Krieg und Frieden – die Konsequenzen

 

Es jähren sich Kriegsbeginne – z.B. Ukraine-Russland über die Krim vor 3 Jahren und Irak vor 14 Jahren.

Vor drei Jahren ist die Annexion der Krim durch Russland erfolgt. Am 27. Februar wurde erstmals direkt über den Einsatz der auf der Krim stationierten russischen Truppen berichtet; das Militär besetzte strategisch wichtige Gebäude und Einrichtungen. In den folgenden Tagen kam es unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter Abschirmung durch diese Truppen zu einem Machtwechsel in der Regierung der Autonomen Republik Krim. Zusammen mit Russland bestritt die neue, selbst nicht demokratisch legitimierte Regierung der Krim die Legitimität der Übergangsregierung der Ukraine. Am 6. März sprach sich das Parlament für einen Anschluss an Russland aus. Am 16. März wurde eilig ein nach ukrainischem Recht illegales Referendum über den Status der Krim abgehalten. Nach den veröffentlichten Resultaten sprachen sich 96,77 Prozent der Teilnehmer für einen Beitritt der Krim zur Russischen Föderation aus, die Wahlbeteiligung habe bei 83,1 Prozent gelegen. Der russische Menschenrechtsbeirat berichtete nach Gesprächen mit Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Anwälten und anderen Bewohnern der Krim im April 2014, dass die tatsächliche Wahlbeteiligung nur 30–50 % mit einer Zustimmungsquote von 50–60 % betragen habe. Am 17. März stellte die Republik Krim einen Beitrittsantrag an die Russische Föderation. Am 18. März wurde der Vertrag über den Beitritt der Krim sowie der Stadt Sewastopol als 84. bzw. 85. Föderationssubjekt in den russischen Staatsverband unterzeichnet. Am 21. März 2014 wurde dieser Vertrag durch den russischen Föderationsrat ratifiziert. Seither sieht die Russische Föderation die Republik Krim und Sewastopol als Teil Russlands an. Die Ukraine erkennt dies nicht an, sondern betrachtet die gesamte Krim weiterhin als ukrainisches Staatsgebiet.

Dabei haben die Annexion und die nachfolgenden außenwirtschaftlichen Verwerfungen – allen voran die westlichen Sanktionen – der russischen Wirtschaft stark zugesetzt. Zwar waren sie nicht hauptverantwortlich, dass das Land eine zweijährige Rezession durchmachte. Aber sie verstärkten in jedem Fall die Talfahrt, die auf einer strukturellen Wirtschaftskrise beruhte und durch den Ölpreisverfall ab Mitte 2014 beschleunigt wurde. Schätzungen liegen bei einer halben Bio. Rubel (gut acht Mrd. Euro), die aus Russlands Budget in den vergangenen drei Jahren für die Halbinsel aufgewendet wurden. Das ist mehr als eineinhalb Mal so viel, wie das Bruttoregionalprodukt der Halbinsel im Jahr 2015 betrug. Darüber hinaus wird auch das Budget der Krim zu 65 Prozent aus Moskau dotiert, was jährlich über eine Mrd. Euro verschlingt. Gleichzeitig zeichnet sich vorerst kein schnelles Ende der westlichen Sanktionen ab. Womit auch die Gegensanktionen – das Embargo auf westliche Agrarprodukte – in Kraft bleiben. Dabei verliert jeder Russe 4.400 Rubel pro Jahr allein aufgrund dieses Embargos. Und zwar deshalb, weil das Importembargo die Lebensmittelpreise antreibt.

Auf der Krim selbst ist die Energieversorgung aus Russland nach diversen vormaligen Stromausfällen nun ausreichend gesichert. Ende des Vorjahres wurde außerdem eine Gaspipeline aus Russland eröffnet. Und dieses Jahr wird auch eine Reihe neuer Verkehrsverbindungen nach Russland in Betrieb genommen. Der Bau der 19 Kilometer langen Verbindungsbrücke zwischen der Krim und dem russischen Festland wird freilich noch länger dauern.

Indes klagen Unternehmer auf der Krim, dass die Anpassung an russische Gesetze und Steuersysteme zeitlich und finanziell aufwändig ist, weil viele Staatsaufträge winken, seien auch Unternehmer aus dem russischen Mutterland auf der Krim als Konkurrenten aktiv geworden. Dafür hat Moskau für einen Zustrom russischer Touristen auf die Halbinsel gesorgt. Im Vorjahr ist ihre Zahl um 21,2 Prozent auf 5,57 Millionen gewachsen. Dazu beigetragen haben gerade auch die Staatsangestellten, die auf Staatskosten dort urlaubten. Allerdings sind die ukrainischen Urlauber ausgeblieben, wie auch viele aus dem Westen.

Mit dem Bruch des Budapester Memorandums von 1994 über die Achtung der bestehenden Grenzen der Ukraine sowie weiterer Grundsätze der KSZE-Schlussakte von 1975, der Charta von Paris 1990 und der Nato-Russland-Grundakte 1997 durch Russland besteht eine internationale, völkerrechtliche Krise.

Vor 14 Jahren hat der Irakkrieg (auch Zweiter Irakkrieg oder Dritter Golfkrieg) begonnen. Er war eine Militärinvasion der USA, Großbritanniens und einer „Koalition der Willigen“ in den Irak. Er begann am 20. März 2003 mit der Bombardierung ausgewählter Ziele in Bagdad und führte zur Eroberung der Hauptstadt und zum Sturz des irakischen Staatspräsidenten Saddam Hussein.

Die US-Regierung Bushs setze einen Invasionsplan national und international durch. Sie begründete diesen als notwendigen Präventivkrieg, um einen angeblich bevorstehenden Angriff des Iraks mit Massenvernichtungsmitteln auf die USA zu verhindern. Dafür erhielt sie kein UN-Mandat des UN-Sicherheitsrates und brach somit das Verbot eines Angriffskrieges in der UN-Charta. Die USA und Großbritannien legten die UN-Resolution 1441 gegen die übrigen Sicherheitsratsmitglieder als Angriffsmandat aus und verhinderten mit ihrer UN-Vetomacht, dass der UN-Sicherheitsrat den Irakkrieg verurteilte. Da im Irak keine Massenvernichtungsmittel und keine Beweise akuter Angriffsabsichten gefunden wurden, hat sich die Begründung des Irakkriegs als falsch erwiesen.

Nach dem erklärten Kriegsende kam es während der Besetzung des Irak 2003-2011 zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, tausenden Terroranschlägen, Fluchtbewegungen, Kriegshandlungen und Gewaltkriminalität, sowohl verschiedener irakischer Gruppen gegeneinander als auch gegen die westlichen Besatzungstruppen. Sie forderten vor allem unter irakischen Zivilisten eine unbekannte Anzahl Todesopfer und Verletzte. Auch nach dem Abzug der ausländischen Truppen 2011 kam es zu keiner Befriedung des Landes. Die politischen Institutionen sind noch immer schwach, Korruption und Armut nehmen zu. Nach der Rückgewinnung von Mosul und der zu erwartenden Zerschlagung des territorialen Besitzes des sogenannten „Islamischen Staates“  wird es darum gehen, ob das Land zusammenhalten kann oder ob es sich auflöst in seine schiitischen, sunnitisch- arabischen und kurdischen Bestandteile. Ein Auflösungsprozess droht schwierig und blutig zu werden, weil es überall umstrittene gemischte Zonen gibt, in denen Teile der einen oder der anderen Bevölkerung leben, wie Kurden und Araber, Schiiten und Sunniten, von anderen kleineren Minderheiten gar nicht zu reden. Es besteht die Gefahr, dass im Irak nicht, wie bisher, ein Staat entsteht und auch nicht deren drei, sondern zusammengebrochene Staaten, einer, zwei oder drei.

Geht es den Menschen besser, nach diesen Kriegshandlungen? Ich bezweifle es. Und immer wieder wird gezündelt – und in der jetzigen Situation sogar vom Einsatz von Atombomben geredet. Wäre es nicht sinnvoller den Frieden anzustreben statt aufzurüsten?

Krieg und Frieden – die Konsequenzen

Der Trumpismus und wir

Trump ist nicht nur unvorhersehbar, er ist auch widersprüchlich

Trump hat während sein Wahlkampagne, die er primär am ländliche weiße Wähler richtete, auf die großen Städte wie New York, San Francisco und Chicago als Quelle alles Übels hingewiesen. Sie wären die Heimat der abgehobenen Eliten, aber auch ein Hort von Verbrechen und Gemetzel. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Trump seine Karriere als  Immobilienmakler in New York begonnen hatte. Der jetzige Präsident  bezeichnete Städte als Heimat von Globalisierung, die die USA zerstörten und außerdem ein sicherer Hafen von Minoritäten ohne Aufenthaltsgenehmigung und liberalen Anti-Patrioten wären. Diese wären ein Fluch für das „echte Amerika“.

Städte sind aber genau das Gegenteil dessen, was Trump beschreibt, sie sind friedlicher, sicherer und wohlhabender als in den vergangene Jahrzehnten. Aber Daten und Fakten können die Blase nicht durchdringen, die die Trump Administration umgibt. Trumps Aussagen haben auch die Bürgermeister der großen Städte gegen ihn aufgebracht, denn die vorgeschlagenen Budgetkürzungen würden in starken Maße die Armen der innerstädtischen Bereiche treffen.

Trumps Populismus klingt vielleicht „wahr“ für die Millionen unzufriedener, frustrierter Wähler in den „roten“ (republikanischen) Staaten der USA, aber er trifft nicht auf jene Teile des Landes zu, die die amerikanische Wirtschaft voranbringen.

„Es gibt Menschen in New York, die sich den Bewohnern von London oder Berlin näher fühlen als jenen von Kansas und Colorado“ klagte Steven K. Bannon, nun der Chef-Stratege des Weißen Hauses  bei einem Treffen der Europäischen Konservativen vor drei Jahren. „Sie haben auch jene „Eliten-Mentalität“ von der sie glauben, dass sie in der Lage wären, allen diktieren zu können, wie die Welt funktionieren solle.“

Aber er ist nicht der einzige Berater im Weißen Haus, der meint, dass Vielfalt Schwäche darstellt. Michael Anton hat ausgiebig in einem Essay aus dem letzten Jahr darüber geklagt, dass der Pluralismus amerikanische Städte definiere. Die pausenlose Zuführung von Fremden aus der Dritten Welt, die keine Tradition in, Geschmack von noch Erfahrung in Freiheit hätten, wäre das Kennzeichen einer Partei, einer Gesellschaft, eines Volkes, einer Zivilisation, die untergehen möchte.

Ist diese Art von Ethnonationalismus oder Nativismus (bezeichnet die Orientierung von politischen Bewgungen, die für die Rechte der in einem Lande geborenen nationalen Mehrheit und gegen die Zuwanderung  Fremder beziehungsweise gegen die Ansprüche einer fremden Minderheit  kämpft) nun die Hauptantriebskraft in den Demokratien diesseits und jenseits des Atlantik? Oder ist es der Pöbel, der immer näher an die Mitte der Macht heranrückt, der zwar Gleichheit fordert nicht für gemeinsame Interessen, sondern für Klagen, Demütigungen, Groll und Korruption.

Städte können zu einem Bollwerk gegen die Ideen der Trump-Regierung und die Rechten in Europa werden. Sadiq Khan, Londoner erster Muslim-Bürgermeister steht für eine Politik der Inklusion und Toleranz, zu einem Zeitpunkt wenn sich Großbritannien von Europa lösen will. Anne Hidalgo, geborene Spanierin, jetzt Bürgermeisterin von Paris ist nun die Leitfigur im Kampf gegen den Klimawandel.

Aber selbst im Weißen Haus scheint es keine Übereinstimmung zu obigen Fragen zu geben und zwar zwischen der Bannon-Anhängerschaft und den traditionellen „New York Moderaten“, einer Gruppe von vormaligen Goldmann-Sachs-Direktoren um den Trump-Schwiegersohn Jared Kushner. Dieser Kampf ist noch nicht beendet und könnte noch ein Weilchen andauern. Sicher aber ändert sich das „Anti-kosmopolitische Ethos“ der derzeitigen Regierung nicht so schnell, von dem Kritiker behaupten, es wäre ein Zeichen einer schwindenden politischen Tradition.

Zunehmend wirken National-Staaten engstirnig und rückwärtsgewandt, während Städte derzeit wesentlich kosmopolitischer agieren. Vielleicht ist der Trumpismus kein so giftiges Mittel als eher ein zunehmend überholtes Konzept. Vielleicht ist das nur ein Wunschdenken der Liberalen. Aber was jetzt die USA und einige westliche Staaten unterscheidet, sind unterschiedliche, um die Vorherrschaft ringende Vorstellungen von Identität.

In den Städten herrscht kein „wir“, das andersstämmige ausschließt. Dort gibt es keine andere amerikanische Identität, als die jener Mischkultur, die von den Amerikanern gemeinsam geschaffen wurde. Die amerikanischen Städte akzeptieren dies und werden täglich stärker, gesünder und produktiver, während der Rest des Landes das nicht zu akzeptieren scheint, und damit zu kämpfen hat.

Unter US-Präsident Donald Trump werden auch die globalen Beziehungen neu gestaltet, schreibt die internationale Presse. Das sei auch bei dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel zu sehen gewesen. Trumps Verhalten gegenüber der Bundeskanzlerin kann als unhöflich, ja geradezu rüde bezeichnet werden. Er gab er ihr nicht die Hand, dann wurde die Bundeskanzlerin als „Anführerin des Westens“ bezeichnet und diejenige, die Trump erklären muss, wie internationale Politik funktioniert.  Das kränkt Trumps Eitelkeit. Merkel konnte dem amerikanischen Präsidenten nicht öffentlich sichtbar den Vorteil einer multilateralen Weltordnung nahe bringen. Hinterher schickte Trump noch ein Tweet, über die gewaltigen Schulden, die Deutschland bei den USA hätten. War er zu feig, es der Bundeskanzlerin selbst ins Gesicht zu sagen? Dabei geht es nicht nur um die Nato, sondern vor allem um den Exportüberschuss Deutschlands. Während die Bundesrepublik in der Nato nur den Druck der USA fürchten muss und sich gleichzeitig auf die Solidarität der Regierungen verlassen kann, die in ähnlicher Lage sind (Niederlande, Dänemark, Italien, Spanien), steht sie mit dem Exportüberschuss ziemlich alleine da und damit wird auch der EU-Solidarität sehr rasch die Luft ausgehen. In Baden-Baden ließ Trump seinen Finanzminister beim G20-Treffen sogleich umsetzen, wie sich Donald Trump amerikanischen Druck in internationalen Verhandlungen vorstellt.

Welten trennen Trump und Merkel in Stil und Politik, doch beide haben gezeigt, dass sie zusammenarbeiten, als sie Seite an Seite im East Room des Weißen Hauses standen. Es ist ihnen dabei aber nicht gelungen, den Graben zu verbergen, der sie beim Thema Handel, Einwanderung und einer Reihe anderer heikler Fragen trennt.

Wir werden uns alle wohl ein Weilchen mit Trump begnügen müssen. Allerdings tut er wirklich viel, um seine Wählerschaft zu vergraulen, er nimmt vielen(armen Weißen) die Krankenversicherung weg und kürzt die Unterstützungsprogramme für sie. Ob sie es wohl merken oder ob Trump sie weiter anlügt und andere Schuldige vorschiebt?

Der Trumpismus und wir

Halbmond gegen Kreuz?

In knapp einem Monat stimmen die Türken in einem Referendum über die Einführung des von Erdogan angestrebten Präsidialsystems ab. Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP versucht angesichts eines sich abzeichnenden knappen Ausgangs des Referendums am 16. April die rund 2,9 Millionen Auslandstürken zu mobilisieren. Präsident Erdogan hat den Streit mit Europa zu seinem bestimmenden Wahlkampfthema vor dem Referendum gemacht.

Erdogan hatte in der Vergangenheit die türkischen Frauen bereits dazu aufgerufen, mindestens drei Kinder zu haben, was bei Frauenrechtsaktivistinnen auf scharfe Kritik gestoßen war. Nun ruft er die in Europa lebenden Türken auf, ihren Einfluss auszubauen und mehr Kinder zu bekommen. „Macht fünf Kinder, nicht drei, denn ihr seid Europas Zukunft“. Dies sei die „beste Antwort“ auf die „Unhöflichkeit“ und „Feindschaft“, die ihnen entgegengebracht werde. „Da wo ihr arbeitet und lebt, ist nun eure Heimat. Gründet noch mehr Betriebe. Schickt eure Kinder in bessere Schulen. Lasst eure Familien in besseren Stadtteilen leben. Steigt in die besten Autos. Wohnt in den schönsten Häusern“, sagte Erdogan weiter. Zugleich warf er den Europäern vor, Türken nur zu dulden, wenn diese niedere Arbeiten verrichteten. „Gegen den Türken, der als Arbeiter in der Fabrik arbeitet, haben sie keine Einwände. Aber gegenüber dem Türken, der Besitzer, Ingenieur oder Leiter dieser Fabrik ist, haben sie keine Toleranz mehr.“ Erdogan empfiehlt: „Das wird die beste Antwort sein, die Ihr auf die Unverschämtheiten, Feindseligkeiten und Ungerechtigkeiten, die man Euch antut, geben könnt.“

Erdogan unterstellt den Europäern auch, mit ihrer Kritik an der Türkei in Wahrheit den Aufstieg des Landes verhindern zu wollen: „Denn die Türkei, von der sie träumen, ist eine Türkei, die in jeder Hinsicht abhängig von ihnen ist und die sie herum schubsen können wie sie wollen. Und dasselbe empfinden sie gegenüber den Türken in ihren eigenen Ländern“.

Vor dem Referendum über eine Verfassungsänderung zur Stärkung von Erdogans Macht  sind die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU an einem Tiefpunkt angelangt. Der Präsident wirft den Europäern vor, Türken und andere Muslime zu diskriminieren. Im Streit um türkische Wahlkampfauftritte in Deutschland und den Niederlanden sprach er von „Nazimethoden“ und warnte vor einer Rückkehr des Faschismus. Jeden Tag gibt es neue Provokationen aus der Türkei. Ziel ist es, das Land in eine Opferrolle zu bringen.

Die türkische Regierung setzt ihre Angriffe gegen Deutschland fort. „In Deutschland wird die Demokratie mit Füßen getreten“, sagte Ministerpräsident Yıldırım, Justizminister  Bozdag meinte, dass die türkische Justiz sei zweifellos „gerechter, unabhängiger und unparteiischer“ als die deutsche Justiz wäre.

Auch die Niederlande und die Türkei erleben derzeit eine schwere Krise ihrer Beziehungen, nachdem Ankara auf die Absage türkischer Wahlkampfauftritte mit wüsten Vorwürfen reagiert hatte. Diese diplomatische Krise wirkt sich jetzt auch auf das Rindvieh aus: Ein türkischer Züchterverband kündigte am Mittwoch an, eine Gruppe niederländischer Kühe aus Protest gegen das Verhalten Den Haags des Landes zu verweisen. „Die erste Gruppe Holsteiner ist verladen worden und wird zurückgeschickt“, sagte ein Vertreter des Türkischen Verband der Viehproduzenten. „In Zukunft wollen wir keine Tierprodukte mehr aus Holland“, die Türkei werde in Zukunft eigene Kühe züchten

Der österreichische Außenminister  hat erklärt, Erdogan könne zu bilateralen Staatsbesuchen nach Europa und Österreich kommen, „aber nicht den türkischen Wahlkampf nach Österreich tragen“. Eine Veranstaltung mit Erdogan in Österreich im Vorfeld des Verfassungsreferendums in der Türkei drohe, die „Spannungen“ innerhalb der türkischen Gemeinde zu verstärken. Schätzungen gehen von rund 300.000 in Österreich ansässigen Menschen mit türkischen Wurzeln aus. Der Sprecher des türkischen Außenamtes, Müftüoglu, erklärte dazu, Wien überschreite seine Befugnisse und liefere ein Beispiel für „Parteilichkeit“. Bereits am Montag hatte Vizepremier Kurtulmus die Stellungnahmen von Kurz kritisiert und festgehalten, das Referendum betreffe Österreich nicht. Das türkische Außenministerium warf Kurz sogar eine „rassistische Haltung“ und „Islamophobie“ vor. Dieser strenge für seine eigene politischen Ambitionen eine Agenda auf Kosten der Türkei an. Jedenfalls hat Österreich klar geäußert, dass die Türkei kein Mitglied der EU werden könne. Dies hat eigentlich schon 2011 die damalige österreichische Außenministerin Plassnik vorgeschlagen

Die Beziehungen zwischen der Türkei und Europa sind derzeit auf einem Tiefpunkt. Das Land liegt im Streit mit Deutschland und den Niederlanden. In beiden Staaten waren Wahlkampfauftritte türkischer Minister abgesagt worden, die vor ihren türkischen Landsleuten in Europa für die umstrittene Einführung des Präsidialsystems werben wollten. Erdogan warf Deutschland und den Niederlanden „Nazi-Methoden“ und eine „neonazistische Gesinnung“ vor und beschimpfte sie als „Faschisten“. Innenminister Soylu warf Deutschland und den Niederlanden vor, sich in innere Angelegenheiten seines Landes einzumischen. „Wird die Verfassung etwa in Deutschland oder in Holland geändert?“, fragte er mit Blick auf das bevorstehende Referendum. „Was geht Euch das an? Wieso mischt ihr Euch ein? Habt Ihr etwa die Türkei in die Europäische Union aufgenommen? Habt Ihr die Türkei beim Kampf gegen den Terror unterstützt?“

Der türkische Innenminister  Soylu drohte der EU, Tausende Flüchtlinge über die Grenze zu schicken. „Wenn Ihr wollt, ebnen wir jeden Monat 15 000 Flüchtlingen den Weg, die wir Euch (bislang) nicht geschickt haben“ sagte er in Ankara. An diesem Samstag jährt sich der Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei zum ersten Mal.

Der türkische Außenminister Cavusoglu sieht Europa auf dem Weg in einen Religionskrieg. „Bald könnten in Europa auch Religionskriege beginnen, und sie werden beginnen.“ „Wir können uns mit denen nicht befassen, als wären wir Schmarotzer. Der Türke ist nirgendwo ein Schmarotzer.“ Europa werde schon lernen, wie man mit der Türkei umzugehen habe, sagte Cavusoglu weiter. Ansonsten werde die Türkei es Europa beibringen. „Ihr werdet von Eurem befehlenden Diskurs absehen. Die Türkei befiehlt“, sagte er. Die Türkei sei die „Umma“, die weltweite Gemeinschaft von „zwei Milliarden“ Muslimen. „Deshalb könnt Ihr mit der Türkei nicht im Befehlston sprechen. Ihr müsst anständig reden, Ihr könnt um etwas bitten.“

Die Türkei ist gespalten n Erdogan-Befürworter und -gegner, in Gülen-Anhänger und Kemalisten, in Kurden, Sunniten, Schiiten und Aleviten. Das färbt auch auf die in Europa lebenden Türken  ab, von denen die meisten eine klare Meinung zum türkischen Präsidenten Erdogan haben und auch zu seinem Plan, die parlamentarische Demokratie in ein Präsidialsystem umzuwandeln. Ein wirklicher Dialog zwischen Erdogan-Anhängern und -befürwortern kommt dabei kaum zustande.

Dennoch wäre eine De-Eskalation der Worte dringend erforderlich, allerdings vor dem 16. April ist sie nicht zu erwarten.

Halbmond gegen Kreuz?

Es grünt so grün: Gedanken zum St. Patrick’s Tag in Wien

Der St. Patrick’s Day ist der Gedenktag des irischen Bischofs Patrick, der wahrscheinlich im 5. Jahrhundert lebte und als erster christlicher Missionar in Irland gilt. Sein Geburts- und sein Sterbetag sind nicht bekannt; das Datum 17. März für den Sterbetag tauchte erstmals im 7. Jahrhundert auf. Einige Historiker glauben, dass in der Gestalt des St. Patrick, wie er heute verehrt wird, mindestens zwei Einzelpersonen zusammenflossen. Patrick wird in der katholischen Kirche als Heiliger verehrt. Da der Heilige als Schutzpatron Irlands gilt, ist das Fest des Heiligen im irischen Regionalkalender ein Hochfest.

In Dublin und den meisten anderen irischen Städten machen große Paraden und vielfältige Aktivitäten den St. Patrick’s Day zu einem bunten Volksfest. Auch in München, London sowie einigen amerikanischen Städten finden Aufmärsche statt. Am 17. März ist Grün die vorherrschende Farbe der feiernden Iren in aller Welt; in einigen Städten (z.. B. Chicago) werden am St. Patrick’s Day sogar die Flüsse grün eingefärbt.

Und neuerdings darf auch Wien unter den feiernden Städten nicht fehlen Aus Anlass der Feierlichkeiten zu Ehren von St. Patrick wird jedes Jahr in der Kirche des Schottenklosters eine Messe abgehalten. Das Gedenken an den irischen Nationalheiligen findet bei den Schotten statt. In den vielen irischen Pubs in Wien sieht man Männer mit grünen Hüten, biertrinkend, fröhlich singen.

Irische Mönche begannen schon im 5. und 6. Jahrhundert mit Missionierungen auf den britischen Inseln. Ab dem 7. Jahrhundert findet man sie auf dem (europäischen) Kontinent. Warum sind es dann „Schotten“, die z.B. in Wien ihre deutlichen Spuren hinterlassen haben? Lateinisch hieß Irland „Scotia maior“, die Bezeichnung „Schotten“ ist daher keine Verwechslung. Die iro-schottischen Christen waren keltisch geprägte und von Rom unabhängige christliche Gemeinden in Irland und Schottland, die erst im 12. Jahrhundert die römisch-katholische Organisationsform annahmen.“Schotten“ „lässt sich auf den irischen Stamm der Scoten (auch „Skoten“) zurückführen.

Die iroschottischen Geistlichen kamen aber nicht direkt von den Inseln im Westen Europas nach Wien um zu missionieren, sondern über den Umweg Regensburg. Heinrich II. Jasomirgott (vermutlich 1107-1177), war ab 1141 Markgraf von Österreich und 1143-1156 Herzog von Bayern (1156 wurde er dann Herzog von Österreich). Er hatte die Schotten aus Regensburg berufen. Das Schottenkloster  wurde 1155 gegründet, die Klosterkirche der Abtei ist die Schottenkirche.

Das neue Kloster sollte Mitte des 12. Jahrhunderts nicht nur ein Ort des Gebetes, sondern auch eine Zufluchtsstätte für Asylsuchende sowie Pilger sein. Viele Heilig-Land-Pilger kamen nach Wien und nützten die Abtei als Hospiz oder auch als Art Spital. Das Gebiet hieß in früheren Zeiten „area Scotorum“, bzw. „ante Scotos“ und „apud Scotos“ (vor bzw. bei den Schotten). Die Bezeichnung Freyung hat wohl etwas mit der dem Schottenstift 1181 verliehenen Immunität, also der Befreiung von der städtischen Gerichtsbarkeit, zu tun.

1418 entzog Herzog Albrecht V. im Zuge der Melker Reform (Versuch, streng nach der Benediktsregel zu leben, d.h. Ausrichtung des klösterlichen Lebens auf die gemeinsamen Gebetszeiten sowie Kampf gegen die Verweltlichung der Mönche und Äbte; Beseitigung der Beschränkung der Aufnahme ins Kloster auf Adlige; Förderung der wissenschaftlichen Arbeit im Geiste des Humanismus; Studium der alten Quellentexte) den Iro-Schotten, die unter Personalmangel litten, das Kloster und siedelte deutschsprachige Benediktiner an. Die Bezeichnung „Schotten“ blieb aber erhalten. 1807 wurde von den Benediktinern des Schottenstiftes ein neues Gymnasium eröffnet, das sehr bald eine hervorragende Bildungsstätte wissenschaftlichen Nachwuchses wurde. Mir ist dieses Gymnasium bestens bekannt, da mein Sohn dort 8 Jahre verbrachte.

Die Schotten jedenfalls hatten ihren Namen in der Umgebung eingeprägt: Schottenbastei, Schottentor: das Tor war im Mittelalter ein einfaches Tor in einem der Türme der Befestigung. 1656 wurde eine eigene Toranlage errichtet, diese dann 1840 neu gebaut und 1862 abgerissen; Schottentor ist kein Straßenname, sondern bezeichnet eine Kreuzung, seit 1961 die offizielle Bezeichnung für die zweigeschossige Straßenbahnschleife, die volkstümlich „Jonas-Reindl“, nach dem Wiener Bürgermeister, genannt wird. Die Wiener Linien verwenden Schottentor als Haltestellenname für neun Straßenbahn- und zwei Autobuslinien, sowie für die U-Bahn-Station Schottentor. Somit ist das Schottentor einer der größten Knoten des öffentlichen Verkehrsnetzes in Wien. Hier findet sich ferner auch die Schottengasse. Hier steht das mächtige Gebäude der Creditanstalt-Bankverein, der jetzigen BA. Für diese Bank habe ich jahrelang gearbeitet. Der Schottenring ist einer der neun Abschnitte der Wiener Ringstraße. Nach dem Schottenstift wurde eines der vier Stadtviertel benannt (Schottenviertel).

Nicht nur der Erste Bezirk ist betroffen: Das Schottenstift hatte in verschiedenen Gegenden Wiens Besitzungen: Schottenfeld (7; Schottenfeldgasse ), Schottenhof (7), Schottenberg und Schottenbühel (9, jetzt Berggasse), Schottenpoint (9), Schottenhof (14), ehemalige Schottengasse (16; heute Redtenbachergasse), Schottenhof, Schotenfreihof (19, Nußdorf), Schottenau (20; Schottenaustraße).

Das Schottenfeld war ursprünglich ein Teil des sogenannten Oberhofes bzw. St. Ulrichshof. Ab 1629 übernahm das Schottentift das Lehen über den Oberhof. Von 1680 bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurde zunächst das Gebiet entlang der Mariahilfer Straße bis zur Kaiserstraße verbaut. Erste Siedler waren Milchmeier und Fuhrwerker. Der Aufschwung begann mit der Ansiedlung von Seidenfabrikanten. Die groß angelegte Verbauung der „Schottenäcker“ begann ab 1719, als das Schottenstift auf Grund finanzieller Schwierigkeiten gezwungen war, die Felder zu parzellieren und zu verkaufen. Die Käufer der Grundstücke mussten sich verpflichten, innerhalb von ein bis zwei Jahren ein Haus zu errichten oder den Grund zu verkaufen. Insbesondere bei Manufakturbetrieben, die innerhalb der Stadtmauern zu wenig Platz fanden, war dieses Angebot begehrt. Während der Regierungszeit von Joseph II. kam es zu der höchsten Zahl an Eintragungen ins Grundbuch. Nach der Aufhebung des Klosters St. Laurenz kam das Schottenstift auch in den Besitz des Grundes um die heutige Westbahnstraße, den es ebenfalls parzellieren ließ. 1777 wurde Schottenfeld zu einer eigenen Vorstadt erhoben. 1779 zählte Schottenfeld bereits 129 Häuser und 20.000 Einwohner. Während der Franzosenkriege stellte Schottenfeld eine 1.500 Mann starke Abordnung für die Landwehr. Die Soldaten mussten einen hohen Blutzoll bezahlen. Auch der Choleraepidemie im Jahr 1831 fielen zahlreiche Menschen zum Opfer.

Man kann also davon ausgehen, dass in Wien zurecht der St. Patrick’s Day gefeiert wird, wenn nur mehr Leute wüssten warum.

Es grünt so grün: Gedanken zum St. Patrick’s Tag in Wien

Das Zeitalter des amerikanischen Interventionismus neigt sich dem Ende zu – was kommt jetzt?

Am 6. April 1917 erklärten die USA dem Deutschen Reich den Krieg, nachdem Präsident Wilson vier Tage vorher den US-Kongress zur Teilnahme am Kreuzzug der „friedensliebenden“ Demokratien gegen die „militärisch-aggressiven“ Autokratien der Erde aufgefordert hatte. Beide Häuser des Kongresses stimmten mit überwältigender Mehrheit zu. Die tieferen Ursachen für diese Entwicklung lagen zunächst in der Auffassung, dass sich die jeweiligen Vorstellungen einer globalen Nachkriegsordnung gegenseitig ausschlossen und die deutschen kontinentaleuropäischen Hegemonialabsichten und weltpolitischen Ambitionen mit den amerikanischen Interessen nicht in Einklang zu bringen waren. Schiffsversenkungen mit amerikanischen Opfern – namentlich jene der RMS Lusitania  – verstärkten die antideutsche Stimmung. Aber viele Amerikaner und selbst der Präsident Woodrow Wilson widersetzten sich noch kriegerischen Ambitionen. Zunächst hatten die zunehmenden Rüstungsanstrengungen seit Kriegsbeginn jedoch nicht einem Kriegseintritt, sondern dem potenziellen Krieg nach diesem Krieg gegolten. Entscheidend für die Entwicklung zum Kriegseintritt war die deutsche Reaktion auf Wilsons Friedensinitiative vom 18. Dezember 1916. Die vertrauliche und sogleich relativierte Übermittlung der deutschen Friedensbedingungen – de facto eine Ablehnung des Vermittlungsangebotes – erfolgte gleichzeitig mit der Ankündigung der Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs durch das Reich, was Wilson zunächst ungläubig und dann mit tiefer Enttäuschung aufnahm. Letztlich entscheidend für den Kriegseintritt war ein Bündnisangebot, das das Deutsche Reich Mexiko für den Kriegsfall unterbreitet  und „reichlich finanzielle Unterstützung und Einverständnis“ signalisiert hatte, wenn Mexiko „in Texas, Neu-Mexiko, Arizona früher verlorenes Gebiet zurückerobert“.

Der Krieg hatte zu diesem Zeitpunkt schon 2½ Jahre getobt. Dann kamen die heftigen Straßenproteste in Russland, die zum Sturz von Zar Nikolaus II. am 15. März 1917 führten. Fast all US-Amerikaner begrüßten diesen Aufstand als Beginn eines neuen demokratischen Zeitalters. Jedenfalls waren es die USA, die als erste Nation die neue Übergangsregierung in Russland anerkannten. Der amerikanische Botschafter trug seine Botschafteruniform, als er in einem Schlitten durch Petrograd – heute St Petersburg – fuhr, um den dankbaren neuen Autoritäten die amerikanische Zustimmung zu verkünden und zu überbringen. In den Augen der Amerikaner reichte die älteste Demokratie der jüngsten ihre freundschaftliche Hand. Die Amerikaner sahen in der russischen Revolution einen Ruf zu den Waffen, einen Kreuzzug, um die Demokratie zu verteidigen und zur Ausbreitung zu verhelfen. Plötzlich ging es bei diesem Weltkrieg nicht mehr um den Kampf imperialer Mächte sondern um ein Ideal. Die Alliierten, Russland Großbritannien, Frankreich und Italien (das die Seiten gewechselt hatte) hatten nur drei Wochen nach der Abdankung des Zaren einen neuen Partner bekommen: am 6. April hatten die USA Deutschland und dem Kaiser den Krieg erklärt. In den USA nahm man an, dass es Gottes Wille wäre, dass die USA diesen Dienst für die Menschheit zu erfüllen habe.

In Frankreich war Georges Clemenceau, der schon bald zum Premierminister ernannt werden sollte, eher über den Mut von Wilson erstaunt, die Menschenrechte in den Mittelpunkt seiner Politik stellen zu wollen. Raymond Poincaré, Präsident von Frankreich, sandte eine Botschaft: Dieser Krieg hätte nicht seinen vollen Stellenwert erreicht, wären die USA nicht hineingezogen worden. Aus Italien kam ein Brief, den 68 Mitglieder des Parlaments unterschrieben hatten, der den Inhalt hatte, dass die Botschaft des Kriegseintritts er USA eine Hymne an den Frieden wäre.

Wie sich dann kurz darauf herausstellte, wurde die zwar nicht gewählte Regierung in Russland nach knapp acht Monaten durch einen kommunistischen Putsch gestürzt. Aber Wilsons Botschaft blieb im Gedächtnis, es ging allerdings dann nicht mehr um die „weiße Zivilisation“, sondern um „westliche Werte2. Das Motto „die Welt muss für die Demokratie sicher gemacht werden“ blieb das Ziel der amerikanischen Außenpolitik seit damals, zumindest bis 2017. Das Zeitalter des amerikanischen Interventionismus hatte 1917 begonnen.

Jetzt, unter Präsident Trump, scheint sich das zu ändern. Der Staatssekretär Rex Tillerson glänzte durch Abwesenheit, als der jährlich Menschenrechtsbericht vorgestellt wurde. Die amerikanischen Botschaften weltweit kümmern sich nicht mehr um Menschenrechte. Und Trump selbst bewundert starke Führer, besonders Vladimir Putin.

In den vergangenen Jahren war Putin schnell bei der Hand, um die Amerikaner zu beschuldigen, Proteste in Syrien, Libyen, Georgien der Ukraine, ja in Russland selbst zu schüren. Er hat zweifellos übertrieben, aber eigentlich könnte man das als Kompliment für die früheren Regierungen in Washington sehen. Eine Lektion, die die russischen Regierungen von dem Sturz des Zaren 1917 gelernt haben, ist, dass Massenproteste an der Basis die größte Bedrohung ihres Machtanspruches darstellen. Das erklärt, warum Putin so scharf auf mögliche Aufstände reagiert.

Aber die Tage sind vorüber, als die Beschuldigungen, dass sich Amerika einmischt noch plausibel waren. Trump hat noch nichts geäußert, dass ihm Leute, die in anderen Ländern leben, irgendwie wichtig wären. Es sieht jedenfalls nicht so aus, als ob Trump sich bemühen würde, die Demokratie und Menschenrechte weltweit zu unterstützen.

Der hundert Jahre währende Interventionismus der USA scheint zu seinem Ende zu kommen, ein neues Zeitalter der Beziehungen der Vereinigten Staaten zu der Welt scheint begonnen zu haben: „America first“!  Wird die Weltlage besser werden?

Das Zeitalter des amerikanischen Interventionismus neigt sich dem Ende zu – was kommt jetzt?

Das Wetter, Lostage und Bauernregeln

 

Am 15. März haben die Niederländer gewählt. Aber nicht die Politik ist heute mein Thema, sondern es sind die Lostage und die alten Bauernregeln. Der 15. März  ist der Heiligen Lukretia geweiht. Sie wurde gegen ihren Willen von einem Freund ihres Mannes vergewaltigt und beging dann aus Scham Selbstmord. Auch in einer Bauernregel kommt sie vor: „Lukretia feucht, bleiben die Kornsäcke leicht“.

Brauchen wir die Bauernregeln überhaupt noch? Wir haben ja die ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik), die uns kurzfristig und kleinräumig das Wetter recht präzise vorhersagt, bei längerfristigen Prognosen hapert’s manchmal noch ein bissl. Es wird versucht, auch die Wetterprognosen möglichst kurzweilige und hübsch darzustellen. Den diversen markanten Tiefs oder den Wirbelstürmen  jetzt Vornamen zu verpassen, kann die Heiligen nicht schlagen. Aber dennoch: wir verlieren das alte Wissen der Bauern über Wetterzusammenhänge. War zwar nicht immer ganz richtig, oft auch widersprüchlich, aber doch auch „personalisiert“. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die meisten von uns nicht mehr in agrarischen Gesellschaften leben und wir Großstädter (derzeit) nicht mehr so stark von der Landwirtschaft abhängen und leider den Wechsel der Jahreszeiten gar nicht mehr sosehr wahrnehmen, wie das in früheren Gesellschaften oder ländlichen Umgebungen der Fall war.

Früher gab es die so genannten Lostage: das waren feststehende Tage im Heiligenkalender des Kirchenjahres. Die Lostage ermöglichten nach altem Volksglauben Vorhersagen über die Wetterverhältnisse der folgenden Wochen oder Jahreszeiten und waren damit für verschiedene landwirtschaftliche Arbeiten wie etwa den Beginn der Aussaat oder den Ausgang der Ernte bedeutsam. In dem Wort Lostag blieb die Bedeutung von „Los“ im Sinne von „Geschick“ erhalten.

Als Lostage wurden unter vielen anderem folgende Feste angesehen:

Mariä Lichtmess am 2. Februar: Basis ist die alttestamentliche Vorschrift, dass Frauen sich 40 Tage nach der Geburt einer kultischen Reinigung unterziehen müssen. Da der Erstgeborene – Jesus – Gott geweiht war, wurde er im Tempel „dargestellt“. Der Name Lichtmess erklärt sich daraus, dass die Kerzen für das kommende Jahr geweiht wurden. Das Licht symbolisiert Christus. Diese Kerzen wurden auch bei Unwettern angezündet. Die Lichtsymbolik stammt aus dem Bericht bei Lukas: Als die Eltern das Kind in den Tempel bringen, werden sie von dem greisen Simeon und der 84-jährigen Witwe Hanna erwartet. Simeon nennt das Kind „ein Licht, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für sein Volk Israel.“

  • Wenn’s zu Lichtmess stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit.
  • Ist’s zur Lichtmess hell und klar, ist der Winter weder halb noch gar.
  • Sonnt sich der Dachs in der Lichtmesswoch‘, bleibt er 4 Wochen noch in sei’m Loch!

Kathedra Petri am 22. Februar:  Das Fest ist in Rom seit dem 4. Jahrhundert bekannt. Es erinnert an die Berufung des Apostel Petrus zum Lehramt in der Kirche, seine Übernahme des römischen Bischofsstuhls (Kathedra).

  • Hat Petri Stuhlfeier noch Eis und viel Ost, dann bringt der Feber noch starken Frost.
  • Die Nacht zu Petri Stuhl zeigt an, was wir noch 40 Tag für Wetter han

die der sogenannten Eisheiligen Mitte Mai: Pankraz, Servaz, Bonifazi, drei frostige Lumpazi, Pankratius, frühchristlicher Märtyrer – 12. Mai; Servatius, Bischof von Tongeren – 13. Mai;  Bonifatius, frühchristlicher Märtyrer – 14.Mai: Sophia, frühchristliche Märtyrin – 15. Mai

  • Pankraz, Servaz, Bonifaz machen erst dem Sommer Platz.
  • Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis Sophie vorüber ist.

der Johannestag am 24. Juni, Hochfest der Geburt Johannes des Täufers

  • Wenn die Johanniswürmer glänzen, darfst Du richten Deine Sensen.

der Siebenschlägertag: 27. Juni, Danach hatten sieben junge Christen in der Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Decius (249–251) in einer Berghöhle nahe Ephesus Zuflucht gesucht. Sie wurden entdeckt und lebendig eingemauert. Doch starben sie nicht, sondern schliefen 195 Jahre lang. Am 27. Juni 446 wurden sie zufällig entdeckt, wachten auf, bezeugten den Glauben an die Auferstehung der Toten und starben wenig später. Auch der Koran erzählt eine Version dieser Geschichte. Mit dem Nagetier Siebenschläfer besteht kein Zusammenhang.

  • Wie das Wetter am Siebenschläfer sich verhält, ist es sieben Wochen lang bestellt.
  • Wenn’s am Siebenschläfer regnet, sind wir sieben Wochen mit Regen gesegnet.
  • Scheint am Siebenschläfer Sonne, gibt es sieben Wochen Wonne.

der Michaelistag, 29.September: Michael ist nach dem Tanach ein Erzengel und kommt in den Traditionen des Judentums, Christentums und Islam vor. Der Erzengel Michael wurde gemeinsam mit anderen Heiligen als Patron der Soldaten und Krieger verehrt. Seit 2002 ist der hl. Michael auch Patron der Schweizer Polizei. Weiter gilt der hl. Michael auch als Heilkundiger, als himmlischer Arzt und Patron der Kranken.

  • Regnet’s sanft am Michaelstag, / sanft auch der Winter werden mag.
  • Bringt St. Michael Regen, / kannst Du gleich den Pelz anlegen.
  • Kommt Michael heiter und schön,/wird es noch vier Wochen so weiter geh’n.

der Hubertustag , 3. November: Der hl. Hubertus gehört zu den sogenannten „vier heiligen Marschällen Gottes“ und wird mancherorts auch zu den vierzehn Nothelfern gerechnet, sein Attribut ist ein Hirsch mit einem Kruzifix im Geweih. Aus dem Mittelalter ist die Hubertuslegende überliefert, wonach der Heilige auf der Jagd vom Anblick eines prächtigen Hirsches mit einem Kruzifix zwischen den Sprossen des Geweihs bekehrt wurde. Deshalb wird Hubertus als Schutzpatron der Jagd angesehen.

  • Bringt Hubertus Schnee und Eis, bleibt’s den ganzen November weiß.

der Weihnachtstag.

  • Steckt die Krähe zu Weihnacht im Klee, sitzt sie zu Ostern oft im Schnee.

Es gibt noch viele weitere Lostage und dazugehörige Bauernregeln. Vielleicht sollten wir uns manchmal dieser Heiligen aber auch ihrer Regeln erinnern. Es ist immerhin unser Brauchtum, es sollte doch nicht ganz in Vergessenheit geraten. (Sollten Sie es wissen wollen: 17.März: „St. Gertrud sonnig, wird’s dem Gärtner wonnig“. ZAMG sagt warmes schönes Wetter voraus!

Das Wetter, Lostage und Bauernregeln

Wie kann’s weiter gehen mit Europa?

Es sollte uns alle interessieren!

Die Kommission legt Weißbuch zur Zukunft Europas vor: Wege zur Wahrung der Einheit in der EU27. Es soll ein Beitrag zum Gipfel sein, der am 25.3. in Rom stattfinden soll.

Dennoch soll auch erinnert werden, dass Europa – die EU –  auf sieben Jahrzehnte Frieden zurückblickt. Hier leben 500 Millionen Bürger in Freiheit in einer der Regionen mit dem größten Wohlstand der Welt. Der Kontinent ist mit der Macht des Rechts und nicht durch Nutzung von Waffen geeint worden.

Aber Europa wird und muss sich in Zukunft ändern: sei es durch die Auswirkungen neuer Technologien auf Gesellschaft und Beschäftigung, sei es durch Hinterfragen der Globalisierung oder durch Bedrohung der Sicherheit und dem zunehmenden Populismus. Aber alle diese Entwicklungen bringen auch Chancen. Längerfristig wird aber Europas Bevölkerung und wirtschaftliches Gewicht schrumpfen, während andere Teile der Welt wachsen.

Der Präsident der Europäischen Kommission hat nun 5 Szenarien vorgeschlagen, die einander weder ausschließen, noch vollständig sind.

  • Szenario 1: Weiter so wie bisher – Die EU27 konzentriert sich auf die Umsetzung ihrer positiven Reformagenda entsprechend den Politischen Leitlinien der Kommission „Ein neuer Start für Europa“ von 2014 und der von allen 27 Mitgliedstaaten im Jahr 2016 angenommenen Erklärung von Bratislava (wesentliche Punkte: bessere Information der Bürger, um Ängste abzubauen, Überprüfung der Subsidiaritätsmöglichkeiten).
  • Szenario 2: Schwerpunkt Binnenmarkt – Die EU27 konzentriert sich wieder auf den Binnenmarkt, da die 27 Mitgliedstaaten in immer mehr Politikbereichen nicht in der Lage sind, eine gemeinsamen Haltung zu finden.
  • Szenario 3: Wer mehr will, tut mehr – Die EU27 Union verfährt weiter wie bisher, gestattet jedoch interessierten Mitgliedstaaten, sich zusammenzutun, um in bestimmten Politikbereichen wie Verteidigung, innerer Sicherheit oder Sozialem gemeinsam voranzuschreiten. Es entstehen eine oder mehrere „Koalitionen der Willigen“. (Europa der zwei Geschwindigkeiten)
  • Szenario 4: Weniger, aber effizienter – Die EU27 konzentriert sich darauf, in ausgewählten Bereichen rascher mehr Ergebnisse zu erzielen, und überlässt andere Tätigkeitsbereiche den Mitgliedstaaten. Aufmerksamkeit und begrenzte Ressourcen werden auf ausgewählte Bereiche gerichtet.
  • Szenario 5: Viel mehr gemeinsames Handeln – Die Mitgliedstaaten beschließen, mehr Kompetenzen und Ressourcen zu teilen und Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Auf EU-Ebene werden rascher Entscheidungen getroffen, die zügig umgesetzt werden.

Die Europäische Kommission wird diese Gespräche in den kommenden Monaten durch verschiedene Diskussionspapiere ergänzen, etwa

  • zur Entwicklung der sozialen Dimension Europas;
  • zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion auf der Grundlage des Berichts der fünf Präsidenten vom Juni 2015;
  • zu den Chancen der Globalisierung;
  • zur Zukunft der europäischen Verteidigung;
  • und zur Zukunft der EU-Finanzen.

Juncker scheint das das fünfte Szenario zu bevorzugen. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel verlautbarte in einer gemeinsamen Erklärung mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Marc Ayrault, „in Zeiten, in denen die Bedrohungen sowohl von innen als auch von außen zunehmen“, teile man „die Überzeugung, dass eine stärkere Europäische Union unser bester Schutz und unser größter Trumpf für die Zukunft“ sei, weshalb unter anderem „eine gemeinsame Verteidigungspolitik der EU“, eine „stärkere Konvergenz unserer Volkswirtschaften“ und eine „Vollendung der Europäischen Währungsunion“ her müssten.

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz hinwieder möchte nach eigenen Worten „ein Europa, das sich zurücknimmt und stärker auf das Wesentliche konzentriert“ und keines, dass alle Gaststätten zwingt, ihre Speisekarten wegen einer Allergenverordnung zu ändern, aber gleichzeitig seine Außengrenze nicht schützen kann. Ein wichtiger Schritt dorthin ist für ihn die Verkleinerung der EU-Kommission von 27 auf 18 oder 14 Kommissare, die nach dem Rotationsprinzip an die Mitgliedsländer gehen. Das würde seiner Ansicht nach zu Einsparungen von bis zu 120 Milliarden Euro beitragen, die sich als Kosten für überflüssige Regulierung angehäuft haben. An weiteren Maßnahmen zum Abbau solch schädlicher Regelungen schwebt ihm vor, dass alle neuen Vorschriften mit einem Ablaufdatum ausgestattet werden und dass mit jeder neuen Regel zwei alte wegfallen müssen. Vorschriften, die wegfallen können, sind seiner Ansicht nach unter anderem die EU-einheitlich geregelten sehr umfassenden Berichts- und Informationspflichten für kleine und mittlere Betriebe, die Zigarettenkennzeichnungsregeln oder Führerscheinregeln für Diabetiker. Auch bei der „Schaffung einer Sozialunion“ sollte sich die EU seiner Meinung nach „zurücknehmen“ und die Personenfreizügigkeit daran ausrichten, dass sie die „Mobilität der Arbeitskräfte innerhalb Europas fördert“ und nicht daran, „dass man sich nach nur einen Tag Arbeit das beste Sozialsystem aussuchen kann“. Eine stärkere Rolle soll die EU dagegen bei der Kontrolle ihrer Außengrenze spielen, die Kurz durch eine neue EU-Grenzschutztruppe bewachen lassen will. Als weltgrößter Entwicklungshilfezahler muss die Union seiner Ansicht nach außerdem ihr vereintes Gewicht in die Wage legen, damit Empfängerländer abgelehnte Asylbewerber zurücknehmen.

Das hat sich der österreichische Außenminister für die Ratspräsidentschaft Österreichs 2018 vorgenommen. Allerdings gibt es auch österreichische Politiker, deren Positionen von denen des Außenministers abweichen: Othmar Karas, der Chef der ÖVP im Europaparlament, begrüßte beispielsweise Junckers EU-Zukunftsszenario Nummer 5, während er die von Kurz geforderte Verkleinerung der EU-Kommission „nicht [für] das zentrale Problem“ hält.

Hat eigentlich irgendjemand eine Umfrage unter der betroffenen Bevölkerung gemacht? Ich meine, dass diese Fragen auch z.B. von den nationalen Parlamenten und sogar der Zivilgesellschaft diskutiert werden sollten.

Sie betreffen unser aller Zukunft.

Wie kann’s weiter gehen mit Europa?

Unser Wiener Wasser

Man merkt rundum dass es wieder Frühling wird, ich warte auch auf die Abdeckung und Wiederinbetriebnahme der Brunnen. Denn im Frühling werden an den Monumental- und Denkmalbrunnen Vorbereitungsarbeiten durchgeführt, damit sie wieder in Betrieb genommen werden können, dazu gehören unter anderem die Reinigung der Becken, die Wartung der Pumpen sowie die Überprüfung der Lichtsteuerungen. Das Wasser dieser Monumentalbrunnen eignet sich nicht zum Trinken. Die Mehrzahl der Brunnen wird, um Wasser zu sparen, mit Pumpen im Umwälzbetrieb geführt. Obwohl Wien mit seiner Hochquellwasserleitung ausreichend Wasser zur Verfügung hat.

Das war aber nicht immer so gewesen: zur Römerzeit versorgte eine mehrere Kilometer lange Wasserleitung aus dem Gebiet von Perchtoldsdorf und Gumpoldskirchen das damalige römische Militärlager Vindobona. Nach dem Ende der römischen Herrschaft verfiel das unterirdische Leitungssystem, und vom Mittelalter bis ins beginnende 16. Jahrhundert hinein wurde der Wasserbedarf aus Hausbrunnen gedeckt. Die Hausbrunnen habe ich selbst noch erlebt, besonders in der Zeit des Zweiten Weltkriegs haben sie sich als sehr nützlich erwiesen, wenn die öffentliche Wasserleitung durch Bomben zerstört worden war. Erst nach dem großen Brand im Jahre 1525 wurde wieder über die Errichtung eines Wasserverteilungssystems nachgedacht. 1562 erhielt der kaiserliche Hof schließlich als erster seine eigene Wasserzuleitung. Das Wasser wurde in sieben Brunnen in Oberreinprechtsdorf (Teil von Margareten) gesammelt und in gusseisernen Rohren zu einem Reservoir unter der Augustinerbastei und dann wiederum in die Hofburg geleitet wurde.

Ab 1565 wurde mit der Hernalser Wasserleitung schließlich auch für die Bevölkerung Frischwasser zugeleitet. Das Wasser wurde nun aus öffentlichen Brunnen von so genannten Wassermännern und Wasserfrauen verkauft. Kaiser Karl VI. hingegen ließ sich das Wasser aus Kaiserbrunn von Wasserreitern in Bottichen bringen.

Im 17. Jahrhundert versorgte der Brunnen am Neuen Markt, welcher von einer Quellenleitung gespeist wurde, die ersten Stadtteile mittels einiger kleinerer Wasserleitungen mit Frischwasser. Dies blieb bis weit ins 19. Jahrhundert hinein das einzige Wasserleitungssystem innerhalb von Wien. Dann wurde der alte Ziehbrunnen abgerissen, heute ziert der Donnerbrunnen diese Stelle. Die Stadt Wien ließ 1737-1739 eine Brunnenanlage errichten, für die Donner den Auftrag erhielt. Es handelte sich dabei um den ersten künstlerischen Auftrag mit profanem Charakter für einen öffentlichen Platz Wiens. In der Mitte eines Wasserbeckens, zu dem Stufen führen, sitzt auf einem Säulenrumpf die Figur der Providentia, den Sockel der Statue umgeben vier Putten. Die zentrale Figur der Providentia (lateinisch = Fürsorge, Vorsorge) bezieht sich wohl auf die Wasserversorgung Wiens. Auf dem Bassinrand liegen vier Figuren, die die Flüsse Enns, March, Traun und Ybbs verkörpern (die Enns wird durch einen greisen Fährmann symbolisiert, die March durch eine reife Frau, die Ybbs durch eine jugendliche Quellnymphe und die Traun durch einen fischenden Jüngling). Für die Skulpturen schuf Donner nur die Modelle, die Ausführung oblag Johann Nikolaus Moll. 1770 nahm die sittenstrenge Kaiserin Maria Theresia Anstoß an der Nacktheit der Flussfiguren und der Brunnen wurde abgetragen. Die Skulpturen wurden ins Materialdepot des Bürgerlichen Zeughauses gebracht, von wo sie dem Bildhauer Johann Martin Fischer zum Einschmelzen übergeben wurden. Dieser erkannte jedoch den hohen künstlerischen Wert und ließ sie nicht einschmelzen. Im Gegenteil: Er veranlasste eine Restaurierung der Skulpturen und brachte es 1801 sogar zuwege, dass der Brunnen wieder aufgestellt wurde.

So genannte Wasserer – sie verkauften Wasser aus Tanks auf ihren Pferdewagen, mit welchen sie durch die Stadt fuhren – und Hausbrunnen versorgten weiterhin den größten Teil der Bevölkerung mit Wasser. Im Jahr 1804 wurden erstmals auch die damaligen Vorstädte dank der Wasserleitung von Hütteldorf aus mit Wasser versorgt. Da mit dem Wachstum der Stadt auch die Verschmutzung zunahm, kam es 1830 erstmals zu einer Cholera Epidemie in Wien, an welcher bis Dezember 1831 rund 2.000 Menschen starben.

Zwischen 1835 und 1841 schließlich wurde das erste flächendeckende Wasserleitungssystem Wiens gebaut: Die Kaiser Ferdinands-Wasserleitung, welche filtriertes Donauwasser in die Stadt brachte. Das Wachstum der Stadt überforderte dieses System schon bald. Da das Wasser aus dem nahegelegenen Donaukanal entnommen wurde, war das Wasser nicht viel reiner als das aus den Hausbrunnen. Viele Typhus- und Cholerafälle zwangen zum Handeln.

1873 wurde die vom Rax-Schneeberggebiet entlang der Thermenlinie nach Wien führende 1. Wiener Hochquellenwasserleitung fertiggestellt und anlässlich der Weltausstellung als Europas größte Wasserleitung von Kaiser Franz Joseph 1. eröffnet. Zur Erinnerung an dieses Bauwerk wurde in Wien der Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz errichtet. Anton Gabrielli, Bauunternehmer der Wasserleitung, spendete 200.000 Kronen zur Errichtung des im Auftrag der Stadt Wien vom Bauunternehmer Gustav Bruck ausgeführten Brunnens. Später wurde der Brunnen, im Stil einer Fontaine lumineuse, zu einem Leuchtbrunnen umgestaltet, der am 23. Juni 1906 eröffnet wurde. Nachts leuchtet er in den Farben Rot, Rosa, Gelb, Violett, Blau und Grün. Wir können diesen Brunnen von unserem Fenster aus bewundern, wenn nicht irgendwelche „Fun Bauten“, wie die Welle im Sommer 2016 die Sicht verstellen.  Gleichzeitig wurden die Hochbehälter am Rosenhügel, auf der Schmelz, am Wienerberg und am Laaerberg gebaut.

Bereits 1888 waren 90 % der Wohnhäuser des damaligen Wien an das Netz angeschlossen, womit der Großteil der etwa 900.000 Einwohner mit sauberem Trinkwasser versorgt werden konnte. In jeder Etage der Zinshäuser gab es einen Wasserhahn mit Emaillebecken – die noch heute in zahlreichen Häusern dieser Zeit vorhandene Bassena.  Sie war auch ein Treffpunkt, wo dann der letzte Tratsch ausgetauscht wurde.

Durch die rasante Stadtentwicklung reichte das von der ersten Hochquellenleitung gelieferte Wasser bald nicht mehr aus. Deshalb wurde bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts unter Bürgermeister Karl Lueger die II. Wiener Hochquellenwasserleitung errichtet. Diese wird von Quellen im Hochschwabgebiet gespeist und wurde 1910 ebenfalls von Kaiser Franz Joseph eröffnet.

Seit 1966 existieren die Tiefbrunnen in der Lobau, auf welche in Sonderfällen oder bei außergewöhnlich hohem Wasserverbrauch zurückgegriffen wird. Das Wasser ist Uferfiltrat der Donau, welches durch die lange Fließzeit im Untergrund etwas härter als Quellwasser ist.

In den 1970er-Jahren wurden im östlichen Wiener Becken, der Mitterndorfer Senke, Grundwasserseen erschlossen. Wegen der Grundwasserverunreinigungen, unter anderem durch die ehemalige Fischer-Deponie, muss dieses Wasser jedoch aufbereitet werden. Die vielen Tests und Verfahren dauerten bis 2004, so dass sie erst seit 2006 Wasser liefern.

In meiner Kindheit hieß es noch: worauf freut sich der Wiener (damals noch nicht gegendert), wenn er vom Urlaub nach Hause kommt: auf Hochquellwasser und Ankerbrot.

 

Unser Wiener Wasser

Türkei gegen die Niederlande: das ist Brutalität

Nützt der Streit zwischen der Türkei und den Niederlanden nur den jeweiligen Wahlkämpfern? Sowohl niederländische als auch türkische Politiker befinden sich derzeit im Wahlkampfmodus: In den Niederlanden finden am 15. März 2017 Parlamentswahlen statt, in der Türkei wird am 16. April über eine neue Verfassung abgestimmt, die sich Erdogan maßschneidern ließ.

Vielleicht vorerst ein paar Fakten:

Die Geschichte des Islam in den Niederlanden beginnt im frühen 17. Jahrhundert, als die Vereinigten Niederlande einen Freihandelsvertrag mit Marokko unterschrieben – den ersten offiziellen Vertrag zwischen einem europäischen Land und einer nichtchristlichen Nation. Im 19. Jahrhundert erlebten die Niederlande eine sporadische muslimische Einwanderung aus Niederländisch-Indien, als diese südostasiatische Region eine niederländische Kolonie war. Das Wirtschaftswachstum zwischen 1960 und 1973 veranlasste schließlich die niederländische Regierung dazu, eine große Zahl von Arbeitsemigranten anzuwerben, hauptsächlich aus der Türkei und Marokko, und die Migration setzte sich auch danach in Form von Familienzusammenführungen und Asylanträgen von Menschen aus instabilen muslimischen Ländern fort.

Laut dem niederländischen Amt für Statistik sind 5% der Einwohner des Landes Muslime (24. Oktober 2007). Im Jahr 2006 bekannten sich 850.000 niederländische Staatsbürger zum Islam. Davon waren 38 % türkischer, 31 % marokkanischer, 24 % asiatisch-afrikanischer und 4   europäischer (ohne Niederlande) Herkunft; 1 % waren einheimische Niederländer. Unter den niederländischen Muslimen waren 40.000 Pakistaner, 34.000 Surinamesen, 31.000 Afghanen und 27.000 Iraker. 53.000 der niederländischen Muslime bezeichnen sich als streng orthodox, davon waren 24.000 marokkanisch- und 12.000 türkischstämmig. Die Zahl der Zwölferschiiten, die einen niederländischen Pass besitzen, betrug am 1. Januar 2005 108.728, darunter Iraker, Afghanen und Iraner. Bis zum Jahr 2007 sind rund 12.000 autochthone Niederländer zum Islam konvertiert.

In den Niederlanden existieren mehr als 430 registrierte Moscheen, darunter über 220 türkische, 140 marokkanische und 50 surinamesische. Es existieren islamische Buchhandlungen und Verlage sowie muslimische Frauen- und Jugendorganisationen. Im Rahmen des in den Niederlanden geltenden Rechts der Bildungsfreiheit gibt es etwa 45 islamische Grundschulen sowie zwei Hochschulen dieser Art. Seit Ende der 2000er Jahre existiert außerdem ein islamischer Rundfunksender.

Politisch fühlen sich ungefähr zwei Drittel der Türken und Marokkaner „vorwiegend mit Angehörigen der eigenen ethnischen Gruppe verbunden“, die Wahlbeteiligung sowie generell politische Mitwirkung unter ihnen ist verhältnismäßig gering. Statistiken zeigen, dass niederländische Türken hierbei überwiegend (90 %) türkischstämmige Politiker wählen; bei den Marokkanern wählen nur halb so viel Politiker mit dem eigenen ethnischen Hintergrund. Der marokkanischstämmige Aboutaleb ist seit 2008 Bürgermeister von Rotterdam, die Stadt ist somit die erste westeuropäische Großstadt mit einem muslimischen Bürgermeister.

In den Niederlanden leben mehrere Hunderttausend türkische Wahlberechtigte. Ist es „ein Zeichen von Stärke für die niederländische  Demokratie, wenn man den türkischen Wahlberechtigten die Freiheit nimmt, an Wahlkampfveranstaltungen zu einem sehr wichtigen Thema teilzunehmen, sich zu informieren und zu debattieren? Man kann das als „Virtue Signalling“ von „Intersektionalisten“ bezeichnen, es ist  kein durchdachtes politisches Verhalten, sondern vielmehr ein Ritual, mit dem sich „Neopuritaner“ eine vermeintlich eigene Überlegenheit einreden. Deshalb suchen sie auch keine Diskussionen und Argumente. Man kann natürlich auch sagen, dass das Verbieten einen Schutz der Bevölkerung vor Ausschreitungen darstellt.

In den Niederlanden gibt es vielfach kritische Positionen zum Islam, bis hin zu einer offenen Islamfeindlichkeit; zu den bekanntesten Islamkritikern und -gegnern zählt Geert Wilders (PVV). Er wurde somit zu einer zentralen Figur in der Debatte um die Rolle des Islam in der westlichen Welt. Wilders verlangt vorrangig einen Einwanderungsstopp für Menschen aus muslimischen Ländern; weitere Forderungen seinerseits waren eine Steuer auf Kopftücher, die Schließung der muslimischen Schulen in den Niederlanden sowie ein Verbot des Koran, aber auch die Schließung der Grenzen – erstmalig, seit Jahrzehnten. Im Jahr 2006 rief der damalige Justizminister Piet Hein Donner eine Protestwelle hervor, als er vorschlug die Scharia, also das islamische Gesetz, in verfassungsgemäßer Weise in den Niederlanden zu akzeptieren. Dies  wurde von Parteien jeglichen politischen Spektrums grundsätzlich abgelehnt, ebenso wie von einem muslimischen Führer.

In den Niederlanden sind die Menschen schon immer etwas „toleranter“ gewesen als anderswo – somit ist es auch naheliegend, dass dort Muslim-Parteien mit rein an Islam/Türkei/ ausgerichteten Themenschwerpunkten bestehen. Zwei ehemalige Sozialdemokraten namens Kuzu und Öztürk haben bereits 2014 eine Islam-Partei gegründet, in der Kritik ist Erdogan grundsätzlich tabu, der Genozid an den Armeniern nicht existent.– Wer der Parteilinie widerspricht, wird kurzerhand diszipliniert. Abweichler der unterwürfigen Erdogan-Haltung werden als Abtrünnige bezeichnet, ihr Bild und Anschrift im Internet veröffentlicht. PVV-Chef Geert Wilders stellt andererseits für die Exil-Türken den „Hitler unserer Zeit“ dar.

Muslime haben in den Niederlanden einen schweren Stand. Sie sind bei der Mehrheitsbevölkerung unbeliebt, unwillkommen und doch sind sie überall. Die autochthonen Niederländer fürchten, ihre holländische Identität und ihre holländische Gesellschaft zu verlieren. Die Nachbartschaften ändern sich, Immigranten siedeln sich an. Und man darf nichts dagegen sagen, denn dann wird man gleich ein Rassist genannt. Damit fühlen sich viele hilflos, und weil sie sich hilflos fühlen, werden sie wütend. Und diese Wut und dieser Hass finden sich nicht nur bei den Armen, bei den Bildungsfernen, in Vierteln, wo die Arbeiterklasse wohnt. Familien mit marokkanischem oder türkischem Hintergrund beginnen ehemals rein niederländische Siedlungen zu durchwandern. Denn es ist ein Teil des sozialen Programms, 30 % der neu errichteten Wohnungen an Menschen mit niedrigem Einkommen, an Behinderte und Alte zu vergeben. Damit kommen Frauen mit Kopftüchern und Männern mit Bärten in ehemals „gute Gegenden“. Verbrechen, Lärm und Abfall verunzieren urbane Idylle. Man wirft diesen Menschen vor, sich nicht integrieren zu wollen. Man schließt das aus dem Kopftuchtragen und dem Beten in der kleinen, bescheidenen Moschee, die in diesem Umfeld gebaut wurde.

Noch dazu meinen die „wahren Niederländer“ wahrnehmen zu können, dass Flüchtlinge alles gratis erhalten. Und auch das macht diese hart arbeitenden Menschen wütend. Sie fürchten,  dass es zum Bürgerkrieg kommen werde, zwischen den Menschen, die nicht „hierher“ gehören und den wahren Niederländern.

Populistische Politiker nützen diese Stimmung aus, hetzen Menschen gegeneinander auf – zum Stimmenfang. Damit steigert sich der Extremismus. Wohin wird das führen? Bei den Wahlen in den Niederlanden geht es nicht nur um die Muslime, die Türken etc. Wilders will z.B. auch einen Austritt aus der EU. Erdogan stellt einen Monat später die Verfassungsfrage an seine Landsleute.

Was in den Niederlanden geschieht, geht uns alle an.

Türkei gegen die Niederlande: das ist Brutalität

Juliane, eine Pionierin und ihre Erdäpfelpuffer

Meine Generation hatte nicht das Glück, 2 vollständige Großelternpaare zu haben, wie das heute für viele Kinder und Halbwüchsige selbstverständlich ist. Sowohl mein Großvater väterlicherseits als auch meine Großmutter mütterlicherseits waren schon tot, als ich auf die Welt kam. Meinen Großvater mütterlicherseits kannte ich noch, habe aber keine „besondere Beziehung“ zu ihm gehabt, weiß daher auch nicht so viel zu ihm – außer, dass er Virginia rauchte und gerne ein Glaserl Wein schon am Vormittag trank und Semmelknödel zu jeder Mahlzeit für ihn erforderlich waren. Er starb, als ich 7 Jahre alt war.

Um meine Großmama väterlicherseits soll es heute gehen. Leider ist auch sie sehr früh gestorben, als ich gerade 11 Jahre alt war, dennoch habe ich eine sehr lebhafte Erinnerung an sie.

Sie wurde 1882 geboren, Österreich war noch eine Monarchie, Kaiser Franz Joseph I. regierte schon seit 1848, aber er entgeht bei einem Besuch von Triest 1882 einem Bombenattentat. Zwei Zuschauer sterben. Richard Wagners Parzifal hat seine Uraufführung, am Theater an der Wien in Wien findet die Uraufführung der Operette Der Bettelstudent von Karl Millöcker statt. Dieses Stück wird zu einer der beliebtesten deutschsprachigen Operetten. Auf dem mittleren Turm des Wiener Rathauses wird der Rathausmann aufgesetzt, eine 1,8 Tonnen schwere Ritterfigur.

Über die Kindheit meiner Großmama -Juliane Sageder – weiß ich eigentlich nichts. Sie heiratete sehr früh, mit 18 Jahren, einen Wiener Fuhrunternehmer, der in Klosterneuburg seinen Fuhrpark stehen hatte. Seine Vorfahren stammten aus Südtirol, aus einem Ort namens Tschengls-Hinterburg im Vintschgau. Wie das damals so üblich war, bekam meine Großmama umgehend 5 Kinder, drei Söhne, Franz, Hans und Alois (meinen Vater) und zwei später recht kapriziöse Töchter, Gerti und Maria, die beide von einem (reichen) Märchenprinzen träumten. Dieser Traum realisiert sich für keine der beiden.

Meiner Großmama gefiel ihr Leben eigentlich nicht, da das Geld in diesem Haushalt immer sehr knapp war. Kurz entschlossen verließ sie ihren Mann – das muss so um 1910 gewesen sein. Die Töchter kamen zur Großmutter (Christine) nach Schärding, wo sie bei den „Englischen Fräulein“ erzogen wurden. Die Congregatio Jesu (CJ) ist ein Frauenorden mit dem ursprünglichen Zweck der Mädchenbildung, 1609 gegründet, gemeinhin wurde der Orden jedoch als Englische Fräulein bezeichnet. Ich nehme an, dass es sich um das Kloster in Neuhaus am Inn gehandelt hat. Aus Erzählungen weiß ich nur, dass viel Wert auf gutes und richtige Benehmen  bei der Erziehung durch die „Englischen Fräulein“ gelegt wurde. Meine Tante Maria hat versucht, mir dieses Wissen zu tradieren. Vergeblich!

Worin die Ausbildung meiner beiden Onkel, Franz und Hans, bestand ist mir unbekannt, ich weiß nur, dass mein Vater eine Hotelfachschule besuchte, die er mit Vorzug als Klassenbester abschloss. Meine Großmama musste schließlich arbeiten, um die Familie zu erhalten, ich kann mir nicht vorstellen, dass mein verlassener Großvater Alimente bezahlte. Jedenfalls weiß ich, dass sie als Sitzkassierin im Cafe Central angestellt war. Ob das ihr erster und einziger Job war, weiß ich auch nicht, aber das Cafe Central war sicher einer der kulturell interessantesten Orte in der Monarchie. Dort im Ferstelpalais  verkehrten unter anderem Peter Altenberg,Alfred Adler, Sigmund Freud,Egon Friedell, Hugo von Hofmannsthal Anton Kuh, Adolf Loos, Leo Perutz und Alfred Polgar.  . Ebenso zählten die Schriftsteller Arthur Schnitzler, Franz Kafka, Robert Musil und Stefan Zweig zu häufigen Gästen. Zur Unterhaltung lagen 250 Zeitungen in 22 Sprachen auf. Der Schriftsteller Alfred Polgar schrieb in Die Theorie des Café Central: „Das Central ist nämlich kein Caféhaus wie andere Caféhäuser, sondern eine Weltanschauung […] Seine Bewohner sind größtenteils Leute, deren Menschenfeindlichkeit so heftig ist wie ihr Verlangen nach Menschen, die allein sein wollen, aber dazu Gesellschaft brauchen […] Die Gäste des Central kennen, lieben und gering schätzen einander […] Es gibt Schaffende, denen nur im Central nichts einfällt, überall anderswo weit weniger […].“

Ob damals schon mein Stiefgroßvater Siegfried Hulles in das Leben meiner Großmama getreten war, ob sie ihn vielleicht im Cafe Central kennengelernt hatte, ist mir nicht bekannt. Heiraten konnte sie ihn jedenfalls erst, nachdem mein Großvater in den dreißiger Jahren gestorben war.

Als ich meine Großmama „wahrnahm“, lebten wir beide in der Harmoniegasse, sie auf Nummer 7 (gibt es jetzt nicht mehr – daraus wurde ein Hotel, erst Westminster später Harmonie genannt) und wir – meine Eltern und ich – auf Nummer 3. Ich fand meine Großmama von Anfang an großartig, zwischen meiner Mutter und ihr bestand ein gespanntes Schwiegermutter-Schwiegertochter Verhältnis. Soweit ich das abschätzen konnte, ging es um den Einfluss auf meinen Vater.

Das Leben meiner Großeltern wurde unter der Nazizeit sehr hart. Dennoch gab es immer etwas zu essen für mich bei ihr, ich schätzte besonders ihre Erdäpfelpuffer! Mein Stiefgroßvater war Jude, er musste den Judenstern tragen, er bekam keine Lebensmittelmarken und nur weil mein Onkel Hans und mein Vater für ihn „bürgten“, wurde er nicht deportiert. Meine tapfere Großmama „brachte ihn durch“. Sie erzählte höchst freimütig jeden Hitlerwitz, den sie gehört hatte. Sie war schon immer eine begnadete „Händlerin“ und half sich und anderen jüdischen Familien beim Verkauf oder Tausch ihrer „Antiquitäten“. Meine Großeltern hatten auch Glück, dass kein Bombenangriff auf die Harmoniegasse erfolgt war, da mein Großvater als Jude ja nicht in den Luftschutzkeller gehen durfte. Er durfte auch keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.

Nach dem Krieg war die Versorgungslage nicht viel besser. Meine Großmama wartete auf die Rückkehr ihrer Tochter Maria, die in England interniert gewesen war. Ihre Tochter Gerti lebte bereits im Haushalt ihrer Mutter mit 2 Kindern als Witwe. Im Sommer 1946 fuhr meine Großmama zur Erholung in den Knappenhof bei Reichenau, dort ist sie beim Blumenpflücken tot umgefallen, sie war gerade 64 Jahre alt geworden.

Juliane, eine Pionierin und ihre Erdäpfelpuffer