Seinerzeit durften man bei einer Wahl zum Bundespräsidenten erst mit 21 Jahren wählen. Für mich war somit die erste Bundespräsidentenwahl, bei der ich mitentscheiden durfte jene zwischen Schärf und Denk im Jahr 1957. Die Wahlbeteiligung betrug 97,2%, es gab nur wenige ungültige Stimmen: 1,82%. Damals (1929 – 1982) bestand eine Wahlpflicht bei Bundespräsidentenwahlen. Seither besteht sie nur in denjenigen Bundesländern, in denen ein Landesgesetz eine Wahlpflicht festlegt. Zu verschiedenen Zeitpunkten wurde die Wahlpflicht in den Bundesländern dann aufgehoben. 2007 wurde diese Verfassungsbestimmung gestrichen und damit die Wahlpflicht bei der Wahl zum Bundespräsidenten abgeschafft.
Der Ausgang dieser Wahl: Adolf Schärf, SPÖ erhielt 51,2%; Wolfgang Denk ÖVP/FPÖ 48,88%. Adolf Schärf war am Aufbau der Zweiten Republik maßgeblichen beteiligt gewesen. 1945, unmittelbar nach der Schlacht um Wien, war Schärf einer der Gründerväter und dann provisorischer Vorsitzende der Sozialistischen Partei SPÖ gewesen. Er gehörte fast allen Regierungen der Nachkriegszeit an. Schärf war alles andere als ein Volkstribun und führte stets ein bescheidenes und zurückgezogenes Leben. Im April 1955 nahm Vizekanzler Schärf mit Bundeskanzler Julius Raab, Außenminister Leopold Figl und Staatssekretär Bruno Kreisky an den erfolgreichen Verhandlungen in Moskau über den Österreichischen Staatsvertrag teil und hatte dabei die größten Vorbehalte gegen eine verbindliche Neutralitätszusage, die von der sowjetischen Führung gewünscht wurde.
In seinem Präsidentschaftswahlkampf kursierte angeblich die „Flüsterparole“: Wer einmal schon für Adolf war, wählt Adolf auch in diesem Jahr, um die ehemaligen NSDAP -Mitglieder im Lande anzusprechen.
Wolfgang Denk hatte an der Universität Wien Medizin studiert. 1916 erfolgte seine Habilitation. Von 1924 bis 1928 war er als Primarius an der Rudolfstiftung tätig. Anschließend wurde er als Ordinarius an die Karl-Franzens-Universität Graz berufen. 1931 übernahm Denk die Leitung der II. Chirurgischen Universitätsklinik in Wien. 1948/49 wurde er Rektor. Außerdem war er Präsident der Gesellschaft der Ärzte in Wien und Vorsitzender des Obersten Sanitätsrates sowie der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung und Bekämpfung der Krebskrankheit, die Vorläuferorganisation der Österreichischen Krebshilfe. Denk verfasste zahlreiche Abhandlungen über die Chirurgie der inneren Organe.
An einen Wahl“kampf“ kann ich mich nicht erinnern, die Wahlplakate zeigten die Köpfe der beiden Kandidaten. Aber Schärf war der wesentlich Bekanntere der Beiden.
Bei der nächsten Wahl 1963 stand Schärf den ehemaligen Bundeskanzler Julius Raab ,ÖVP, der damals schon sehr krank, aber pflichtbewusst war und Josef Kimmel, EFP (Europäische Föderalistische Partei), gegenüber. Der amtierende Bundespräsident Schärf gewann mit 55,40%, Raab, der von diesem Ergebnis sehr enttäuscht war, nur 40,64% und Josef Kimmel 3,96. Raab war ein Politiker des „gemütlichen“, aber patriarchalischen Typs. Er saß, seiner Macht bewusst, gern Virginier rauchend im Kaffeehaus nahe dem Kanzleramt. Josef Kimmel war ein österreichischer Gendarmerie-General und Jurist. In der Ersten Republik war der katholisch-konservative Kimmel Verfechter des autoritären Ständestaates. Aber Kimmel beteiligte sich nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 am Widerstand gegen das NS-Regime.
Bei der Wahl 1965 gab es wiederum nur zwei Kandidaten: Franz Jonas, SPÖ, und Alfred Gorbach, ÖVP. Jonas gewann mit 50,69%, Gorbach verlor mit 49,31%. Jonas war Wiener Bürgermeister gewesen, der den Wiederaufbau von Wien vehement vorangetrieben hatte – noch heute zeugt das im Volksmund so genannte Jonas-Reindl von seinen Aktivitäten.
Alfons Gorbach hatte 1961 von Julius Raab das Amt des Bundeskanzlers übernommen. Aber schon 1963 erlitt er das Schicksal vieler ÖVP Parteivorsitzenden seither, man begann in der ÖVP an seinem Sessel zu sägen und am 20. September 1963 wurde Gorbach als Parteiobmann abgewählt. 1964 demissionierte die Regierung Gorbach. In der ÖVP wurde er Ehrenobmann auf Lebenszeit.
Bei der Wahl 1971 trat Kurt Waldheim gegen Franz Jonas an. An seiner Vergangenheit nahm damals noch niemand Anstoß. Jonas gewann mit 52,78%, Waldheim verlor mit 47.22%. Waldheim war dann von 1972 bis 1981 Generalsekretär der Vereinten Nationen.
1974 trat dann der eigentlich parteilose Richter Rudolf Kirchschläger für die SPÖ gegen den populären, aus Südtirol stammenden Bürgermeister von Innsbruck Alois Lugger an. Kirchschläger konnte mit 51,66% die Wahl für sich entscheiden, Lugger erzielte nur 48,34%.
1980 suchte Kirchschläger die Wiederwahl, er stand dabei für die ÖVP und SPÖ, und erreichte 79,86%, seine Gegner waren Wilfried Gredler von der FPÖ, er konnte immerhin 16,93% erreichen, Norbert Burger nur 3,18%.Dieser war ein österreichischer selbständiger Unternehmensberater sowie deutschnationaler undrechtsextremer Politiker.
Zur Bundespräsidentenwahl in Österreich 1986 kam es am 4. Mai 1986. Der bisherige Amtsinhaber, Rudolf Kirchschläger, konnte aufgrund der Verfassung keine dritte Amtsperiode ausüben. Es traten 4 Kandidaten an: Kurt Waldheim für die ÖVP (49,65%), Kurt Steyrer für die SPÖ 43,67%, zum ersten Mal eine (sehr kompetente Frau) Freda Meissner-Blau für die Grünen mit 5,50%, und Otto Scrinzi für die FPÖ mit 1,18%. Die Stichwahl, die damit erforderlich war, konnte Waldheim 53,91 für sich entscheiden, Steyrer verlor mit 46,09. Im Zusammenhang mit dieser Wahl kam es zur Waldheim-Affäre, einer auch internationalen Debatte um die vermutete Beteiligung Waldheims an Kriegsverbrechen in der NS-Zeit. Sie begann 1986 im Wahlkampf des früheren UN-Generalsekretärs für das Bundespräsidentenamt Österreichs, dauerte bis zum Ende seiner Amtszeit 1992 und wirkte darüber hinaus fort.
Zur Bundespräsidentenwahl in Österreich 1992 kam es am 26. April 1992. Der bisherige Amtsinhaber, Kurt Waldheim hatte keine zweite Amtsperiode angestrebt, obwohl die Verfassung dies erlaubt hätte. Es traten wiederum vier Kandidaten an: Rudolf Streicher (SPÖ) konnte mit 40,7% den ersten Durchgang für sich entscheiden, Thomas Klestil (ÖVP) erreichte 37,2%, die weitbekannte, populäre Heide Schmidt (FPÖ) 16,4% und der Grüne Robert Jungk nur 5,7%. Dier Stichwahl konnte dann überraschenderweise Thomas Klestil mit 56,89 für sich entscheiden, während Streicher 43,11% erreichte.
Zur Bundespräsidentenwahl in Österreich 1998 am 19. April 1998 traten fünf Kandidaten an. Thomas Klestil – diesmal unabhängig – erzielte 63,42%. Es traten sogar 2 Frauen an: Gertraud Knoll (unabhängig) erreichte immerhin 13,59, Heide Schmidt – diesmal LIF – konnte ihre früheres Ergebnis nicht mehr erzielen: 11.14% nur diesmal; zum ersten Mal trat der damals viel belachte Richard Lugner („Die Unabhängigen) für dieses Amt an: er kam immerhin auf 9,91%; Karl Walter Nowak, die Neutralen erreichte nur 1,94% der Stimmen. Der bisherige Amtsinhaber, Thomas Klestil, wurde bereits im ersten Wahlgang in seinem Amt bestätigt.
Zur Bundespräsidentenwahl in Österreich 2004 kam es am 25. April 2004.Es bewarben sich der frühere Nationalratspräsident Heinz Fischer von der SPÖ sowie die Außenministerin Benita Ferrero-Waldner von der ÖVP. Als mögliche Kandidaten der ÖVP galten im Vorfeld auch der EU-Kommissar Österreichs, Franz Fischler, Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer oder der damalige Direktor des Tiergartens Schönbrunn Helmut Pechlaner.
Das Ergebnis war dann eindeutig: Von 6.030.982 Wahlberechtigten gaben 4.318.439 ihre Stimme ab, das ergibt eine Wahlbeteiligung von 71,6%. Als ungültig gewertet wurden 182.423 Stimmen, das entspricht 4,22 % der abgegebenen Stimmen. Fischer erreichte 52,4% Ferrero-Waldner 47,6%.
Die Bundespräsidentenwahl in Österreich 2010 fand am 25.April 2010 statt. Bei der Wahl traten neben dem amtierenden Bundespräsidenten Heinz Fischer die niederösterreichische Landesrätin Barbara Rosenkranz (FPÖ) und der Parteivorsitzende der Christlichen Partei Österreichs (CPÖ), Rudolf Gehring, an. Fischer wurde mit 79,33% der gültigen Stimmen im Amt bestätigt. Die Wahlbeteiligung lag auf dem historischen Tiefststand von 53,6%.
Zum ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl 2016 am 24.April traten sechs für das Amt kandidierende Personen an, fünf Männer und eine Frau. Das war die höchste Anzahl seit der Wahl im Jahr 1951 mit ebenfalls sechs Kandidaten. Dabei qualifizierten sich Norbert Hofer mit 35% und Alexander van der Bellen mit 21% der gültigen Stimmen für die Stichwahl am 22. Mai 2016, aus der Van der Bellen mit 50,3% gegenüber Hofer mit 49,7% als Sieger hervorging, was jedoch erst nach Auszählung der Briefwahlstimmen am folgenden Montag feststand. Die Wahlbeteiligung bei diesem Wahlgang betrug 72,7 %.
Es erfolgte die Anfechtung, am 1.Juli 2016 hat der Verfassungsgerichtshof die Wiederholung des zweiten Wahlgangs in ganz Österreich angeordnet. Als neuer Wahltag wurde durch Bundesgesetz der 4. Dezember 2016 festgelegt. An dieser Wahl dürfen auch solche Bürger teilnehmen, die zum Zeitpunkt der ersten Wahl noch nicht wahlberechtigt waren.
So polarisiert wie diesmal war kein Wahlgang, bei vielen dieser Wahlen waren beide Kandidaten für alle „wählbar“, es ging kein Graben durch die Bevölkerung (mit Ausnahme der Waldheim Wahl).Ich bedaure diese Entwicklung und hoffe, dass der Kandidat, der gewinnt, versuchen wird diesen Graben zu zuschütten.