Das Goldene Quartier zu Wien

Es hat nicht immer so geheißen, es war auch nicht immer so elegant und vornehm, wie es jetzt ist. Es war ein Stückel vom Alten Wien, diese Gegend im Ersten Bezirk, der Inneren Stadt, begrenzt von der Tuchlauben, der Bognergasse, der Seitzergasse und der Steindlgasse. Gründe dorthin zu gehen gab es mancherlei. Z.B. um das Uhrenmuseum zu besuchen oder zu dem Uhrmacher in dem Haus des Uhrenmuseums zu gehen. Das Uhrenmuseum befindet sich in einem der ältesten Häuser Wiens, dem Palais Obizzi (auch: Harfenhaus). Hier kann man sich auf eine Zeitreise vom Mittelalter bis in die jüngste Vergangenheit begeben. 700 kostbare Uhren aus aller Welt erzählen nicht nur von wissenschaftlichem Fortschritt und technischer Präzision, sondern auch von gesellschaftlichen Umbrüchen und Trends in Kunsthandwerk und Design. Zu jeder vollen Stunde erfüllt das Schlagen, Läuten und Spielen vieler in Gang gehaltener Uhren die drei Stockwerke. Früher konnte man dort vielleicht auch ins Kino gehen, das war damals das Tuchlaubenkino, es bot jedenfalls eine angenehme Atmosphäre, hatte nur zwei Säle und ob es behindertengerecht war – das war damals noch nicht mein Problem. Es ist längst geschlossen.

Oder man konnte auch zum Stiedl in die Steindelgasse gehen, den gibt’s schon längst nicht mehr aber das Lokal schon: es ist jetzt die Gösser Bierklinik. Aber Namen in der Geschichte des ältesten noch bestehenden  Wirtshauses wurden öfter geändert:  Zum Steindl, 1, Steindlgasse 4; Konskriptionsnummer 429; ab 1566 auch „Zum goldenen Drachen“. 1406 wird dieses Gebäude erstmals erwähnt und als Haus „under den pheisniczern [Pfeilschnitzern] gegen der geistlichen Herren von Mauerbach über“ bezeichnet. Für 1665 lässt sich der Rat des Inneren Johann Georg Steindl belegen, der das Haus als Lohn für seine Tapferkeit geschenkt bekam und dem das Haus den Namen „Zum Steindl“ verdankt. 1784 ging vermutlich nur das Grundstück, nicht aber das Haus in den Besitz der Gemeinde Wien über. Ende 1923 erwarb die Gösser Brau A.G. die Immobilie. Am 10. September 1944 schlug eine Kettenbombe (mehrere aneinander-gekettete Bomben, um ihre Wirkung zu erhöhen) in das Haus ein, zerstörte den dritten Stock zu Gänze und beschädigte den zweiten Stock schwer. Eine zweite Bombe schlug schief in das Straßenpflaster vor dem Haus ein, bohrte sich in den Keller und tötete vier italienische Arbeiter, die sich im Luftschutzkeller befanden.

Man konnte die Gegend auch nur durchqueren um auf den Judenplatz zu kommen. In meiner Zeit in der Bank Austria fanden eine Reihe von Sitzungen im ehemaligen Länderbankgebäude statt, und dort gab es Fenster in die Seitzergasse.  Und eigentlich verdankt sich das Goldene Quartier ja dem Gebäude Am Hof 2: Es wurde im Auftrag der „Niederösterreichischen Escompte-Gesellschaft“ gebaut. Die Großbank der österreichischen Donaumonarchie richtete hier ihre Zentrale ein, die 1915 den Betrieb aufnahm. Das Bauwerk ist ein Dokument des aufstrebenden Kapitalismus in der Spätgründerzeit. Im Jahr 1938 erwarb die „Länderbank Wien“ (1948 in „Österreichische Länderbank“ umbenannt) das Objekt und richtete hier ihren Hauptsitz ein. 1990 ging die „Österreichische Länderbank““ durch die Fusion mit der „Zentralsparkasse“ in der „Bank Austria AG“ auf. 1997, kam es zum Verkauf von 69,45 % der Stimmrechte Creditanstalt an die Bank Austria. Das Gebäude „Am Hof 2“ ist, wie es sich heute präsentiert, in seinen künstlerischen und kunsthistorischen Aspekten weitgehend im Originalzustand erhalten. In diesem Haus befindet sich jetzt das elegante Park Hyatt Hotel. Beim Umbau in dieses Hotels kam es 2011 zu einem Brand, dabei wurde vor allem die Beletage schwer in Mitleidenschaft gezogen und brannte bis zur Außenwand aus. Das Löschwasser richtete schwere Schäden in der ehemaligen Kassenhalle an. Die Räumlichkeiten wurden wieder komplett restauriert und originalgetreu hergestellt, wonach das Hotel und die Einzelhandelsflächen – mit Bauverzögerungen – Mitte 2014 fertiggestellt werden konnten.

Ja, und die Seitzergasse war auch der Standort der Bawag. Jedesmal wenn die BAWAG im Fernsehen erwähnt wurde, wurde ein Kurzfilm gezeigt, indem ein Fiaker durch die Seitzergasse fuhr.

Und im Cafe Korb traf ich auch gerne Freunde. Das Korb hatte sich früher im gegenüberliegenden Gebäude Tuchlauben 11, dem Kleeblatthaus befunden. 1903 übersiedelte es in das Direktionsgebäude der „städtischen KaiserFranz-Joseph-Lebens- und Rentenversicherungs-Anstalt. In den 50er Jahren erfolgte dann eine Modernisierung. 2002 wich die Kegelbahn im Keller der „artlounge“, die von vielen berühmten Künstlern umgestaltet worden war. Dieses Lokal diente dann auch für Lesungen, aber auch als Philosophencafe. 2004 kam es zu einem Wasserrohrbruch im Keller und dessen kompletter Neugestaltung. Zu empfehlen ist die Spezialität des „Korb“, der Apfelstrudel. Im Schanigarten sitzend kann man ab er auch den Tuchmacherbrunnen bewundern.

Aber die Geschichte dieser Gegend geht schon auf die Römerzeit zurück.

Die Tuchlauben war eine römerzeitliche Straße in der Gegend der Porta decumana des Römerlagers Vindobona. Die Bognergasse hieß 1262 „strata gladiatorum“ („Schwertfürbenstraße“), hier arbeiteten Handwerker, die Schwerter herstellten. Ab dem 14. Jahrhundert wurde die auf die Bogenherstellung hindeutende Bezeichnung „Bognergasse“ beziehungsweise „Unter den Bognern“ geläufig. Die Seitzergasse hieß um 1300 und auch noch 1511 „Kurbaunerstraße“, benannt nach den Kurbaunern, die Armbrustspannen herstellten. Der ehemalige „Hochholzerhof“ (Tuchlauben 5) wurde im frühen 17. Jahrhundert erbaut, seine Fassade ist datiert mit 1719.

Also beim Schlendern durch das Goldene Quartier sollte man nicht nur die ausgestellten Waren in den exklusiven Geschäften bewundern, sondern sich auch der bewegten Geschichte dieses Wiener Grätzls erinnern.

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