Nachdem amerikanische Geheimdienste Russland vorgeworfen haben, die US-Wahlen manipuliert zu haben, wachsen auch diesbezügliche Befürchtungen in Europa. In drei EU-Staaten wird 2017 gewählt: in Frankreich, den Niederlanden und in Deutschland. Beeinflussungsmöglichkeiten stehen uns nicht nur bevor, sondern sie laufen bereits seit Jahren, spätestens seit dem Ukraine-Krieg.
Deutschland – der Verlust von Daten
Die erneut kandidierende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist nicht nur eine wichtige Führungsfigur Europas, sondern wegen des Krieges in der Ukraine und der Annexion der Krim auch eine scharfe Kritikerin des russischen Präsidentin Wladimir Putin. Alarmiert sind die deutschen Sicherheitsbehörden aber nicht nur wegen der Vorkommnisse in den USA. Hackern gelang es bereits vor über einem Jahr, den Bundestag anzugreifen. „Es sind etliche Gigabytes an Informationen abgeflossen“, sagt der Präsident des Verfassungsschutzes. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass es ein russischer Angriff gewesen sei. Im November 2016 ist dann die Deutsche Telekom gehackt worden; 900 000 Kunden waren betroffen. Man rechnet damit, dass Moskau versuchen wird, auch in die Bundestagswahlen einzugreifen, da Deutschland ein wichtiges Land in Europa ist. Dass die abgezapften Daten aus der Cyberattacke bisher nirgendwo auftauchten, verstärkt die Befürchtungen. Die Möglichkeit, dass diese Informationen tröpfchenweise in einen deutschen Wahlkampf eingespeist werden – ergänzt vielleicht noch von Daten, die man sich in den russischen Nachrichtendiensten ausgedacht hat –, sollte Deutschland in höchste Alarmbereitschaft versetzen. Aber Abgeordnete und Politiker nehmen die Cyber-Gefahr aus Moskau nicht ernst. Die russischen Trolle sind aber sehr kompetent. Dass die Diskreditierung von Personen in der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen wird, sieht der Verfassungsschutz als erhebliche Gefahr. Denn jenseits der traditionellen Medien ist längst eine Parallelwelt entstanden, in der Falschbehauptungen ungeprüft akzeptiert werden. Wenn Wähler aufgrund von Fakes und Realitätsverzerrungen politische Entscheidungen fällen, kann das die Demokratie erschüttern.
Russland scheint interessiert, die Auflösung Europas zu fördern. Aber die russische Außenpolitik wird weitgehend unkritisch wahr- und hingenommen. Wünschen sich wirklich viele Menschen, in Russland einen Freund zu sehen? Ohne eine Bundeskanzlerin Angela Merkel wäre das zweifellos einfacher. Viele Stimmen in der Regierungskoalition, insbesondere bei der SPD und der CSU, plädieren längst für eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland. Auch Teile der Grünen und der Linkspartei wünschen sich seit geraumer Zeit einen russlandfreundlicheren Kurs.
Frankreich, die russischen Kredite
Aber Russland hat nicht nur in Deutschland im Visier, in Frankreich gibt es andere Einflussmöglichkeiten: Hier finanziert man Marie le Pen. Le Pen lamentiert seit langem, dass die französischen Banken ihr keine Darlehen gäben. Sie wertet das als politische Machenschaft ihrer Gegner. „Ich werde von den Banken bekämpft, das ist ein demokratisches Problem“, sagt Le Pen. Mit dieser Behauptung versucht sie die Geldbeschaffung im Ausland als Notwendigkeit erscheinen zu lassen. Eigentlich müsste sie sich aber fragen, warum sie nicht ausreichend Spenden von französischen Bürgern erhält.
Le Pen hat 2014 ein Darlehen einer russischen Bank entgegengenommen , gut 9 Millionen Euro; die Bank hat unterdessen Pleite gemacht. Angeblich haben russische Stellen weitere Darlehen über 28 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Diese Enthüllung des oft ernstzunehmenden Satireblattes „Canard enchaîné“ wurde vom Schatzmeister des Front national jedoch dementiert.
Le Pen hat schon früher erklärt und lässt auch jetzt wieder erklären, durch ein Darlehen aus Moskau sei sie keinesfalls in ihrer politischen Unabhängigkeit beschränkt. Dieses werde verzinst und später zurückgezahlt, das sei eine normale finanzielle Transaktion. Allerdings hat sie auch bereits ihre Bereitschaft bekundet, als Präsidentin allenfalls die Krim als russisches Territorium anzuerkennen. Es fällt schwer, darin nicht eine Geste der Dankbarkeit gegenüber dem russischen Präsidenten Putin zu erkennen.
Immer wieder äußerten sich Spitzenkräfte des Front Nationale positiv über Russland und kritisierten Frankreichs zu enge Bindung an die EU und die USA. Jean-Marie Le Pen, der Vater Marines, hat persönliche Kontakte zu russischen Oligarchen und rechtsextremen Kadern. Seine Enkelin Marion Maréchal Le Pen ist regelmäßiger Gast in der russischen Botschaft in Paris.
Ein indirekter russischer Einfluss auf die Wahlen in Frankreich lässt sich also feststellen. Programmpunkte, die Wladimir Putin am FN durchaus gut gefallen können, wie ein Ausstieg Frankreichs aus der NATO und der EU, dürften aber auch schon älter sein als konkrete Kreditgeschäfte mit dem FN. Ironisch bleibt dennoch, dass es Frankreichs ausländerfeindliche Wählerschaft nicht stört, dass Marine Le Pens Wahlkampf aus dem Ausland finanziert wird.
Niederlande – Nexit und Aufhebung der Sanktionen gegen Russland
Die niederländische „Partei für die Freiheit“ (PVV) strebt einen EU-Austritt im Stil des Brexit an – unter anderem, um die Sanktionen gegen Russland aufheben zu können. Die Partei PVV ist derzeit die drittstärkste politische Kraft in den Niederlanden. Zwar scheiterte ein erster Schritt in Richtung des von ihr angestrebten EU-Austrittsreferendums, doch Parteichef Geert Wilders, so erklärte man, arbeite weiter daran. Im Falle eines EU-Austritts wolle Den Haag vor allem wieder die Beziehungen mit Moskau anbahnen und die Russland-Sanktionen aufheben. (Erst im Juli 2016 waren die Russland-Sanktionen durch den Europäischen Rat bis zum 31. Januar 2017 verlängert worden. Eine Aufhebung wurde an eine Erfüllung der Minsker Abkommens geknüpft.) Geht es nach Wilders, darf das „Expansions-Monstrum EU“ nicht den Niederlanden vorschreiben, mit wem das Land wirtschaftliche und politische Beziehungen unterhalten soll.
Das Jahr 2017 wird zeigen, wie die Wähler dieser drei Länder die Situation beurteilen. Jedenfalls hat die Lage in den USA gezeigt, dass die Popularität eines Präsidenten innerhalb kürzester Zeit erheblich schwinden kann. Ob es den europäischen Wählern ein Zeichen sein kann?