Ein Stück Fahrt mit dem D-Wagen – einseitig

Manchmal fahre ich lieber mit der Straßenbahn, auch wenn’s u.U. länger dauert, als mit der U-Bahn. Ich schaue gerne aus dem Fenster und schwelge in Erinnerungen an die Plätze, die so an mir vorüberziehen. Leut, die hier laut telephonieren, essen, trinken, stören mich dann nur sehr am Rande. Diesmal stieg ich bei der Oper in den D-Wagen. Mein Sitz erlaubte mir, stadtseitig hinauszuschauen. Besonders aufgefallen sind mir diesmal die Opernbrunnen, der linke Brunnen zeigt unter der bekrönenden Allegorie der Musik allegorische Gestalten der Freude, des Tanzes und des Leichtsinns, der rechte Brunnen unter der bekrönenden Lorelei allegorische Gestalten der Trauer, Liebe und Rache. Und schon ist man beim Goethe-Denkmal, und denkt an die Dramen, die man in der Schule gelesen, teilweise sogar gespielt hat.  Ich glaube, dass sich Goethe im Grab umgedreht hätte, wenn er ein paar Mädchen gesehen hätte, die alle Rollen im Faust übernommen hatten. Für eine Hauptrolle kam ich nie in Frage, aber im Chor war ich dann dabei – ob wir damals verstanden haben, was wir gesprochen haben – es war der „Prolog im Himmel“? Verstehen wir’s heute?

Vorbei am Burggarten – wie schade doch, dass die Kastanienbäume der Allee schon alle so braun sind. Ein Blick auf den Heldenplatz, noch Baustelle aber „Weltmuseum Wien“ ist schon angeschrieben. Wie oft bin ich am damaligen Völkermuseum vorbeigegangen, um in die Nationalbibliothek zu kommen.  Schön finde ich ja das Burgtor nicht gerade, kontroversiell ist es auch. Naja, aber das Gitter an der Seite ist schon bemerkenswert – rot und gold: prächtig, aber das Geld hat dann doch nicht gereicht, um das weiterlaufende Gitter auch so zu bemalen.

Hier ist dann schon der Volksgarten, zuerst die Club-Diskothek; wir ich jung war sind wir hier zum Fünf-Uhr -Tee tanzen gegangen. Damit konnte man dann um 10 zu Hause sein. Damals begleitete uns Glenn Miller Musik. Beim Vorbeifahren am Volksgarten blitzen noch immer die Rosen hervor!

Und das Burgtheater, wie viel interessante, aufregende Vorstellungen habe ich hier gesehen, wie viele Schauspieler bewundert. Wenn man später dann einmal dasselbe Stück sieht, kann man nicht umhin an die jeweils frühere Aufführung zu denken und das geht dann meist zugunsten der früheren Aufführung aus.

Das Landtmann ist nicht jenes Café, das ich am häufigsten frequentiere, aber früher war ich öfter im Theater – „Tribüne“ hier im Keller. Und mein Buch „Fressen die Alten den Kuchen weg“ ist zum Teil hier entstanden.

Das Schottentor war eigentlich immer schon im Zentrum meines Lebens; als ich noch in der Währinger Straße wohnte war es das Einfallstor „in die Stadt“, der Platz, wo ich die Straßenbahnen erwischte, um fast überall hinzukommen. Ja und hier an der Ecke stand die Zentrale der Creditanstalt, für die ich lange gearbeitet habe, bevor sie dann Bank Austria wurde. Fasziniert war ich immer vom Paternoster, vom Oktogon, in dem wichtige Ereignisse kundgetan wurden. Im obersten Stockwerk habe ich jahrelang mittaggegessen, immer am selben Tisch mit denselben Kollegen. Gearbeitet habe ich damals in der Hessgasse, gleich dahinter.  Auch in den Gebäuden den Schottenring entlang befanden sich früher verschiedenen Ableitungen, womit man auch diese Gebäude kennen lernte.  Das hat sich alles geändert.

Bei dem imposanten Gebäude der früheren Börse biegt der D-Wagen ab. Und schon steht man vor der Rossauer Kaserne. Dort legt man früher die Führerscheinprüfungen ab. An meine eigene kann ich mich kaum mehr erinnern, ich weiß nur, dass man in engen Gassen umkehren können musste – auf Einparken wurde damals – leider – noch nicht so viel Wert gelegt. Sehr gut kann ich mich an die Prüfungen meiner Kinder erinnern, bei denen ich als „Fahrlehrer“ fungierte. Mein Sohn ist einmal beim Fahren durchgefallen, und daran war wohl ich schuld. Ich hatte ihm vorher gesagt, er solle nicht wild „fetzen“ (er fuhr eigentlich schon sehr gut). Also fuhr er eher langsam und vorsichtig, was den Fahrlehrer veranlasste ihm zu sagen, er benötige noch mehr Übung.  Bei der Prüfung meiner Tochter war ich wohl aufgeregter als sie, das merkte auch der Fahrlehrer. Außerdem war er von beachtlicher Körpergröße und musste hinten damals in meinem „2CV“ (also einer so genannten Ente) sitzen. Das war extrem eng und ungemütlich für ihn, damit fiel die eigentliche Fahrprüfung nur sehr kurz aus. Meine Tochter bestand beim ersten Mal.

Von der Porzellangasse aus, fiel mein Blick auf die Serviten Kirche, wo ich getauft worden war (aber daran erinnere ich mich wirklich nicht). In der Serviten Gasse hab‘ ich einerseits lange handgemachte Nudeln (und ich koche sehr gerne Nudeln) gekauft andererseits ist dort der Sitz des Braumüller Verlages. Als ich mein Buch „Wessen Heiliges Land“ geschrieben habe, traf ich dort meine Lektorin.

Gleich gegenüber in der Porzellangasse haben lange Zeit mein Großvater und meine Tante Maria gewohnt. Nach dem Tod meines Großvaters blieb meine Tante dort und wurde sehr liebevoll und aufopferungsvoll von ihren Nachbarn fast bis zu ihrem Tode gepflegt.

Gleich im nächsten Block befindet sich das Schauspielhaus, auch hier haben wir viele kurzweilige interessante Aufführungen gesehen. Ja, und schon war ich bei der Station „Bauernfeldplatz“, wohin ich eigentlich wollte. Die Zeit, voll mit Erinnerungen, ist sehr rasch vergangen.

 

Ein Stück Fahrt mit dem D-Wagen – einseitig

Unsere Mitbürger – die Muslime: persönliche Erfahrungen

Es wird viel von „den Muslimen“ bei uns gesprochen. Vorerst möchte ich sagen, „die Muslime“ gibt es nicht. Es gibt z.B. Sunniten und Schiiten, es gibt Strenggläubige wie z.B. die Wahhabiten, es gibt jene, die eher säkular leben und viele mehr.

Und daher möchte ich von meinen eigenen persönlichen Begegnungen mit Muslimen erzählen. Wir hatten ein Ferienhaus in Niederösterreich, das wurde nur am Wochenenden und eben in den Ferien benutzt, das Gras im Garten wächst aber die ganze Zeit. Daher baten wir einen in Pernitz lebenden Türken – Gastarbeiter, das Gras für uns regelmäßig zu mähen. Eines Sonntags wollten wir bezahlen. Wir wussten, wo er wohnte – in einer Dachbodenwohnung, die über eine eher wackelige Holzstiege zu erreichen war. Als wir hinkamen, stand eine junge Frau – eine seiner Töchter – vor der Tür. In einer Art Zeichensprache teilten wir mit, bezahlen zu wollen – die junge Frau antwortete in breitem niederösterreichischem Idiom: „kummens eina, san eh alle da“. Da eine ziemliche Anzahl von Schuhen vor der Tür stand, zogen wir auch unsere Schuhe aus und traten ein. Der Raum war spärlich möbliert, ein großer Fernseher dominierte, es lief gerade ein türkischer Film (Video). Der Raum war blitzsauber.  Sofort wurde uns ein köstlicher türkischer Kaffee serviert. Wir fühlten uns als Freunde willkommen!

Über das abendliche Fastenbrechen während des Ramadan  in einem Geschäft in der Wiener Herrengasse habe ich schon einmal geschrieben. Der kleine Sohn des Besitzers brachte das Essen – nachdem es dunkel geworden war, ich war gerade im Geschäft um ein Geschenk zu kaufen. Sofort wurde ich zum Essen eingeladen!

Ich war gerade in Pension gegangen, hatte ein Buch veröffentlicht und wurde von einem Verlag gebeten, ein „kleines“ Buch über den Propheten Mohammed zu schreiben – es war gerade die Zeit der Mohammed Karikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten. Ich sagte zu, begann mir Literatur über das Leben des Propheten zu beschaffen. Die Deadline für die Veröffentlichung war knapp, aber dennoch wollte ich, dass diese Prophetenbiographie von einem Muslim gelesen würde. Ich wollte einfach nichts unabsichtlich „Beleidigendes“ schreiben. Ich wurde diesbezüglich an die IGGiÖ (Islamische Glaubensgemeinschaft) verweisen.  Das Buch war aus meiner Sicht fertig, ich schickte es an die IGGiÖ und bekam nach einiger Zeit zur Antwort, dass man mit mir reden wollte. Ich schlug ein Kaffeehaus als Treffpunkt vor, aber die Herren wollten dann doch zu uns nach Hause kommen. Drei Herren kamen. Sie hatten mein Manuskript in der Hand, es sah für mich aus, wie eine Deutschschularbeit, auf die man einen Fünfer bekommt. Ich war entsetzt. Dann rangen wir wirklich um jedes Wort. Aber beim ersten Mal fragten mich die Herren in welche Richtung wohl Mekka liege – ich war etwas überfordert, befragte meinen Mann und wir entschieden, dass es wohl von uns aus gesehen Richtung Belvedere liegen müsste. Wir machten eine Pause, und die Herren verrichteten auf einem unserer Teppiche ihr Gebet. Ich war schon beeindruckt. 26 Stunden waren für die Korrektur des Manuskripts erforderlich.  Ich schwor mir, dass ich derartiges nie wieder tun würde. Aber die beteiligten Herren sind letztlich so etwas wie Freunde geworden.

Ich wurde zu einer Diskussionsgruppe muslimische und christliche Frauen eingeladen. Wir trafen einander mehrmals. Die Muslimas sprachen alle hervorragend Deutsch (auch österreichische lokale Dialekte), hatten Hochschulbildung, die meisten waren bereits verheiratet – und brachten ihre Babys mit. Es sollte nicht um Theologie gehen, sondern um Lebensweisen, wirklich sinnvolle Gespräche kamen meines Erachtens letztlich nicht zustande. Ich sprang dann auch ab. Aber die Zusammenkünfte boten mir die Möglichkeit eine der Damen zu befragen, warum sie eigentlich das Kopftuch trägt (alle muslimischen Teilnehmerinnen dort trugen Kopftuch).  Sie meinte: „weil es Gott gefällt“.

Es gibt auch problematischere Situationen. Bei einem Diskussionsabend über Religionen nahmen Anas Schakfeh (war von 1987 bis 2011 Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), für den sunnitischen Glauben, ein evangelischer Theologe, ein Schiit aus Deutschland und dann halt ich, sichtlich für den katholischen Glauben teil. Wir (mein Mann und ich) kamen in das Lokal im 8. Bezirk und bei der Begrüßung wollte uns niemand die Hand geben. Das hat uns schon etwas verstört, denn damals war das Problem mit dem Händeschütteln noch nicht so publik geworden.  Außerdem stellte ich fest, dass sich die Mehrzahl der Frauen auf der Galerie befand. Der Schiit aus Deutschland war sehr gut vorbereitet – er hatte auch das von mir auftragsgemäß vorher eingereichte Statement gelesen und die Idee übernommen … Dort habe ich dann keine Freunde gefunden.

Einmal war ich auch in Liesing, wo in einem privaten Studiengang Studenten zu Fachlehrern an Pflichtschulen ausgebildet werden. Der Anlass war ein Vortrag des Großmuftis von Bosnien, von dem ich viel Gutes gehört hatte. Das Gebäude war sehr ansprechend, hell, modern. Ich war früh dran und setzte mich in den Vortragssaal. Nach und nach kamen weitere Teilnehmer, zuletzt kamen auch die Studenten und Studentinnen. Eigentlich waren es wahrscheinlich nur Studentinnen, sie trugen alle Kopftücher und setzten sich alle auf eine Seite, die Männer auf die andere. Ich saß „falsch“, nun in der Männerabteilung, ich überlegte, ob ich mich umsetzen sollte, beschloss aber, es nicht zu tun. Bei uns in den Sonntagsmessen während meiner Kindheit war das auch so gewesen, aber darüber sind wir hinausgekommen. Der Vortrag war sehr interessant.

Hingegen haben mir Gespräche, anlässlich meines Buches „die Angstspirale“ mit Prof. Dr. Ednan Aslan und Prof. Dr. Mouhanad Khorchide viel Zuversicht gegeben, dass es einen „europa-kompatiblen“ Islam geben kann und wird.

Heutzutage betreiben Muslime kleine Handwerksbetriebe und Geschäfte, man kann das an den Namen auf den Lieferwagen erkennen. Sie sind präsent und gut integriert!

Ich wohne zwar in keinem der so genannten Ausländerbezirke in Wien, sehe dennoch viele Muslimas – als Touristinnen, teils sogar vollverschleiert. Meine Kontakte mit Muslimen waren durchwegs positiv. So wie die Zuwanderer aus den Kronländern, die noch vor 100 Jahren zu uns kamen und heute „nicht einmal mehr als Zuzügler“ auffallen, werden  – hoffentlich – auch die Muslime den so genannten Migrationshintergrund aufgeben und Österreicher – so wie wir – werden. Dassoll nun bitte wirklich nicht als Aufforderung zur Assimilation gelten.

Unsere Mitbürger – die Muslime: persönliche Erfahrungen

Überlegungen zum Altwerden – ich weiß, wovon ich rede

Angeregt durch einige Kommentare zu meinen Postings möchte ich heute über ein Thema schreiben, das für viele tabu ist: nämlich das Altwerden. „Alter ist nichts für Phantasielose“ schreibt Lotte Tobisch. „Altwerden ist nichts für Feiglinge“, sprach Mae West, und schreibt auch Joachim Fuchsberger.

Was hat es nun auf sich, mit dem Altwerden?  Es ist nicht einfach zu verkraften, dass man langsamer wird, körperlich und geistig. Der Aktionsradius verkleinert sich. Früher stand die Welt offen, jetzt überlegt man, ob man das Auto nehmen soll, wenn bei einem Unfall, den man nicht einmal selbst verschuldet hat, der Führerschein weg ist. Man kann sich das Autofahren auch technisch bequemer machen (und Zukunft – aber nicht mehr „zu meiner Zeit“ wird es selbstfahrende Autos geben).

Überhaupt wenn man in den Nachrichten hört, sieht oder liest, überlegt man, ob man Termine (z.B. Abschaffung Dieselautos) überhaupt noch erleben wird. Manche meiner Altersgenossen, meinen dass sie froh sind, schon so alt zu sein.

Wenn man eine Reise plant, spielt der Zustand der Medizin, der Ärzte und Krankenhäuser im Urlaubsland eine gewichtige Rolle. Auch das Fliegen wird zunehmend beschwerlicher, was aber nicht nur mit dem Älterwerden zu tun hat.

Man hört/versteht nicht mehr alles, was so im Fernsehen gesagt wird, besonders wenn laute Hintergrundmusik dröhnt. Aber versäumt man dabei wirklich so viel –  außerdem gibt’s ganz passable Hörgeräte, Brillen für verschiedenste Tätigkeiten, auch schicke Stöcke – sollte es notwendig werden. Die Badewanne wird der Installateur gerne gegen Bares entfernen und eine begehbare Dusche installieren.

Man hat nicht mehr so viel Kraft wie früher, schwere Lasten tun dem Rücken nicht gut – d.h. aber auch, dass man Enkelkinder zuweilen nicht mehr aufheben kann – traurig. Man wird rascher müde, die „Luft geht einem schneller aus“, ohne Mittagsschlaf ist man am Nachmittag nur noch bedingt einsatzfähig.

Man vergisst viel, vor allem Namen, und merkt sich Neues nicht mehr ganz so leicht. Immer wieder überlegt man, ob es nicht vielleicht die schreckliche A-Krankheit ist.  Kleinere und größere Wehwehchen stellen sich öfter ein, man ist auf Pulver angewiesen – zum Glück gibt es die Schulmedizin, die einiges doch recht nachhaltig heilen kann. Aber man muss doch öfter ins Spital. Und man sollte sich auch regelmäßig bewegen –  zu blöd, da man ja schon in der Schule nicht so gerne geturnt hat.

Manchmal hat man das Gefühl, die Welt nicht mehr zu verstehen. Das ist vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass manche „Experten“ eine von Fremdwörtern durchsetzte Sprache sprechen. Überhaupt: neue Vokabel sind zu lernen, wer sprach früher über z.B. „Narrativ“, „Resilienz“, „Nachhaltigkeit“, das gibt’s jetzt schon länger, daran hat man sich schon gewöhnt.

Manchmal wird man von Jungen etwas herablassend zurechtgewiesen: „das Facebook ist doch etwas für uns Junge“. Naja …..Und vor einiger Zeit habe ich mir eine neues ziemlich teures Stück Gewand gekauft. Ich berichtete meiner Tochter darüber und meinte – etwas entschuldigend – „ich trag doch meine Sachen lange, meist 25 Jahre“, worauf meine Tochter meinte, ob ich überlegt hätte, wie alt ich nach 25 Jahren wäre. Aber grundsätzlich braucht man eigentlich „nichts, also fast nichts“ mehr. Man kann schon beginnen, „Dinge“ zu verteilen. Manchmal ist man dann leider enttäuscht, wenn sie keiner will.

Aber ich habe noch sehr großes Glück: mein Mann lebt, wir sind 58 Jahre verheiratet. Aber ich habe erlebt und erlebe laufend, wie es ist, wenn jemand seinen Partner, seiner Partnerin verliert.  Ich höre, es wäre wie eine Amputation.

Das ist eine der traurigen Aspekte des Altwerdens, man verliert Verwandte und Freunde. Also Gesprächspartner. Wie oft passiert es, dass man denkt, dieses oder jenes Thema müsste man mit dem X besprechen, und dann fällt einem ein, dass X ja schon gestorben ist. Man wird zunehmend einsamer, denn jüngere Freunde teilen die gemeinsame Vergangenheit nicht.

Das alles kann man ja ertragen aber wirklich krank, dauerhaft krank zu sein ist eine Herausforderung für jeden -aber auch seine/ihre Umgebung. Ich weiß noch wie schrecklich meiner Mutter der Gedanke war, jetzt ein Pflegefall zu sein, auf andere Menschen angewiesen zu sein bzw. ihnen zur Last fallen zu müssen – wie sie meinte.

Aber – und das soll unbedingt erwähnt werden – es gibt auch positive Seiten des Altseins: man „muss“ nicht mehr. Man muss nicht mehr überall dabei sein, man muss nicht zu allem eine Meinung haben. Man muss nicht mehr jede Mode mitmachen, man muss nicht mehr schön, jugendlich, schlank, fit etc. aussehen. Ich will aber hier nicht einer Disziplinlosigkeit, einer Schlamperei das Wort reden.

Aber eines sollte man bleiben: neugierig, positiv der Zukunft gegenüber, willig Neues zu lernen. – Wenn‘s leicht geht! Die Tage sind gezählt, man soll sie genießen und dankbar sein.

 

Überlegungen zum Altwerden – ich weiß, wovon ich rede

Eine Entgegnung

Heute (28. September 2017) habe ich in einer Tageszeitung, die nicht gerade als Kurz-freundlich gilt, einen Kommentar über die Vergleichbarkeit von Kurz und Bürgermeister Karl Lueger (1844 – 1910, Bürgermeister ab 1895) gelesen.

Dabei wurde Lueger vieles vorgeworfen: sein Antisemitismus, sein Rassismus besonders gegen Menschen aus Böhmen, Mähren und der Slowakei – die ja besonders am Ringstraßenbau beteiligt gewesen waren. Gegenüber gestellt wird dem Antisemitismus von Lueger die Islamophobie (ohne sie so zu benennen) von Kurz.

Ich finde, dass diese Darstellung recht einseitig war und viele der Argumente sind ja auch bei der Umbenennung von Lueger Ring auf Universitätsring breit dargelegt worden.  Sicher war er eitel – aber das wird ja auch Politikern jetzt vorgeworfen.

Aber als Wiener Bürgerin finde ich diese Darstellung recht einseitig: Denn die Stadt Wien verdankt Lueger sehr viel. Er suchte durch die Kommunalisierung der wichtigsten Versorgungsleistungen die Stadt Wiens von in- und ausländischen monopolartigen Gesellschaften unabhängig zu machen. Schon 1896 hatte der Gemeinderat (noch unter Luegers “Platzhalter“ Strobach) den Vertrag mit der englischen Gaswerk-Gesellschaft aufgelöst und es wurde mit dem Bau eines eigenen Gaswerks in Simmering begonnen. 1899 konnten die inneren Bezirke von städtischen Unternehmungen versorgt werden, 1911 war die Umstellung mit der Inbetriebnahme des Werks Leopoldau komplett abgeschlossen. Die Kommunalisierung der Elektrizitätswerke begann mit der Errichtung je eines Werks für die öffentliche Beleuchtung sowie die Versorgung der privaten Haushalte und für die Straßenbahn ab 1900 und konnte mit der Übernahme der privaten Gesellschaften von 1907 bis 1914 vollendet werden.

In engem Zusammenhang mit der Elektrifizierung der Stadt stand die Übernahme der Straßenbahn, die 1900 bis 1902 von der Stadt erworben und schrittweise auf elektrischen Betrieb umgestellt wurde. 1907 kommunalisierte die Stadt die Dampftramway-Gesellschaft und 1908 den Stellwagenbetrieb mit einem Liniennetz von rund 39 Kilometern. Erste Pläne gab es auch zur Errichtung einer U-Bahn. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwies sich eine neue, über die Donau gerichtete Stadterweiterung als sinnvoll. Nachdem bereits 1900 aus dem nördlichen Teil der Leopoldstadt der 20. Bezirk geschaffen wurde, wurden Anfang 1905 die Donaugemeinden Floridsdorf, Jedlesee, Groß-Jedlersdorf, Strebersdorf (teilweise), Stammersdorf (teilweise), Leopoldau, Stadlau und Aspern als 21. Bezirk eingemeindet. Die Fläche der Stadt erhöhte sich um rund 50 Prozent auf 273 Quadratkilometer; die Einwohnerzahl stieg auf über 2 Millionen.

In der Sozialpolitik distanzierten sich Lueger und die Christlichsozialen im Sinne der katholischen Soziallehre von der bisher dominierenden Anschauungdes Liberalismus, dass jede(r) nur für sich selbst verantwortlich wäre. So richtete die Stadt Wien 1898 nach dem Vorbild deutscher Städte ein städtisches Arbeitsvermittlungsamt ein. Mit dieser Maßnahme wurden die Vermittlung vereinheitlicht und Doppelgleisigkeiten verhindert. Der 1899 geschaffene Zentral-Armenkataster erfasste alle von der Armenpflege betroffenen Personen und sollte öffentliche und private Hilfe besser miteinander verbinden. Als ständiger Ausschuss zur Förderung der Armenpflege konstituierte sich 1901 der Zentralrat für das Armenwesen. Ein städtisches Waisenhaus löste das bisherige Asyl für verlassene Kinder ab. In Bad Hall, San Pelagio und Sulzbach-Ischl wurden Kinderheilstätten eingerichtet. 1904 wurde das Versorgungsheim Lainz – damals das größte und modernste seiner Art – eingeweiht.

Auf dem Gebiet der Gesundheitspflege wurde die Zahl der öffentlichen Brausebäder deutlich erhöht; die Besucherzahl verdreifachte sich zwischen 1896 und 1910. Die Errichtung von Strombädern schloss sich an. Der Spitalsnot versuchte die Stadtverwaltung durch die Errichtung des “Jubiläumsspitals“ (Grundsteinlegung 1908) beim Lainzer Tiergarten, den Bau neuer Kliniken im 9. Bezirk und eine Modernisierung des Sanitäts- und Rettungswesens in den Griff zu bekommen.

1905 wurde die Schaffung eines Wald- und Wiesengürtels, der selbst einer 4 Millionen-Stadt noch genügen und ungesunde Wohnverhältnisse bei steigender Bevölkerungsdichte vermeiden sollte, beschlossen. Im Zuge dieser Aktion erwarb die Gemeinde Wien Grünflächen im Ausmaß des 6. Bezirks. Auch eine Reihe innerstädtischer Grünanlagen wurde errichtet. Der immense Wasserbedarf, vor allem durch die Eingemeindung der Vororte wenige Jahre zuvor, führte zum Bau der zweiten Wiener Hochquellenwasserleitung. 1899 im Gemeinderat beschlossen, wurde sie 1910 in Betrieb genommen.

Der Wohnungsnot begegnete die christlichsoziale Stadtverwaltung nur mit punktuellen Maßnahmen: Um Vermieter und Wohnung Suchende effizienter zueinander bringen zu können, führte der Gemeinderat 1901 einen städtischen Wohnungsnachweis ein, zunächst probeweise auf zwei Bezirke beschränkt, ab 1902 für alle Bezirke. Eine ähnliche Anlaufstelle wurde 1902 auch für die Vermietung von Sommerwohnungen in Niederösterreich eingerichtet. Eine nachhaltige Lösung der Wohnungsnot wurde erst in der Ersten Republik erzielt.

Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Schulwesen gewidmet: 1908 wurde die 100. Schule, die von der christlichsozialen Stadtregierung errichtet worden war, feierlich eröffnet. Auf kulturellem Gebiet wurde die Errichtung eines städtischen Museums auf dem Karlsplatz beschlossen – ein Projekt, das nach vielen Neukonzeptionen erst 1959 Realität wurde. Schneller ging es mit dem “Kaiser-Jubiläums-Theater“ (heute als “Volksoper“ bekannt), das auf städtischem Baugrund 1898 eröffnet wurde. Die ebenfalls auf städtischem Pachtgrund erbaute “Wiener Urania“ nahm ihren Betrieb 1910 auf.

1905 übernahm die Stadt die mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfende Genossenschaft “Wiener Brauhaus“ mit einer Anlage in Rannersdorf bei Schwechat. 1907 wurden das städtische Leichenbestattungs-Unternehmen mit dem Ziel, auch armen Bürgern ein würdiges Begräbnis zu sichern, gegründet, 1899 der Rathauskeller als städtische Unternehmung eröffnet. Der schon bestehende Zentralfriedhof musste nach Süden und Osten erweitert werden; zugleich wurde die “Lueger-Gedächtniskirche“ errichtet. Mit der Errichtung der “Städtischen Kaiser Franz Josefs-Jubiläums-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt“ (Beschluss 1898) und der Gründung der “Zentralsparkasse der Gemeinde Wien (Beschluss 1905) dehnte die Stadt Wien ihre wirtschaftliche Tätigkeit in weite Bereiche des täglichen Lebens aus.

Nun steht Österreich – und Wien besonders – vor großen Herausforderungen. Unser Land muss mit dem Zuzug von Fremden fertigwerden – ihre Arbeitskraft optimal nützen. Österreich ist ein Einwanderungsland geworden – das ist auch notwendig, da hier zu wenig Kinder geboren werden. Österreich ist ein Teil von Europa und muss an dessen Weiterentwicklung teilnehmen. Und letztendlich steht eine digitale Revolution bevor, die ähnlich der industriellen Revolution erhebliche Konsequenzen auf Bildung, Arbeitsmarkt und das Leben der Menschen hier haben wird.

Ich wünsche mir für die Zeit nach dem 15. Oktober 2017 eine Regierung, die mit Tatkraft und Weitsicht die Probleme zielsicher lösen kann. Ein gar so schlechtes Vorbild dafür scheint mir Karl Lueger nicht zu sein. „Alleweil“, wie wir in Wien sagen.

 

Eine Entgegnung

DANKE

Ich möchte auf diesem Weg allen meinen „Followern“, allen jenen die meine Beiträge lesen, „liken“, kommentierten, teilen, „retweeten“ vom Herzen danken. Es ist schön, wenn Feedback jeder Art kommt.

Meine Leser sind eben vielfältig und das freut mich!

Es ist nicht immer leicht, das „Richtige“ zu schreiben (allen Menschen recht getan, ist eine Kunst die niemand kann). Ich weiß, manche mögen meine Familiengeschichten, andere wieder Erinnerungen an frühere Zeiten. Es gibt auch Fans meiner Beschreibungen von Wien – mit und ohne Sagen. Und es gibt Informationen zum politischen Geschehen.

Ich werde mich weiterhin bemühen, Sie zu informieren bzw. zu  unterhalten. Bleiben Sie mir treu!

DANKE

Heute ist ein ganz besonderer Tag

Es ist mehr als ein Vierteljahrhundert her. Meine Tochter „wartete“ damals auf ihren Turnus, daher war sie mit ihrem Mann, der ein Masterstipendium in Arizona absolvierte, nach Phoenix gegangen. Dass sie sich dort Zusatzkenntnisse erworben hat, war für sie selbstverständlich. Außerdem erwartete sei ein Kind, ihr erstes!

Als Mutter möchte man selbstverständlich unter solchen Umständen der Tochter beistehen können. Das mit dem Termin war schwierig, und um nicht zu früh zu kommen, beschlossen wir halt eher dort zu sein, wenn das Baby schon angekommen sein sollte. Die Ankunft war also für ein paar Tage nach dem „errechneten“ Geburtstermin angesetzt.

Wir waren schon über das vergangene Neujahr in Arizona gewesen. Damals hatten wir eine Rundreise zu den Sehenswürdigkeiten gemacht. Das war ein anderes Arizona gewesen, im Winter, mit Schnee. Wir waren nach Sedona gefahren, einen sehr liebenswerten Ort, wo es wirklich schönes Kunsthandwerk gab, und vor allem die sehr beeindruckende Heiligen Kreuz Kapelle. Auch das Canyon de Chelly National Monument hat es mir sehr angetan. In Holbrook hatten wir Silvester gefeiert, in einem „Restaurant“ an dessen Wänden die Gehenkten der Region dargestellt worden waren. Holbrook liegt im Navajo Land, aber im Restaurant bekommen Indianer keinen Alkohol – und das am Silvesterabend.

Wir machten uns also neuerlich auf den Weg in die USA, und da es abends war, als wir in Los Angeles ankamen, und es keinen Flug nach Phoenix mehr gab, übernachteten wir in einem Flughafen-Hotel – um den frühesten Flug zu nehmen. Der Wecker war gestellt, wir gingen schlafen, dann ratschte – doch sehr bald – der Wecker. Aber es war nicht der Wecker, es war ein Anruf. Unser Schwiegersohn teilte uns mit, dass eben unser Enkel geboren worden war.  Mutter und Kind wären wohlauf, wie das so schön heißt!

Unser Schwiegersohn holte uns vom Flughafen in Phoenix ab und wir fuhren direkt ins Krankenhaus. Dort konnten wir unseren neuen Enkel und seine Mutter begrüßen. Unsere Tochter hielt es nicht lange im Krankenhaus, am zweiten Tag nach der Geburt wurde sie zur Spitalstür gebracht, wo schon das Auto auf sie wartete. So waren wir dann alle zusammen in der Studentenwohnung unserer Kinder. Ein wenig eng war’s schon. Meinem Mann war es dann doch zu ungemütlich, er flog nach Washington.

Ich war auftragsgemäß mit einem Paket Stoffwindeln aus Wien gekommen, aber selbst meiner sehr peniblen Tochter war das Waschen zu kompliziert. Pampers mussten schnellstens her.  Es war September und noch sehr heiß in Glendale, in der Umgebung von Phoenix. Die Wohnung war zwar gekühlt, aber der Balkon war selbst abends noch sehr warm, dort also fand dann das Baby-Baden statt.

Ich bot meiner Tochter an, ihr einen Kinderwagen zu kaufen, sie lehnte das ab. Ich war recht erstaunt, aber sie erklärte, wohin solle sie denn fahren, bei 40° im Freien, außerdem gäbe es eigentlich keine Gehsteige. Wir einigten uns auf eine Babywippe, die auch im Auto verstaut werden konnte. Wir suchten uns dann in einem riesigen „Markt“ für Babysachen alles zusammen, was wir denn für das Baby glaubten zu brauchen.

Nach ein paar Monaten kam die junge Familie dann zurück nach Österreich. Unser Enkel hat die amerikanische Staatsbürgerschaft ist aber nach Ausbildung ein Österreicher. Er war gerade in Bangkok, während seines Studiums, als er während einer Reise nach Myanmar krank wurde. Zuerst wurde es nicht erkannt, aber er litt an der Legionärskrankheit. Seine Mutter ließ in Wien alles liegen und stehen und flog umgehend nach Bangkok, und wir alle glauben, dass sie ihm das Leben damit gerettet hat.

Jetzt ist er gerade dabei, sein Masterstudium abzuschließen, hat ein Start-up gegründet und hat eine besonders liebe Freundin!

Alles Gute zu Deinem Geburtstag!

Alle meine anderen 6 Enkel wurden alle in Wien geboren. Jeder ihrer Geburtstage war ein Ereignis. Das nächste Kind meiner Tochter z.B. wurde an dem Tag geboren, als mein Mann nach seinem Gehirnschlag nach langem Krankenhaus- und Rehabilitierungsaufenthalt endlich nach Hause kommen konnte. Unser erster Gang war wieder in ein Spital, ab welch wunderbarer Unterschied – eine neue Enkeltochter erwartete uns dort.

Familie ist etwas Wunderbares!

 

 

 

Heute ist ein ganz besonderer Tag

Mein Onkel Julius

Meine Mutter hatte fünf Geschwister, älter als sie waren Katharina und Franz, jünger als sie waren Julius und Rudolf (Zwillinge) und Frieda. Als ich sie kennenlernte lebten sie alle in Pernitz, im Piestingtal – im Schneebergland. Katharina und Frieda lernte ich als Tante Kaiser und Tante Eder kennen, wohingegen die Onkel alle bei ihren Vornamen genannt wurden.  Den Grund für diese Differenzierung kenne ich leider nicht.  Dass es noch eine Reihe von Halbgeschwistern gab, erfuhr ich erst viel später. Von denen ist mir nur die „Schöner Kati“ in Erinnerung, man kannte sie unter den Nachnamen der Bäckerei, für die sie ihr Leben lang gearbeitet hatte. Sie war eine liebevolle humorvolle Frau – so stellte ich mir als Kind Frau Holle vor – und allen Halbneffen und Nichten schenkte sie zu Ostern große Kipfeln.

Bei Tante Kaiser wohnte ich, wenn meine Mutter in Wien zu tun hatte. Dort gab es wundervolle Schmalzbrote für uns Kinder. Mit ihrer Tochter – meiner Cousine Erna, spielte ich – sie war zwar vier Jahre älter aber akzeptierte mich (oder musste mich akzeptieren?). Ich erinnere mich noch an einen Unfall, den Erna hatte, ein Rechen war verkehrt angelehnt worden und als sie draufstieg, durchdran ein Zahn des Holzrechens ihren Fuß. Sie wurde mitsamt Rechen in ein Leiterwagerl gesetzt und zum Arzt geführt.

Onkel Rudi hat mich als Kind beeindruckt, weil er am Afrikafeldzug des Zweiten Weltkriegs teilgenommen hatte. Er berichtete, dass es so heiß gewesen wäre, dass man Eier auf der Oberfläche eines Panzers braten konnte.

Onkel Franz arbeitete, wie viele Pernitzer, in der Fabrik im benachbarten Ortmann, die damals nicht nur Papier produzierte, sondern z.B. auch Hutstumpen, die an Modistinnen geliefert wurden, die dann ihre Kreationen daraus verfertigten. Einmal jährlich bekam meine Mutter von ihrem Bruder Franz einen derartigen Stumpen. Auf Grund dessen hatte meine Mutter mehr Hüte als Mäntel. Meine Onkel hatten es auch sehr lustig miteinander, sie spielten in ihrer Freizeit gerne Karten, Bauernschnapsen. Und ich erinnere mich auch an ein Zwetschgenknödelwettessen, das Ziel war es, die meisten Knödel zu essen, gezählt wurden hinterher die Kerne!

Ich kannte Onkel Julius nur nach seinem großen Unfall: in der Fabrik in Ortmann, in der auch er arbeitete, war ihm ein Ballen auf das Bein gefallen. Er fuhr aber später weiterhin mit seinem Fahrrad, betätigte es nur mit einem Fuß und streckte den „kaputten“, steifen Fuß weg, um durch das zweite Pedal nicht behindert zu werden.

Onkel Julius war verheiratet, seine Frau hieß Frieda, und hatte zwei Söhne, der Erstgeborene war in etwa in meinem Alter, der zweite mehr als 10 Jahre jünger. Mit dem mir fast gleichaltrigen hatte ich als Kind während meiner Pernitz Aufenthalte viel gespielt und viel gestritten. In der Familie meines Onkels herrschten stets patriarchalische Verhältnisse. Onkel Julius lebte mit seiner Familie im Haus seiner Tante, wir wohnten im „Bodenzimmer“ also im Obergeschoß dieses Hauses. Es war ein altes Haus, mein Onkel baute ein Zimmer dazu. Lange musste Wasser von außen (dem „Grand“) geholt werden und das Plumpsklo war über den Hof zu erreichen.  Aber das Haus lag am Waldrand und über eine wackelige Stiege und einen steilen Steig war man gleich im Föhrenwald, wo im Spätherbst und Winter die Schneerosen blühten und im Sommer die Zyklamen, die den baldigen Schulbeginn andeuteten.  Im Frühjahr fand man dort den kurzstieligen Enzian und die duftenden Steinröserln. Nach dem ersten Frost konnte man Dirndln (Kornelkirsche) pflücken. Ich liebe und misse diesen Föhrenwald noch immer.

Onkel Julius war eigentlich immer guter Dinge. In der Nachkriegszeit, nachdem es kurz einen kommunistischen Bürgermeister in Pernitz gegeben hatte, übernahm er, als Sozialist, das Bürgermeisteramt.  Er blieb sehr lange Bürgermeister und war um seinen Ort und dessen Leute sehr bemüht. Nach seiner Amtszeit wurden eine Straße und ein Steig im Wald nach ihm benannt. Er sorgte für den Aufbau im Ort, die Infrastruktur funktionierte wieder sehr bald, er ließ eine Kapelle und Aufbahrungshalle am Friedhof bauen, er kooperierte mit den Bürgermeistern der Nachbargemeinden. Er fuhr auch immer wieder nach Wien (damals war der Sitz der Landesregierung noch nicht nach St. Pölten übersiedelt), um Geld für seine Gemeinde aufzutreiben.

„Bauordnung“ war und ist ein Problem für viele Bürgermeister. Der Bürgermeister bzw. der Magistrat (in Städten mit eigenem Statut) ist die Baubehörde I. Instanz und somit zuständig für die Erteilung von Baubewilligungen, baupolizeilichen Aufträgen, Abbruchbewilligungen. Der Gemeindevorstand (Stadtrat) bzw. Stadtsenat (in Städten mit eigenem Statut) ist die Baubehörde II. Instanz. Damit war Onkel Julius die Baubehörde I. Instanz. Weder nach seiner Ausbildung (er war gelernter Schneider – er und seine Brüder hatten alle ein Handwerk gelernt, aber nie ausgeübt) noch nach seiner Berufslaufbahn – Fabriksarbeiter, war mein Onkel in der Lage, eine vernünftige Bauordnung für seinen Ort zu planen und umzusetzen. Hier machte er auch seine gröbsten Fehler, die man ihm aber eigentlich nicht vorwerfen sollte. Er gestattete den Bau von Einfamilienhäusern auf einer Wiese am Waxeneck – später erst mussten Wasser und Strom dorthin geleitet werden …

Mein Onkel Julius war populär und beliebt.  Er kannte jeden im Ort, er kannte die Probleme der Menschen; er als Sozialist kam prächtig mit dem Pfarrer aus. Wenn er auf seinem Rad vorüberfuhr, hatte er für jeden ein gutes (oft sehr lustiges) Wort. Er war sicher kein Bürokrat und hatte das Herz am rechten Fleck – mein Onkel Julius.

 

Mein Onkel Julius

Schwelende Brandherde

Nordkorea

Der Krieg der Worte eskaliert immer weiter. Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un hat US-Präsident Donald Trump nach dessen Drohungen gegen Pjöngjang persönlich angegriffen und mit Vergeltung gedroht. In seiner Rede vor der UN-Vollversammlung in New York drohte Nordkoreas Außenminister unverhohlen. „Ein Raketenangriff ist unvermeidlich“. Inzwischen sind US-Bomber sind östlich der Küste Nordkoreas im Einsatz.

Das Atomprogramm ist kein Selbstzweck, es soll Nordkoreas Verhandlungsposition stärken, um Kim Jong Uns eigentliche Ziele zu erreichen. Dazu gehört an oberster Stelle langfristig eine koreanische Wiedervereinigung in Form einer Konföderation. Auf dem Weg dahin will Nordkorea einen Friedensvertrag mit den USA, eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen mit Washington und vor allem den Zugang zum Weltmarkt für Güter und Finanzmittel.

Nordkorea möchte sich gern als David im Kampf gegen Goliath darstellen, und zwar sowohl den eigenen Leuten gegenüber als auch international. Die Nordkoreaner werden ihre Tests solange fortsetzen, bis sie eine glaubhafte Abschreckung besitzen. Die Amerikaner wiederum geben ihre Manöver nicht auf; die nächsten sind Anfang des kommenden Jahres geplant.

Aber dieser Konflikt betrifft nicht nur die beiden Kontrahenten: Die EU hat erhebliche wirtschaftliche Interessen in der Region. China, Japan und Südkorea sind wichtige Handelspartner. Ein Konflikt in Korea wäre für Europa sehr teuer, und er würde sich vermutlich global ausweiten, da die USA und China und eventuell auch Russland aneinandergeraten werden.

Das Iran-Abkommen

Alle Beteiligten des Atomabkommens – auch die USA – bescheinigen dem Iran bisher, das Abkommen einzuhalten, mit dem Teheran auf die Entwicklung von Kernwaffen verzichtet. Trump wertet das Abkommen aber als das schlechteste, das die USA je geschlossen hätten. In der UN-Generaldebatte hatte Trump zuvor den Iran als „Schurkenstaat“ bezeichnet, der Gewalt exportiere, und mit dem Ende des 2015 geschlossenen Atomabkommens gedroht. Der Iran hat hierauf eine Rakete des neuen Typs Choramschahr getestet, die mehrere Sprengköpfe über 2000 Kilometer transportieren kann. „Der Iran hat gerade eine ballistische Rakete getestet, die in der Lage ist, Israel zu erreichen. Sie arbeiten auch mit Nordkorea zusammen. Mit unserem Abkommen ist es nicht weit her!“, twitterte dann Trump. Teheran betont, das Raketenprogramm diene nur der Verteidigung und die Raketen seien so konstruiert, dass sie keine Atomsprengköpfe tragen könnten. Sein Programm zur Entwicklung von Kernwaffen habe der Iran im Rahmen des internationalen Atomabkommens eingestellt; das betreffe das Raketenprogramm nicht.

Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman bezeichnete den jüngsten Raketentest als „Provokation“ und „Herausforderung der USA und ihrer Verbündeten“. Frankreich äußerte sich „äußerst besorgt“ und forderte Teheran auf, jegliche destabilisierende Handlung in der Region zu unterlassen und die Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrats zum Atomabkommen vollständig umzusetzen. Der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani verglich Trumps Vorwürfe gegen den Iran am Sonntag mit Methoden des Nazi-Propagandaministers Joseph Goebbels.

Auch hier vorläufig nur ein Krieg der Worte.

Referendum über ein unabhängiges Kurdistan

Im Nordirak dürfen fünf Millionen Einwohner über ein unabhängiges Kurdistan abstimmen. Die Zentralregierung bezeichnet das Referendum als verfassungswidrig. Es wird erwartet, dass eine Mehrheit der Wähler für einen eigenen Staat stimmen wird. Wahlberechtigt sind mehrheitlich Kurden verschiedenen Glaubens, aber auch Christen und die meist sunnitischen Araber und Turkmenen der Region. Die kurdische Regionalregierung lässt auch in südlicheren Gebieten wählen, die formal unter Bagdads Hoheit stehen. Dazu gehört die Ölprovinz Kirkuk, die von den kurdischen Peschmerga-Truppen des Regionalpräsidenten Massoud Barzani vor zwei Jahren im Kampf gegen den “Islamischen Staat” eingenommen wurde. Das bedeutet, dass die Grenzen Kurdistans nicht klar sind. Sowohl die Türkei als auch Iran hatten zuletzt Truppen an der Grenze zur Kurdenregion zusammengezogen. Die Herrscher der Nachbarländer befürchten ein Aufbegehren der Kurden in ihren eigenen Staatsgrenzen. Die meisten Kurden leben in der Türkei.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan drohte der kurdischen Führung im Nordirak wegen des Unabhängigkeitsreferendums mit einer Blockade ihrer Erdöl-Exporte. Die Kurden im Nordirak exportieren ihr Öl über die Türkei. Erdogan drohte außerdem mit einer militärischen Intervention im Nordirak nach dem Vorbild des türkischen Einmarsches in Syrien. „Wir können eines Nachts ganz plötzlich kommen“, sagte er. So sei die Türkei auch in Syrien verfahren. Das Referendum nannte der Präsident „null und nichtig“. Die Türkei werde das Ergebnis der „illegalen“ Volksabstimmung nicht anerkennen. Bislang hat nur Israel angekündigt, dort ein Kurdistan zu akzeptieren.

In Syrien gibt es ebenfalls eine Rojava genannte kurdische Autonomiezone. Dort haben die Kurden vergangene Woche die Gemeinderäte wählen lassen, völlig unabhängig von den Bürgerkriegsparteien im Rest des Landes.

Irak und Syrien werden möglicherweise als Zentralstaaten nicht zu retten sein. Unklar ist, wie die Türkei und der Iran langfristig reagieren. Die rund 30 Millionen Kurden scheiterten bislang mit Staatsgründungen am Widerstand aller Herrscher der Region.

Weitere Unruheherde

Es gibt noch weitere Unruheherde wie z.B. das katalanische Referendum. Das hat das spanische Verfassungsgericht für unzulässig erklärt. Die Polizei soll nun verhindern, dass es stattfindet. Die spanische Guardia Civil beschlagnahmte mehrere Millionen Wahlzettel für das geplante Referendum zur katalanischen Unabhängigkeit. In Barcelona demonstrierten mehrere Tausend Menschen.

Nicht zu vergessen die Krise in der Ostukraine, Bürgerkrieg in Libyen, Hungernot in Afrika, die Klimakrise ……

Es wäre sehr viel zu tun, um eine Krise nach der anderen zu beseitigen.

Schwelende Brandherde

Sind Sie auch beunruhigt?

1962 – Kuba Krise, 2017 Nordkorea – USA Krise

Es war Herbst 1962, der Konflikt um die Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba führte an den Rand einer nuklearen Katastrophe. Alle, die diese Krise erlebt haben, hatten Angst vor einem Atomkrieg zwischen den USA und Russland. Und heute?  Ich gebe zu, auch wieder Angst zu haben.

Blicken wir zurück:  Die Sowjets stationierten heimlich atomar bestückte Raketen auf der Insel ihres Verbündeten Fidel Castro – unmittelbar vor Amerikas Küste. Die Luftaufnahmen ließen keinen Zweifel: Im Westteil Kubas waren sowjetische Raketenträger, Abschussrampen und ein Materiallager zu erkennen. Es waren insgesamt 42.000 Soldaten nach Kuba verschifft worden, darunter eine 10.000 Mann starke Kampftruppe. An Bord hatten sie konventionelle Kurzstreckenraketen für den Küstenschutz, 98 Sprengköpfe für nukleare Gefechtsfeldwaffen sowie 36 Atomraketen vom Typ R-12, die mit einer Reichweite von 2.000 Kilometern Verwüstungen weit im Inneren der USA hätten anrichten können. Geplant war auch die Stationierung von Mittelstreckenraketen vom Typ R-14, ausgelegt auf Ziele in einer Entfernung von 4.000 Kilometern. Niemals zuvor hatte die UdSSR in Friedenszeiten Waffen, Material, technisches Personal und Truppen in einem solchen Umfang ins Ausland verlegt.

Um den sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow zum Rückzug aus »Amerikas Hinterhof« zu zwingen, verkündete Präsident John F. Kennedy am 22. Oktober eine Seeblockade Kubas. Am 24. Oktober trat sie in Kraft; am selben Tag versetzte Kennedy die strategischen Luftstreitkräfte der USA in den höchsten Alarmzustand unterhalb der Schwelle eines Nuklearkriegs (Defense Condition 2).

Zum ersten und bis heute einzigen Mal galt DefCon 2 für alle 183 amerikanischen Interkontinentalraketen und 1479 Langstreckenbomber. Spätestens 60 Minuten nach einem Befehl aus dem Weißen Haus konnten sie eingesetzt werden. Sofort angriffsbereit waren auch rund 70 B-52-Bomber, die Tag für Tag und Nacht für Nacht die Grenzen des sowjetischen Luftraums abflogen. Als unbedingt und sofort auszulöschende Ziele in der Sowjetunion hatte das Strategic Air Command 220 Städte, Militär- und Industrieanlagen sowie Verkehrsknotenpunkte festgelegt.

Acht Divisionen mit insgesamt 120.000 Mann und dem größten seit 1944 mobilisierten Kontingent an Fallschirmspringern bereiteten sich unterdessen auf eine Landung östlich von Havanna vor. Und Fidel Castro ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er seine martialischen Reden über „Heldentod“ ernst meinte. Annähernd 400.000 reguläre Soldaten und eilig bewaffnete Arbeiter, Bauern und Studenten (Bevölkerung von sieben Millionen) ließ der »Máximo Líder« mobilisieren. Am 27. Oktober schließlich forderte er Nikita Chruschtschow in einem Brief zum nuklearen Erstschlag auf, falls die USA auf Kuba landen sollten.

Eine Woche lang hielt die Welt den Atem an – bis am 28. Oktober über Radio Moskau die erlösende Nachricht verlesen wurde: Sollten die USA einen Gewalt- und Invasionsverzicht gegenüber Kuba erklären, werde Moskau seine Offensivwaffen demontieren. John F. Kennedy nahm das Angebot an.

In der Kubakrise stand für keine der beiden Seiten die militärische Sicherheit auf dem Spiel. Drei Dutzend sowjetische Mittelstreckenraketen vor der eigenen Haustür, darin waren sich John F. Kennedy und seine engsten Berater einig, änderten nichts an der strategischen Übermacht der USA. Die Amerikaner waren bei den Interkontinentalraketen fünffach überlegen (230 zu 42), besaßen fast zehnmal mehr Langstreckenbomber (1400 zu 155) und dominierten bei der Zahl der Atomsprengköpfe im Verhältnis 17 zu 1 (5.000 gegenüber 300). Die Vereinigten Staaten hätten im Falle eines sowjetischen Angriffs zwar großen Schaden genommen; die UdSSR aber wäre durch einen Gegenschlag vollständig vernichtet worden.

Kuba war ein Sonderfall: Dort hatten im Januar 1959 Revolutionäre den Diktator Fulgencio Batista vertrieben und die Macht übernommen. Daraufhin lieferte Nikita Chruschtschow Waffen an die Revolutionsregierung, half ihr wirtschaftlich auf die Beine und betrieb den Ausbau der Insel zu einem Brückenkopf der UdSSR. Die Regierung Kennedy versuchte unterdessen, einen Regimewechsel auf Kuba herbeizuführen, und setzte – nachdem alle Mordkomplotte gegen Castro fehlgeschlagen waren – im April 1961 1.500 Exilkubaner in der Schweinebucht ab, um die Regierung zu stürzen. Doch das Kommandounternehmen scheiterte kläglich.

Überzeugt, dass die USA eine neuerliche Invasion wagen würden, wollte Nikita Chruschtschow die Zuverlässigkeit der UdSSR als Schutzmacht unter Beweis stellen. Er versprach sich davon eine nachhaltige Aufwertung des sowjetischen Prestiges in der Dritten Welt – außerdem hatte er Castro sein Wort gegeben. Es ging um Glaubwürdigkeit, die Ehre und Symbole. Mit John F. Kennedy, Nikita Chruschtschow und Fidel Castro trafen Protagonisten aufeinander, die dazu neigten, Politik auf eine Frage der persönlichen Ehre zu reduzieren.

Von einem souveränen Krisenmanagement konnte damals keine Rede sein. Nur selten waren Kennedy und seine Berater voll über das Geschehen informiert. Die langsame Datenübermittlung in überlasteten Funk- und Telegrafennetzen hatte zur Folge, dass fast 24 Stunden benötigt wurden, um Informationen über eine Kursänderung von „verdächtigen“ sowjetischen Schiffen zu prüfen. Die Ortung des Schiffsverkehrs war technisch schwierig (bis zu  90 Meilen voneinander abweichende Positionsschätzungen).

Vier sowjetische U-Boote, jedes beladen mit 21 konventionellen Torpedos und einem Atomtorpedo von ungefähr 19 Kilometer Reichweite, näherten sich am 26. Oktober der Blockadelinie, verfolgt von vier US-Flugzeugträgern, 32 Zerstörern sowie Dutzenden von Kampfflugzeugen und Hubschraubern. Die Kapitäne der sowjetischen U-Boote wussten nichts von der politischen Zuspitzung, geschweige denn, dass sie sich in der Nähe einer Blockadezone bewegten und von US-Zerstörern gejagt wurden. In den USA ahnte man nicht, dass Attacken auf nuklear bewaffnete U-Boote autorisiert worden waren.  Alles Weitere lag im Ermessen der sowjetischen U-Boot-Kommandanten. Von ihrer Lagebeurteilung hing es ab, ob es zum Kampf kommen würde oder nicht. Dass die Konfrontation glimpflich ausging, ist ausschließlich der Kaltblütigkeit der sowjetischen Kapitäne zu verdanken. Sie entzogen sie sich am 26. und 27. Oktober mit geschickten Manövern den unablässigen Attacken ihrer Verfolger. Drei von vier Booten setzten ihre Fahrt wie geplant bis nach Kuba fort.

Dass die Krise nicht eskalierte, lag auch an Nikita Chruschtschow. Im entscheidenden Moment bemühte er sich um eine Entkrampfung der Situation. Chruschtschow verfügte, dass die Mittelstreckenraketen und atomaren Gefechtsfeldwaffen unter keinen Umständen ohne seine Erlaubnis eingesetzt werden dürften. Alle mit Raketen oder mit Sprengköpfen beladenen Frachter wurden sofort zurückgerufen.

Dennoch: die USA sollten im Gegenzug zu einem Abbau der Kuba-Raketen ihre Mittelstreckenraketen aus der Türkei abziehen. Im Gegensatz zur Mehrheit seiner Berater wollte John F. Kennedy die Forderung nicht in Bausch und Bogen ablehnen und fädelte deshalb hinter dem Rücken des eigenen Krisenstabes ein Geheimtreffen seines Bruders mit dem sowjetischen Botschafter in Washington ein. Das Gegenangebot: Sollten die Sowjets aber binnen 24 Stunden den Rückzug ihrer Raketen ankündigen, würden die USA nach vier bis fünf Monaten auch die Jupiter-Raketen in der Türkei demontieren. Der Kremlchef gab nach.

Unter dem Schock der damaligen Erfahrungen richtete man eine telefonische Direktverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml ein; auf beiden Seiten wurden technische Vorkehrungen getroffen, um den unautorisierten Einsatz von Atomwaffen zu verhindern. Vor allem aber hielten die Streitkräfte beider Staaten fortan Abstand voneinander.

Und heute: Es gibt weder einen Bruder des Präsidenten, der in geheimer Mission unterwegs sein könnte, noch gibt es überhaupt einen Willen zu einem Gespräch. Wohl gibt es einen Präsidenten, der seine Meinung ändern kann und der eher weniger auf seine Berater hört. Aber wird das reichen?

Sind Sie auch beunruhigt?

Meine Schulschikurse

Schifahren war selbst damals in den späten vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts etwas, das man Kindern österreichweit beibringen wollte. Also gab es  Schulschikurse ab der dritten Klasse Gymnasium – jährlich. Das allein war aufregend 1948.

Vor allem waren die Eltern besorgt, wie denn das Kind ausgestattet werden konnte. Also: die Schi Hose war eine alte Hose meines Vaters, die man abgeschnitten und unten mit einem Gummizug versehen hatte.  Dabei hätte ich so gerne eine Keilhose gehabt. Zur Ausrüstung kam noch eine alte Windjacke meiner Mutter dazu und genagelte Schuhe meines Großvaters. Nur Schi gab’s keine in der Familie, die mussten daher angeschafft werden. Ich kann mich noch gut erinnern wie sie gekauft wurden, beim Schischuh in Ottakring, Eschenschi, mit Lederriemenbindung.

Aber nichts war wirklich einfach für mich, meine Mutter hat – wahrscheinlich aus erzieherischen Gründen – immer Bedingungen an die Teilnahme geknüpft.  Heute weiß ich, dass die Teilnahme immer sicher war, aber damals zitterte ich immer wieder, ob ich dann wirklich mitfahren dürfe, weil nämlich die Lateinschularbeit, die Mathematikschularbeit nicht entsprechend ausgegangen sind. Und Latein fiel mir anfänglich schwer und in Mathematik ging mir erst in der Oberstufe „der Knopf auf“, wie man zu sagen pflegte.

Endlich war es dann soweit, ich durfte also doch mitfahren, der erste Schulschikurs fand in Spital am Semmering statt. Damals wurden wir noch von den Eltern zur Bahn gebracht. Spätere Schulschikurse führten uns dann nach Annaberg – die Fahrt mit der Maria Zellerbahn war wunderschön, aber der „Anstieg“ mit Schi und Rucksack zum Heim – eigentlich Gasthaus – war dann schon mühsam.  Nichts allerdings im Vergleich mit der Felseralm, wohin uns der Schisport in der Schule auch führte. Da war mir schon von der Busfahrt auf den Pass hinauf schlecht.

Ich hatte nie große sportliche Ambitionen, und auch beim Schifahren war ich nie „vorne dabei“. Ich war zwar ehrgeizig und wäre gerne in der „besten Gruppe“ mitgefahren, aber dazu reichte es nie. Es gab damals noch kaum Lifte, man musste jedes Mal mühsam hinaufgehen, und von präparierten Pisten war auch nicht noch nicht die Rede. Also lernten wir brav Stemmbogen fahren. Und die Anordnungen „Schulter dahin, Hüfte dorthin und Beine wieder anders“, also das taugte mir gar nicht. Wir hatten auch keine feschen Schilehrer, sondern nur unsere Turnprofessorinnen und ein paar so genannte „Beiwagerln“ (Azubi – würde man vielleicht heute sagen) brachten uns das Schifahren bei. Ich fuhr lieber Schuss, und als eine Mitschülerin meinte, dass ich wohl zu feig wäre, durch einen Hohlweg hinunter zu fahren, musste ich mich doch wohl oder übel in den Hohlweg „werfen“. Passiert ist nichts, außer dass ich für „undiszipliniertes Verhalten“ einen halben Tag Hausarrest bekam.

Eine unserer Mitschülerinnen hatte Kekse im Gepäck und daher kam jemand auf die „lustige“ Idee, die Kekse mit Zahnpasta zu bestreichen, zusammenzupicken und der Lehrerin aufzuwarten. Wir waren dann sehr enttäuscht, als sie diese Kekse mit Zahnpasta ohne mit der Wimper zu zucken verspeiste. Als wir dann schon in der Oberstufe waren, hatten einige von uns kleine Fläschchen mit alkoholischen Getränken mitgebracht. Wir kamen uns unerhört verrucht vor, als wir gemeinsam so ein Flascherl Triple Sec (Likör mit Orangengeschmack) geleert hatten.

Aber da gab es auch andere Freizeitbeschäftigungen. Eine unserer Turnlehrerinnen, es war schon in der Oberstufe, bemühte sich, mit uns ihre Liebe zur Musik zu teilen. Diesen Abend werde ich nie vergessen. Sie hatte eine Aufnahme und ein Abspielgerät mitgebracht und erklärte uns Dvoraks Symphonie aus der Neuen Welt. Es war ein musikalisches Erlebnis. Ich möchte ihr dafür danken.

Der letzte Schulschikurs fand in der siebenten Klasse statt – in der achten bereitete man sich auf die Matura vor. Dann gab es schon Schilifte, wenn auch noch nicht viele, zumindest Schlepplifte. Diejenigen, die auch mit ihren Eltern mit Schiern unterwegs waren, fuhren schon eleganter, nicht mehr mit Stemmbogen sondern in Parallelschwüngen – und sie hatten auch schickes Schigewand.  Bei alledem konnte ich nicht mithalten.

Ich ging auch Schifahren, über Silvester, in den Osterferien – aber „mit dem Alpenverein“. Dort gab es eine Jugendgruppe. Wir stiegen auf, mit Fellen, die immer rutschten. Wir verachteten Schilifte und eventuell präparierte Pisten. Allerdings hatten wir gelernt, wo man sicher nicht fahren durfte, z.B. „Hänge durchschneiden“. Wir hatten in unseren Rucksäcken immer Lawinenschnüre mit. Rote Bänder, die man auswerfen sollte, wenn man in eine Lawine kam.  Zum Glück blieb uns das erspart. Wir wohnten in „Selbstversorgerhütten“, dorthin mussten wir alles schleppen, Verpflegung aber auch Holz zum Heizen.  Nur sehr selten gab es einen Materiallift. Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen musste aus Schnee geschmolzen werden. Sehr beliebt war unter diesen Umständen die Erbswurst Suppe. Die Erbswurst ist eines der ältesten industriell hergestellten Fertiggerichte. Es handelt sich dabei um keine Wurst im eigentlichen Sinne, sondern um Portionstabletten, die in eine wurstförmige, mit Alu beschichtete Papierrolle verpackt werden. Daraus kann in kurzer Zeit eine sämige Erbsensuppe hergestellt werden, indem man die Portionsstücke zerdrückt, in kaltem Wasser auflöst und einige Minuten kocht. Neulich erst habe ich eine derartige Rolle in einem Supermarkt gesehen und überlegt, ob ich sie aus Nostalgie kaufen sollte. Hab‘ es aber dann doch nicht getan, so gut war nun die Erbswurstsuppe auch wieder nicht.

So oder so, Schifahren hat mir nie besonderen Spaß gemacht und ich hab’s aufgegeben, als mir meine Kinder davongefahren sind.

Meine Schulschikurse