Flugzeugträger in Murmansk stationiert. Offiziell soll die Admiral Kusnezow auf „moderne Bedrohungen wie Piraterie und den internationalen Terrorismus“ reagieren. Moskauer Medien berichten aber, dass der Flugzeugträger für Luftangriffe in Syrien in den nächsten Monaten eingesetzt werden soll. Russland kämpft seit Septmber 2015 in dem Bürgerkriegsland,  um das Regime von Präsident Baschar al-Assad zu stützen.

Die russische Marine ist seit 2013 – nach gut zwei Jahrzehnten Pause – wieder ständig im Mittelmeer präsent. Dort befindet sich nun ein Schiffsverband aus Kriegsschiffen und U-Booten. Die Sowjetunion hatte früher ständig ein 30 bis 50 Schiffe zählendes Geschwader im Mittelmeer unterhalten, das im syrischen Hafen Tartus seinen Stützpunkt hatte, aber auch Häfen in Ägypten, Algerien und Libyen nutzte. Das Geschwader, das währen des Kalten Kriegs der 6. Flotte der US Navy gegenüberstand, wurde am 31. Dezember 1992, ein Jahr nach dem Zerfall der Sowjetunion, aufgelöst.

Für die Verstärkung der russischen Truppen hätte die Verlegung von Kampfflugzeugen auf den russisch-syrischen Stützpunkt in der Nähe von Latakia genügt. Vor der syrischen Küste liegen zudem zehn russische Kriegsschiffe. Doch Putin ging es darum, seine militärische Macht zu demonstrieren und den Westen einzuschüchtern. Seitens Russland wird erwartet, dass die Mission den Luftangriffen durch ihren Schutzschirm zusätzlichen Flankenschutz bieten und überdies neue Luft-Boden-Feuerkraft zur Verfügung stellen wird, um die rund 8000 in Aleppo eingekesselten Rebellen endlich  in die Knie zu zwingen.

Russland setzt erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges die gesamte Nordflotte und einen Großteil der baltischen Flotte ein. Der Flugzeugträger Admiral Kusnezow transportiert wahrscheinlich Kampfjets und über zehn Kampfhelikopter. Es wird ein Crescendo von Luftangriffen auf Aleppo als Teil der russischen Strategie erwartet, um dann dort den Sieg zu erklären. Derzeit sind im Osten Aleppos 275.000 Menschen in einem von den IS-Terroristen kontrollierten Gebiet eingeschlossen. Rund 8000 IS-Terroristen haben sich dort festgesetzt. Aleppo ist die einzige große syrische Stadt, die noch teilweise in Oppositionshand ist.

Seit den Seeschlachten des Zweiten Weltkriegs hat sich der Flugzeugträger zum beherrschenden Instrument globaler Seemacht entwickelt. Dies gilt vor allem für die Trägerflotte der US Navy, die in fast jedem Konflikt, in den die Vereinigten Staaten verwickelt waren, eine wichtige Rolle gespielt hat. Die Schwerpunkte haben sich dabei gewandelt. Ging es im Zweiten Weltkrieg um die Vernichtung der gegnerischen Flotte und die Absicherung von Landungsunternehmungen, fungierten die Träger während der Hochzeit des Kalten Krieges auch als Plattformen für Angriffe mit Nuklearwaffen. Flugzeugträger werden seit den Kriegen in Korea und Vietnam vor allem als schwimmende Basen für 60 bis 80 Kampfjets sowie Unterstützungshubschraubern genutzt. Auch sie sollen Stärke zeigen und US-Interessen in Übersee schützen sowie Frieden und Stabilität in aller Welt fördern.

Die USA ist im Mittelmeer schon lange stationiert: Die Sechste Flotte besteht aus etwa 40 Schiffen, 175 Flugzeugen und 21.000 Mann in Kampf- und Unterstützungseinheiten, die sich auf mindestens eine Trägergruppe, eine amphibische Gruppe, eine Marineexpeditionseinheit (MEU), eine Logistikgruppe und eine U-Boot-Gruppe aufteilen. Das Hauptquartier der Sechsten Flotte befindet sich auf einem amphibischen Kommandoschiff mit Heimathafen Gaeta (Italien). Auch sie ist u. a. für den Schutz gegen Terrorangriffe über den Seeweg durch die Straße von Gibraltar und den Suez Kanal verantwortlich. In Krisenzeiten können der Sechsten Flotte weitere Verbände unterstellt werden.

Dann ist auch noch die NATO im Mittelmeer vertreten: Zu der standardmäßig aus acht bis zehn Schiffen bestehenden Gruppe gehören ständig Einheiten der Deutschen Marine, der niederländischen Marine, der britischen Royal Navy, der griechischen Marine, der italienischen Marine, der türkischen Marine, der spanischen Marine und der United States Navy. Zeitweise beteiligen sich andere NATO-Staaten an dem Verband. Allerdings ist dieser Teil der Flotte damit befasst, Flüchtlinge zu retten.

Viel kriegerisches Gerät und Personal, das da vor Syrien versammelt ist.

Für Putin ist der Nahe Osten derzeit die strategische Priorität. Wenn Assad verliert, verliert auch Putin. Russland hatte immer schon ein Interesse am Mittelmeer, es ist Teil des Weltmachtstrebens.

Kriegsschauplatz Mittelmeer?

Europa befindet sich in einem Schrebergartenmodus.

Zur Gründungszeit der Europäischen Union (damals EWG) waren die Gründungs- und später die Beitrittsländer willens Teile ihrer Souveränitätsrechte an die EU abzugeben. Die Gründungsstaaten waren Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und das Königreich der Niederlande. Eine gezielte wirtschaftliche Verflechtung sollte militärische Konflikte für die Zukunft verhindern und durch den größeren Markt das Wirtschaftswachstum beschleunigen und damit den Wohlstand der EU-Bürger steigern. Im Lauf der folgenden Jahrzehnte traten in mehreren Erweiterungsrunden weitere Staaten den Gemeinschaften (EG) bei. Mit dem  Vertrag von Maastricht wurde 1992 die Europäische Union gegründet, die damit Zuständigkeiten in nichtwirtschaftlichen Politikbereichen bekam. In mehreren Reformverträgen, zuletzt im Vertrag von Lissabon, wurden die überstaatlichen Kompetenzen der EU ausgebaut und die gemeinsamen Institutionen schrittweise demokratisiert.

Das politische System der EU, das sich im Zuge der europäischen Integration  herausgebildet hat, basiert auf dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Es enthält sowohl überstaatliche (Supranationalität) als auch zwischenstaatliche (Intergouvernementale) Elemente. Während im Europäischen Rat und im Rat der Europäischen Union die einzelnen Staaten mit ihren Regierungen vertreten sind, repräsentiert das Europäische Parlament bei der Rechtsetzung der EU unmittelbar die Unionsbürger. Die Europäische Kommission als Exekutivorgan und der Gerichtshof der Europäischen Union als Rechtsprechungsinstanz sind ebenfalls überstaatliche Einrichtungen.

Das waren die hehren Ziele, aber nun können Regionalparlamente aus Gründen, die nicht notwendigerweise mit dem Anlass etwas zu tun haben, ein von der Kommission auftragsgemäß fertig verhandeltes Paket zu Fall bringen!

Das hat nichts mit dem in der EU gepflogenen Subsidiaritätsprinzip zu tun. Das Subsidiaritätsprinzip ist von grundlegender Bedeutung für die Arbeitsweise der Europäischen Union und vor allem für die europäische Entscheidungsfindung. Auf der Grundlage dieses Prinzips kann entschieden werden, wann die EU für die Gesetzgebung zuständig ist. Es trägt dazu bei, dass Entscheidungen so bürgernah wie möglich getroffen werden. Das Subsidiaritätsprinzip ist in Artikel 5 des Vertrags über die EU verankert.

Auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips wird die geeignete Handlungsebene im Bereich der geteilten Zuständigkeiten zwischen der EU und den EU-Länder ermittelt. Dabei kann es sich um eine Maßnahme der EU-Länder auf europäischer, nationaler oder lokaler Ebene handeln. In allen Fällen kann die Union nur dann tätig werden, wenn sie in der Lage ist, effizienter zu handeln als die EU-Länder.

Zweck des Subsidiaritätsprinzips ist es, die Union ihren Bürgern näher zu bringen. So sollen politische Maßnahmen nach Möglichkeit auf lokaler Ebene ergriffen werden, wenn dies notwendig ist. Allerdings bedeutet das Subsidiaritätsprinzip nicht zwangsläufig, dass eine Maßnahme immer auf der Ebene getroffen werden muss, die dem Bürger am nächsten ist.

Der CETA Vertrag wurde auf europäischer Ebene verhandelt. Aber zwei der drei Regionen des Königreichs Belgiens stellen sich quer. Belgiens Premier kann das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada aber nur unterschreiben, wenn ihm dafür alle drei belgischen Regionen – Flandern, Wallonie und Brüssel-Hauptstadt – die Erlaubnis geben. Für CETA ist aber die Zustimmung aller EU-Mitgliedsländer nötig.

Wie kommt es, dass das Freihandelsabkommen CETA nach jahrelangen Verhandlungen schon bei der ersten politischen Hürde zu scheitern droht? Alle Beteiligten, von den Regierungschefs über die EU-Kommission bis zu den Anti-CETA-Demonstranten haben an entscheidenden Punkten komplett versagt. Die Regierungschefs trifft dabei ein Großteil der Schuld: Sie gaben der Kommission den Auftrag, CETA auszuhandeln und verlängerten diesen Auftrag wieder und wieder. Doch für CETA geworben hat kaum einer von ihnen ernsthaft. Stattdessen warteten sie, bis die Arbeit der Kommission getan war, und entschieden dann (entgegen geltendem EU-Recht), über das Abkommen auf nationaler, sogar lokaler Ebene abstimmen zu lassen.

Die EU-Kommission machte CETA zum bisher transparentesten Handelsabkommen der EU: Sie veröffentlichte eine solche Fülle an Dokumenten, dass die allermeisten CETA-Gegner sie wohl nie geprüft haben. Sie ging außerdem auf die mannigfaltige Kritik ein und besserte immer wieder nach, vor allem bei den umstrittenen Schiedsgerichten für Konzernklagen – auf Druck der Kritiker. Doch in der Öffentlichkeit ging es zuletzt längst um viel mehr als nur CETA, nämlich um Globalisierung, um fundamentale Ängste. Doch die EU-Kommission passte ihre Strategie dem nie an: Sie verhandelte immer weiter, statt den Vorwürfen gegen CETA richtig entgegenzutreten.

Die CETA-Gegner selbst haben es geschafft, mit unermüdlichem Protest ein internationales Handelsabkommen, die EU-Kommission und die Regierung des Industriestaates Kanada in vielen Punkten auf ihren Kurs zu bringen – beim Schutz von Standards, von Sozialauflagen und von öffentlicher Versorgung. Ihr größter Erfolg, das neue internationale Handelsgericht, ist offenbar so effektiv, dass die USA es unbedingt aus ihrem Freihandelsabkommen mit der EU – TTIP – heraushalten wollen. Man könnte auch sagen: CETA macht Washington Angst.

Doch der Anti-CETA-Protest ist längst zu einer irrationalen Debatte geworden, in der die Gefahren des Freihandels massiv übertrieben und die Vorteile ignoriert werden – was Populisten von links und rechts in ihrer Abschottungsrhetorik bestärkt. Und es scheint, dass sich viele Europäer nun ihre Souveränitätsrechte von der der EU zurückholen wollen.

CETA könnte eine Erfolgsgeschichte sein! CETA mag nicht perfekt sein, aber es würde einen Punkt markieren, hinter den künftige Abkommen qualitativ nicht zurückfallen dürfen. CETA wäre ein Schritt nach vorn beim Versuch, die Globalisierung zu gestalten, statt sich ihr zu ergeben. Denn die findet statt, auch in Europa – und zwar mit oder ohne CETA.

Europa befindet sich in einem Schrebergartenmodus.

Die Wallonie und Europa

Die Wallonie ist eine der drei Regionen des Königreichs Belgien und somit ein Gliedstaat des belgischen Bundesstaates. Die Bevölkerung ist überwiegend muttersprachlich Französisch, im äußersten Osten Deutsch. Die Hauptstadt ist Namur, größte Stadt ist Charleroi, das eigentliche kulturelle und wirtschaftliche Zentrum ist Lüttich (Liège).

In dieser Gegend haben die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts besonders hart zugeschlagen. Nach einem Ultimatum vom 2. August 1914, in dem das Deutsche Reich Durchmarschrechte durch Belgien in Richtung Frankreich forderte und dieses Ansinnen von Belgien zurückgewiesen wurde, überschritten Deutsche Truppen am 4. August 1914 die Grenze. In der Folge kam es unter für die deutschen Truppen unerwartet heftiger belgischer Gegenwehr zur Einnahme der stark befestigten Stadt Lüttich. Im weiteren Verlauf der Kämpfe verübten deutsche Truppen in Belgien auf der Suche nach vermeintlichen Freischärlern wiederholt Kriegsverbrechen. Mehrere Städte in ganz Belgien, auch in der Wallonie, erlitten schwere Zerstörungen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das belgische Staatsgebiet um die sogenannten Ostkantone erweitert, in denen sich heute im Wesentlichen die deutschsprachige Gemeinschaft befindet.

Auch im Zweiten Weltkrieg wurde Belgien von 1940 – 1945 von den Deutschen besetzt. Vor der Kapitulation der belgischen Armee vom 28. Mai 1940 wurde mit Führererlass vom 18. Mai Ostbelgien – die Gebiete von Eupen, Malmedy, und Moresnet– völkerrechtswidrig annektiert und in den Gau Köln-Aachen eingegliedert. Die belgische Regierung ging ins Londoner Exil. König Leopold III. (1901-1983) blieb als Kriegsgefangener des deutschen Besatzungsregimes in Belgien.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Niedergang der Kohle- und Stahlindustrie verlor die Wallonie ihre Funktion als wirtschaftliche Antriebskraft Belgiens an die nördliche Nachbarregion Flandern. Auf dem Gebiet des früheren Industriegürtels leben heute etwa zwei Drittel der wallonischen Bevölkerung.

Es kam zu einer Reihe von Staatsreformen, die Fünfte Staatsreform von 2001 erweiterte den Zuständigkeitsbereich der Regionen (gewisse Steuerhoheit, Landwirtschaft, Außenhandel, lokale Behörden etc.). Das Wallonische Parlament zählt 75 Abgeordnete, die in den dreizehn Wahlbezirken der Wallonischen Region für fünf Jahre gewählt werden. Das Wallonische Parlament stimmt über sogenannte Dekrete ab, die im belgischen Föderalstaat auf dem Gebiet der Wallonischen Region Gesetzeskraft haben.

Ursprünglich auf Betreiben der Flamen im Norden haben sich die Regionen weitreichende Kompetenzen erstritten. Das gilt auch für internationale Verträge, sofern sie regionale Interessen betreffen. Alle fünf Regional- und Sprachvertretungen müssen zustimmen, sonst kann die Föderalregierung solche Abkommen nicht unterschreiben.

Das wallonische Parlament blockiert nun CETA. Diese französischsprachige Region im Süden Belgiens mit rund 3,6 Millionen Einwohnern bietet malerisch hügelige Landschaften und die regelmäßige Neuinszenierung der Schlacht von Waterloo. Die große industrielle Vergangenheit ist vorbei – nur ein erfolgreiches europäisches Kulturhauptstadtjahr im wallonischen Universitätsstädtchen Mons 2015 sorgte für befristete Aufmerksamkeit. Allerdings: Ein Vorzeige-Kunstprojekt, eine weitläufige Holzkonstruktion über den Straßen der Altstadt, brach kurz vor dem Auftakt zusammen – ohne Verletzte, aber mit einem lauten Knall. Die Wallonie kämpft aber auch mit Strukturkrise und Deindustrialisierung. Nun fürchtet die wallonische sozialistischen Regierung, dass CETA belgische Sozial- und Umweltstandards aushöhlen und die Sozialversicherung sowie die Landwirtschaft der Wallonie schwächen könnte. Das Abkommen wird als gefährlich erachtet, besonders für die Landwirtschaft, vor allem für den öffentlichen Dienst. Paul Magnette hat angeblich davor immer wieder gewarnt – aber die EU-Kommission hat ihm nie geantwortet.

Im Falle CETA gibt es bei der Wallonie neben inhaltlichen auch innenpolitische Motive. Die in der Wallonie regierende Parti Socialiste hat kein Interesse daran, der Föderalregierung das Leben zu erleichtern, ganz im Gegenteil. Ministerpräsident Paul Magnette- der Widerstandskämpfer gegen den Handelspakt – will weitere Nachverhandlungen, auch mit Kanada. Er erklärte am Freitag aber, es existiere der Wille, voranzukommen. Ein Streitpunkt seien die in dem Abkommen vorgesehenen Schiedsgerichte, im Agrarbereich habe es Fortschritte gegeben. Der demokratischer Prozess sei unvereinbar mit dem auferlegten Zeitplan, meint Magnette. Er befürchtet, dass TTIP durch die Hintertür kommt und wallonische Interessen beschädigt, genauer: dass US-Unternehmen Unruhe stiften könnten, indem sie über kanadische Tochtergesellschaften den europäischen Markt aufmischen und auch den politischen Gestaltungsspielraum einengen.

Diese wallonische Minderheit beherrscht derzeit also die Mehrheit – EU. Das ist für viele Menschen in Europa – aber auch in Kanada -schwer zu verstehen. Die Machtfülle der belgischen Regionen und ein ausgeprägter Regionalismus machen es möglich -wobei die Flamen CETA befürworten, was die kulturellen und politischen Gräben in Belgien nur noch vertieft.

Dass Regionalparlamente in der Europäischen Union über die Frage mitentscheiden dürfen, ist zwar demokratisch, aber es birgt die Gefahr, dass man zu keinen großen Entscheidungen mehr kommen kann. Einspruch und Widerspruch sind wichtig und notwendig, aber wenn nicht einmal mehr souveräne Staaten, sondern jetzt sogar auch Regionen den Fortgang der EU stoppen, dann ist das ein bedenklicher Zustand. Doch hier stimmt auch das Timing nicht. Über CETA wird bereits seit 2009 verhandelt. Das Regionalparlament der Wallonie hatte bereits recht früh angemahnt, dass es mit einigen Punkten des geplanten Handelsabkommens große Schwierigkeiten hat.

Hat man den Walloniern zugehört, bei der Zentralregierung, bei der EU, einem kleinen Völkchen im Süden Belgiens, wirtschaftlich heruntergekommen und sozial abgestiegen, weit außerhalb des Brüsseler Blicks?

Sollte CETA tatsächlich scheitern, riskiert die EU etwas Wichtiges zu verlieren: Glaubwürdigkeit. Und das Vertrauen darauf, dass man sich auf die Europäische Union als Verhandlungspartner verlassen kann. Und das ist nicht gut für die EU – nach außen, aber auch nicht nach innen. Und das betrifft uns alle, nicht nur die Wallonie.

Die Wallonie und Europa

Alles paletti bei muslimischen Jugendlichen?

Zwei Aspekte, die mir zum Thema „islamische Jugendliche“ in Österreich kürzlich aufgefallen sind.

Da ist gerade ein Buch erschienen, „Jung, muslimisch, österreichisch“, Einblicke in 20 Jahre Muslimische Jugend Österreich. Geschrieben von Farid Hafez, Reinhard Heinisch, Raoul Kneucker, Regina Polak (Hrsg.).

In ganz unterschiedlichen Beiträgen – von interdisziplinär erstellten Aufsätzen bis zu subjektiven Stimmungsbildern – werden Themen wie Heimat, Frauenbild, Einbettung der MJÖ in globale Jugendkulturen, Mehrsprachigkeit, Umgang mit Ethnizität und Religion, Musik und Kunst, Fragen der politischen Beteiligung wie auch die mediale und politische Arbeit behandelt.

Die MJÖ repräsentiert eine soziopolitische für Österreich und „seine“ Muslime nicht hoch genug einzuschätzende Entwicklung – so wird das Buch angepriesen -: Sie ist Trägerin einer neuen Schicht von an höheren Schulen gut ausgebildeten, z.T. akademischen MuslimInnen der zweiten oder dritten Generation. Damit entsteht in Österreich ein intellektuelles muslimisches Milieu, das sich engagiert in den öffentlichen Diskus einbringt und an Foren partizipiert, die vielen MuslimInnen davor verschlossen waren. Sicht barer Ausdruck dieser Entwicklung ist, dass die MJÖ die erste muslimische Organisation ist, die nicht nur keine geschlechtergetrennte Arbeit gemacht hat, sondern in der in allen Organen junge Frauen und Männer vertreten waren – auch an der Spitze.

Auf der Homepage der MJÖ Folgendes zu lesen:

„Österreichisch-islamische Identität“ heißt für uns, vollwertige BürgerInnen des Staates Österreich zu sein und somit auf allen Ebenen− gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich und kulturell − zu partizipieren. MuslimIn sein und ÖsterreicherIn sein ist kein Widerspruch. Die Beheimatung und Verwurzelung der muslimischen Jugend in Österreich verlangt im Gegenteil nach einer kreativen Verbindung der islamischen und österreichischen Identität. Sie soll ein Ausdruck der neuen Generation sein.

Bildung und Fortbildung sind für das MJÖ ein zentrales Thema. Wir wollen die Weiterbildung der Jugend auf allen Ebenen. Camps werden organisiert, gemeinsames Reisen ist angesagt, Seminare werden angeboten, das gegenseitige Verständnis in der Gesellschaft soll verbessert werden, Benefizveranstaltungen für Bedürftige und Kriegsopfer werden veranstaltet, Unterstützung von an der Armutsgrenze lebenden Menschen, Gefängnisbetreuung oder Streetwork werden angeboten.

Tatsächlich hat die Organisation in den vergangenen 20 Jahren karitative Arbeit geleistet, es gibt Bemühungen um Integration und interreligiösen Dialog. Gemeinsam mit dem Familienministerium bemühen sich die Vertreter der MJÖ um die Deradikalisierung extremismusgefährdeter muslimischer Jugendlicher.

Also alles paletti mit der muslimischen Jugend in Österreich? Allerdings stehen Vertreter der Muslimischen Jugend Österreich immer wieder im Verdacht, Verbindungen zur islamistischen Muslimbruderschaft zu unterhalten.

Dann tauchte die Studie zur Radikalisierung der Jugend in Wien auf. Die Zahlen, die die Studie der  MA 13 enthält, sind ernüchternd: 45 Prozent der befragten muslimischen Jugendlichen zeigen mittlere bis sehr starke rassistische Tendenzen, 47 Prozent zeigen antisemitische Haltungen, 59 Prozent äußerten sich abwertend gegenüber Homosexualität.

Die befragten Jugendlichen frequentierten von der Stadt Wien geförderte Jugendeinrichtungen. 57,4 Prozent der Befragten waren 14 oder 15 Jahre alt. Die Umfrage ist also weder repräsentativ für alle Muslime noch für muslimische Jugendliche. Dennoch gibt sie Anlass zur Sorge und legt vor allem einen gesteigerten Integrationsbedarf in sozialen Randgruppen offen.

Das Ressort der Integrationsstadträtin Wiens hatte die Studie zu den Jugendlichen in der Jugendarbeit vergangenes Jahr in Auftrag gegeben. Die Interviews für die Studie wurden vor der großen Flüchtlingsbewegung 2015 durchgeführt. Die Studie selbst war im Mai 2016 fertig. Aus den Zahlen aus der offenen Jugendarbeit kann aber kein repräsentativer Rückschluss auf die Wiener Jugendlichen an sich gezogen werden, da die Befragten zumeist sozial schwächeren Gruppen angehören.

Auf Basis von elf Indikatoren teilte Studienautor Kenan Güngör die Befragten aus der offenen Jugendarbeit – also aus Jugendzentren, Parkbetreuung oder Streetwork – in drei Gruppen ein: jene der „Gefährdeten“, jene der „Ambivalenten“ und jene der „Gemäßigten“. Den 214 muslimischen Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren – 53 Prozent der insgesamt 401 Befragten – wurde etwa die Frage gestellt, ob sich die islamische Welt mit Gewalt gegen den Westen verteidigen müsse. 34 Prozent stimmten dieser Aussage „etwas“ oder sogar „ganz“ zu. Auch gaben 29 Prozent an, „eher“ oder „sehr“ positiv Menschen gegenüberzustehen, die für ihre Religion in den Krieg ziehen. Zur „gefährdeten“ Gruppe zählen laut der Studie 27 Prozent der muslimischen Befragten. 31 Prozent von ihnen wiederum werden wegen ihrer widersprüchlichen Einstellungen zur Religion als „ambivalent“ charakterisiert: Zwar hegen sie leichte Sympathien für extrem religiöse Menschen, das Töten im Namen Gottes lehnen sie jedoch ab. Ein großer Teil der muslimischen Jugendlichen ist laut der Studie „gemäßigt“. 42 Prozent lehnen Gewalt ab, sind liberal und kaum bis gar nicht radikalisierungsgefährdet. Faktoren, die eine Radikalisierung begünstigen würden, seien der Religionsgrad, ein homogener Freundeskreis, die eigene Migrationserfahrung und das Geschlecht. „Radikalisierung ist männlich“, sagt Güngör. Ein weiteres Problem stellen die bereits Radikalisierten dar. „Sie sind eine kleine und gefährliche Gruppe“, sagt Güngör. Sie würden von Jugend- und Sozialarbeitern gar nicht mehr erreicht.

Von den Befragten insgesamt haben 85 Prozent einen Migrationshintergrund. 65 Prozent von ihnen gaben an, sich stark bis mittelstark mit Österreich – und dabei am stärksten mit Wien und ihrem eigenen Grätzel – verbunden zu fühlen. Allerdings würden viele sich nicht als Österreicher anerkannt fühlen. Auch zum Herkunftsland der Eltern hätten sie eine Bindung: Dabei geht es um die Verbundenheit zu den Eltern, und deren Traditionen. Die Familie steht bei den Jugendlichen sehr hoch oben. In puncto Glauben sehen sich laut Studie 45 Prozent als weit weniger religiös als ihre Eltern. Vor allem unter muslimischen Jugendlichen zeigt sich jedoch ein Trend hin zur nach außen getragenen Religiosität. Dahinter stecke vor allem die Identifikation mit der Gruppe.

Es besteht in Wien ein Netzwerk für Deradikalisierung und Prävention das 2014 eingerichtet wurde. Seither seien tausende Pädagogen aus allen Bereichen der Stadt geschult worden.

Die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) zeigt sich ob der Studienergebnisse jedenfalls besorgt und verweist gleichzeitig auf ihren „immensen Erfahrungsschatz und eine profunde Expertise im Bereich der Präventionsarbeit“.

Vielleicht doch nicht alles so paletti, wie das MJÖ es darstellt?

Alles paletti bei muslimischen Jugendlichen?