Es gibt keinen Oscar für ein politisches Lebenswerk.

Diesmal hat es Bürgermeister Häupl erwischt. Michael Häupl (*1949) ist seit dem 7. November 1994 Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien. Während seines Studiums engagierte sich Häupl beim Verband Sozialistischer StudentInnen Österreichs (VSStÖ), dessen Bundesvorsitzender er von 1975 bis 1978 war. Seit 1978 ist er Mitglied des SPÖ-Bezirksparteiausschusses von Wien Ottakring. Von 1983 bis 1988 war er Mitglied des Wiener Gemeinderats und Landtags, anschließend bis 1994 Stadtrat und Landesrat für Umwelt und Sport. 1993 folgte er Hans Mayr als Landesparteivorsitzender der SPÖ und am 7. November 1994 Helmut Zilk als Bürgermeister und Landeshauptmann nach. Häupl verlor die absolute Mehrheit in Wien 1996, 2001 errang aber wieder die absolute Mandatsmehrheit im Gemeinderat, 2005 konnte die SPÖ bei der Landtags- und Gemeinderatswahlen noch einmal zulegen. 2010 verlor die SPÖ abermals die absolute Mehrheit, die neue Stadtregierung wurde von der SPÖ in einer Koalition mit den Wiener Grünen gebildet. 2015 waren nur mehr 39,6 Prozent für die Wiener SPÖ. Die Stadtregierung wurde von SPÖ und den drittplatzierten Wiener Grünen gebildet. Am 5. April 2017 kündigte Häupl an, sich nach der nächsten Nationalratswahl als Bürgermeister und Wiener SPÖ-Landesparteivorsitzender zurückzuziehen. Häupl war 3 Mal verheiratet, seit 2011 ist er mit der aktuellen ärztliche Direktorin der WienerGebietskranklenkasse verheiratet. In seinen jungen Jahren war die heutige amtsführende Stadträtin und frühere Vizebürgermeisterin Renate Brauner seine Lebensgefährtin. Die enge vertrauensbasierte Freundschaft blieb bis heute bestehen.

Häupls große Ziele waren und sind Arbeitsplatzsicherung, Bildung, er ist stolz darauf, dass es in Wien keine Ghettobildung gibt, dass Wien sicher ist, eine hervorragende Infrastruktur hat. Besonders begeistert ihn, dass Wien „Kultur“ hat. Nicht durchgebracht hat er z.B. den Lobautunnel. Durch seine Mindestsicherungspolitik hat er eine große Zahl von Flüchtlingen nach Wien gezogen, ein Faktum, das von vielen Wienern und Wienerinnen gar nicht geschätzt wird.

Beim Landesparteitag April 2017 erreichte der SPÖ-Chef und Wiens Bürgermeister Michael Häupl nur rund 77,4 Prozent bei seiner Wiederwahl als Parteivorsitzender bekommen. Bei seiner letzten Kandidatur 2015 waren es noch 95,8 Prozent gewesen.

Aber Häupl ist nicht er einzige, der „abgestraft“ wurde.  Mir fällt dazu in Österreich Julius Raab ein. Raab war Chef der Bundesregierung, die 1955 den Staatsvertrag und damit den Abzug der Besatzungstruppen erreichte. Raab war Leiter der Regierungsdelegation, die im April 1955 auf Einladung der Sowjetunion in Moskau die abschließenden Verhandlungen führte. Der Staatsvertrag beendete die alliierte Besetzung Österreichs und gab dem Land damit seine volle Souveränität zurück. Einer Krankheit zum Trotz trat Raab aus Pflichtbewusstsein für die ÖVP zur Bundespräsidentenwahl an, bei der er am 28. April 1963 dem Amtsinhaber Adolf Schärf unterlag. Er war sehr enttäuscht.

Auch Josef Klaus verließ entmutigt das Bundeskanzleramt. Seine politische Karriere umfasste Landeshauptmann von Salzburg, Finanzminister und österreichischer Bundeskanzler. Bei der Nationalratswahl 1966 gewann die ÖVP mit 85 Mandaten erstmals seit 1945 wieder die absolute Mehrheit. Die Regierung Klaus begann ambitionierte Reformen, vor allem im Budgetvollzug und in der Kooperation zwischen Wissenschaft, Kunst und Politik. Nach einem von Zeitungen forcierten Rundfunkvolksbegehren gegen den „Proporzfunk“ wurde im Juni 1966 gegen den Willen der SPÖ ein neues Rundfunkgesetz beschlossen und damit der ORF für einige Jahre in die Unabhängigkeit entlassen. Im März 1967 wurde das Südtirol-Paket mit Italien ausverhandelt, im Juni wurden erste Schritte zur Mitgliedschaft in der EWG gesetzt, gegen die die SPÖ auftrat (und die daher erst 28 Jahre später realisiert werden konnte). Letztlich gelang es Klaus jedoch nicht, seine Politik der Sachlichkeit nachhaltig zu etablieren. Der Kanzler erwies sich im neuen Medienzeitalter, in dem TV-Auftritte immer mehr zählten, als zu geradlinig, spröde und wenig eloquent. Seine positiven Seiten waren medial nicht leicht zu vermitteln. Im Wahlkampf 1070 wurde die SPÖ stärkste Partei. Josef Klaus legte auch den ÖVP-Vorsitz zurück, und zog sich enttäuscht vollständig aus der Politik zurück.

Auch Bruno Kreisky, der Klaus abgelöst hatte, und als erfolgreichster Kanzler Österreichs so vielen im Gedächtnis bleibt, wurde am Ende nicht verschont: er konnte mehrere Wahlen bravourös für die SPÖ entscheiden. Kreiskys Regierungszeit gilt als eine „Hochphase sozialer und politischer Zufriedenheit in den siebziger Jahren“ in Österreich. Ihm gelang es eine Transformation von Neutralität in einen Code für Wohlstand, Sicherheit und internationale Reputation im Bewusstsein der Österreicher zu verankern. Pionierleistungen habe Kreisky als internationaler Kommunikator und innenpolitischer Garant für sozialen Ausgleich und stillen österreichischen Patriotismus erbracht. Als Kommunikator ist Kreisky im Vergleich mit den anderen Bundeskanzlern seit 1945 der absolute Superstar gewesen.

Kreisky trat wie seine Partei für den Bau von Kernkraftwerken in Österreich ein; die Atomenergie wurde für die modernste Form der Energieerzeugung gehalten. In der Zivilgesellschaft waren aber Atomkraftgegner sehr erfolgreich. Um diesen den Wind aus den Segeln zu nehmen und in Erwartung der Zustimmung der Mehrheit, entschloss sich Kreisky zu einer Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des vom Parlament beschlossenen und bereits gebauten Kernkraftwerks Zwentendorf. Bei dieser ersten Volksabstimmung in der Geschichte Österreichs stimmten allerdings 50,47 % der Abstimmenden gegen die Inbetriebnahme, womit die Atomenergie für Österreich erledigt war.

Kreisky war stets der Meinung, dass Österreich durch aktive Außenpolitik besser geschützt werden könne als durch das Bundesheer. Der UNO wurde während des 1973–1979 erfolgten Baus der Wiener UNO-City in Aussicht gestellt, der Staat würde neben dem exterritorialen internationalen Amtssitz- und Konferenzzentrum ein allgemein zugängliches österreichisches Konferenzzentrum errichten, das von der UNO für Tagungen, die in der UNO-City keinen Platz fänden, benützt werden könne. Die ÖVP initiierte 1982 das Volksbegehren dagegen, das von 1 361 562 Projektgegnern unterzeichnet wurde. Kreisky ließ das Zentrum dennoch bauen und büßte dadurch an Popularität ein.

Gemeinsam mit dem deutschen Bundeskanzler Willy Brandt und dem schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme, beide wie Kreisky Sozialdemokraten, förderte Kreisky den Nord-Süd-Dialog und setzte sich für eine aktive Friedens- und Entwicklungspolitik ein.

Nach Installierung der Kleinen Koalition zog sich Kreisky aus der Innenpolitik zurück. Als Kanzler wurde er am 24. Mai 1983 abgelöst, im Oktober auch als Parteivorsitzender. Am 28. September 1983 schied er aus dem Nationalrat aus, dem er seit 1956 angehört hatte. Er schien dennoch verbittert.

Das sind nur einige wenige Beispiele- aus Österreich – international gäb’s noch viele. Jedenfalls muss davon ausgegangen werden, dass Dankbarkeit keine politische Dimension ist.

Es gibt keinen Oscar für ein politisches Lebenswerk.

Waffengeschäfte a la Austria

Weltweit steigt die Waffenproduktion an. Die USA und Russland waren in den vergangenen Jahren für mehr als die Hälfte der Waffenexporte weltweit verantwortlich. Deutschland war z.B. der drittgrößte Waffenlieferant der Welt. Deutschland musste nun seinen Rang an China abtreten, aber auch Frankreich, Großbritannien und die Niederlande spielen in dieser Liga. Österreich gehört nicht dazu, obwohl Produkte aus Österreich in der ganzen Welt gefragt waren und teilweise noch sind. Als ausgesprochene Hits galten früher der Jagdpanzer „Kürassier“, das leichte Sturmgewehr 77, die Glock-Pistole und vor allem die Voest-Wunderkanone GHN 45 (Gun Howitzer Noricum).

Kürassiere (von französisch cuirasse für „Lederpanzer“, von cuir „Leder“) sind eine mit Brustpanzern ausgestattete Truppengattung der schweren Kavallerie. Der Kürassier ist auch ein klassischer Jagdpanzer, der auch als leichter Panzer oder Aufklärungspanzer verwendet wird. 1967 stellte die damalige Firma Saurerwerke (später Steyr Daimler Puch) im Werk Wien einen Prototyp her. Österreich bestellte insgesamt 150 Jagdpanzer dieses Typs. Fast 600 Kürassiere wurden an sieben Armeen ausgeliefert – die letzten neu gebauten Fahrzeuge erst im Jahr 2001. Auch bei der Sicherung der Grenze gegen Jugoslawien standen die Kürassierpanzer im Einsatz. 2004 wurden sechs aufgerüstete Kürassiere A2 in den Kosovo verlegt. Sie sollen dem österreichischen Kontingent der KFOR den Rücken stärken und vor den Wahlen in der Krisenreaktion Entschlossenheit demonstrieren. Derzeit werden alle Panzer dieses Typs beim Österreichischen Bundesheer ausgemustert, verkauft und Museen zur Verfügung gestellt.

Aber österreichische Markt reicht nicht aus. Damals – in den siebziger Jahren galt: „Wenn ein neutraler Kleinstaat ja sagt zum Heer, muss er ja sagen zur Rüstungsproduktion. Und wenn er ja sagt zur Rüstungsproduktion, muss er auch ja sagen zum Waffenexport. Der Eigenbedarf ist viel zu klein für die hohen Entwicklungskosten.“

Anfang der 70er Jahre – Bundeskanzler Bruno Kreisky hatte eben die SPÖ-Alleinregierung angetreten – war Schwung in die schwach entwickelte rotweißrote Kriegsindustrie gekommen. Mit Blick auf die ebenfalls neutralen Schweizer und Schweden wollten die Österreicher mitverdienen am weltweiten Rüstungsboom. „Wir haben den Draht zwischen Armee und Technik kurzgeschlossen“, freute sich Verteidigungsminister Karl Lütgendorf (1914 – 1981) damals.

Allmählich waren 185 Firmen entstanden, die vom Rüstungsgewerbe lebten und inzwischen fast 20000 Arbeitskräfte beschäftigten. Branchenriesen waren zwei Unternehmen der öffentlichen Hand: die Voest und die Steyr-Daimler-Puch AG, die mehrheitlich der Staatsbank CA gehört. Die Besitzverhältnisse haben sich zwischenzeitlich verändert. Neben Panzer- und Artilleriemunition erzeugten Österreichs Waffenschmiede Panzerwannen, Panzertürme, Granatwerfer, Patrouillenboote und Militärfahrzeuge.

Aber Österreich war ein Spätankömmling im Waffengeschäft. Daher blieb die „seriöse“ Kundschaft anderen Ländern vorbehalten, und die Österreichern mussten weitgehend mit Diktaturen als Abnehmer vorlieb nehmen. Des Öfteren wurden auch Vermittler eingesetzt. Schon 1977 kam es zum ersten Eklat. Als Lütgendorf die Lieferung von „Sportgewehren“ und Munition an Syrien zugab, galten Rüstungsverkäufe in den krisengeschüttelten Nahen Osten als glatter Neutralitätsbruch. Man trat von dem Geschäft zurück und der Bundeskanzler Kreisky verschärfte daraufhin das Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial drastisch. Jeder Waffenexport bedarf seitdem der ausdrücklichen Zustimmung des Bundeskanzlers sowie des Verteidigungs-, des Außen- und des Innenministers. In den Erläuterungen zum einschlägigen Paragraphen drei heißt es: „Nicht bewilligt werden Exporte in Gebiete, in denen ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht oder sonst wie gefährliche Spannungen bestehen.“ Das moralisch saubere Gesetz erwies sich in der Praxis als unrealistisch. Österreichs Waffenproduzenten arbeiteten z.T. mit falschen Endabnehmerbescheinigungen.

Das Bekanntwerden des geplanten Waffenexports nach Chile hat die Regierung dagegen vor allem in den eigenen Reihen der Kritik ausgesetzt. Kreisky stand einerseits unter dem Druck der heimischen Rüstungsindustrie, die auf den Export angewiesen war, sowie jener Gewerkschaften, die um Arbeitsplätze fürchten. Andererseits besaß Chile- unter Pinochet – für einen großen Teil seiner Partei hohen Symbolwert. Der Sozialist Erwin Lanc, damals Innenminister, verhinderte 1980 den Export von Kürassier-Panzer der staatlichen Steyr-Daimler-Puch-Werke nach Chile, ein Geschäft, dem Kanzler Kreisky, Verteidigungsminister Rösch und Außenminister Pahr bereits zugestimmt hatten. Gegen Panzerlieferungen an Argentiniens Militärjunta hingegen hatte Lanc nichts einzuwenden. 1978 konnte Österreich 108 Kürassier-Panzer an Marokko exportieren. 1980 gingen 52 Kürassier-Panzer in das instabile Bolivien. 1983 lieferte Österreich 200 Staats-Haubitzen via Jordanien an den Irak. Die Geschäfte mit dem Kreisky-Freund Gaddafi florierten, eine von Steyr mit-errichtete Munitionsfabrik im Irak wurde als „Buntmetallwerk“ deklariert; die Voest verhandelte ganz offiziell über den Bau eines Rüstungsbetriebes im Iran.

In den 1970er und 1980er Jahre führten vor allem staatliche Unternehmen zahlreiche Waffenexporte durch, die schließlich 1985-1993 in den sogenannten Noricum-Skandal mündeten. Auslöser waren illegale Waffengeschäfte mit Irak und Iran während des 1. Golfkriegs (1980-1988). Geliefert hatte die Noricum Maschinenhandels GmbH – eine Tochterfirma der VOEST-Alpine, damals das Schwergewicht der Verstaatlichten Industrie. Das Geschäft umfasste insgesamt 353 Noricum-Haubitzen, Munition und Zubehör. Damit verstieß man gegen das Kriegsmaterialexportgesetz. Dieses untersagte den Waffenverkauf an kriegsführende Staaten. Nachdem die Geschäfte Ende der 1980er Jahre öffentlich wurden, stellte sich die Frage nach der Verantwortung. Diese wurde im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses und mehrerer Prozesse gegen Manager und Ex-Politiker geklärt.

Nun, seither ist ein neuer Panzer in Österreich im Einsatz, es ist der Pandur, ein in Österreich entwickelter Radpanzer zum Mannschaftstransport, bzw. der Pandur II, Radschützenpanzer und eine Weiterentwicklung des Pandurs. Auch die Glocks werden weltweit nachgefragt. Verkäufe erfolgen nur noch entsprechend den Gesetzen. Z.B. kauft Tschechien nun Pandur Panzer von Österreich. Dennoch tauchen in Österreich erzeugte Waffen in Kriegsgebieten auf: 1980 waren 50.000. Stück AUG (Armee Universal Gewehr) und 30.000 Maschinenpistolen von Österreich nach Saudi-Arabien exportiert worden. Nun warf die saudische Luftwaffe diese Waffen über dem Gebiet verbündeter Kräfte ab, die im Bürgerkrieg gegen die Huthi-Rebellen und die Truppen des ehemaligen jemenitischen Präsidenten Ali Abdallah Saleh kämpfen. Darüber hinaus wurde kürzlich bekannt, dass zwischen 2006 und 2015 Granaten, Panzerminen und Gewehre aus Österreich an die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) geliefert wurden – auch zwar auch nachdem Truppen der VAE an der Niederschlagung des Aufstands im benachbarten Bahrain (2011) beteiligt waren.

Solange es Waffen gibt, werden Kriege geführt werden.

Waffengeschäfte a la Austria

Der erste Supergau: wie ich in Wien „Tschernobyl“ erlebte

Es war ein Erster Mai. Ein trüber, aber durchaus warmer Tag. Am Vormittag waren wir waren „Erster-Mai-Schauen“ gegangen, also wanderten wir über die Ringstraße, vollgepflastert mit Wahlkampfplakaten für die Bundespräsidentenwahl (Steyrer-Waldheim), bis wir beim Burgtheater angekommen waren und von hier auf die Tribüne sehen konnten.

In Wien regierte seit Mai 1983 eine rot-blaue Koalitionsregierung, die von der SPÖ unter Fred Sinowatz eindeutig dominiert wurde – zu Recht, denn die Stärkeverhältnisse waren eindeutig: 90 Mandate hatten die Sozialisten, nur zwölf die Freiheitlichen. In der SPÖ waren die Wunden noch immer nicht gänzlich vernarbt, die der Bruch zwischen Kreisky und Hannes Androsch 1980 verursacht hatte. Gegen den einstigen „Lieblingssohn“ des alten Kanzlers lief immer noch ein Finanzstrafverfahren, und damals versuchte die ÖVP-Opposition (Bundesparteiobmann war damals Alis Mock), ihm eine falsche Zeugenaussage im AKH-Untersuchungsausschuss nachzuweisen. Androsch war damals  Generaldirektor der „Creditanstalt“. Der Wahlkampf um das Bundespräsidentenamt war in voller Stärke entbrannt. Die Kandidaten waren Kurt Steyrer und Kurt Waldheim.

Die roten Granden winkten von der Tribüne: Fred  Sinowatz, Leopold Gratz, Franz Vranitzky, Kurt Steyrer, Karl Blecha, Franz Kreuzer, Ferdinand Lacina, Heinz Fischer, sowie  Vertreter der Gewerkschaft,  Nationalratsabgeordnete, Landtagsabgeordnete von Wien etc.

Nachdem wir die vorbeiziehenden Vertreter der Bezirke und Berufsgruppen z.T. wahrgenommen haben – manchmal hatte man schon damals das Gefühl, dass es sich mehr um eine Pflichtübung als um ein Volksfest handle, traten wir den Weg nach Hause an, als wir vom Ring über die Teinfaltstraße auf die Freyung kamen, begann es leicht zu regnen. Wir tummelten uns nach Hause zu kommen. Da angekommen hörten wir „Nachrichten“. Es war das erste Mal, dass wir von dem Unglück in der Ukraine erfuhren.

Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl hatte sich aber schon am 26. April 1986 ereignet. Auf der siebenstufigen internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse wurde sie als erstes Ereignis der Kategorie katastrophaler Unfall   eingeordnet. Vor 31 Jahren explodierte der Reaktor 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl  nahe der ukrainischen Stadt Prypjat, genannt Lenin-Kernkraftwerk, in vollem Betrieb. Der kaum für möglich gehaltene Super-GAU war eingetreten. Tagelang wusste die Außenwelt nicht, was am 26. April 1986 in der Ukraine, an der Grenze zu Belarus (Weißrussland) passiert war, während Radioaktivität unkontrolliert austrat. Eine radioaktive Wolke verteilte sich über Europa. Mit dem Regen kam der Fallout. Die Region ist bis heute unbewohnbar, Mensch und Natur kämpfen mit den Spätfolgen. Bis heute ist die Strahlung messbar.

Aber uns sagte diese Meldung eigentlich nichts, wir hatten keine Ahnung, welche Konsequenzen ein derartiger Reaktorunfall haben würde – und gingen anfangs zur Tagesordnung über. „Gau“ (größte anzunehmende Unfall) war uns kein Begriff im Zusammenhang mit einem Kernkraftwerk, für uns Ältere stand Gau noch immer für ein Wort, das im Dritten Reich für Bundesland verwendet wurde. Und wir wurden damals nicht gleich aufgeklärt. Aber die Wolke hatte Österreich schon am 29. April 1986 erreicht. Ein Tief über dem ukrainischen Tschernobyl und Wind, der aus dem Südosten kam, hatte sie zuerst über Weißrussland und Polen nach Schweden getragen, bis der Wind drehte und sie nach Wien und Österreichs Osten beförderte. Am 29. April wurde um 13.30 Uhr am Wiener Atominstitut eine erhöhte Strahlenbelastung gemessen. Der Wind trug die Wolke weiter Richtung Westen. Das Wetter verschlechterte sich, mit Regen war zu rechnen. Wenig später brachen die Wolken und Regen ergoss sich in der Nacht auf den 1. Mai besonders heftig auf Teile Oberösterreichs und Salzburgs. Der starke Niederschlag wusch die mit der Wolke transportierten radioaktiven Substanzen wie Jod-131, Ruthenium-106, Strontium-90, vor allem aber Cäsium-137 aus der Luft in die Erde. Während Jod eine Halbwertszeit von acht Tagen hat, liegt sie bei Cäsium-137 bei 30 Jahren, heute ist also erst die Hälfte der radioaktiven Substanzen verschwunden. Es ist immer wieder eine Belastung über dem Grenzwert bei Wildpilzen (besonders Maronenröhrlingen, aber auch Eierschwammerln) und in Wild in belasteten Gebieten nachweisbar. So wurden  in einer Studie 2016 die Tschernobyl-Auswirkungen auf große Waldgebiete untersucht. Bei 15 von 16 beispielsweise Wildschweinproben wurde der Grenzwert überschritten, zum Teil um das Siebenfache.

Moskau (damals bestand noch die Sowjetunion, und die Ukraine war ein Teil davon) hatte den Unfall zuerst abgestritten, erst als in einem schwedischen Atomkraftwerk erhöhte Strahlenwerte gemessen wurden, war der Westen alarmiert. Am 30. April fand im Gesundheitsministerium, damals unter Führung von Franz Kreuzer, (1929 – 2015, Journalist und Politiker) die erste Expertensitzung statt. Der Tenor in den Medien: Unfall in Tschernobyl, aber kein Problem für Österreich. Doch die radioaktiven Substanzen hatten das Land längst erreicht. Als der Regen fiel, wussten viele Bewohner noch nicht, was in der Luft lag.

Was es wirklich bedeutete, wurde uns erst nach und nach mitgeteilt .Besonders betroffen hat uns damals die Aussage, dass Kinder nicht im Freien spielen sollten – und das im Frühling. Wir hatten damals eine kleine Enkeltochter, sie war nun ans Haus gefesselt. Kleinen Kindern konnte man das auch nicht erklären!

Alle Kernkraftgegner, die 1978 gegen Zwentendorf gestimmt hatten, sahen sich nun voll bestätigt. Der nie in Betrieb gegangene Reaktor im AKW Zwentendorf ist übrigens baugleich mit den Siedewasserreaktoren in Fukushima – allerdings gibt es in Österreich keinen Tsunami!

Der erste Supergau: wie ich in Wien „Tschernobyl“ erlebte

Erdogans Türkei – wir müssen miteinander auskommen lernen, aber in Grenzen

Erdogan hat schon wieder 1000 Personen verhaften lassen. Die neueste Verhaftungswelle in der Türkei richtet sich gegen vermeintliche Gülenisten im Polizeiapparat. Es wird auch immer deutlicher, dass „Gülenisten“ vor allem im türkischen Justizwesen tatsächlich stark vertreten waren. Die Bewegung, anfangs gefördert von Erdogans Regierungspartei AKP, hatte „ihre“ Staatsanwälte und Richter, die bis vor einigen Jahren für die Verhaftung von kritischen Geistern sorgten. Gülen ergebene Polizeichefs sorgten für die Vollstreckung der oft auf absurden Anschuldigungen beruhenden Haftbefehle.

Erdogan „sieht“ noch immer ausländische Verschwörungen gegen ihn, er feuert seine Anhänger – wie während des Wahlkampfes an – indem er sie vor Staatsstreichen warnt. Das Land ist tief gespalten, Polarisierung wird weiterhin geschürt. Nach dem gescheiterten Putschversuch gegen seine Regierung im vorigen Jahr kam es zu einer erstaunlichen „Säuberung“ sowohl der staatlichen Institutionen als auch der Zivilgesellschaft. Viele wurden verhaftet, verloren ihre (staatlichen) Jobs, darunter viele, die wahrscheinlich wenig oder gar nichts mit den Planern des Putsches gemein hatten.

Erdogan hat kürzlich ein Referendum knapp gewonnen, damit kann das parlamentarische System durch eine mächtige autoritäre Regierung ersetzt werden. So hat nun der Präsident Befugnisse, die kaum kontrolliert werden können. Als die Europäer anfingen Fragen dazu zu stellen, fuhr sie Erdogan an, sie sollten ihren „Platz“ kennen. Während dieses Wahlkampfes hatte sich Erdogan mit einigen westeuropäischen  Staatsführern angelegt, er verwendete Begriffe wie Kreuzzügler und Nazi. Sein Ziel scheint es zu sein, eine nationalistische Basis gegen „Feinde“, seien sie nun eingebildet oder real, außerhalb des eigenen Landes zu mobilisieren.

Wird sich Erdogans Referendum noch als Pyrrhus Sieg herausstellen?  Die Mehrheit war dünn, die Wahl nicht ganz sauber abgelaufen, das ist sicher nicht das Mandat, das sich Erdogan erhofft hat. Die Türkei hat jetzt schon erhebliche Sicherheits- und wirtschaftliche Probleme, besonders der Einbruch beim Tourismus könnte dem Präsidenten noch zu schaffen machen. All das könnte der stark zersplitterten Opposition die Möglichkeit geben eine neue Einheit zu finden – noch vor den 2019er Wahlen. Erdogan, der an der Macht bleiben will, stehen wahrscheinlich viele schlaflose Nächte bevor.

Erdogan ist auch dabei sich weitere Feinde zu machen. Er hat seine gesamte Militärmacht in Syrien vom IS abgewandt undbekämpft nun die kurdische Peschmerga. Die Türkei werde nicht zulassen, dass die Sinjar-Region zu einem Stützpunkt für Extremisten der PKK werde. Die Militäraktionen würden so lange fortgesetzt, „bis der letzte Terrorist vernichtet ist“. Der türkischen Armee zufolge wolle man verhindern, dass die PKK Waffen und Sprengstoff für Anschläge in der Türkei über die Grenze schicke. Iraks Parlamentssprecher Aram Sheikh Mohammed verurteilte die Luftangriffe und forderte, den türkischen Botschafter ins Außenministerium zu bestellen. Die Türkei hatte im August 2016 militärisch in den Syrien-Konflikt eingegriffen, um die Dschihadisten-Miliz „Islamischer Staat“ zu bekämpfen und die YPG in Schach zu halten. Ankara stuft die YPG als „Terrororganisation“ ein, weil sie als syrischer Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gelten. Die türkischen Streitkräfte griffen in Syrien sowohl IS-Stellungen an als auch Stellungen der YPG (kurdische „Volksverteidigungseinheiten) und die von den USA unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) an, die von den YPG dominiert werden. Erdogan erklärte, Ankara habe seine Partner, die USA, Russland und auch die kurdische Regionalregierung in Erbil, vor den Angriffen informiert. Aus dem US-Außenministerium hieß es am Dienstag, man sei angesichts der türkischen Luftangriffe „sehr besorgt“. Diese seien von der von den USA geführten Anti-IS-Koalition nicht bewilligt gewesen. Zudem seien  auch kurdischen Peschmerga-Kämpfer, die effektiven Verbündeten der USA, getötet worden.

Und dann besteht noch die offene Frage, ob nun Erdogan selbst die EU-Beitrittsgespräche abbricht, oder ob die EU das tut. In der EUmehren sich die Stimmen, die ein Ende der Gespräche fordern. Erdogan steht wegen des von ihm gewonnenen Verfassungsreferendums, das ihm mehr Macht einräumen soll, in der Kritik. Die Türkei hinwieder könnte nach den Worten von Präsident Erdogan ihre Position zu einem EU-Beitritt revidieren, wenn das Land weiter hingehalten werde. Er sei bereit, ein Referendum zur EU abzuhalten, sagte Erdogan am Dienstag in einem Interview. „Warum sollen wir noch länger warten? Wir sprechen bereits seit rund 54 Jahren. Was die Verhandlungen mit der EU über einen Beitritt der Türkei angehe, sei seine Geduld am Ende, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.. Er sei bereit, ein Referendum zur EU abzuhalten. Die EU sei ohnehin am Rande der Auflösung, sagte er mit Blick auf Frankreich, wo die EU-Gegnerin Marine Le Pen  vom rechtsextremen Front National am Sonntag den Einzug in die Präsidentenstichwahl schaffte. Die EU habe nicht begriffen, dass sie die Türkei brauche, um ihr Fortbestehen zu sichern. „Sie finden es sehr schwierig, ein muslimisches Land wie die Türkei aufzunehmen.“ Was dann aus dem Flüchtlingsabkommen wird, ist offen.

Erdogan kritisierte die Entscheidung des Europarats, ein formales Verfahren gegen die Regierung in Ankara wegen des umstrittenen Verfassungsreferendums und des Vorgehens gegen Oppositionelle einzuleiten. Der Schritt sei politisch motiviert, sagte der Präsident. Der Europarat hatte dafür gestimmt, die Türkei unter Beobachtung zu stellen. Die Institution überwacht die Einhaltung von Menschenrechten und ist keine Institution der Europäischen Union. Dem Europarat gehören insgesamt 47 Staaten an, darunter die Türkei und Russland. Auch diese Entscheidung könnte Einfluss auf die Beitrittsverhandlungen  zwischen der EU und der Türkei haben.

Jetzt unabhängig davon, wer zuerst „AUS“ sagt: es muss – und das ist die Aufgabe beider Seiten – ein friedlicher Modus vivendi zwischen der EU und der Türkei gefunden werden. Ähnlich wie bei en Brexit Verhandlungen sind vorerst die Menschen zu bedenken, die in der EU bzw. der Türkei als Ausland leben. Es gibt Handel und Austausch zwischen den Ländern, es gab einen florierenden Tourismus. All das sollte weiterhin reibungslos und vielleicht sogar besser ablaufen können.

Nur leider schaut es gar nicht so aus!

 

 

 

Erdogans Türkei – wir müssen miteinander auskommen lernen, aber in Grenzen

Guernica – vor 80 Jahren der erste Bombenangriff auf dicht bewohntes Gebiet

Der Luftangriff auf Guernica am 26. April 1937  durch deutsche Kampfflugzeuge der Legion Condor  war eine militärische Operation während des Spanischen Bürgerkrieges im Baskenland. Die Legion Condor war für den Hauptteil des Bombardements verantwortlich, das italienische Corpo Truppe Volontarie war an der Operation beteiligt. Zwischen 1936 und 1939 tobte in Spanien ein Bürgerkrieg zwischen den Truppen der demokratisch gewählten Regierung der Zweien spanischen Republik und den nationalistischen Putschisten unter General Francisco Franco. Beide Seiten erhielten Unterstützung durch ausländische Truppenverbände und Waffenlieferungen. So versorgte die stalinistische Sowjetunion die Republikaner, während das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien die Seite der Nationalisten unterstützten.

Guernica, eine Kleinstadt mit damals 5000 bis 6000 Einwohnern im Baskenland an der Nordküste Spaniens am Golf von Biscaya gelegen, befand sich zu dieser Zeit in einem schmalen, von den Republikanern kontrollierten Streifen, der jedoch durch die von General Francisco Franco angeführten Vorstöße schon im Juli des Jahres 1936 von den anderen republikanischen Gebieten abgetrennt worden war. Es war kurz vor 16.30 Uhr des 26. April 1937, als die Glocken in der nordspanischen Stadt Guernica zu läuten begannen. Das war während des seit 1936 tobenden Bürgerkrieges in Spanien schon öfter geschehen, ohne dass etwas passiert wäre. Kurz darauf erschien jedoch ein einzelnes Bombenflugzeug am Himmel und warf einige Bomben ab. Sie detonierten im Stadtzentrum, nach dem Bomber kamen Tiefflieger, wieder Bomber, schwere Bomber und schließlich Jagdflieger.

Ziel des deutschen Angriffs auf Guernica war die Zerstörung einer 25 Meter langen und 10 Meter breiten Steinbrücke über den Fluss Oca, die das Zentrum mit dem östlichen Stadtteil Rentería verband. Dadurch sollte die Infrastruktur zerstört und den Truppen Francos ein leichteres Erobern der Stadt ermöglicht werden. Am Morgen des 26.April 1937, einem Montag, meldete die Besatzung der Versuchsbomberstaffel fälschlicherweise größere Truppenansammlungen am Rande Guernicas, es handelte es sich um Zivilisten auf dem Weg zum Markt. Der Stabschef der Legion Condor, Wolfram von Richthofen, sah hierin eine taktische Gelegenheit, die vermeintlichen „Reserven“ des Gegners –zu isolieren und zu vernichten. Die Kommunikation zwischen von Richthofens Kommandoposten und dem Hauptquartier der Nationalen in Burgos soll nicht einwandfrei funktioniert haben und so kam es zum direkten Angriff auf Guernica.

Es war Markttag in der baskischen Stadt, da finden sich Hunderte der Bürger der Stadt auf dem Hauptplatz ein. Niemand konnte sich vorstellen, was dann geschah. Durch die Bomben und das anschließende Großfeuer wurden etwa 80 Prozent aller Gebäude zerstört, unter anderem der Bahnhof und eine Olivenfabrik, deren Brand dichte Rauchwolken zur Folge hatte und die Zielgenauigkeit der späteren Angriffswellen beeinträchtigte. Die Rentería-Brücke allerdings war nicht von einer einzigen Bombe getroffen worden. Sie blieb genauso unbeschädigt wie eine kleinere Waffenfabrik und auch beide Krankenhäuser. Bei Guernica handelt es sich um den ersten absichtlichen Angriff aus der Luft, Jahre vor Coventry, Dresden, Hiroshima oder Aleppo. Guernica war kein militärisch besonders wertvolles Ziel, es war ein baskisches kulturelles Zentrum und beherbergte den „Heiligen Baum“, ein Symbol der Freiheit der baskischen Menschen. Sollte mit diesem Angriff die Zivilbevölkerung demoralisiert oder die Wiege der Basken zerstört werden? Später stellte es sich heraus, dass Guernica „nur“ ein Test der nationalsozialistischen Kriegsmaschinerie war? Oder war es, wie ein Historiker später behauptete, ein verspätetes Geburtstagsgeschenk von Hermann Göring an Adolf Hitler, das an den Feuerzauber, der an die Wagnerschen Opern erinner sollte?

Ursprünglich ging man von 1 600 Toten aus, später allerdings musste diese Zahl erheblich nach unten revidiert werden. Zwischen 200 und 300 Menschen verloren im Bombenhagel auf Guernica ihr Leben. Sowohl Francos Nationalisten wie auch die Deutschen leugneten anfänglich ihre Schuld bei diesem Angriff, sie versuchten es den auf dem Rückzug befindlichen Republikanern in die Schuhe zu schieben.

1996, zum 60. Jahrestag seiner Zerstörung, verlas der damalige deutsche Botschafter in Guernica eine Botschaft von Bundespräsident Roman Herzog, in der dieser sich zur deutschen Verantwortung für das Kriegsverbrechen bekannte und die Überlebenden um Versöhnung bat.

Dass Guernica heute nicht vergessen ist, ist Pablo Picasso zu danken. „Guernica“ gehört zu den bekanntesten Gemälden Pablo Piccassos, die wohl bedeutendste Ikone der Kriegsanklage. Es entstand 1937 als Reaktion auf die Zerstörung der spanischen Stadt Guernica. Heute befindet es sich nach langer Wanderschaft zusammen mit einer umfangreichen Sammlung von Skizzen im Museo Reina Sofia in Madrid.

Eine Kopie des Bildes hängt seit 1985 im Vorraum zum Sitzungssaal des UN-Sicherheitsrats im Hauptgebäude der UNO in New York City. Es wurde am 4. Februar 2003 auf Wunsch der US-Regierung mit der blauen Fahne des Sicherheitsrates verhängt. Anlass dazu war eine am Folgetag angesetzte Präsentation Colin Powells, damals Außenminister der USA, die Bestrebungen des Irak  unter Saddam Hussein nach Massenvernichtungsmitteln beweisen sollte. Damit sollte die Zustimmung des Sicherheitsrats und der Weltöffentlichkeit zum Irakkrieg erreicht werden. Diplomaten erklärten auf Nachfragen von US-Medien, die Verhängung des Bildes sei mit Rücksicht auf die öffentliche Übertragung der Sicherheitsratssitzung erfolgt.

Heute geht man davon aus, dass die Nutzung von Brandbomben und Waffen, wie Bunkerbrechende Bomben oder Streubomben in dicht bewohnten Gebieten ein Kriegsverbrechen darstellen. Und was ist mit der „Mutter der Bomben“ in Afghanistan? Im Grunde wiederholt sich derzeit die Situation in Spanien 1937!

Anlässlich einer Reise nach Bilbao besichtigten wir auch Guernica. Wenn man heute in die Stadt kommt, merkt man kaum etwas von den Zerstörungen aus dem Jahr 1937. Es gibt allerdings ein Museum, das die Schrecken dieses 26. Aprils sichtbar und fühlbar macht. Wir sahen auch den „Heiligen Baum“, unter dem sich die Basken versammelten, um über die Geschicke der Region zu entscheiden. In einem Friedenspark finden sich eindrucksvolle Kolossalskulpturen von Eduardo Chillida und Henry Moore.

Leider wurden die Lehren aus der Bombardierung von Guernica nicht gelernt. Immer mehr Waffen werden produziert und  eingesetzt!

Guernica – vor 80 Jahren der erste Bombenangriff auf dicht bewohntes Gebiet

Christas Unverständnis-Greislerei: ich verstehe die Welt nicht mehr!

Doppelstaatsbürgerschaft

Es gibt also Listen von Türkischen Staatsbürgern, die illegale Doppelstaatsbürgerschaften aufdecken könnten, die über nicht bekannt gegebene Wege z. B. an den Abgeordneten Peter Pilz gelangt sind. Pilz will die diese Listen den Ländern nur dann übermitteln, wenn das Innenministerium die Koordinierung übernimmt und Vorkehrungen getroffen werden, dass jene, die ohne ihr Wissen Doppelstaatsbürger waren, keine Nachteile zu erwarten haben. Zuständig für die Bearbeitung sind die Behörden in den Bundesländern. Ich verstehe einerseits, dass Peter Pilz jene schützen will, die zu Unrecht auf diesen Listen aufscheinen (dazu haben sich ja schon einige Österreicher mit türkischen Wurzeln, aber nicht mit türkischem Pass gerührt) aber andererseits: ich verstehe gar nicht, dass Peter Pilz diese Listen als sein Eigentum betrachtet, mit dem er – nach seinem Dafürhalten – verfügen kann?

Armin Wolfs Interview-Technik

“Es ist unzumutbar für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn das TV-Studio wie ein Verhörraum oder eine Anklagebank wirkt.“ Politiker müssten sich kritische Fragen gefallen lassen, es komme dabei aber „immer auf Ton und Stil der Fragestellung an“. Das wird von Zuständigen des ORF selbst ausgesagt. Nun wir sind Konsumenten von Fernseh- und Radiosendungen. Ich habe auch manchmal, besonders im Radio, das Gefühl, dass manche Politiker „vor ein Tribunal gestellt werden“, besonders, wenn dann manche ModeratorInnen versuchen, die Meinung des Interviewten als falsch und ihre eigenen als einzig richtige darzustellen. Mich interessiert beim Zuhören die Meinung des Befragten und nicht die der ModeratorIn. Das trifft aus meiner Sicht allerdings nicht auf Armin Wolf zu.

Konsequenzen Heumarktprojekt

Noch eine mögliche Konsequenz aufgrund der Turbulenzen des Heumarktprojektes: ich kann mir nicht vorstellen, dass sich noch viele Investoren um Projekte in Wien bemühen werden, wenn sie dieses Schauspiel betrachten. Dabei würde aber Wien dringend Investoren benötigen, da ja Wohnraum  in großem Umfang gebraucht wird.

Alles dauert lang, wird modifiziert und wird dazu noch teurer:  Haus der Geschichte

In Wien scheint vorerst „alles Neue“ bekämpft zu werden. Diese Standpunkte werden  mit sehr viel Emotion vertreten. Das wäre ja zulässig und richtig, aber wollen wir wirklich nur rückwärtsgewandt leben? Wenn es nicht der Heumarkt ist, dann ist es z.B. ein geplantes Gebäude, dass die Sicht aus der Josefstädter Straße auf den Stephansdom behindert.

Ich erinnere nur an die endlose Geschichte des „Hauses der Geschichte“. Da dieses schon lange notwendige Museum eine Verlegung der Sammlung Alter Musikinstrumente nach sich gezogen hätte, waren die „Verhinderer“, ich erlaube mir hier, sie so zu bezeichnen, wieder einmal aufgebracht. Die Vertreter des HGÖ „re-dimensionierten“ ihr Projekt. Das Haus der Geschichte hat selbst schon eine lange Geschichte: Während anderswo, etwa in Deutschland (1994) mit seiner im Vergleich zu Österreich ebenso komplexen Zeitgeschichte, und auf europäischer Ebene in Brüssel (2016) Zentren für die Darstellung und Erforschung der jeweiligen Zeitgeschichte(n) gebaut werden, dauerte es in Österreich bis zur Verwirklichung eines österreichischen Hauses der Geschichte deutlich länger. Die Errichtung des HGÖ ist in jedem Regierungsprogramm der jeweiligen österreichischen Bundesregierung der letzten 16 Jahre verankert. Es scheint, dass das HGÖ nach langer, langer Verzögerung und in verkleinerter Form doch realisiert werden wird.

Umbau Karlsplatz. „Rettet die Karlskirche“

Das war aber noch nicht das letzte „Opfer der Verhinderer“: derzeit verbeißen sie sich in den Umbau des Karlsplatzes. Lange wurde diskutiert, ob das Wien Museum an einem anderen Standort neu errichtet werden sollte. Das Hauptbahnhof-Areal war  im Gespräch. Die Entscheidung, das Wien Museum am Karlsplatz durch einen Neubau zu erweitern, fiel dann 2013. Das Wien Museum am Karlsplatz wird in den kommenden Jahren saniert und erweitert. Das 1959 eröffnete, von Oswald Haerdtl geplante Gebäude soll zu einem zukunftsweisenden Stadtmuseum ausgebaut werden, mit mehr Platz für Ausstellungen, adäquaten Flächen für Vermittlung und Schulklassen, funktionalen Räumen für Veranstaltungen und ansprechender Kulinarik – ein attraktives Angebot für unterschiedlichste Zielgruppen. Damit untrennbar verbunden ist eine städtebauliche Aufwertung auf der östlichen Seite des Karlsplatzes im Sinne eines „Urban Renewal“.

Das zwischen Wien Museum und Karlskirche gelegene Gebäude der Zürich-Versicherung soll parallel zum Umbau des Wien Museums erhöht werden. Als Reaktion auf den geplanten Dachausbau des Wien Museums beschloss die Zürich-Versicherung, den 1971 errichteten Bau des Architekten Georg Lippert zu sanieren und um zwei Etagen und ein Staffelgeschoß aufzustocken. Dieser Zubau würde regelrecht an der Karlskirche „kleben“, kritisierten die Vertreter der Initiative. Der Abstand betrage nur rund drei Meter, während der Abstand auf der anderen Seite der Karlskirche mehr als das Dreifache betrage. Dadurch erscheine die Karlskirche derzeit optisch frei stehend. Angeführt wird, dass die Karlskirche „das Hauptjuwel sei, nachdem der Platz benannt ist. Solitäre stünden alleine“.

 

Interessant ist, dass eigentlich E-Mail, soziale Medien diese Verhinderungsmaßnahmen erst in dem Umfang möglich machen, wie sie heute praktiziert werden. Und noch interessanter ist, dass sich immer ein Kern derselben Personen hinter all diesen Aktionen stecken. Ihre Motive sollten einmal hinterfragt werden! Die Kosten für Verzögerungen haben jedenfalls die Steuerzahler zu tragen: wir alle!

Christas Unverständnis-Greislerei: ich verstehe die Welt nicht mehr!

der Wiener Heumarkt hat schon vieles erlebt.

Viel ist derzeit in Wien vom „Heumarkt“ die Rede. Aber auf dieses problematische, höchst umstrittene Thema möchte ich hier gar nicht eingehen, sondern auf die Geschichte dieses Ortes und was es sonst noch alles hier gibt.

Der Heumarkt ist eine Durchzugsstraße am Rande der Inneren Stadt. In Urkunden ist diese Gegend schon seit dem 14.  Jahrhundert erwähnt, allerdings unter unterschiedlichen Namen.“ Im Paradeis“(1371), das wäre im Moment nicht ganz zutreffend. Ab etwa 1830 ist die Bezeichnung „Am Glacis“ vermerkt. Die dem Glacis (seit 1862 dem Stadtpark) zugewendete repräsentative Häuserfront der Vorstadt Landstraße ist historisch gewachsen; im Vormärz wurde die Vorstadtgrenze in Richtung Wienfluss vorgeschoben. Die großen Mengen Heu, die allwöchentlich aus Ungarn zugeführt und hier verkauft wurden, gaben der Örtlichkeit dann den Namen. Erst 1862 wird der Straßenzug Am Heumarkt benannt.

Eine Reihe von bestehenden Gebäuden und Einrichtungen wecken vielerlei Erinnerungen bei den Wienern. Nicht mehr besteht die Heumarktkaserne, erbaut 1774 als Reiterkaserne, neu errichtet 1841 als Kaiser-Ferdinand-Infanteriekaserne, abgebrochen 1909/1910.

Die meisten werden Kindheitserinnerungen an den Eislaufplatz haben. Der Wiener Eislaufverein errichtete auf dem der Stadt Wien gehörigen Gelände des heutigen Bahnhofs Wien-Mitte einen eigenen Eislaufplatz . Die Übergabe des Platzes erfolgte am 26. Dezember 1867. Das Bassin wurde im früheren Hafen des Wiener NeustädterKanals (das nicht mehr benutzt wurde) angelegt; das Vereinshaus wurde von Carl von Hasenauer errichtet. Daneben etablierte sich später der Skatingring (Rollschuhklub). Am 24. Jänner 1869 fand ein erstes Eiswettlaufen statt; 1869 wurde die Eisbahn erstmals künstlich beleuchtet. In den Sommermonaten wurde ein „Gymnase vélocipede“, eine Radfahrbahn, eingerichtet. 1878 wurde der Eislaufplatz probeweise elektrisch beleuchtet. Als die Stadtbahn und die Wienflussregulierung geplant wurden, musste der Eislaufplatz dem an dieser Stelle projektierten Bahnhof Hauptzollamt weichen (Betriebsaufnahme Juni 1899). Auf der Suche nach einem geeigneten Ersatzareal stieß der Verein auf den Reservegarten der Stadt Wien, der aufgelassen wurde; 1899 erfolgte die Umwandlung des Terrains in einen Sportplatz, der im Winter dem Eislauf und im Sommer dem Tennissport diente (Platzeröffnung 6. Jänner 1901). Auch ein Vereinshaus des Wiener Eislaufvereins wurde 1900 errichtet, 1902 folgte ein Kanzleigebäude mit Restauration an der Johannesgasse. Am 23. Dezember 1912 wurde die Kunsteisanlage als Freilufteisbahn in Betrieb genommen (3.930 m2), die 1927 zur größten Anlage Europas erweitert wurde (10.000 m2).

Aufregend, besonders am Anfang war es, wenn man die damals spektakulären Eisrevuen (1947-1970) sehen durfte. Besonders weil auch z.B. die österreichischen Europameisterinnen die Stars der Revue waren. Für die musikalischen Gestaltung konnte 1952 Robert Stolz gewonnen werden. Nicht minder zugkräftig – aber eben für ein anderes Publikum – diente im Sommer das Freistilringen „am Heumarkt“. Ein wenig erinnert diese Sportart an das heutige Tauziehen um die Errichtung eines Hochhauses. Ein Teil des Platzes wurde für den Bau des Hotels Vienna Intercontinental (erbaut 1961-1964) abgetreten (Demolierung der alten Bauten 1960, Neubauten von Carl Appel und Walter Jaksch).

Später erfreute das Projekt „Sand in the City“ die Jugend in Wien. Auf jenen 6.000 Quadratmetern, wo im Winter Tausende Eisläufer ihre Runden drehen, wurde in der warmen Jahreszeit jede Menge Sand ausgestreut, Liegestühle und Gastrohütten aufgestellt, Volleyball konnte gespielt werden. Sieben Saisonen lief das Projekt, im letzten Jahr kamen 450.000 Besucher.

Direkt an am Stadtpark  gelegen befindet sich das Gebäude der Stadtgartendirektion. Hier, und nicht nur hier,  in dem Garten um das Gebäude, zeigen die Wiener Gärtner ihre Kunst. Es blüht und sprießt in allen Farben und Formen, eine wahre Augenweide.

Auch das Hauptmünzamt kann man am Heumarkt finden. Das Gebäude wurde 1835 – 1838 erbaut und steht an der Stelle, an der im 17. Jahrhundert das Münzscheidehaus gestanden war. Dieses hatte ab 1821 im sogenannten Münzgraben ein Stockwerk. Das Hauptmünzamt besitzt eine Sammlung von Plaketten, Münzen und Prägestempeln sowie wertvolle Modelle in Wachs und Gips. Älter als dieses Gebäude ist allerdings die Institution: Angefangen hatte es mit der Ummünzung des in Silberbarren gelieferten Lösegelds für Richard Löwenherz (1193).

Vielen Wienern bekannt sind die Restaurants entlang des Heumarktes. Als erstes sei wohl das Steirereck erwähnt, der Name ist vielen ein Begriff, weniger werden dort (im Stadtpark) gewesen sein. Auch der Gmoakeller ist ein beliebtes Lokal, schon 1858  errichtet. Kronprinz Rudolf und Mary Vetsera sollen einander heimlich hier getroffen haben, deshalb hieß das Lokal lange Zeit „Zum Kronprinzen“. In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg spielten Joe Zawinul und Fatty George im Keller Jazz. Berühmtheit erlangte das Lokal durch seine Besitzerin Grete Novak, die den Stammgästen nicht nur durch ihre geröstete Leber in Erinnerung blieb. Ein anderes Lokal am Heumarkt ist mir in Erinnerung geblieben – leider ist es dauerhaft geschlossen – es war das Dubrovnik. Ein richtiges Familienlokal für das Sonntagmittagessen, mit großartigen Cevapcici (von Qualtinger Hundstrümmerln genannt) mt Ajvar. Es war auch die Zeit der Jugoslawienurlaube. Das waren oder sind beileibe nicht die einzigen Lokale am Heumarkt.

Entlang des Heumarktes gibt es noch einige gut erhaltene Biedermeierhäuser und ein von Heinrich Ferstel erbautes Wohnhaus. Im Mezzanin  in einem dieser Häuser befand sich vor ca. 50 Jahren ein von der Internationale Atomenergie-Organisation für die Kinder ihrer Angestellten betriebener englischsprachiger Kindergarten. Mein Sohn verbrachte dort im Vorschulalter seine Vormittage.

Und noch eine weitere persönliche Erinnerung: Im Haus Am Heumarkt 1 wurde die k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst“ 1913 im neu erbauten Akademiegebäude (Anbau zum Konzerthaus mit Akademietheater) untergebracht. In den späten 1950er Jahren arbeiteten in diesen Räumlichkeiten Angestellte der neu gegründeten Internationalen Atomenergie-Organisation, bis sie dann in renovierte Grand Hotel am Ring übersiedelten. Auch ich hatte meinen Arbeitsplatz ein Weilchen dort.

Möge das Heumarktprojekt nicht den  Ruf Wiens als Kulturhauptstadt zerstören!

der Wiener Heumarkt hat schon vieles erlebt.

March for Science – auch in Wien: Science – not silence

Weltweit sind beim March for Science Tausende Menschen für die Freiheit der Wissenschaft auf die Straße gegangen. Der March for Science ist eine globale Bewegung. Der Protest wurde auf den Termin des alljährlichen Earth Day gelegt, der für mehr Wertschätzung von Umwelt und Natur steht. Die Demonstrationen richten sich gegen die Einschränkung von Wissenschaft, die Leugnung wissenschaftlich belegter Tatsachen und die Verbreitung „alternativer Fakten“. Und da diese Ignoranz gegenüber den Wissenschaften nicht mehr vor den Büros von Regierungschefs haltmacht, entstand die Idee, den „Tag der Erde“ am Samstag, den 22. April, zu nützen, um für die Wissenschaft auf die Straße zu gehen. Der March fand in mehr als 600 Städten weltweit, die Hauptveranstaltung in den USA, in Washington D.C. statt. Dort waren Auslöser der Bewegung wissenschaftsfeindliche Äußerungen und Maßnahmen der Regierung Donald Trump. Trump hatte unter anderem die Globale Erwärmung als Schwindel bezeichnet, versprochen, eine Vielzahl von Umweltschutzmaßnahmen abzuschaffen, und starke Kürzungen für Forschungseinrichtungen, wie die US Gesundheitsbehörde oder die Umweltschutzbehörde EPA angekündigt. Trump selbst hat den Klimaskeptiker Scott Pruit zum Chef der Umweltbehörde EPA bestellt.

Die Idee zum March for Science entstand in Reaktion auf eine Meldung bei Reddit (ein Social-News-Aggregator, eine Webseite, auf der registrierte Benutzer Inhalte einstellen/anbieten können) Ende Januar 2017, dass das Weiße Haus unter Donald Trump alle Informationen zum Klimawandel von seiner Website gelöscht habe. Dies führte zu einer Diskussion, bei der ein Benutzer kommentierte: „There needs to be a Scientists’ March on Washington.“. Innerhalb weniger Stunden entstand daraus eine Webseite, eine Facebook-Seite sowie ein Twitter-Profil, innerhalb weniger Tage kam es zu Initiativen in anderen Städten in den USA und weltweit. Der Slogan der Veranstaltung ist „Science, not silence“

„Wir können nicht akzeptieren, dass in Zeiten, in denen der Mensch diesen Planeten verändert wie nie zuvor in der Geschichte, Entscheidungen getroffen werden, ohne auf wissenschaftliche Fakten zurückzugreifen“, sagte der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Martin Stratmann, beim March for Science in München. Auf Transparenten standen Slogans wie „Forschen statt Faken“ und „Make Science Great Again“. In Deutschland gab es außer in Berlin auch Demonstrationen in Bonn, Köln, Dresden, Frankfurt, Freiburg, Göttingen, Greifswald, Hamburg, Heidelberg, Jena, Leipzig, München, Stuttgart und Tübingen. Auf der größten Demonstration in Berlin nahmen etwa 11.000 Menschen teil, während in München ca. 5.000 Personen auf die Straße gingen.

Auch in anderen europäischen Städten wurde demonstriert: In der niederländischen Hauptstadt Amsterdam riefen Menschen vor dem Reichsmuseum dazu auf, wissenschaftliche Arbeit wieder mehr wertzuschätzen. In Genf kamen nach Angaben der Veranstalter etwa 600 Menschen zusammen, um erst durch die Stadt zu ziehen und dann mit der Bevölkerung ein Fest der Wissenschaft zu feiern. Vor der Präsidentschaftswahl am Sonntag fand auch in der französischen Hauptstadt Paris eine Demonstration statt.

In Großbritannien bekam der March for Science wegen des Brexits eine besondere Bedeutung. Die Wissenschaftler befürchten, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU internationalen Forschungsprojekten schaden könnte und Experten aus der EU nicht mehr nach Großbritannien kommen würden, wenn die Rechte von EU-Ausländern durch den Brexit eingeschränkt werden sollten.

Der Hauptprotestmarsch fand in den USA statt. Dort versammelten sich mehrere tausend Menschen in Washington, die zum Kapitol ziehen wollen. Nach dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump wächst in dem Land die Angst vor einer neuen Ära der „alternativen Fakten“. Aber auch in anderen Ländern wie beispielsweise der Türkei und Ungarn wird die freie Wissenschaft immer stärker eingeschränkt.

Zum Auftakt der Proteste waren in Australien und Neuseeland Tausende Menschen auf die Straße gegangen. In Sydney trugen viele der Demonstranten weiße Laborkittel, auf Spruchbändern war zu lesen: „Ohne Wissenschaft ist alles nur Fiktion“ sowie „Wir brauchen Denker, keine Leugner“.

Weitere Demonstrationen waren unter anderem in Argentinien, Brasilien, Kanada, Kolumbien, Costa Rica, Dänemark, Island, Indien, Japan, Mexiko, Panama, Norwegen, Portugal, Südafrika, Südkorea, Uganda und der Schweiz im Gange.

Zur Teilnahme am Wiener „March for Science“ hatten etwa die Allianz österreichischer Wissenschaftsorganisationen und das Wissenschaftsministerium aufgerufen. In Wien begann der Marsch mit einem „Science Picnic“ mit Kurzvorträgen und Experimenten im Sigmund-Freud-Park vor der Votivkirche, führte  über Freyung, Stephansplatz, Wollzeile, Albertina und Heldenplatz zum Maria-Theresien-Platz. Der „Vienna March for Science“ wird von „Wien Wissen“, einem unabhängigen Verein, gemeinsam mit Forschenden, Lehrenden und Studierenden organisiert. Wissenschafter sind es gewöhnt, sich rechtfertigen zu müssen: Ihre öffentlich finanzierte Arbeit muss von Experten mittels Peer Review beurteilt und auch den Steuerzahlern erklärt werden. Leider war dieser March for Science nicht gerade vom Wetter begünstigt, es regnete. Außerdem fand der Marathon für Kinder und Jugendliche zeitgleich mit dem March for Science statt. Das führte zu großräumigen Absperrungen und einem Verkehrschaos rund um die Innenstadt. Ob das so geplant war?

Einzelne Wissenschaftler haben Kritik am geplanten March for Science geübt. Er würde dazu beitragen, Wissenschaft zu trivialisieren und politisieren, und das Narrativ der Skeptiker eher verstärken, dass es sich bei Wissenschaftlern um eine politische Interessengruppe handelt. Man solle lieber direkt mit den Personen sprechen, die keine Wissenschaftler kennen und nicht verstehen, in welchem Ausmaß die globale Erwärmung sich bereits jetzt auf ihr Leben auswirkt. Zudem lenke der Science March von den wesentlichen Problemen ab, mit denen die Wissenschaft zu tun hat. So zum Beispiel von der Frage, ob Wissenschaft zu mehr sozialer Ungleichheit führt, weil nur Wohlhabende dafür bezahlen können, oder von dem Problem mangelnder Reproduzierbarkeit vieler Ergebnisse.

Ich finde diesen March for Science großartig, man sollte in halt nicht in Wiener Seitengassen verbannen, um einen Kindermarathon Raum zu geben – könnte so etwas nicht besser koordiniert  werden?

March for Science – auch in Wien: Science – not silence

Christas Ärgernisgreislerei: zur Innen-„politik“

Da trat ein neuer Bundeskanzler an. Man setzte hohe Erwartungen in ihn. Er hatte Management Erfahrung, er hatte Stil, er war eloquent, er war bereit auf den Koalitionspartner zu zugehen. Er rief einen New Deal aus, dann präsentierte er allein und sehr medienwirksam einen Plan A.

Das Land bedarf einer zielorientierten, handlungsfähigen Regierung, die die vielen anstehenden Probleme löst. Man sollte meinen, dass die Politiker alle Hände voll zu tun haben um Probleme bei der Jugendarbeitslosigkeit, bei der Integration der neu angekommenen Mitbürger, bei der Bildung , bei den anstehenden Änderungen aus der Digitalisierung, den Pensionen etc. zu lösen. Vom Föderalismus möchte ich dabei noch gar nicht reden.

Und was macht der Bundeskanzler? Er verkleidet sich als Pizzabote und trägt Pizzas an Kunden aus, um Kontakt zu den Bürgern herzustellen! Mir fällt in diesem Zusammenhang der Bundeskanzler Kreisky ein. Wäre dem jemals so etwas eingefallen? Und dennoch hat er Zugang zu allen Journalisten des Landes gehabt, er hat Neuerungen eingeführt, wie das Pressefoyer nach dem Ministerrat, an dem alle Medien teilgenommen haben. Er hat ihm interessante Menschen zu sich nach Hause eingeladen, um mit ihnen auch philosophische Fragen zu diskutieren, er hat Journalisten zu Hause besucht. Er hat während seines Urlaubs Österreicher bei sich empfangen und hat mit ihnen diskutiert. Er ist auf Menschen zugegangen, überall, er hat ihnen zugehört und das Gefühl gegeben, ihre Anliegen wahrgenommen zu haben. Dazu hat er sich nicht verkleiden müssen. Ja, auch er hat sich einmal verkleidet, bei einem Faschingsfest der Zeitung „die Presse“ ist er als Werkelmann aufgetaucht. Aber das war ein Faschingsfest!

Ich wünsche mir einen würdigeren Kanzler, der nicht nur einen Plan A präsentiert, sondern über gelöste Probleme spricht! Ich könnte mir vorstellen, dass sich z.B. ein Bundespräsidenten Körner für ein derartiges Verhalten geniert hätte. Körner ist viel zu Fuß gegangen, Menschen konnten ihn dabei ansprechen, er ist auf Kinder zugegangen.  Ja, es sind jetzt andere Zeiten, aber dafür gibt es ja jetzt wesentlich mehr Möglichkeiten, wie z.B. auch die sozialen Medien, die man nützen kann (was  Bundeskanzler Kern jedenfalls auch tut), dazu muss man sich doch nicht verkleiden und bei den „Aktionen“ filmen lassen.

Schade!

Christas Ärgernisgreislerei: zur Innen-„politik“

Bei den Palästinensern …

Marwan Barghouti (* 1959) kämpft seit 40 Jahren gegen Israel. Immer mit Worten, oft auch mit Waffen. Im Alter von 15 Jahren trat Barghouti der Widerstandsorganisation Fatah bei. Später studierte er an der Universität Bir Zait im Westjordanland, wo er seinen Abschluss als Master  im Fach Internationale Beziehungen machte. Der palästinensische Fatah-Politiker stammt aus der Gegend von Ramallah. Bereits während der Ersten Intifada trat Barghouti als einer der militärischen Führer der Palästinenser auf. Die erste Intifada begann als so genannter „Krieg der Steine“ 1987. Seit 1991 ging die Gewalt zurück; mit der Unterschrift des Vertrags von Oslo im August 1993 und der Schaffung der Palästinensischen Autonomiebehörde endete sie. 1987 wurde Barghouti wegen der Teilnahme an der Ersten Intifada verhaftet und nach Jordanien deportiert, von wo er erst nach Abschluss des OsloAbkommens 1994 zurückkehren konnte. In der Folge setzte er sich stark für den Friedensprozess und die Etablierung eines palästinensischen Staates ein. 1996 wurde er in den Palästinensichen Legislativat gewählt, wo er in Opposition zu Jassir Arafats Regierung stand. So kritisierte er Korruption und Menschenrechtsverletzungen durch die Autonomiebehörde, war aber als Generalsekretär der Fatah im Westjordanland weiterhin einer der wichtigsten Funktionäre der PLO. Nach dem Scheitern von Camp David  II im Jahr 2000 (Gespräche zwischen Präsident Bill Clinton. PLO-Chef Arafat und Ehud Barak über den Nahostkonflikt) zeigte sich Barghouti desillusioniert. Als Kommandeur der Tanzim-Miliz („Street Fighters“ des Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat) im Westjordanland zählte er dann auch zu den Anführern der Zweiten Intifada (gewaltsamer Konflikt zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften, welcher sich von Jerusalem und Israel auf den Gazastreifen und das Westjordanland ausweitete. Sie begann Ende September, Anfang Oktober 2000. Mit dem Abschluss eines Waffenstillstandes zwischen Abbas und Scharon im Februar 2005 ist die Al-Aqsa-Intifada offiziell beendet. Barghouti forderte ein Ende der Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens  durch Israel und billigte zu diesem Zweck auch das Vorgehen der militanten al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden (palästinensische Untergrundorganisation, die als bewaffneter Arm der Fatah dienen). Mehrmals führte Barghouti Demonstrationsmärsche zu israelischen Checkpoints an, die teils gewaltvoll eskalierten. Israel beschuldigte Barghouti des öfteren Mitglied der Al-Aqsa-Brigaden zu sein, was dieser abstritt. Auch lehne er Gewalttaten gegen israelische Zivilisten, wie von den Al-Aqsa-Brigaden begangen, ab. Jedoch riefen ebenjene Brigaden ihn 2002 zu ihrem Anführer aus. Im Rahmen der Operation Defensive Shield verhaftete ihn die  israelische Armee nach längerer Suche am 15. April 2002 in Ramallah. Am 20. Mai 2004, wurde er von einem israelischen  Gericht schuldig gesprochen und am 6. Juni 2004, seinem 45. Geburtstag, zu fünfmal lebenslänglich und 40 Jahren Gefängnis wegen mehrfachen Mordes und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt.

Barghouti rief 2017 alle palästinensischen Gefangenen in Israels Gefängnissen zu einem Hungerstreik auf. Von den rund 6 500 inhaftierten Palästinensern sollen sich ihm bislang rund 1000 angeschlossen haben. „Jahrzehntelange Erfahrungen haben gezeigt, dass Israels unmenschliches System der kolonialen und militärischen Besatzung darauf abzielt, die Seele der Gefangenen und des Volkes, dem sie angehören, zu brechen“, schrieb der studierte Politikwissenschaftler und verurteilte Mörder in der New York Times. Zwar will er durch den Hungerstreik vordergründig bessere Haftbedingungen erreichen, sein eigentliches Ziel hat der Intifadaführer a.D. aber bereits erreicht: Er ist wieder im Gespräch, in Israel – aber auch und vor allem bei den Palästinensern. Ihre Unterstützung braucht er, um sein großes Ziel zu erreichen, um Mahmoud Abbas zu beerben. Mahmud Abbas, * 1935 in Galiläa, auch genannt Abu Mazen, ist ein führender Politiker der palästinensischen Fatah Bewegung. Er war von März bis September 2003 Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiebehörde. Seit November 2004 ist er Vorsitzender der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), seit dem 15. Januar 2005 Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde und seit dem 23. November 2008 Präsident des Staates Palästina. Amtsmüde scheint er nicht zu sein. Bis heute hat Abbas keinen wirklichen Nachfolger aufgebaut oder ernannt. Barghouti genießt sowohl im Westjordanland, wo die Fatah herrscht, als auch im Gaza-Streifen, wo die Hamas an der Macht ist, großen Rückhalt.

Am Montag, also dem Tag, an dem der Hungerstreik begann, wurde in den Palästinensergebieten traditionell der „Tag der Gefangenen“ begangen. 1974 wurde dieser Gedenktag am 17. April  nach einem Beschluss des palästinensischen Nationalrats, institutionalisiert. Anfang Mai 2017 wird Abbas nach Washington fliegen, um dort erstmals den US-Präsidenten Donald Trump zu treffen und Ende Mai beginnt der Fastenmonat Ramadan. Sollten Barghouti und seine Gefolgschaft bis zu Beginn der Fastenzeit die Nahrungsaufnahme verweigern, würde Israels Regierung vermutlich ein medizinisches Einschreiten anordnen müssen. Aber zwangsernährte palästinensische Häftlinge wären das Letzte, was Israel in diesem ohnehin heiklen Zeitraum gebrauchen könnte. Denn im Juni jährt sich der Sechs-Tage-Krieg zum 50. Mal – und damit ein halbes Jahrhundert israelische Besatzung. Auch Abbas wünscht sich mit Blick auf seine Visite im Weißen Haus vermutlich ein rasches Ende des Hungerstreiks.

Dass er als Häftling im Gefängnis sitzt, ist für Barghouti bei alledem kein Hindernis. Im Gegenteil. Es dürfte für ihn eine entscheidende Rolle spielen und seinen Nimbus als lebende Legende nähren. Und Israel, so Barghoutis Plan, müsste ihn bei einem möglichen Wahlsieg freilassen – oder hätte sonst einen eigenen Mandela aus Ramallah.

Vielleicht kommen jetzt  Gespräche über eine Lösung des Palästina-Israel Konfliktes in Gang. Ich sehe keine Zwei-Staaten Lösung mehr, da es bereits zu viele Siedlungen im Westjordanland gibt. Wie kann ein „Emmentaler-Land“ regiert werden, selbst wenn es zu einem Landtausch kommen könnte. Und große Teile von Ostjerusalem, eigentlich die Hauptstadt des Palästinenser Landes, sind von Israel übernommen. Eine Lösung „ein Land für Beide“  scheitert aber an der Haltung Israels ein jüdischer Staat für Juden zu sein.

Vielleicht kann auch eine 50-jährige Nicht-Lösung eines Konflikts demnächst in Gang gebracht werden. Ein Wunschtraum?

(siehe auch mein Buch: „Wessen Heiliges Land“ im Braumüller Verlag)

 

Bei den Palästinensern …