Die US-Invasion in Panama 1989

Am 20. Dezember 1989 begann eine US-Invasion in Panama. Es war zu dem Zeitpunkt die größte Luftlandeoperation der Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir, hier in Europa, waren noch sehr mit den Konsequenzen des Falles der Berliner Mauer – am Abend des 9. November 1989 – beschäftigt. Dennoch beunruhigte uns diese Invasion. Der Name Noriega war politisch Interessierten meiner Generation damals im Zusammenhang mit Panama vertraut.

Es ging um General Noriega. Nun, 1989, hieß es in den USA: Die Geschichte von Panamas General Manuel Antonio Noriega stellt einen der schwersten außenpolitischen Misserfolge für die Vereinigten Staaten dar. Während der 1970er und 1980er Jahre war Noriega in der Lage, die U.S.-Politik gegenüber seinem Land zu manipulieren, während er in Panama geschickt die nahezu absolute Macht ansammelte. Es ist klar, dass jede US-amerikanische Regierungsbehörde, die eine Beziehung zu Noriega hatte, Korruption und Drogenhandel wissentlich ignorierte.

Wer war Manuel Antonio Noriega, der jetzt verstorben ist? Selbst sein Geburtsjahr ist nicht eindeutig nachgewiesen. Als uneheliches Kind kam er im Alter von ca. fünf Jahren in ein kirchliches Pflegeheim und konnte später die High School besuchen. Nach deren Abschluss schlug er eine militärische Karriere ein und absolvierte die Militärakademie in Lima, Peru. Ab 1964 diente er in der Nationalgarde und wurde auch in den USA an der School of the Americas ausgebildet. Sein Alias-Name war: „Cara de Piña“, „Pineapple Face“(in Lateinamerika eine pejorative Bezeichnung für pockennarbiges oder pickliges Gesicht), Ende 1969 unterstützte er den General und späteren Präsidenten Omar Torrijos (* 1929; † 1981) im Kampf um die Macht in Panama und wurde dafür mit dem Posten des Chefs des militärischen Geheimdienstes belohnt. Er arbeitete eng mit der CIA zusammen und half, die Drogenkartelle unter anderem in Kolumbien zu infiltrieren, wofür ihm zeitweise 200.000 Dollar pro Jahr gezahlt wurden. Im August 1983 wurde er Kommandeur der Nationalgarde. Er unterstützte im Mai 1984 die Wahl von Nicolas Ardito Barletta Vallarino (geboren 1938) zum Präsidenten Panamas, wobei massive Vorwürfe von Wahlfälschung laut wurden.

Mitte der 1980er Jahre geriet Noriega ins Visier der US-amerikanischen Drogenfahndung. Zudem wollte Noriega die Politik Omar Torrijos’ fortsetzen. So verweigerte er die Verlängerung des Betriebs des militärischen Trainingscamps School of the Americas..

Die Drug Enforcement Administration (DEA), wichtigste Drogenbekämpfungsbehörde der Vereinigten Staaten, warf Noriega vor, maßgeblich im Drogenhandel und -import in die Vereinigten Staaten beteiligt gewesen zu sein, indem er Panama als scheinbar neutrale Basis für unkontrollierte Einfuhr von Drogen in die Vereinigten Staaten bereitgestellt hatte und sich das entsprechend bezahlen ließ. 1986 enthüllten US-Medien, dass Noriega seit mindestens zehn Jahren auf der Gehaltsliste der CIA stand. Da Waffen über Panama an die Contra-Rebellen in Nicaragua gingen, die die linksgerichteten Sandinisten stürzen sollten, verschloss die CIA im Gegenzug die Augen davor, dass Noriega Geschäfte mit dem Medellin-Kartell machte. Das Medellín-Kartell war neben dem Cali-Kartell Anfang der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre der größte Kokain-Exporteur weltweit. Es wurde unter anderem von Pablo Escobar (Vorbild für viele Filmhelden über dieses Milieu) geführt und konzentrierte seine Aktivitäten von der kolumbianischen Stadt Medellin bis zu den Absatzmärkten in den USA mit dem Schwerpunkt in Miami und Florida überhaupt. Die Organisationen aus Medellín bestanden de facto aus 200 einzelnen Gruppierungen, welche untereinander an gemeinsamen Gewinnen beteiligt waren, jedoch nicht von einer Einzelperson beherrscht wurden. Die Organisation trug maßgeblich zur industriellen Herstellung und weltweitem Vertrieb der Droge bei.

Es war die Zeit des Endes der Legislaturperiode Reagans, der eine konsequente Unterstützung von antikommunistischen Militärdiktaturen betrieben hatte. Mit der offiziellen Begründung, den kommunistischen Einfluss in Lateinamerika bekämpfen zu müssen, führte die Regierung Reagan über ihre gesamte Amtszeit hinweg einen verdeckten Krieg gegen die sandinistische Regierung in Nicaragua. 1983 hatten  amerikanische Truppen mit der Begründung, einer kubanischen Intervention zuvorzukommen, die Karibik-Insel Grenada besetzt.

Noriega stellte sich am 3. Januar 1990 den US-Invasionstruppen, nachdem er sich elf Tage lang ungebeten in der Nuntiatur des Heiligen Stuhls aufgehalten hatte. Während seines Aufenthalts in der Botschaft wurde das Gelände von den US-Marines mit überlauter Rockmusik beschallt, um ihn so zur Aufgabe zu bewegen.

Am 10. Juli 1992 wurde er von einem US-amerikanischen  Gericht in Miami zu 40 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Später wurde das Strafmaß wegen guter Führung auf 17 Jahre reduziert. Nach der Entscheidung eines US-amerikanischen Bundesrichters erhielt Noriega den Status eines Kriegsgefangenen. Er saß bis zu seiner Auslieferung an Frankreich in einem Bundesgefängnis in Miami, Dade County in Florida, ein, in dem er ein Appartement mit Büroräumen bewohnte.

Im September 2007, nach der amerikanischen Haft, wurde entschieden, dass Noriega an Frankreich ausgeliefert werden solle. Am 7. Juli 2010 verurteilte ein Pariser Strafgericht Noriega wegen Geldwäsche zu sieben Jahren Haft. Panama beantragte ebenfalls die Auslieferung von Frankreich, die ein französisches Gericht am 23. September 2011 anordnete. Am 11. Dezember 2011 wurde er nach Panama überstellt, um sich dort vor Gericht zu verantworten. Er wurde im Gefängnis „El Renacer“ direkt am Panamakanal inhaftiert.

Ende Januar 2017 wurde er bis zu einer Tumorbehandlung in Hausarrest entlassen. Er verstarb an den Folgen seiner Erkrankung in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2017.

Noriega war nicht der einzige Mitarbeiter der CIA, der fallen gelassen wurde und Panama war nicht das einzige Land, in das die USA eingefallen sind. Ob diese Vorgangsweise nun unter Trump fortgesetzt werden wird, muss sich erst zeigen!

Die US-Invasion in Panama 1989

Unsere problematischen Nachbarn

Nachdem unsere Nachbarstaaten das Joch der Sowjetunion abwerfen konnten, haben sie sich anfangs in Richtung Demokratie entwickelt, sind aber jetzt unterwegs in Richtung Nationalismus und Rechtspopulismus. So setzt Ungarns rechtspopulistischer Machthaber Viktor Orban alles daran, die international renommierte Central European University unter seine politisch-ideologische Kontrolle zu bekommen oder «aus dem Land zu werfen», wie es einer seiner Parteifreunde formulierte. In Polen sind Jaroslaw Kaczynski und seine nationalkonservativen Mitstreiter auf dem besten Wege, das europäisch ausgerichtete Danziger Museum des Zweiten Weltkriegs in ein Instrument nationalistischer Geschichtspolitik zu verwandeln. In der Tschechischen Republik wiederum will mit Milos Zeman ein Staatspräsident wiedergewählt werden, der auch auf Veranstaltungen rechtsradikaler fremdenfeindlicher Vereinigungen auftritt und Intellektuelle als Feinde des Volkes abtut. Andererseits kommen auch Nachrichten betreffend Widerstand gegen diese Entwicklungen.

Was geschieht in diesem Teil Europas, dessen Staaten vor einem Vierteljahrhundert den Kommunismus abschüttelten und anschließend darangingen, rechtsstaatlich verfasste parlamentarische Demokratien und Marktwirtschaften aufzubauen – teils zügiger wie in Polen, teils mit zähen Anlaufschwierigkeiten wie in der Slowakei. Ist die Demokratie in diesen Ländern bedroht? Kann es nun in der EU eine Diktatur geben?

Seit dem Machtantritt der Partei Recht und Gerechtigkeit von Jaroslaw Kaczynski in Polen und Viktor Orbans Fidesz in Ungarn ist in diesen Ländern der Aufbau eines starken, zentralisierten Staates mit autoritären Zügen weit gediehen. Diese Parteien gehen eher sorglos  mit der Verfassung, dem Rechtsstaat und wichtigen Institutionen um. Mit Erfolg arbeiten sie daran, die Autonomie und die Befugnisse von Verfassungsgericht, Justiz, Zentralbank und öffentlich-rechtlichen Medien zugunsten der Exekutive einzuschränken. Das Parlament verkommt zur Abstimmungsmaschine. Dort geht es um die Entfernung aller postkommunistischen Kader, die noch im alten System Karriere gemacht haben, aus Politik, Justiz, Verwaltung, Wirtschaft und Kultur. Damit sollen die eigenen Parteigenossen an den Schaltstellen untergebracht werden, unabhängig von ihrer fachlichen Qualifikation. Orbans Partei Fidesz betreibt unter dem Motto der «Schaffung einer bürgerlichen Gesellschaft» und einer «nationalen Mittelschicht» seit geraumer Zeit nichts anderes «als die Bereicherung einer Clique von Verwandten und Parteigenossen Orbans.

Die Frage stellt sich, warum viele Menschen in Osteuropa ein Bedürfnis nach starken Führern und obrigkeitsstaatlichen Verhältnissen haben?

Das Denken von Kaczynski und Orban basiert auf der Überzeugung, dass nicht eine primär politisch bzw. staatsbürgerlich definierte Gesamtheit, also das Volk eines Staates oder die Gesamtheit seiner Bürger, den Souverän darstellt, sondern die Nation. Nach ihrer Meinung verfügt diese Nation über eine stark ausgeprägte gemeinschaftliche Identität: Nation bedeutet eine Gruppe von Menschen, die sich durch eine gemeinsame Geschichte bzw. eine gemeinsame historische Auffassung auszeichnet, durch gemeinsame Werte (insbesondere christliche in Form des Katholizismus) sowie gemeinsame Vorstellungen davon, wie man als Gemeinschaft leben will und soll. Daher sind Andersgläubige, insbesondere Muslime, aber auch Menschen mit anderen Lebensauffassungen und anderer sexueller Identität wie Schwule und Lesben, Flüchtlinge aus außereuropäischen Ländern und sogar Demonstranten, die gegen die Regierungspolitik demonstrieren, nicht Teil dieser nationalen Gemeinschaft.

Nicht anders denkt der slowakische Ministerpräsident Robert Fico mit seinem berühmt-berüchtigten Ausspruch: „Wir schützen die Slowakei und werden deshalb nie einen einzigen Muslim akzeptieren.“ Vor allem nationalistische und rechtsradikale Parteien in der Slowakei profilieren sich auch und gerade mit Hetztiraden gegen Flüchtlinge.

Damit stellt sich die Frage, warum Politiker wie Kaczynski und Orban in Ostmitteleuropa und Südosteuropa an die Macht kommen, weshalb viele Menschen dort das Bedürfnis nach starken Führern und obrigkeitsstaatlichen Verhältnissen haben, die vermeintlich soziale Geborgenheit bieten, woher die Angst in weiten Teilen dieser Gesellschaften vor ökonomischer und kultureller Überfremdung von außen kommt, vor dem „Fremden“ überhaupt – eine Angst, die den starken Wunsch nach Abschottung und Beschränkung auf das „Eigene“ und „Bekannte“, eben das Nationale, hervorruft.

Die Hintergründe liegen zum Teil mehr als ein Vierteljahrhundert zurück. Die politische und ökonomische Transformation Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre hat Fehlentwicklungen habe nach sich gezogen, deren Korrektur bis heute nicht abgeschlossen ist. Tatsächlich führte gerade in Polen kein Weg an den damaligen harten marktwirtschaftlichen Reformen vorbei, um das Land aus der abgrundtiefen Krise zu holen. Bis heute fühlen sich viele als Verlierer der neuen marktwirtschaftlichen Zeiten. Die in den frühen neunziger Jahren erfolgte Privatisierung staatlicher Unternehmen fand in undurchsichtiger Weise statt, – besonders in Ungarn, aber auch in Polen und der damaligen Tschechoslowakei.

Die dortigen Verantwortlichen in Politik, Pädagogik, Kultur und Medien haben in den letzten 25 Jahren wenig dafür getan haben, den Sinn der Menschen für die Rolle und die Aufgaben des Staates, für die Dreiteilung der Staatsgewalt und für den Rechtsstaat zu fördern. Hinzu kommt, dass die Gesellschaften dieser Länder äußerst wenig Erfahrung im Umgang mit der Geschichte haben und offene, verantwortungsbewusst geführte Debatten über historische Phänomene und mögliche Verfehlungen der eigenen Völker kaum gewohnt sind. Die sozialen Systeme entsprechen nicht den Wünschen der Menschen: viele fühlen sich als Verlierer der neuen marktwirtschaftlichen Zeiten: Rentner, Arbeitslose, Niedrigverdiener, kinderreiche Familien, gut ausgebildete junge Menschen ohne attraktiven Job. Soziale Wohltaten seitens der Nationalkonservativen in Polen wie etwa das Kindergeld und die Absenkung des Renteneintrittsalters fallen somit auf fruchtbaren Boden.

Die internationale Flüchtlingskrise hat Angst vor einer kulturellen Überfremdung geweckt. Traditionell katholisch denkende Polen, Ungarn oder Slowaken empfinden das Auftauchen von Muslimen fast schon als existenzielle Bedrohung, als Störfaktor für die Sicherheit des eigenen Lebens. Die Globalisierung wiederum fördert Ängste vor ökonomischer Überfremdung.

Die politische Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen muss gesamteuropäisch geführt werden! Denn auch die Länder des Balkans, ob schon Mitglied oder Beitrittskandidat zur Europäischen Union sind je nach Vergangenheit den Sirenenklängen von Putin bzw. Erdogan ausgesetzt. Hier ist ebenfalls umgehend Einhalt zu gebieten.

 

Unsere problematischen Nachbarn

Tektonische Verschiebungen?

 

Eigentlich meine gesamte Lebenszeit hatte ich das sichere Gefühl, dass uns – im Ernstfall – die USA zu Hilfe kommen würden: Sei es, noch während des Kalten Krieges, ein Angriff auf dem Osten, sei es, unter wirtschaftlich schlechten Verhältnissen: Amerika würde uns nicht verhungern lasse. Zum Glück sind bisher beide Fälle nicht eingetreten. Aber diese „Sicherheit“ ist uns jetzt allen abhanden gekommen, Trump hat’s möglich gemacht. Vielleicht ist es gut für Europa, jetzt sind wir auf uns allein gestellt, jetzt müssen wir zusammenhalten und uns um unsere Sicherheit wie auch unsere politische und wirtschaftliche Stabilität kümmern.

Vor 70 Jahren, am 5.Juni 1947, hielt der damalige US-amerikanische Außenminister George Marshall eine berühmte Rede an der Harvard University, in der er die Grundzüge des später nach ihm benannten Planes vorstellte. Kern war der Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Europa als demokratischer Verbündeter und wichtiger Handelspartner durch US-amerikanische Unterstützung. Der Marshallplan, offiziell European Recovery Program (kurz ERP) genannt, war ein großes Wirtschaftswiederaufbauprogramm der USA, das nach dem Zweiten Weltkrieg dem an den Folgen des Krieges leidenden Westeuropa zugutekam. Es bestand aus Krediten, Rohstoffen, Lebensmitteln, und Waren.

Das 12,4-Milliarden-Dollar-Programm wurde am 3. April 1948 vom Kongress der Vereinigten Staaten verabschiedet und am selben Tag von US-Präsident Harry S. Truman in Kraft gesetzt; es sollte vier Jahre dauern. Im gesamten Zeitraum (1948–1952) leisteten die USA bedürftigen Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OEEC) Hilfen im Wert von insgesamt 13,12 Milliarden Dollar. (entspricht heute rund 129 Milliarden Dollar).

Österreich gelang es als einzigem Staat, der (teilweise) von sowjetischen Truppen besetzt war, an Marshallplan-Hilfen zu kommen. Das Abkommen zwischen den USA und Österreich wurde am 2. Juli 1948 geschlossen; danach erhielt Österreich die Mittel als Grants (Geschenk) in Form von Sachgütern. Im Gegenzug musste Österreich den Schilling stabilisieren und den Staatshaushalt möglichst ausgeglichen halten. Die Sowjetunion ließ sich die Zustimmung in der alliierten Kommission durch einen anderen Wechselkurs ihrer Barvermögen abkaufen.

Die erhaltenen Waren mussten zum Inlandspreis verkauft werden. Die Einnahmen aus diesen Verkäufen mussten auf ein Counterpart-Konto eingezahlt werden. Warenlieferungen erfolgten bis 1953 und erreichten einen Wert von ungefähr einer Milliarde Dollar. Die US-Regierung übergab das Counterpart-Konto – 11,2 Milliarden Schilling – am 1. Juli 1962 an erreich; aus diesem entstand der privatwirtschaftlich geführte ERP-Fonds. Seit 2002 wird der ERP-Fonds von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (aws) verwaltet, der Förder- und Finanzierungsbank der Republik Österreich. Das heißt, dass der Marshallplan bis heute wirksam ist.

Die Förderungen für Österreich waren relativ hoch. Dafür gab es zwei Gründe: Zum einen war Österreich vor dem Zweiten Weltkrieg sehr schwach industrialisiert und musste erst eine Industrie errichten, zum anderen wurde die sowjetische Besatzungszone von den Sowjets wirtschaftlich ausgebeutet (die USIA-Betriebe lieferten keine Steuern an den Staat ab).

Aber die Welt hat sich in den 70 vergangenen Jahren verändert. Jetzt wirft Trump Deutschland seinen Handelsüberschuss vor. Deutschland exportiert mehr Waren in die USA, als es importiert. Das veranlasste Trump zu sagen: „The Germans are bad, very bad„. Trump ist überzeugt, dass die USA im internationalen Handel von anderen Staaten über den Tisch gezogen würden. Außerdem kaufen die Deutschen weniger Autos der US-Marke Chevrolet als die Amerikaner Mercedes-Modelle. Trumps Motto: „Kauf amerikanische Produkte, und stelle amerikanische Arbeitskräfte ein.“

Angela Merkel sagte Ende Mai 2017 folgendes: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt. Und deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen. Natürlich in Freundschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika.“ Wir müssen selber für unsere Zukunft kämpfen, als Europäer, für unser Schicksal.“

Merkel gilt seit Trumps Amtsantritt vielen als Anführerin der liberalen Welt. Sie weiß, dass Trumps Leitspruch „America First“ ist. Die Konsequenz daraus ist: Europa muss in Zukunft mehr schultern. Trumps Politik macht eine Neudefinition der europäischen Interessen notwendig. Vor allem geht es um die Frage eines höheren Wehretats. Den Europäern wird jetzt mehr abverlangt. So sollen Nato-Staaten jährlich nachweisen, wie sie mit der Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben (Zielmarke: Zwei Prozent vom Bruttosozialprodukt) vorankommen – das ist das Ergebnis des jüngsten Nato-Treffens. Bisher erfüllen lediglich die USA und wenige europäische Länder diese Zielmarke.

Merkels Sätze sind auch ein Appell an die Deutschen aber auch alle Europäer, mehr Verantwortung zu übernehmen – und sich selbst emotional aufgeladenen Herausforderungen wie einer gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zu stellen. Deutschland und Frankreich wollen eine „Roadmap“ für angepeilte Reformen auflegen. Es wurde auch ein Plan vorgelegt, der neben einer Stärkung der Eurozone auch deutsch-französische Investitionen, einen gemeinsamen Verteidigungsfonds oder eine stärkere Kooperation in der Außenpolitik skizziert.

Jedenfalls zeichnet sich seine entfremdende Beziehung zwischen Europa und den USA ab. Obwohl es seit 1945 durchaus Probleme in Bezug auf die Beziehungen zwischen den USA und Europa gegeben habe, ist das Bewusstsein niemals so stark gewesen, dass Europa bei den globalen Problemen auf sich allein gestellt ist. Merkel jedenfalls hofft, dass die EU an den schwächer werdenden transatlantischen Beziehungen wachsen werde. Wenn die USA sich militärisch im Ausland zurückhielten, werde Deutschland gemeinsam mit Frankreich eine zunehmend dominantere Rolle spielen. Trotz Donald Trump seien die USA ein wichtiger Handels- und Sicherheitspartner für Deutschland – das werde sich auch so schnell nicht ändern.

Es wird auch eine „Post-Trump-Zeit“ geben. Hoffentlich hat sich Europa zwischenzeitlich auf sich selbst und seine Stärken besonnen.

Tektonische Verschiebungen?

Christas Sonntags-Sammelsurium

Ramadan – und seine unterschiedlichen Interpretationen

In einem Propagandavideo hat ISIS zum „totalen Krieg“ gegen den Westen aufgerufen. Die Terrormiliz fordert ihre Anhänger auf, Anschläge während des muslimischen Fastenmonats Ramadan zu begehen. Unterstützer in Europa (nach hiesiger Lesart „Gefährder“), die nicht in das von der Terrorgruppe besetzte Gebiet in Syrien und im Irak kommen können, sollen die „Ungläubigen“ zu Hause, auf ihren Straßen, Märkten treffen. War der Anschlag in Manchester der Auftakt dazu? Es sollten dort bewusst die Kinder und Jugendlichen getroffen werden. 22 Menschen starben bei dem Anschlag, 116 wurden verletzt. Auch den Anschlag auf einen Bus mit christlichen Kopten in Ägypten hat ISIS für sich reklamiert. Eine Splittergruppe der Terrormiliz habe den Angriff in Minja verübt, erklärte die ISIS-Miliz am Samstag über ihr Propaganda-Sprachrohr, die Agentur Amaq. Bei dem Anschlag wurden am Freitag mindestens 29 Menschen getötet, wie die Regierung mitteilte. Nicht nur ISIS, auch andere islamistische Terrorgruppen wie al-Qaida, rufen in dieser Zeit verstärkt zu Anschlägen auf. Unterdessen hat US-Präsident Donald Trump in einer Grußbotschaft zum Beginn des Fastenmonats die Muslime der Welt aufgerufen, sich gegen die im Namen ihrer Religion ausgeübte Gewalt zu stellen.

Aber nach islamischer Lesart hat der Ramadan nichts mit Gewalt zu tun. Der Ramadan findet heuer vom 27. Mai bis 24. Juni 2017 statt. Die Fastenzeit beginnt im Monat Ramadan. So heißt der neunte Monat im islamischen Mondjahr. Beginn eines Mondmonats ist der Neumond. Ist die erste Sichel des neuen Mondes am Himmel zu sehen, beginnt so traditionell auch der Ramadan. Das Datum wird deshalb häufig auch als „Geburt des neuen Mondes“ bezeichnet. Der Ramadan erinnert an die Zeit, als der heilige Koran durch den Erzengel Gabriel dem Propheten Mohammed offenbart wurde. Das Fasten im Monat Ramadan stellt eine der fünf Säulen des Islam dar. Sie gehört zu den Hauptpflichten, die ein Muslim als Gottesdienst durchführt. Das Fastenbrechfest (Id al-Fitr) am Ende des Ramadan und das Opferfest sind die eigentlichen Feste im Islam. In Österreich sind sie keine arbeitsfreien Tage für die Muslime, oder Feiertage für die Gesamtbevölkerung.

Ab 24. Juni beginnt heuer das dreitägige Ramadan-Fest. Millionen Muslime auf aller Welt essen und trinken dann zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nichts, auch Rauchen und Sex sind in dieser Zeit tabu. Für Muslime ist das Fasten ist ein Zeichen der Verbundenheit des Gläubigen mit seinem Schöpfer. „Siyam“, der arabische Begriff für das Fasten bedeutet so viel wie „Enthaltung“ und „Zähmung“. Während der 30 Tage sollen Körper und Seele gereinigt werden. Aber es geht nicht nur um Fasten, es soll auch mehr gebetet werden, und für wohltätige Zwecke gespendet werden. Daneben ist die Gemeinschaft im Ramadan besonders wichtig. Diese Zeit soll besonders für die Solidarität mit den Schwachen und Armen in der Welt und zum Gottesdienst im heiligen Monat genutzt werden.

Hier stellt sich nun allerspätestens die Frage nach den gemeinsamen Wurzeln des Islam und des Islamismus?

Da in unseren Breiten die Sonne früher aufgeht und später untergeht, ist das Fasten möglicherweise anstrengender als in vielen Ländern im Süden. Außerdem arbeiten viele in Mitteleuropa lebende Muslime auch während des Ramadan – in muslimischen Ländern geben viele Firmen am Ende des Monats hingegen frei. Im Islam richtet sich die Zeitrechnung nach dem Mondkalender.

America First oder doch lieber Trump first?

Im Brüsseler NATO-Hauptquartier bereiteten sich die Staats- und Regierungschefs gerade auf ein Gruppenfoto vor, da stieß Trump den montenegrinischen Ministerpräsidenten Dusko Markovic mit der Hand am Oberkörper brüsk zur Seite, um sich in die erste Reihe zu drängeln. In herrischer Pose stellt er sich dann neben NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf. Wollte er sich wirklich nur auf den für ihn beim Gruppenphoto vorgesehenen Platz stellen?

Der von Trump angerempelte Ministerpräsident von Montenegro gibt sich nach dieser Begebenheit übrigens locker: „Ich habe es nicht wirklich registriert. Ich sah nur die Reaktionen darauf in den sozialen Netzwerken. Es ist einfach eine harmlose Situation“, meinte Markovic. Im kommenden Monat soll Montenegro das 29. Mitglied der NATO werden. Ein freundliches Wort oder eine Entschuldigung vom Präsidenten der USA wurde Dusko Markovic nicht zuteil.

Ist nun Trump wirklich so ein Rambo? In seiner Rede vor den anderen 27 Staats- und Regierungschefs polterte er in Richtung seiner Zuhörer: „23 von 28 Nato-Mitgliedern zahlen immer noch nicht ihren Beitrag“. Das sei unfair den amerikanischen Steuerzahlern gegenüber. Viele Nato-Länder schuldeten „enorme Mengen Geld“, meinte Trump.

Die Fragen in Zusammenhang mit der Entlassung von FBI Director Comey, dem geheimen direkten Kanal nach Russland, die Rolle des Schwiegersohns Jared Kushner bedürfen alle noch der Aufklärung. Im Weißen Haus wurde diesbezüglich bereits ein „war room“ eingerichtet.

Und manchmal erscheint mir Donald Trump wie ein kleiner Bub, dem sein Lieblingsspielzeug, mit dem er aber nicht umgehen kann, geschenkt worden ist.

Christas Sonntags-Sammelsurium

Ab 1946 ging es aufwärts

Ab 1946 ging es doch merkbar aufwärts. Es war zwar ein bitter kalter Winter, das Heizmaterial war knapp, zu Hause saß man im Mantel. Aber immer mehr Straßenbahnlinien waren über längere Strecken in Betrieb, die Kalorienzahl der Lebensmittel, die man mit Marken kaufen konnte, stieg langsam, aber auch die Schuttberge verschwanden – zwar nicht plötzlich – aber doch. Das alles musste mit der Hand weggeräumt werden, Maschinen gab es dafür noch keine. Der Schwarzmarkt blühte, die „Währung“ waren oft auch Zigaretten. Von Besatzungssoldaten weggeworfene Zigarettenstummel wurden umgehend aufgehoben. Zu Hause wurde der Tabak herausgelöst und damit dann eigene Zigaretten gestopft. Jene Raucher, die über größere Gärten verfügten, bauten selbst Tabak an, die Blätter wurden getrocknet, fein säuberlich geschnitten – und zu den ersehnten Zigaretten gewuzelt.

Begehrte Stellen (Jobs sagte man damals noch nicht) gab es bei der Besatzungsmacht. Aber auch sonst entwickelte sich langsam ein Arbeitsmarkt. Männer die aus Krieg und Gefangenschaft zurückgekommen waren, suchten ihre alten Arbeitsstätten auf, so sie noch „standen“, wurde aufgeräumt und die frühere Tätigkeit wieder aufgenommen. Aus der Gefangenschaft aus Russland  kamen wenige zurück und das erst besonders spät. Auch daraus konnten sich schwerwiegende Probleme ergeben, die Ehefrau hatte ihren „Heimkehrer“ nicht mehr erwartet und sich einen anderen gesucht. Um die Kinder und sich selbst zu versorgen hatte so manche Frau mit einem Besatzungssoldaten angebandelt, was für den Heimkehrer besonders schmerzhaft war.

Aber nicht für alle „ging es aufwärts“. Mein Vater – jetzt als 90%iger Invalide eingestuft – wollte eigentlich gerne arbeiten, aber es war schwierig für ihn, einen adäquaten Posten zu finden. Er bezog zwar eine (kleine) Invalidenrente, aber damit war kaum der Haushalt zu finanzieren. Meine Mutter versuchte einzuspringen. Sie vermietete ein Zimmer und räumte auf, wusch Wäsche und besserte damit das Familienbudget auf. Aber sie war enttäuscht. Sie hatte – zur Zeit ihrer Hochzeit, vor dem Krieg gehofft, große Hoffnungen gehabt. Sie hatte meinen Vater als Hoteldirektor in einem der großen Wiener Hotels gesehen, aber jetzt waren die großen Hotels von den Besatzungssoldaten belegt. Und mein Vater hatte – wohl auch gesundheitsbedingt –seinen Ehrgeiz verloren. Er vertiefte sich lieber in Reiseliteratur, denn das Reisen in ferne Länder wäre wohl sein Traum gewesen.

Meine Eltern hatten nur zweimal in ihrem Leben richtig „Urlaub“ gemacht, einmal am Beginn ihrer Ehe, ins Salzkammergut und auf den Dachstein. Von den Abenteuern dort wurde wieder und wieder berichtet. Und ein zweites Mal, schon gegen Ende des Lebens meines Vaters, nach Mali Losinj. In anderen Sommern gab es die Sommerfrische, meist in Pernitz.

Meine Mutter, der ja in der Jugend Bildung verwehrt geblieben ist, musste mit „minderen Tätigkeiten“, wie sie das sah, zusätzlich Geld verdienen. Sie nahm, ergänzend zur Vermieterei, noch Heimarbeit an. Nächtens wurden Kluppen oder Mäusefallen zusammengesetzt. Eine sehr schlecht bezahlte Arbeit. Aber ihren Ehrgeiz gab sie nicht auf, sie übertrug ihn nun auf ihr Kind (das war ich). Ich sollte all das bekommen, das ihr verwehrt geblieben ist. Primär: Bildung! Und zwar eine gute, vollständige Bildung. Das setzte auf meiner Seite voraus z.B. Klavierspielen, Sprachen auch außerhalb der Schule lernen. So sehr meine Mutter an sich sparte, so sehr wurde in mich investiert. Aber von mir wurde vorausgesetzt, dass ich die Vorstellung meiner Mutter erfülle. Das hieß z.B. Bestnoten erreichen, was mir nicht immer gelang. Für schlechte Noten wurde ich bestraft – da gab es das Rohrstaberl, den Pracker, Erbsen- oder Scheitelknien. Aber als ärgste Bestrafung empfand ich, wenn meine Mutter sich weigerte, mit mir zu sprechen. Ein älteres Mädchen, das in unserem Haus wohnte, namens Erika wurde mir als Vorbild hingestellt (kein Wunder, dass ich sie nicht leiden konnte).

Unser Tagesablauf war folgender: wenn ich aus der Schule kam, gab es das Essen, hinterher gingen meine Mutter und ich meist spazieren: „in die Stadt“, wobei ich auch immer über Gebäude, Denkmäler etc. belehrt wurde und dann wurden meine Hausübungen überwacht. Meine Mutter kannte den Stundenplan, ich musste immer für alles „vorbereitet“ sein. Auch in den Ferien musste ich lernen, um ja nichts zu vergessen.

Meine Mutter rackerte sich für mich ab, aber ich musste immer ordentliche Kleider und Schuhe tragen, sie selbst begnügte sich meist mit so genannten Kleiderschürzen. Für mich war es auch wichtig, ins Burgtheater zu gehen (was ich wirklich gerne tat), anfangs noch ins Ronacher, die Oper, die in meiner Erziehung auch vorgesehen war, verweigerte ich bald. Ich fand die Libretti meist blöd und Verwechslungen unlogisch. Außerdem sah ich nicht ein, dass ich mich für den Stehplatz anstellen sollte, da mit das Ganze nicht behagte. Auch in die Bachgemeinde (ein Chor) wurde ich geschickt, die oben genannte Erika führte mich ein, aber mein mangelndes Gehör (ich hörte nicht, wenn ich falsch sang) vereitelte weiteres Verbleiben dort. Auch die Lesersäle des British Council bzw. der Amerikaner wurden mir ans Herz gelegt, dort allerdings hielt ich mich bald recht gerne auf. Zwecks sportlicher Betätigung wurde ich auch in den „Alpenverein“ geschickt, dies geschah allerdings aufgrund meiner Freundin Ingrid, deren Vater das empfohlen hatte. Aus der Küche wurde ich geworfen, ich sollte lieber etwas lernen, fürs Kochen muss man nicht studieren!

Einerseits sollte ich über alle Fertigkeiten verfügen, die eine „höhere Tochter“ benötigte, andererseits sollte ich optimal auf ein späteres Studium vorbereitet werden. Das waren die ehrgeizigen Ziele meiner Mutter für mich. Dafür tat sie alles ihr nur Mögliche.

Sie war eine selbstlose, allerdings auch harte Frau. Erst als sie dann später auch ihre Enkelkinder betreute und großzog. Kurz vor ihrem Tode gestand sie, dass das ihre glücklichste Zeit gewesen ist.

Ab 1946 ging es aufwärts

Jammern wir nicht, die Nachkriegsjahre waren auch nicht einfach (1945)

Befreit wurde der Ort im Mühlviertel von den Amerikanern, dabei änderte sich nicht viel. Dann aber zogen sich diese zurück und die Russen folgten nach. Das war dann eine schwierige Zeit.  Frauen konnten nicht mehr in allein stehenden Häusern schlafen, so zogen wir uns nachmittags viele gemeinsam in größere Häuser im Ort zurück, bewacht von ein paar alten Männern, andere suchten Schutz in Höhlen. Als wir dann doch zu Haus blieben, schlugen betrunkene Soldaten mit Gewehrkolben an unsere Tür und riefen „Frau, Frau“. Für so manche ging das nicht so gut aus, meine Mutter hatte Glück, allerdings wurde sie zum Arbeiten für die Russen eingeteilt – sie hatte primär ihre Wäsche zu waschen.

Aber meine Mutter zog es nach Wien zurück – einerseits wollte sie, dass ich die vierte Volksschulklasse abschließen sollte, um rechtzeitig ins Gymnasium eintreten zu können, andererseits wollte sie wissen, in welchem Zustand sich unsere Wiener Wohnung befände. Vom Mühlviertel nach Linz waren wir zu Fuß gegangen, ca. 20 km. Der Linzer Hauptbahnhof war total zerstört, und die wenigen Züge, die sporadisch durchfuhren, waren total überfüllt. Kinder und Gepäck wurden beim Fenster hineingehoben, man saß dann auf der Erde. Die Fahrt mit der Bahn war beschwerlich gewesen und hatte 3 Tage gedauert. Immer wieder war der Zug stehen geblieben, die Lok abgekoppelt worden. Am Ende hatte ich Läuse. Vom Bahnhof mussten wir zu Fuß in die Währingerstraße . Aber es befanden sich keine Fremden  in der Wohnung (es war keine Einquartierung erfolgt), in einem Zimmer war ein größeres Loch in der Wand und keine einzige Fensterscheibe war nicht zerbrochen. Glas zum Einschneiden gab es keines, daher wurden die Fenster nach und nach (je nach Verfügbarkeit von Brettern) zugenagelt.

Meine Volksschule war nicht in Betrieb, so wurde ich in eine Sammelschule (in der Viriotgasse) geschickt. Dort bekam ich ein Abschlusszeugnis für die vierte Klasse Volksschule und im Gymnasium (in der Billrothstraße) wurde ich auch angemeldet. Aufnahmeprüfungen wurden sehr zu meiner Erleichterung auch nicht durchgeführt; das erste Quartal des Schuljahres 1945 sollte dann eine Probezeit sein, ob man bleiben konnte durfte oder nicht.

Meine Mutter, immer besorgt, ausreichend Vorräte zu beschaffen, begab sich neuerlich zum Bahnhof, diesmal um in die Wachau zu fahren um eventuell Marillen zu ergattern. Ich wurde in der Obhut einer Nachbarin gelassen, und war besorgt – würde ich meine Eltern je wiedersehen? Meine Mutter kam nach einigen Tagen – bepackt mit Marillen, in Koffern, im Rucksack – zurück. Jetzt musste es schnell gehen. Die Marillen waren schon überreif. Mit einer Familie im Haus wurde vereinbart, dass der Herd (noch mit Holz zu beheizen) zum Einkochen benutzt werden durfte, die Gegenleistung waren: Marillen. Die Gasversorgung war nicht ausreichend, um Einkochen zu können. Ein weiterer Teil der Marillen wurde gegen das erforderliche Brennholz getauscht. Etliche waren dann auch noch der Preis für etwas Zucker …. Die restlichen mussten sorgsam entkernt werden, die Kerne wurden aufgehoben, hinterher aufgeschlagen, das Innere geschält und als Mandelersatz verwendet.

Zu Schulschluss begaben wir uns wieder nach Oberösterreich, auch um dort meinen Vater wieder zu treffen und um entsprechende Lebensmittelvorräte anzulegen. Wiederum arbeitete meine Mutter auf den Bauernhöfen, gegen Speck, Eier (wurden in großen Gläsern in Kalk eingelegt), Butter (daraus wurde zwecks Haltbarkeit Butterschmalz erzeugt), Fleisch (wurde eingeweckt) … Heidelbeeren und Schwammerln wurden gesammelt und getrocknet. Unsere Sorge galt der Beförderung nach Wien, denn an der Zonengrenze zu Wien wurden Rückkehrer oft kontrolliert und Nahrungsmittel wurden ihnen abgenommen. Wir hatten Glück und konnten alles behalten.

Der Alltag in Wien war dann für meine Mutter nicht wirklich einfach. Bei uns wohnten mein Cousin, der im Krieg drei Finger seiner rechten Hand verloren hatte und der jetzt arbeiten musste und ein Student – aus „unserem“ Ort, Pregarten im Mühlviertel. Letzterer kam aus einer Familie, die ein Wirtshaus und eine Fleischerei betrieb, seine Miete bestand in Nahrungsmitteln.

Problemlos war das Leben nicht: Strom gab es nicht durchgehend, die Fenster waren mit Brettern vernagelt, also mussten Petroleumlampen und Kerzen Licht geben. Gas gab’s nur zeitweilig, und die Wasserversorgung war auch nicht ausreichend. Auch das Radio, die einzige Quelle für Informationen und Unterhaltung funktionierte auch nur mit Strom. Das Heizmaterial war sehr rar, geheizt wurde bestenfalls ein Raum, indem sich dann alle aufhalten mussten.

Amerikanische Hilfsorganisationen versuchten der Bevölkerung zu helfen. Meine Mutter schickte mich in einen Nähkurs, organisiert von einer Methodistengruppe. Ich fand das gar nicht lustig, und weigerte mich bald, dorthin zu gehen. Auch Care-Pakete trafen dann ein.

Kinder wuchsen aus Kleidern und Schuhen heraus, aus den alten Sachen der Erwachsenen wurden Kindersachen fabriziert, um neue Schuhe zu bekommen, mussten Lederhäute eingetauscht werden.

Die Zeit für Hausfrauen und Mütter war eine sehr schwierige; „Freizeit“ gab es kaum! Vielleicht hin und wieder ein Film zur Abwechslung, Kinos gab es ja noch genug.

Jammern wir nicht, die Nachkriegsjahre waren auch nicht einfach (1945)

Die schwierigen 1930er und 1940er Jahre

Endlich 1932 hatten meine Eltern heiraten können. Sie hatten eine, wenn auch kleine, Wohnung. Und mein Vater war nicht, wie viele andere, arbeitslos. Er war im Hotel Metropol beschäftigt. Er konnte übrig gebliebenes Essen manchmal mitnehmen, es wurde unter den teilweise arbeitslosen Geschwistern meiner Mutter verteilt. Es kam das unglückliche Jahr 1934. Der Bürgerkrieg wurde mir gegenüber später nur wenig thematisiert, außer, dass in Wien Stacheldraht aufgerollt war, man nicht überall durch und hin konnte. Über die politische Situation wurde nicht gesprochen, obwohl ich später wusste, dass meine ganze Familie sozialistisch eingestellt war. Ich wurde dann 1935 geboren, eine schwere Geburt, mit Kaiserschnitt. Auch in diesem Jahr wurde meine Cousine Ruth geboren, ihre Mutter (Gertrude, genannt Gerti) war eine Schwester meines Vaters. Meine Tante und ihr Mann (Richard) betrieben ein Fischgeschäft in der Liechtensteinstraße.

1938 wurde Österreich in das Dritte Reich integriert, und die Judenverfolgung begann auch hier. Mein Stiefgroßvater war Jude, ebenso wie der Mann (Richard) meiner Tante. Meine Tante und ihr Mann verkauften (?) ihr Fischgeschäft und setzten sich nach Frankreich ab. Mein Stiefgroßvater verlor seinen Job (er war Häuserverwalter gewesen), und die Existenzgrundlage. Zum Glück war meine Großmutter eine sehr tapfere, kompetente Frau, die sich auf privaten Antiquitätenhandel verstand und so für sich und ihren Mann sorgen konnte. Es war dennoch schwierig, mit dem Judenstern, keinen Lebensmittelkarten und dem Verbot einen Schutzkeller bei Fliegeralarm aufzusuchen. Der Tätigkeitsbereich, der meinem Stiefgroßvater zugewiesen worden war, war Dachdecken. Die Arbeitskollegen verzichteten auf seine Arbeit, da sie fürchteten, er würde sogleich abstürzen.

Mein Vater war auch seinen sicher gewähnten Job los, das Hotel Metropol war kein Hotel mehr, sondern die Gestapozentrale. Aber das Militär wartete ohnedies schon auf ihn, er wurde zur Luftwaffe eingezogen. 1939 begann dann der Krieg, eine Schwester meines Vaters Maria, auch Mizzi genannt, befand sich gerade in England, wo sie Kinder einer Familie hütete. Sie wurde interniert, Maria kam dann erst 1946 wieder nach Österreich. Die Sorge auch um sie war groß, sie war in England interniert. Auch der Bruder meines Vaters (Hans) wurde zum Militär eingezogen. Er war am Russlandfeldzug beteiligt (als Koch).

Mein Vater war in Wiener Neustadt stationiert, daher konnten wir ihn doch öfter treffen, er war ansonsten mit Transportflugzeugen in Südosteuropa unterwegs. Allerdings im Jahr 1942 wurde er in ein Lazarett eingeliefert, Tuberkulose auf beiden Lungenflügeln wurde festgestellt. Es wurde eine sehr gefährlich Operation vorgenommen (ein Lungenflügel wurde durch eine Ölplombe ruhiggestellt). Heutzutage gibt es andere Mittel in solchen Fällen. Jedenfalls rüstete mein Vater ab. 1943 starb der Vater meiner Mutter, des nach dem Tod seiner Frau in der Harmoniegasse bei uns gewohnt hatte. Meine Mutter war hiermit mit dem Tod ihres Vaters und der Krankheit ihres Mannes konfrontiert. Der Krieg wurde immer heftiger, 1944 mussten wir, meine Mutter, mein Vater und ich, Wien verlassen. Gerade hatten wir eine schönere größere Wohnung in der Währingerstraße bezogen, über die sich meine Mutter sehr gefreut hatte. Wir waren alle traurig, als wir weggehen mussten, da wir nicht wussten, ob wir je hierher zurückkommen würden und ob die Wohnung dann noch von den Bomben verschont worden wäre.

In Oberösterreich, im Mühlviertel wurden wir dann in einem besonders kalten, schneereichen Winter in zwei verschiedenen Räumlichkeiten untergebracht. Jeweils ein Zimmer in einem Sägewerk stand meinem Vater zur Verfügung, er durfte aus gesundheitlichen Gründen nicht in demselben Zimmer mit meiner Mutter und mir wohnen – seine Tuberkulose war noch ansteckend. Meine Mutter und ich wohnten in geringer Entfernung in einem Zimmer in einer Hammerschmiede. Das Zimmer war ein Allzweckraum, zum Wohnen, Schlafen, Kochen, Essen. Das Klo war über eine damals vereiste Holztreppe quer über einen Hof erreichbar. Das Wasser musste aus einer ca. 5 Minuten Gehweg aus einer Quelle geschöpft werden. Meine Mutter weinte viel.

Aber dazu blieb ihr dann nicht viel Zeit. Um unsere Nahrungsmittelversorgung einigermaßen zu verbessern, gingen wir Hamstern. Als uns dann die Tauschobjekte dafür ausgegangen waren, bot meine Mutter ihre Arbeitskraft an. Damals herrschte ein Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften. Die Bauern und die Knechte waren alle im Krieg, manchen Höfen waren Fremdarbeiter zugeteilt worden, die aber genauso wir früher Knechte behandelt wurden. Wir saßen alle an einem Tisch, auf dem eine Schüssel mit Essen stand, jeder hatte seinen Löffel, der am Tisch aufgehängt war – und langte zu. Ich war damals mit meinen 8 Jahren dazu eingeteilt, das Essen zu jenen zu bringen, die auf den Feldern arbeiteten. Ansonsten hütete ich Kühe. Meine Mutter half beim Heumachen, beim Einbringen des Getreides, beim Dreschen etc. Alles wurde händisch gemacht. Es war eine schwere Arbeit, die Entlohnung bestand in Milch, Butter, Speck, Eiern etc. Und um den Speiseplan aufzubessern, wurden Schwammerln gesammelt und Beeren gepflückt. Diese wurden dann auch konserviert, die Pilze getrocknet, die Beeren, besonders die Heidelbeeren, die reichlich vorhanden waren eingekocht – etwas mühsam, da es kaum noch Zucker gab.

Neben diesen Beschäftigungen war auch noch der Haushalt zu versorgen; meine Mutter kochte, wusch (Waschküche war im Freien, geschwemmt wurde in der Aist, die im Winter aufgehackt werden musste). Das Wasser musste für Waschen und Abwaschen aus der Quelle herbeigeschleppt werden. Und immer die Sorge um den kranken Mann.

Doch dann über das Kriegsende und die Zeit danach ein andermal.

 

Die schwierigen 1930er und 1940er Jahre

Jammern auf hohem Niveau

Wir jammern, kaum etwas ist uns recht – die wirtschaftliche Lage, „die Politik“, die vielen Ausländer, etc. etc. Erkennen wir eigentlich noch, wie gut es uns doch geht?

Ich möchte als Kontrast dazu die Lebenszeit meiner Elterngeneration darstellen. Meine Eltern, mein Vater – Alois, später genannt Luigi – geboren 1902, meine Mutter – Johanna, gegen ihren Willen genannt Hansi – geboren 1905, erlebten ihre Kindheit noch „im Kaiserreich“. Dann allerdings kam der furchtbare Weltkrieg, die Hungersnot, die spanische Grippe… Kaum waren sie in der Lage gewesen, all diese und noch viele andere Widrigkeiten hinter sich zu bringen, kam der Bankenkrach und wie Weltwirtschaftskrise, die große Arbeitslosigkeit. Und dann hörte Österreich auf zu existieren und wurde Teil des Dritten Reiches. 1939 begann der Zweite Weltkrieg, die Bomben, die Besatzungszeit …. Als die Besatzungsmächte 1955 abzogen, hatten meine Eltern die Mitte ihres Lebens bereits weit überschritten. Mein Vater starb – an seinen Kriegsschäden – mit 59 Jahren, gerade noch rechtzeitig, um seinen Enkel zu erleben. Meine Mutter erlebte eine längere Witwenschaft, als eine verheiratete Zeit.

Das waren nur die äußeren Umstände, jetzt möchte ich vorerst auf die Lebensumstände meiner Mutter eingehen. Sie wurde als drittes von 6 Kindern geboren. Ihr Vater war Baupolier, man lebte in Ottakring in einer Zinskaserne. Meine Großmutter – also die Mutter meiner Mutter – starb sehr früh – an Tuberkulose. Fünf der Geschwister meiner Mutter wurden von einer Tante übernommen, die in Niederösterreich lebte und kinderlos war. Meine Mutter blieb als einzige beim Vater, wohl auch ihm – als Witwer – den Haushalt zu führen. Mein Großvater blieb nicht lang alleine, er nahm sich eine neue Frau, die allerdings mit der Tochter keine große Freude hatte. Sie erfüllte alle Vorurteile einer Stiefmutter. Dazu ist zu bemerken, dass ich nur die Meinung einer Seite kenne, und diese nicht ganz so genau. Dem Vernehmen nach betätigte sich  meine Stief-Großmutter als Engelmacherin- zur Aufbesserung des Familienbudgets – , damals ein verbotenes Gewerbe. Ich selbst habe sie zwar gesehen, wenn mich meine Mutter zu einem Besuch in die Habichergasse bei ihr mitnahm, sie starb aber, als ich noch ein ziemlich kleines Kind war. Meine Mutter hat auch erzählt, dass sie zu den Verwandten ihrer Stiefmutter aufs Land, ins Burgenland, von Oberschützen war die Rede, geschickt wurde, wo es ihr auch nicht sehr gut ging. Vor allem  musste sie, als schlankes, zartes Mädchen in den Backofen kriechen, um das frisch gebackene Brot herauszuholen, wovor sie sich immer sehr gefürchtet hat. Sie kannte wohl das Märchen von Hänsel und Gretel, indem ein Backofen eine wesentliche Rolle gespielt hat.

Meine Mutter hat auch berichtet, dass sie nicht genug zu essen bekam und oft hungrig schlafen gehen musste, dass sie in der Schule vom Religionslehrer bloß gestellt wurde, da sie nicht wusste, welches Evangelium am vergangene Sonntag vorgetragen worden war, weil sie nicht in die Kirche gehen durfte. Meine Mutter war sehr wissbegierig, hätte gerne viel gelesen, aber einerseits fehlte ihr dazu die Zeit und andererseits war es ihr verboten in der Nacht das Licht aufzudrehen, es musste ja  gespart werden. Also gab es nur das Licht, das durch das Gangfenster hereinschien, und das reichte zum Lesen nicht aus.

An ihrem 14. Geburtstag, am 13. Mai wurde meine Mutter aus der Schule genommen, sie durfte nicht einmal das Schuljahr beenden, sie wurde als Hausmädchen an eine Familie vermittelt. Dort bekam sie neuerlich sehr, sehr wenig zu essen, es war gerade die Zeit nach dem Weltkrieg, hatte natürlich kein eigenes Zimmer, musste in der Küche schlafen und den gesamten Haushalt der Familie führen. Das war schon anders als heute, Waschen in der Waschküche, Trocknen am Dachboden, das Geschirr mit der Hand waschen, Böden kniend mit einer Bürste reiben, Teppiche in den Hof schleppen, dort über eine Stange werfen und klopfen. Ausgang fand nur einmal die Woche statt, am Sonntag nachmittags, und das nur, wenn man in der Familie nicht benötigt wurde. Meine Mutter hat über diese Zeit nur wenig berichtet. Eine Zeitlang hat sie in der Harmoniegasse 7 bei einer Familie Rosenfeld gearbeitet. Und in diesem Haus lebte – nur einen Stock höher – eine Familie mit 5 Kindern. Eines war davon mein Vater. Der war jung und ehrgeizig, und die beiden jungen Menschen verliebten sich ineinander. Dann allerdings kam die lange Zeit einer Trennung: mein Vater – der nicht für die österreichische Staatsbürgerschaft optiert hatte – stand sich plötzlich als Italiener da (da irgendwelche Vorfahren aus Südtirol – Tschengls – stammten). Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn es  dort nicht die Militärpflicht gegeben hätte. Also musste mein Vater in eine Südtiroler Einheit eintreten – wo es ihm als Stadtkind nicht so gut gegangen ist –  er war sehr schweigsam über diese Periode. Seine Einheit wurde nach Libyen versetzt.

Die beiden jungen Leute waren einander treu geblieben und sparten eisern, um sich eine eigenen Wohnung leisten zu können. Gespart hat eigentlich meine Mutter, mein Vater unterstützte seinerseits seine Familie, was meiner Mutter zuweilen ein Dorn im Auge war, weil sie der Ansicht war, dass es dort „zu luxuriös“ zuging. Das führte zu Zwistigkeiten und es herrschte ein klassisches,  gespanntes Schwiegermutter  – Schwiegertochter Verhältnis.

Als letztlich eine Wohnung gefunden worden war, ebenfalls in der Harmoniegasse, „Zimmer – Küche – Kabinett“ konnte endlich geheiratet werden – das war dann 1932.

Über die folgende Zeit dann ein andermal.

Jetzt, glaube ich, kann man ermessen, mit welchen Problemen sich die „kleinen Leute“ damals herumschlagen mussten, mit denen wir heute kaum mehr konfrontiert sind.

Jammern auf hohem Niveau

Stätten meiner Erinnerung

Heute hat mich eine Autofahrt an vielen Stationen meines Lebens vorbei geführt. Zuerst habe ich das Imperial und das Grand Hotel wahrgenommen. In der Besatzungszeit versuchte ich beide weiträumig zu meiden, da sie von Russen okkupiert waren und ich mich damals vor „Russen“ einfach fürchtete. Es war dort sicher nichts zu fürchten, aber nach dem Kriegsende in der russischen Zone im Mühlviertel, war ich verschreckt. Aber später wurde das Grand Hotel das Headquarter der IAEA. Aus der äußerst beengten Lothringer Straße waren wir in diese großartigen Räume gezogen. Der Umbau in „Büros“ war noch nicht endgültig von statten gegangen, manch eine Sekretärin saß nicht im Vorzimmer ihres Chefs, sondern in seinem Badezimmer. Das änderte sich dann doch bald. Ich selbst „wanderte“ in diesem Haus des Öfteren, meine längste Bleibe war ein Kammerl im 5. Stock, im Rahmen der Computer Section, mit den amerikanischen Chefs und deren russischen Vorgesetzten. Bei manchen Sitzungen gab es eher Wodka als Kaffee. Einmal fuhr ich sogar mit Molotow im Lift, von 1960 bis 1962 vertrat er die UdSSR bei der Internationalen Atomenergieorganisation.

Weiter über die Ringstraße, vorbei an den derzeit blühenden Linden, die man aus einem Auto leider nicht riechen kann. Viele wunderbare Erlebnisse im Burgtheater. Manches empfand ich zwar auch als ärgerlich, aber die positiven Erinnerungen überwiegen bei weitem.

Und dann Ecke Schottengasse – Ring befindet sich noch der Hauptsitz der ehemalige CA jetzt BA (Unicredit Group). Im Haupthaus habe ich zwar nur kurze Zeit gearbeitet, dafür im Nebenhaus in der Hessgasse. Der Speisesaal für alle befand sich im obersten Stock des Haupthauses. Man hatte einen fixen Termin und einen fixen Platz und eine halbe Stunde Zeit zum Esse und eigentlich auch Kaffeetrinken in der benachbarten Kantine. Um diese Tageszeit begrüßte man einander mit „Mahlzeit“ und viele hatten ihre Mittagsmehlspeise, in eine Serviette eingeschlagen, zum Kaffee mitgebracht. Obwohl anfänglich auch Direktoren am gemeinsamen Mittagessen teilnahmen, gab es die Direktionsküche – durchaus ein „Sternelokal“ in das Großkunden eingeladen wurden. Manchmal, wenn wir internationale Gäste hatten, durften auch wir sie dorthin einladen. Aber nicht nur das Direktionslokal war großartig, auch die eleganten Sitzungssäle, sie waren künstlerisch ausgestaltet. Das Oktogon diente für „Großereignisse“. Und im Haupthaus konnte man noch mit dem Paternoster fahren, einem revolvierendem Lift.

Aber schon waren wir in der Liechtensteinstraße angelangt, vorbei an der Harmoniegasse, wo ich die ersten Jahre meiner Kindheit verbracht habe.

Nicht lange, und wir befanden uns in der Billrothstraße, von dort konnte man hinauf, zu „meiner“ Alma Mater, der „alten“ Welthandel schauen. Glückliche Jahre habe ich hier verbracht. Das Studium war anders als heute, wir wurden Diplomkaufleute und nicht Bachelor oder Magister, und wenn wir unser Studium fortsetzten wurden wir Doktor (gar). Ich gebe zu, dass der Anfang haarig war, Kostenrechnung schaffte ich noch ganz gut, aber Buchhaltung war nicht mein „forte“. Aber nach Überwindung dieser Hürden (dazu gehörte auch Schriftverkehr), war das Studium  abwechslungsreich und interessant. Jene Aspekte, von denen ich in den USA gelernt hatte, kamen zwar nicht vor z.B. „Econometrics“, und auch jener Teil der Dissertation, die sich dieser Technik bediente, musste gestrichen werden, aber das Werk wurde dennoch angenommen und nach den Rigorosen stand dem Doktor nichts mehr im Wege. Die Fähigkeiten, die ich in meinem späteren Berufsleben benötigte, musste ich mir allerdings erst erwerben. Die Worte Computer, Programmieren etc. waren in meinem Studium in Wien nicht gefallen. Über Artificial Intelligence hatte ich zwar in Frankreich, während meines Semesters dort, gehört, in Wien war der Inhalt an der Welthandel damals kein Thema. Vielleicht noch eine Bemerkung dazu: nur 10% der Studenten waren damals weiblich. Und manche der damals jungen Assistenten behandelten uns Mädchen nicht gerade fair, wir rissen uns allerdings auch nicht gerade darum, mit ihnen auszugehen.

Und schon flitzte die Billrothstraße 26 vorbei, mein Gymnasium. Das Gebäude ist heute ein anderes. Damals, als ich von 1945 bis 1953 dort unterrichtet wurde, war – es ein Provisorium, bestehend aus einem Wohnhaus, einer Villa und einem „Gartentrakt“ in einem großen parkähnlichen Gelände. Jedes Mal, wenn ich blühende Glyzinien sehe, denke ich an die Begrünung der Villa – es war schon meist gegen Schulende, wenn die Glyzinien blühten. Die Wege zwischen den Gebäuden waren weder gepflastert noch geteert oder asphaltiert, damit gatschig, wenn es regnete oder schneite. In die Villa musste man besonders anfangs täglich, denn dort gab es die Ausspeisung. Ansonsten fand hier der Musikunterricht statt, ich war zwar kein besonderer Star in diesem Zweig, aber vieles, das uns unsere Musikprofessorin lehrte, erkannte ich viel später in Opern, Messen und Requien. Besonders gerne bin ich nicht ins Gymnasium gegangen, in der Unterstufe „taugte“ es mir nicht sonderlich, das war aber nicht ausschließlich auf den Stoff zurückzuführen. Ich ging damals in eine reine Mädchenschule und wir waren schon recht zickig untereinander. In der Oberstufe kamen dann andere Interessen dazu, und die Schule erschien nicht mehr ganz so wichtig.

Schon waren wir am Ziel angekommen. Eine kurze Fahrt, ohne besondere Vorkommnisse oder Stau und doch so viele Erinnerungen.

Stätten meiner Erinnerung

Die neue Seidenstraße

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat für seine Initiative einer „Neuen Seidenstraße“ geworben. Zum Auftakt einer zweitägigen Gipfelkonferenz in Peking über die Entwicklung neuer Wirtschaftskorridore zwischen Asien, Afrika und Europa sprach Chinas Präsident am21.Mai 2017 von einem „Jahrhundertprojekt“ und stellte zusätzliche Milliarden in Aussicht. Vertreter aus mehr als 100 Ländern nahmen an dem Gipfel teil, darunter 29 Staats- und Regierungschefs. Daran nahmen unter anderem der türkische Präsident Erdogan, der philippinische Präsident Duterte, der russische Präsidenten Putin und als hochrangigster Politiker aus Europa der italienische Premierminister Paolo Gentiloni teil. Deutschland, Frankreich und Großbritannien schickten nicht allzu hochrangige Finanz-Offizielle.

Für China ist der Seidenstraßen-Gipfel das größte diplomatische Ereignis des Jahres 2017.

Auf dem Gipfel geht es um Chinas Pläne für die Entwicklung eines modernen Verbindungsnetzes mit Handelskorridoren entlang der antiken Handelsrouten zwischen Asien, Afrika und Europa. Für Investitionen in Häfen, Straßen, Bahnstrecken und andere Infrastrukturprojekte stellt China viele Milliarden US-Dollar bereit. Eine „Straße des Friedens und des Aufschwungs“ soll es nach den Schlussworten von Chinas Präsident Xi Jinping werden: Die „neue Seidenstraße“ soll ein Netz für Handel und Entwicklung von Asien nach Europa knüpfen. Dazu will China Milliarden in Verkehrsverbindungen und Transportwege investieren – auch in anderen Ländern.

Die EU-Staaten wollen offenbar eine geplante Erklärung nach dem Dialog über Handelsfragen nicht mittragen. China sei nicht bereit gewesen, europäische Anliegen aufzunehmen. Daraufhin hätten die Europäer die chinesische Seite informiert, dass sie das Dokument nicht unterschreiben würden. Den Europäern geht es um Transparenz, öffentliche Ausschreibungen sowie Sozial- und Umweltstandards bei der Umsetzung der Initiative.

Das Projekt der „New Silk Road“ (Neue Seidenstraße), von China auch OBOR (One Belt, One Road – ein Gürtel, eine Straße) oder kurz Belt & Road genannt, hat zwei Hauptkomponenten, nämlich „Silk Road Economic Belt“ (Seidenstraßen Wirtschaftsgürtel) und die „21st Century Maritime Silk Road“ (21. Jahrhundert Meeres-Seidenstraße), die nach erfolgtem Ausbau wohl mindestens 65 Länder mit mindestens 70 Prozent der Weltbevölkerung umfassen werden. China wird dieser Aufbau wohl mehr als 4 Billionen Dollar kosten. Der Warenverkehr soll schneller und einfacher werden. China will Entwicklungsländern und internationalen Organisationen über drei Jahre zudem 60 Milliarden Yuan oder 8,7 Milliarden US-Dollar an Hilfen geben. Es sollen auch soziale Projekte entlang der „Neuen Seidenstraße“ gefördert werden. Chinas Einfluss soll sich auf die Realwirtschaft konzentrieren, es ist eine Win-Win-Kooperation. Es ist angeblich kein Versuch, die Welt zu kolonisieren, wie Europa das früher getan hat.

Im Rahmen dieses Forums gab China bekannt, dass es seinen Heimat-Kontinent, Asien, in sechs ökonomische Korridore aufgeteilt habe. Ein siebenter besteht  bereits seit Jahren nach EU-Europa. Diese Struktur ist das Ergebnis einer beharrlichen Aufbauarbeit der Chinesen, begonnen unter dem legendären Deng Xiao ping.

Aber nicht nur nach Europa gingen die Fühler Chinas. Als erste Maßnahme gründete China die GMS. Diese Mekong-Region besteht aus Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha, Vietnam und China, wobei nicht China selbst, sondern die chinesische Provinz Yunnan Partner in der GMS ist. Die GMS ist als Gegenstück zur US-geführten ASEAN-Gemeinschaft gedacht. Diese Entwicklung der Mekong-Region ist bei weitem noch nicht abgeschlossen und weiterhin ein zentrales Projekt von China.

Dann wurde von China 1995 die Gründung der „Shanghai Five“ (Shanghai Fünf) angeregt. China und Russland, sowie Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan verbanden sich zu einer wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessensgemeinschaft. Als 2001 Usbekistan Mitglied wurde, passte der Name nicht mehr, und man benannte sich in „Shanghai Cooperation Organisation“ um.

Zwischenzeitlich sind Indien und Pakistan als Vollmitglieder zur SCO dazugekommen. Weitere Anwärter für die SCO sind Weißrussland, Mongolei und Iran und Afghanistan. Vorgesehen sind das EEU-Mitglied Armenien, die indischen Nachbarstaaten Sri Lanka und Nepal, das GMS-Mitglied Kambodscha und die Türkei. Grob gesprochen sind ca. zwei Drittel aller 4,14 Milliarden Asiaten im Rahmen der SCO organisiert sind.

Nun hat also China seinen Heimat-Kontinent, Asien,in sechs ökonomische Korridore aufgeteilt. Die Korridore im Einzelnen.

  • China-Mongolia-Russia Economic Corridor
  • China-Indochina Peninsula
  • Bangladesh-China-India-Myanmar Corridor:
  • China-Pakistan Economic Corridor:
  • China-Central Asia-Western Asia Corridor:
  • China Central Asia and China Western Asia:

Diese Western-Asia-Subregion-Halbinsel ist aktuell der Kriegsherd der Welt, alleine hier sind vier Kriegsländer versammelt, Afghanistan, Syrien, der Irak und Jemen. Aktuell ist diese Zone, Western Asia, für China und die ganze Welt die Kriegs-Problemzone schlechthin. Eine Neuordnung, zumindest für die Arabische Halbinsel ist auf dem Weg, es wird aber noch etwas dauern, bis diese sich durchsetzt und wirksam wird.

Ein tödlicher Angriff auf Arbeiter eines „Seidenstraßen“-Projekts in Pakistan in der Nähe des strategischen Hafens Gwadar am Vortag verdeutlichte die Sicherheitsrisiken für das Vorhaben. Zehn Menschen wurden getötet. Hinter dem Anschlag werden Rebellen vermutet, die sich gegen die chinesische Präsenz wenden.

Als eines der westlichsten Ziele der Neuen Seidenstraße gilt das Ruhrgebiet. Mit den neuen Güterzugverbindungen von China bis zum großen europäischen Binnenhafen Duisburg. Auch Projekte, die vorher schon gestartet wurden, fallen jetzt in China alle unter die Überschrift Neue Seidenstraße.

Vielleicht sollten wir alle darüber nachdenken, welche Funktionen die ursprüngliche Seidenstraße ausgeübt hat. Sie war ein Netz von Karawanenstraßen, dessen Hauptroute das Mittelmeer auf dem Landweg über Zentralasien mit Ostasien verband. Auf der Seidenstraße gelangten nicht nur Kaufleute, Gelehrte und Armeen, sondern auch Ideen, Religionen und ganze Kulturen von Ost nach West und umgekehrt.

Vielleicht bietet die neue Seidenstraße ähnliche Perspektiven!

Die neue Seidenstraße