Verhüllungsverbot – Verhüllungsgebot und der Wahhabismus

Bei uns in Österreich gibt es ein Verhüllungsverbot, das jetzt gerade – zu Halloween – schwer zu exekutieren sein wird.

In Saudi-Arabien hinwieder gibt es ein Verhüllungsgebot für Frauen. In Saudi-Arabien ist das Verschleiern von Frauen in der Öffentlichkeit Pflicht. Dies geschieht in der Regel mit einer Abaya oder einem Hidschab. Eine Strafe ist bei Nichtachtung rechtlich nicht festgelegt, aber ins Ermessen des Richters gelegt. Zumeist muss mit einer „Aufforderung“ durch die Polizei gerechnet werden, drastischer wird es, wenn es zu einer Aufforderung durch die Mutawwa (islamische Religionspolizei) kommt. Auch Letzteren muss nicht zwingend gehorcht werden. Vielleicht erinnern sich noch manche daran, mich hat es damals verstört: 15 Schülerinnen starben im März 2002 beim Brand eines Schulgebäudes in Mekka, weil sie am Verlassen des brennenden Schulgebäudes durch Wächter der islamischen Religionspolizei mit Schlägen gehindert wurden, da die Mädchen keine Kopftücher und keine langen Gewänder trugen. Auf Grund dieses Vorfalls erging erst 8 Jahre später (!) ein Erlass des Erziehungsministeriums an alle Schulleiter und Wachpersonal, dass Rettern bei Notfällen unmittelbar Zugang zum Schulgelände gewährt werden muss.

Aber es ist nicht nur das Gewand, das Frauen in Saudi-Arabien einengt: Reisen dürfen Frauen nie gänzlich auf eigene Faust – ein Beschützer muss zumindest zustimmen, dass eine Frau eine Reise unternehmen darf. Frauen dürfen nicht heiraten, wen sie wollen. Auch hier ist immer die Zustimmung eines „Beschützers“ erforderlich. Auch eine Scheidung ist Frauen nur in engen Grenzen erlaubt – sie stoßen dabei in jedem Fall auf mehr Schwierigkeiten als Männer. Will eine Frau arbeiten, so reicht es nicht, dass sie eine offene Stelle findet. Der sogenannte Beschützer und sein Plazet sind auch in diesem Fall erforderlich. Noch immer muss ein männlicher Vormund – meistens der Vater, Ehemann oder Bruder – erlauben, dass eine Frau etwa studieren oder reisen darf.  Zudem stehen Frauen nicht alle Berufe offen, es gibt hier zahlreiche Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt. Das Ausgehen mit Männern, die nicht der Verwandtschaft angehören, ist untersagt – auch in Restaurants herrscht strikte Abschottung. Erben dürfen Frauen nicht in beliebiger Höhe – sie erhalten stets weniger als Männer.

Aber jetzt versucht der junge Kronprinz, Salman b. ʿAbd al-Aziz Āl Saʿūd, * 31. August 1985, die bestehende Verbote für Frauen etwas zu lockern. Er hat eine Abkehr seines Landes von ultrakonservativen Religionsprinzipien angekündigt. Er will die 70 Prozent der Saudi-Araber ansprechen, die sind jünger als 30 Jahre sind. Er gilt als treibende Kraft bei der Entscheidung von König Salman, das Fahrverbot für Frauen aufzuheben, auch eine eigene Frauen-Fahrschule ist geplant. Bisher müssen Frauen entweder für viel Geld einen Privatchauffeur nehmen. Oder ihr Mann muss sie fahren. Frauen in Saudi-Arabien war das Betreten von Sportstadien bisher verboten. Das soll sich ab 2018 ändern – allerdings nur unter gewissen Bedingungen. Es kommen nur drei Sportstadien in Frage. Frauen dürfen nur in Begleitung ihrer Familien kommen.

Die angekündigten Lockerungen der vielen Einschränkungen für Saudi-Araberinnen sind Teil eines gigantischen Reformprojektes: Im Rahmen von „Vision 2030“ will Riad seine Wirtschaft und Gesellschaft umfassend modernisieren. Im Juli erlaubte das Bildungsministerium die Teilnahme von Mädchen am Sportunterricht staatlicher Schulen. Bei den Kommunalwahlen im Dezember 2015 durften Frauen zudem erstmals ihre Stimme abgeben und kandidieren.

Aber die wahhabitischen Geistlichen sind von diesen Vorhaben schockiert. Als Wahhabiten werden die Anhänger der puristisch-traditionalistischen Richtung Wahhābīya des neuzeitlichen sunnitischen Islams bezeichnet. Die Bewegung gründet sich auf die Lehren Muhammad ibn Abd al-Wahhabs. Muhammad ibn Abd al-Wahhab lebte im 18. Jh. und stammte aus der Oasenstadt Uyaina im Nadschd (Saudi-Arabien). Er studierte unter anderem in Bagdad. Im Gegensatz zu anderen islamischen Gruppen lehnte es Ibn Abd al-Wahhab ab, die Aussagen des islamischen Rechts, die sich aus dem Koran und der Überlieferung vom Lebenswandel des Propheten (Hadith) ableiten, fortzuentwickeln und mit Hilfe von Analogieschlüssen veränderten Zeiten und Umständen anzupassen. Die möglichst wortgetreue Umsetzung der islamischen Quellen hatte für ihn Vorrang vor der Frage nach der zugrundeliegenden Absicht (niya) der Rechtssätze, die Spielraum für zeitgemäße Veränderungen des Rechts gegeben hätte. Die Lehre ist gegenüber „Neuerungen“ (Bid’a) streng.

Gemäß wahhabitischer Lehre ist nicht nur alles verboten, was nach dem Koran oder anderen Überlieferungen verboten ist, sondern auch jede Handlung oder Situation, die zu einer solchen verbotenen Tat führen könnte. Diese Einstellung entspricht einer wortwörtlichen Auslegung des Koran und der Sunna, den Überlieferungen über das Leben, die Handlungen und Aussagen des Propheten Muhammed.

Die Wahhabiten folgen der hanbalitischen Rechtsschule und lehnen den Sufismus, den Kalām (arabischer Begriff, der allgemeinsprachlich die Bedeutung von „Rede“, „Gespräch“, „Worte“ hat, im spezifischen Sinn aber eine bestimmte Form des theologischen Streitgesprächs bezeichnet, das sich auf rationale Argumente stützt und insoweit der Systematischen Theologie entspricht) wie auch alle Formen des schiitischen Islams ab. Sie wenden sich darüber hinaus auch strikt gegen Heiligenverehrung, Wallfahrten zu Gräbern und die Feier des Prophetengeburtstags.

Die Anhänger Ibn Abd al-Wahhabs nehmen für sich in Anspruch, als einzige heute die islamische Lehre authentisch zu vertreten. Glaubensauffassungen, die mit dem Wahhabismus nicht vereinbar sind, werden von ihnen in der Regel als unislamisch deklariert. Die meisten Wahhabiten leben heute in Saudi-Arabien, wo ihre Lehre staatliche Förderung genießt und etwa durch die Islamische Weltliga global verbreitet werden soll. Daneben dominieren Anhänger der wahhabitischen Lehre auch in Katar, sie finden sich aber auch in Indien, Pakistan und Westafrika. Die Bezeichnung „Wahhabiten“ wird nur von Gegnern dieser Gruppierung verwendet. Sie selbst bezeichnen sich in der Regel nicht so, sondern als Salafis oder einfach als „Sunniten“.

Die in Asien verbreitete Gruppe der Ahl-i Hadith sowie das Al-Qaida-Netzwerk stehen den Wahhabiten nahe. Auch die Ideologie der Taliban weist Ähnlichkeiten mit dem Wahhabismus auf, allerdings sind die Taliban Anhänger der hanafitischen Rechtsschule.

In seinem Herrschaftsgebiet führte der Islamische Staat einen auf der Scharia und dem Wahhabismus basierenden 16-Punkte-Katalog ein, der das öffentliche und private Leben massiv normiert und einschränkt.

Kennzeichnend für den Einfluss der Wahhabiten sind unter anderem folgende Praktiken im öffentlichen Leben: Verbot des Autofahrens für Frauen; Verbot für Frauen, sich in der Öffentlichkeit mit fremden Männern zu zeigen; Öffentliche Scharia-Strafen wie Hinrichtungen und Auspeitschungen; Verbot der freien Religionsausübung; Lange Zeit waren Musik und Fernsehen uneingeschränkt verboten.

Ich kann nur hoffen, dass die österreichische Polizei nicht wie die Mutawwa nicht verkleidete Kinder anhält!

 

Verhüllungsverbot – Verhüllungsgebot und der Wahhabismus

Terrorismus der Siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts

Wir glauben, dass wir in bedrohten Zeiten leben. Es werden rundherum Maßnahmen gegen terroristische Anschläge gesetzt. Derzeit sind z.B. Poller sehr in Mode. In anderen Ländern wird jahrelang der Ausnahmezustand verhängt. Wir in Österreich sind bisher recht günstig weggekommen, wenn man von den Anschlägen in den 80er Jahren absieht.

Aber in Europa ist schon früher der Terror umgegangen, nämlich der heimische Terror – ich denke dabei an die Rote-Armee-Fraktion in Deutschland oder die Roten Brigaden in Italien.

Und im Rahmen dessen gab es einen „runden“ Jahrestag: Die Nacht zum 18. Oktober 1977 wird als Todesnacht von Stammheim (die Justizvollzugsanstalt Stuttgart befindet sich im Stuttgarter Stadtteil Stammheim) bezeichnet. Die Anführer der terroristischen Vereinigung Rote-Armee-Fraktion (RAF), Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, sterben in ihren Gefängniszellen in Stuttgart durch Selbstmord. Das Ereignis war der Schlusspunkt des Deutschen Herbstes mit einem der längsten und schwierigsten Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik ohne ein rechtskräftiges Urteil.  Dabei versuchte die zweite Generation der RAF (den Kern der zweiten RAF-Generation bildeten anfangs Baaders Anwalt Siegfried Haag, nach dessen Verhaftung Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar) die inhaftierten Terroristen der ersten Generation (Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof) freizupressen. Es stand in engem Zusammenhang mit der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer und der Entführung des Flugzeugs «Landshut». Schleyer wurde am 18. Oktober als Reaktion auf den Tod der Häftlinge in Stuttgart von der RAF ermordet. Im Zusammenhang mit der Entführung von Hanns Martin Schleyer (* 1915; † 18. Oktober 1977 an unbekanntem Ort im Grenzgebiet von Frankreich zu Belgien war ein deutscher Manager und Wirtschaftsfunktionär. Von 1973 bis 1977 war er deutscher Arbeitgeberpräsident und seit 1977 Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Industrie) wurden im deutschen Fernsehen erstmals Ausschnitte aus einem Video, die den Entführten in seinem Versteck zeigten ausgestrahlt. Die Stimme der Geisel und die bewegten Bilder waren für die Fernsehzuschauer neu und erschütterten die Menschen nicht nur ein Deutschland. Im Rückblick werten Experten diese Aufnahmen als „Quantensprung in der Geschichte der terroristischen Kommunikation“. Mit der medialen Inszenierung des Schreckens wollten und wollen Terroristen möglichst großen Widerhall in der Öffentlichkeit finden. Dank Videoaufnahmen blieb die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers stärker als andere RAF-Taten (Die linksextreme „Rote-Armee-Fraktion“ verbreitete mit Banküberfällen, Mordanschlägen und Sprengstoffattentaten mehr als 20 Jahre lang Angst und Schrecken in Westdeutschland. Die Terroristen ermordeten mehr als 30 Menschen) im Gedächtnis. Der IS verfolgt heute die gleiche Medienstrategie mit anderen Mitteln.

Statt Krawatte und Anzug trägt der Manager das offenen Sakko auf der nackten Haut. Das Photo wirkt, als wollten die Kidnapper nicht nur die Geiselnahme, sondern die völlige Entmachtung von Hanns Martin Schleyer demonstrieren. Bis heute sind diese Aufnahmen unvergessen, die den entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer vor dem Logo der Rote-Armee-Fraktion  zeigen und dessen ganze Hilflosigkeit ausdrücken.

Nach einer kurzen Nachrichtensperre gelangten nicht nur diese Fotos, sondern auch erstmals mehrere Videos an die Öffentlichkeit, die den entführten Schleyer in seinem Versteck zeigten. Zehn Tage nach der Entführung Schleyers, dessen Tag der Ermordung sich am 18. Oktober jährt, wurden erstmals Ausschnitte eines solchen Videos ausgestrahlt. Sie gehören bis heute zur Ikonografie des deutschen Terrorismus.

Die Erinnerung an den Deutschen Herbst und den Terrorismus der RAF wirft auch kritische Fragen zum heutigen Verhältnis von Medien und Terrorismus auf. Denn die Inszenierung des Schreckens war und ist Teil einer gezielten Kommunikationsstrategie, mit der Terroristen möglichst großen Widerhall in der Öffentlichkeit finden wollen. Als führende RAF-Aktivistin war Ulrike Meinhof selbst Journalistin, und auch Holger Meins studierte Film und Design, bevor er in den Untergrund ging.

Es gab ein dichtes Netz an Kontakten in die Medienszene zu Journalisten, Künstlern, Schriftstellern, Verlegern und Designern. Auch das RAF-Logo soll unter Mitwirkung eines Werbegrafikers entstanden sein. Schon damals ging es darum, eine Marke zu werden mit einem Logo und einem coolen Image. Neben einer intensiven Beschäftigung damit, wie Medien wirken, gab es bei der RAF auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Mediensystem und dessen «kapitalistischen Strukturen». Die RAF zielte noch auf traditionelle Medien ab, konzentrierte sich vor allem auf die Nachrichtenagenturen, die Presse und das Fernsehen, weil diese damals die Nachrichtenwelt noch maßgeblich bestimmten.

Auch für al-Qaida waren internationale TV-Sender zentral, und das Attentat vom 11. September 2001 war vermutlich ein letztes Großereignis des «Fernseh-Terrorismus». Mit dem Internet kam eine Zäsur, denn der IS mit seinem Terror ist vor allem online aktiv und nutzt moderne Technologien und soziale Medien für seine Zwecke.

Während die RAF Kopien von Videobändern und Polaroidbilder an Redaktionen sandte oder Bekennerschreiben verbreitete, haben die Terroristen von heute längst die ganze Medieninszenierung selbst in die Hand genommen und gehen direkt ins Internet. Der IS ist technologisch auf dem neuesten Stand, erstellt Webvideos und benützt Dienste wie Instant Messenger, Whatsapp, Twitter und Facebook. Vor allem die visuelle Ebene ist dabei entscheidend.

Der IS setzt in seiner Kommunikationsstrategie auf eine doppelte Publizität. So werden im Internet einerseits möglichst virale Inhalte veröffentlicht, die sich online überdurchschnittlich schnell und weit verbreiten lassen. Mit der erneuten Aufbereitung dieser Inhalte durch die herkömmlichen Medien wird ein zweiter Effekt erzielt. Erst durch dieses Echo könnten sich Breitenwirkung und Deutungsmächtigkeit der IS-Botschaften so entfalten, dass via Informationspolitik der Terroristen eine internationale Öffentlichkeit erreicht werde. In vielen Redaktionen wird deshalb seit Jahren intensiv darüber diskutiert, wann Journalisten als glaubwürdige Vermittler von Informationen berichten müssen und wann sie sich von der Terrorpropaganda instrumentalisieren lassen. Einfache Antworten darauf gibt es in der modernen Nachrichtenwelt nicht.

Es gibt auch erkennbare Unterschiede zwischen dem medialen Umgang mit der RAF und jenem mit dem IS. Während die Berichterstattung über die RAF sehr stark personalisierte und sich vor allem auf Einzelpersönlichkeiten wie Meinhof, Baader und Ensslin konzentrierte, sind die Gesichter des IS in der europäischen Öffentlichkeit praktisch unbekannt. Das war bei al-Qaida und Osama bin Ladin noch anders.

Also hoffen wir, geschützt durch Poller auf ruhige Zeiten!

Terrorismus der Siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts

Ithuba

Da sich manche bei dem derzeitigen Shitstorm fragen, wie es eigentlich zu diesem Projekt ITHUBA gekommen ist, möchte ich dazu einiges aus meinem eigenen Erleben beitragen.

1991 wurden Schritte unternommen, in Südafrika die Apartheid abzuschaffen. Bereits 1990 war Nelson Mandela freigelassen worden. Es folgten lange Verhandlungen zwischen de Klerks National Party und dem von Nelson Mandela angeführten ANC über Machttransfers, Machtteilung, die politische Zukunft und das politische System des neuen Südafrikas. Dabei stand de Klerk unter dem Druck rechter weißer Nationalisten, die sich nicht mit dem Ende der Apartheid abfinden wollten. Doch in einem nur weißen Bürgern vorbehaltenen Referendum im März 1992 sprachen sich zwei Drittel für de Klerks Weg und eine neue Verfassung aus. Deren vorläufige Version wurde 1993 verabschiedet und trat am 27. April 1994 in Kraft, zeitgleich zu den ersten freien Wahlen Südafrikas.

Bei diesen ersten freien Wahlen in Südafrika bildeten sich lange Schlangen von Bürgern vor den Wahllokalen und es herrschte eine Aufbruchsstimmung im Land. Die Erwartungshaltung der Schwarzen war hoch! All dies wurde auch im österreichischen Fernsehen übertragen und es wurde klar, dass es zumindest kurzfristig aufgrund des lokalen BIP‘s diese hohen Erwartungen kaum erfüllbar sein würden.

Das veranlasste Christoph Chorherr, den Wiener Grün-Politiker, seine Ideen, dort zu helfen an den damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk heranzutragen. Anfänglich wurde dann in der so genannten Orange Farm gebaut und ein College in Betrieb genommen. Aus dieser Zeit stammen viele Kontakte, die Christoph in SA knüpfen konnte. Anlass für die spätere Bautätigkeit in Südafrika war eine Wiener Architekturausstellung,  bei dem  fiel Christoph ein Projekt eines amerikanischen Professors aufgefallen war, der Wegwerfmaterialien (recycled material) zum Bauen verwendete. Christoph wollte diesen Professor für die Wiener Projekte begeistern, der Professor lehnte ab und da beschloss der Wiener Grünpolitiker, dass man das ja auch selber könnte. Und man konnte!

Dabei entstand die Idee mit Universitäten – Fach Architektur – international zusammen zu arbeiten. Studenten sollten Gebäude entwerfen, planen, lokal verfügbare (billige) Materialien verwenden, und dann selbst diese Gebäude in SA errichten.  So entstanden in der Township Orange Farm eine Bibliothek und ein Kindergarten.

Und nun fragte sich Christoph, ob es nicht sinnvoll wäre, nicht nur Gebäude aufzustellen, sondern auch Bildungskonzepte selbst zu verbreiten.  So kam es zu Ithuba – zuerst wurde eine Klasse gegründet, eine Klasse einer High-School (ähnlich einer HTL, mit Schwerpunkt Berufsausbildung), vielleicht anders als bei uns, nämlich in der Form eines „Skills-College“. Dort sollten die Kinder nicht nur Wissen ansammeln, sondern auch praktisch in Tätigkeiten unterwiesen werden, die ihnen und ihren Familien später einen Lebensunterhalt bieten würden. Z.B. wurden auch Handwerker – hier in Österreich vielleicht schon in Pension – angeworben, die ihre Kenntnisse an diese Kinder in einer Township in Südafrika weitergeben konnten.  Jedes Jahr kam eine weitere Klasse dazu, dazu mussten auch Räumlichkeiten und Infrastruktur (z.B. Wasserversorgung) geschaffen werden.

Es stellte sich heraus, dass sich viele Kinder um eine Aufnahme in das Skills College bewarben, die nicht ordentlich lesen, schreiben und rechnen konnten, daher kam noch eine Volksschule dazu, um die Kinder vorzubereiten. Das Projekt wuchs, Gruppen aus Wien kamen, um zu helfen, beim Bau aber auch, z.B.  Gärten um Gärten anzulegen …

Parallel zu diesem Projekt „Ithuba“  wurde an der Wild Coast in einer sehr armen Gegend,eine zweite Schule begonnen, da die Kinder dort oft nicht ausreichend Englisch konnten, um überhaupt in eine Volksschule zu gehen, wurde ein Kindergarten eingerichtet, um die Kinder auf die Schule vorzubereiten. Es werden in Österreich noch immer Leute gesucht, die bereit sind, dort die jetzt 500 Kinder zu unterrichten.

Sollten die Spenden versiegen, wird derzeit 500 Kindern und ihren Familien die Perspektive auf ein besseres Leben geraubt.

Durch den derzeitigen Shitstorm werden sich viele Spender möglicherweise zurückziehen, es werden kaum neue dazu kommen. Die „social responsibility“,  die sich erst langsam in Österreich ausbreitet wird – auch zulasten anderer Projekte – wird einen herben Rückschlag erleben, da man diesen Spender-Firmen unterstellt, nur wegen eine „monetären Vorteils wegen“ gespendet zu haben.

Schade, dass ein derartiges Projekt – auch aus Gründen die wenig damit zu tun haben – sondern z.B. wegen der nicht gelungenen Verhinderung eines Baus am Heumarkt und dem Verlust des Canaletto-Blicks – zunichtegemacht werden soll.

Über das Architektur-Projekt hat Prof. Dietmar Steiner referiert: (www.facebook.com/dietmar.steiner/posts/10208698692698236)

 

 

 

 

Ithuba

Eine fehlgeschlagene Abspaltung: die Kurden im Irak

Abspaltungen, Freiheitsbestrebungen einzelner Volksgruppen scheinen derzeit nicht vom Glück begünstigt zu sein. Weder die Kurden noch die Katalanen waren diesbezüglich erfolgreich. Warum eigentlich?  Es wäre eine Untersuchung wert, die Trennung der Tschechen und Slowaken 1993 mit den derzeitigen Trennungsversuchen zu vergleichen.

Den Kurden war der eigene Staat schon während des Ersten Weltkriegs versprochen worden und nun hält dennoch die von Sykes und Picot geplante Grenze?

Lange gingen Experten und Politiker davon aus, dass das Auseinanderbrechen des Irak unvermeidlich wäre, sie meinten, dass die schwache Zentralregierung, die ethnischen Spannungen sowie Aufstände Symptome für einen „failed state“ wären, entstanden aus Teilen eines besiegten Imperiums (das Osmanische) und nun dazu verdammt, in sich zusammen zu brechen.

Aber der irakische Premierminister ist da anderer Ansicht. Noch 2006, als die USA sich bemühten, mit den Folgen des Krieges von 2003 fertig zu werden, rief der zukünftige Vize Präsident Joe Biden dazu auf, den Irak – ähnlich der ethischen Linien von Bosnien – zu teilen. Verschiedene Demokraten, aber auch Republikaner unterstützten die kurdischen Bemühungen um einen eigenen Staat (Kurden hatten eine starke Lobby in Washington aufgebaut). 2014, als der so genannte Islamische Staat Mossul erobert hatte, die bevölkerungsreiche Stadt im Norden, meinte man in den USA, dass keine Einigkeit erzielt werden könnte. Sogar jetzt noch, nachdem die irakischen Streitkräfte ein zerstörtes Mossul   neuerlich kontrollieren, gibt es gerechtfertigte Befürchtungen, dass Bagdad nie in der Lage sein werde, die durch den Krieg zerrissener Nation wieder zu einen.

Aber der irakische Premierminister Haider al-Abadi ist da anderer Meinung. Nach der Eroberung von Mossul hat er die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden zunichtegemacht, ja er hat sogar jene Territorien, die durch kurdische Streitkräfte seit 2014 besetzt waren, zurückgeholt. Abadi, der schon als schwacher Funktionär abgeschrieben worden war, ist nun populärer denn je.  Und diese Tatsache könnte ein kleiner Lichtblick für die USA sein, da bisher zwei Alliierte der Amerikaner – die irakische Regierung und die Kurden – einander bekämpft hatten. Man geht jetzt sogar davon aus, dass Abadi die Wahlen nächste Jahr gewinnen wird.

Der Irak wird stärker werden, wenn sich die kämpfenden Fraktionen vereinen. Und der Einfluss von Fremden auf den Irak wird zurückgehen, wenn sich das Vertrauen der Iraker in ihren Staat verstärkt, wenn es wieder ein irakisches Nationalgefühl geben wird, und die Bindung der Menschen an ihren Staat stärker werden wird.

Wenn sich auch die überwiegende Mehrheit der Kurden für eine Unabhängigkeit ausgesprochen hat, hat diese Abstimmung nicht mehr Freiheiten für die Kurden gebracht.  Stattdessen hat Abadi die Unterstützung aller Nachbarn Iraks sowie der USA erhalten, die alle die kurdischen Unabhängigkeitsbestrebungen bedauerten und sich für die Einheit des Irak aussprachen. Irakische Kräfte, unterstützt von iranischen Revolutionsgarden, haben das ölreiche Kirkuk zurückerobert, das sich in den vergangenen drei Jahren in kurdischen Händen befunden hatte, und das bei dem Referendum mitstimmen durfte.

Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass sich die Kurden zutiefst gedemütigt fühlen, sich weiter spalten und damit in eine schwache Verhandlungsposition seit den fehlgeschlagenen Autonomieverhandlungen 1975 gedrängt wurden. Die Kritik wendet sich besonders gegen den Regional-Präsidenten Masoud Barzani. Seine Gegner behaupten, er hätte das Referendum zu seinen eigenen Gunsten angesetzt.  All das kann nun dazu führen, dass Barzani demnächst zurücktreten muss.

Die politische Elite der Kurden scheint die Gelegenheit verpasst zu haben, als die internationale Gemeinschaft auf Seiten der Kurden stand, als ihre Wirtschaft blühte und die Autonomie vorhanden war. Möglicherweise wurde das Referendum aufgrund einer falschen Interpretation der US Politik angesetzt. Barsani und seine Verbündeten hielten fälschlicherweise die breite Sympathie für die Kurden bei den amerikanischen Politikern für echte Unterstützung.  Aber für die Amerikaner würde ein vereinter Irak eine seltene Gelegenheit bieten, Erfolg im Mittleren Osten für sich zu buchen.

Abadi hinwieder bemüht sich an diese mögliche Erfolgsstory anzuschließen und sein Land aus den Schatten des Krieges und der Zerstörung herauszuführen. Aber nicht allein der Wille der USA wird ihn lenken, gerade hat er ein Ansinnen Rex  Tillersons zurückgewiesen, die paramilitärischen schiitischen Kräfte aufzulösen, die allerdings kriegsentscheidend beim Kampf gegen den islamischen Staat waren. Die Amerikaner sehen in diesen schiitischen Verbänden Stellvertreter des Irans.  Abadi sieht sie als irakische Truppen, die auch eine Hoffnung des Landes und der Region darstellen.

Aber Abadi ist auch nicht ein Handlanger der Iraner. Erst kürzlich hat er einige Länder, die dem Iran feindlich gegenüberstehen, wie Saudi-Arabien oder Ägypten, umworben um weitere Investitionen im Irak vorzunehmen. Kürzlich hatte er auch Ankara besucht, mit Erdogan wurde darüber gesprochen, die Erdölexporte aus Kirkuk wiederaufzunehmen.

Gleichzeitig betonte er seine Bereitschaft, den Dialog mit den Kurden und anderen Minderheiten wiederaufzunehmen. Jedenfalls weist er vehement die Idee zurück, dass sein Land der Kriegsschauplatz für größere geopolitische Spiele werden sollte. Er will sowohl mit den USA als auch mit dem Iran kooperieren, aber sie mögen bitte nicht ihre Auseinandersetzungen in den Irak tragen, dieser Kampf sollte dann woanders ausgefochten werden.

Müssen es wirklich immer und überall Kämpfe sein?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine fehlgeschlagene Abspaltung: die Kurden im Irak

Grätzel meiner Kindheit – Währinger Straße

Während des Krieges haben meine Eltern eine neue, größere Wohnung für uns gefunden. Sie war nicht nur größer, (zwei Zimmer, Kabinett), sie umfasste auch eine Toilette (sogar mit Fenster) und hatte diverse Wasserauslässe. Was eigentlich noch für den damaligen Luxus noch fehlte, war ein Badezimmer. Dem wurde später abgeholfen, indem die Küche geteilt wurde und im diesem Teil eine große Badewanne und ein mit Holz beheizbarer großer Wasserbehälter installiert wurde. Es gab keine Zentralheizung aber wunderschöne Kamine, die mit Holz zu heizen waren und in deren Umgebung es sehr gemütlich war. Es musste zwar täglich die Asche ausgeleert werden und immer trockenes, „gescheiteltes“ Holz lagernd sein, aber diese alten Keramikkamine waren auch optisch sehr ansprechend. Geheizt wurde jeweils nur ein Zimmer, indem sich die die ganze Familie aufhielt.

Die Wohnung lag im zweiten Stock, kein Lift, sondern gezählte 56 Stufen führten hinauf. Wir wohnten im „zweiten Trakt“ eines Häuserkomplexes in der Währinger Straße. Das galt damals als weniger fein, als im ersten Trakt, nämlich an der Straße direkt zu wohnen, aber es war ruhig, wir hatten kein „Gegenüber“, denn da die Währinger Straße gegenüber der Parallelstraße Wasagasse um zwei Stockwerke höher liegt, hatten wir eine gute Sicht über die Roßau. Wenn man ein bisserl schräg hinausschaute, konnte man einen Blick auf den Kahlenberg und den Leopoldberg erhaschen. Vor unserem Fenster in dem Garten, der diesem zweiten Trakt angeschlossen war, wuchs ein mächtiger Kastanienbaum, der vielen Vögeln Heimat bot. Der Garten allerdings war der Hausmeisterin vorbehalten und durfte von den Mietern nicht betreten werden. Denen waren die Höfe vorbehalten, in denen noch Klopfstangen standen, über die beim Großreinemachen die Teppiche geworfen wurden, um sie auszuklopfen und damit zu reinigen. Benutzt werden durfte noch der Keller, dort hatte jeder sein Abteil, es gab die gemeinsame Waschküche – und während des Krieges lag dort auch noch der Luftschutzraum.  Der Dachboden, in dem früher die Mieter noch ihr nicht mehr benütztes Gerümpel aufbewahrt hatten, musste komplett geräumt werden, damit dort beim Fallen der Brandbomben nicht sofort ein schwer löschbares Feuer entstehen würde.  Ansonsten hingen dort Stricke, auf denen die gewaschene Wäsche zum Trockenen aufgehängt wurde.  Das Haus war die Währinger Straße Nummer 26 an der heute noch eine Tafel mit folgender Aufschrift hängt, „Hier stand das Gartenhaus, wo Mozart vom Sommer 1788 bis Herbst 1790 wohnte und Cosi fan tutte sowie die Simphonien G moll, Es dur, und C dur mit der Fuge schrieb“.

Benannt ist die Währinger Straße nach der bis 1892 selbstständigen Gemeinde Währing. Der Name wurde erstmals etwa 1170 als Warich urkundlich verzeichnet. Über die Herkunft des Namens gibt es nur Vermutungen. Möglicherweise ist er slawischen (var für warme Quelle) oder germanischen Ursprungs (werich für Tagwerk, d. h. ein Feld in einer Größe, wie es ein Mann an einem Tag bearbeiten kann), womöglich leitet er sich auch von Werigandus, dem ersten Abt des Klosters Michelbeuern, ab.  Darüber, so gebe ich zu, habe ich bei der Übersiedlung dorthin nicht nachgedacht. Die Straße wurde urkundlich zum ersten Mal 1314 erwähnt. Bis in das 19. Jahrhundert stellten sich weite Teile des neunten Bezirks als Aulandschaft mit zahlreichen, später begradigten, zugeschütteten oder eingewölbten Wasserläufen dar; deshalb verlief diese Straße nicht direkt am späteren Donaukanal nach Norden.

Nach den beiden Türkenbelagerungen wurde die Gegend im 18. Jahrhundert beliebter Ort für Gärten des Adels, – wie den direkt an der Währinger Gasse gelegenen, großen Dietrichsteingarten, in dem später das Palais Dietrichstein, heute Palais Clam-Gallas, gebaut wurde, und das anschließendeF Gartenpalais Liechtenstein. Südwestlich der Währinger Gasse etablierten sich medizinische Institutionen, an die das Allgemeine Krankenhaus anschloss. Wo sich heute die zentrumsnächsten Häuserblöcke der Straße befinden, erstreckte sich bis 1858 bis zur Hausnummer 9, Ecke Schwarzspanierstraße, bzw. 16, Ecke Berggasse, das Glacis als freies Schussfeld und Landschaftspark vor der Stadtmauer.

Die Geschichte der Währinger Straße in der heutigen Form begann, als die Als, die die Straße an der heutigen Kreuzung mit dem Straßenzug Spitalgasse–Nussdorfer Straße im 9. Bezirk kreuzte, 1840 eingewölbt und als 1850 die Vorstädte innerhalb des Linienwalls nach Wien eingemeindet wurden. Nun wurde die Währinger Straße begradigt und 1855 vom Tal der Als bergauf bis zum Linienwall verlängert.

Es gab und gibt eine Reihe von prominenten Gebäuden in „meinem Abschnitt“ der Währinger Straße:

  • 2–4: 1861–1883 das provisorische Abgeordnetenhaus des Reichsrates, bis 1866 Parlament der Gesamtmonarchie, ab 1867 nur der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder. Der Reichsrat beschloss 1867 die bis zum Ende der österreichischen Monarchie 1918 gültige Dezemberverfassung.
  • 6–8: 1887–1908 der Sitz der Marinesektion des k.u.k. Kriegsministeriums
  • 10: Altes Chemisches Institut, 1869–1872 von Heinrich von Ferstel im Stil der Neurenaissance
  • 13: Anatomisches Institut der Medizinischen Universität Wien (1950 / 1951) mit erhaltenem Mittelteil des im Bombenkrieg 1945 ansonsten zerstörten historistischen Gebäudes.
  • 13A: Pharmakologisches Institut; erbaut 1898.
  • 25: Im barockklassizistischen Josephinum befindet sich das Institut für Geschichte der Medizin mit einer Sammlung anatomischer Wachspräparate aus dem 18. Jahrhundert.
  • 30–36: Palais Clam-Gallas, zuvor Palais Dietrichstein, heute vom Lycée Français de Vienne genutzt, in einem großen Privatpark.
  • 38–42: Vor dem Chemischen und dem Physikalischen Institut der Universität Wien, 1908–1915 bei der Abzweigung der Boltzmanngasse auf dem Platz eines ehemaligen Armenversorgungshauses bzw. der k.k. Tabakregie errichtet, steht Denkmal für den erfolgreichen Chemiker und Unternehmer Carl Auer von Welsbach, Erfinder des Gasglühlichts. r. 41: Hier wohnte 1868–1876 der Komponist Anton Bruckner.
  • 43: Im Gebäude der Bezirksvorstehung für den 9. Bezirk befindet sich das Bezirksmuseum Alsergrund, das eine Doderer-Gedenkstätte, einen Erich-Fried-Gedenkraum und ein Schnitzler-Memorial umfasst.
  • 45: Auf dem Grundstück Ecke Spitalgasse stand einst ein Bürgerversorgungshaus, das 1928 abgerissen wurde. Dann legte die Stadtverwaltung hier den 1949 so benannten, großen Arne-Carlsson-Park an, unter dem Park erstreckt sich ein Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg.
  • 48: Wohnhaus der Musikerfamilie Sirota mit ihrer Tochter Beate Sirota, die 1945 Teile der japanischen Verfassung zu Frauenrechten konzipierte.
  • 50: Gegenüber dem Arne-Carlsson-Park wohnte unweit der Strudlhofstiege, die er als Titel für seinen bekanntesten Roman wählte, von 1956 bis zu seinem Tod 1966 der Autor Heimito von Doderer.

Dominiert wird das Viertel wohl durch die Votivkirche, auch der Park davor, früher Votivpark später Sigmund Freud Park, spielte in meiner Kindheit ein Rolle. Durch die Übersiedlung gehörten wir jetzt zur Pfarre der Votivkirche. Dort fanden auch jeweils am Samstag nachmittags die so genannten Seelsorgestunden statt, da es ja in der Nazi-Zeit keinen Religionsunterricht in der Schule gab.

Es fiel uns sehr schwer, als wir im Februar des Jahres 1944 Wien aufgrund der Bombardierungen verlassen mussten und in Pregarten im Mühlviertel unterkamen. Wir wussten damals nicht, ob wir je wieder in unsere Wohnung zurückkehren könnten und in welchem Zustand wir sie vorfinden würden. –

Grätzel meiner Kindheit – Währinger Straße

100 Jahre Russische Revolutionen

Kürzlich, anlässlich 100-Jahre Oktober-Revolution konnte man im Fernsehen die hervorragende Dokumentation von Hugo Portisch sehen. Eindrucksvoll, wie die chaotische Situation 1917 klar aufgegliedert und erläutert wurde.

Der russische Staat nämlich hält sich mit Gedenkanlässen zum 100-Jahr-Jubiläum stark zurück. Das Budget kremlnaher Organisationen für derartige Aktionen beträgt laut Medienberichten magere 50 Millionen Rubel (ca. 736 286 Euro). Auch die Idee, den Sturm auf den Winterpalast in St. Petersburg nachzustellen, wurde nach heftiger Kritik aufgegeben. Als nachhaltiger könnte sich die seit 2013 andauernde Arbeit von Historikern an einem einheitlichen Geschichtsbuch für alle Schulen erweisen. Heute herrschen Halbwissen und Verschwörungstheorien vor. Angeblich wissen nur 11 Prozent der Russen, gegen wen die Bolschewiki die Revolution durchführten, und gar nur 7 Prozent, bis wann der Bürgerkrieg dauerte. In nationalistischen bis rechtsextremen Kreisen ist die Theorie stark verbreitet, dass Lenin ein Agent einer «jüdischen Weltverschwörung» gegen Russland war.

Wer war nun Lenin: eigentlich Wladimir Iljitsch Uljanow, geboren am 10. Juli/ 22. April 1870 (nach gregorianischem Kalender) in Simbirsk heute umbenannt in Uljanowsk; gestorben am 21. Januar 1924, war ein russischer kommunistischer Politiker und Revolutionär sowie marxistischer Theoretiker, Vorsitzender der Bolschewiki-Partei und der aus ihr hervorgegangenen Kommunistischen Partei Russlands, Regierungschef der Russischen SFSR (1917–1924) und der Sowjetunion (1922–1924), als deren Begründer er gilt.

Nachdem Lenins Bruder Alexander Uljanow wegen eines geplanten Attentats auf den Zaren hingerichtet worden war, schloss sich der junge Mann den marxistischen Sozialdemokraten an und widmete sich der Untergrundarbeit für eine kommunistische Revolution in Russland. Mehrmals musste er ins Exil emigrieren, die meiste Zeit in die Schweiz. Er gründete 1903 eine eigene Fraktion in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, die Bolschewiki, die spätere Kommunistische Partei Russlands.

Nachdem Anfang 1917 in Russland die Monarchie in einer bürgerlichen Revolution gestürzt worden war – laut Portisch eigentlich von den St. Petersburger Bürgerinnen – und die neue Regierung an Russlands Beteiligung am Ersten Weltkrieg festhalten wollte, eroberten die Bolschewiki unter Lenins Führung in der Oktoberrevolution die Macht. Sie lösten die verfassungsgebende Versammlung gewaltsam auf und schränkten die Meinungsfreiheit ein. Es gelang den Bolschewiken im nun folgenden Bürgerkrieg, den Großteil der Gebiete des ehemaligen Russischen Reiches unter ihre Kontrolle zu bringen und den Widerstand der sogenannten Weißen Armeen und auch anderer gegnerischer Bürgerkriegsparteien militärisch und durch Einsatz des roten Terrors zu brechen, trotz der materiellen Unterstützung der Weißen Armee durch zahlreiche ausländische Mächte, u. A. der USA, Frankreich, und der zeitweiligen Besetzung russischer Gebiete durch andere Staaten. Gegen Ende des Krieges, 1922, gründeten die Bolschewiki die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken.

Zu dieser Zeit war Lenin bereits schwer krank. Nach seinem Tod 1924 wurde sein Leichnam einbalsamiert und in einem Mausoleum an der Mauer des Kremls ausgestellt. In der Folge stellten die Stalinisten Lenins Bedeutung für die Sowjetunion und den Kommunismus Moskauer Prägung immer weiter heraus. Innerhalb der politischen Linken ist die Beurteilung der Rolle Lenins bis heute umstritten. Nach Lenins Tod, seit der Zeit des Stalinismus, wurde daraus die Ideologie des Marxismus-Leninismus konstruiert. Auf der anderen Seite stehen Verweise auf Menschenrechtsverletzungen, Dogmatismus und antidemokratische Tendenzen, die mit modernen Sozialismuskonzepten nicht vereinbar seien. Eine große Rolle bei der Beurteilung der leninschen Theorie spielen die Fragen, ob sich der Kommunismus auch in einem industriell rückständigen Land entwickeln könne, und welche Rolle dabei einer Partei neuen Typus zukam.

Lenin verkörpert den Bruch und den Widerspruch zwischen diesen Epochen: Er gründete durch die Zerstörung des zaristischen Systems die UdSSR, die ein rückständiges Agrarland innerhalb weniger Jahrzehnte in eine moderne Gesellschaft verwandelte. Auf die Revolution folgten der Rote Terror und der bis 1922 dauernde Bürgerkrieg gegen die «Weißen» mit Millionen von Toten. Dieser resultierte im Sieg der Sowjetmacht über ihre zaristischen, bürgerlichen und gemäßigt linken Gegner. Vor seinem Tod im Jahr 1924 schlug Lenin zwar eine gemäßigtere Politik ein. Die darauffolgenden Gräuel des Stalinismus erfolgten aber einmal mehr in seinem Namen.

Die Lenin-Gedenkstätte in Uljanowsk, das bis 1924 Simbirsk geheißen hatte, wurde als „architektonischer und ideologischer Leuchtturm“ konzipiert. Sie ist Museum, Forschungszentrum und Konzertsaal und entstammt einer Zeit, als die „Rückbesinnung auf Lenin“ nach dem Stalinismus und dessen widersprüchlicher Aufarbeitung im „Tauwetter“ der fünfziger und frühen sechziger Jahre zum neuen Dogma der Parteiführung wurde: Während überall Lenin-Statuen entstanden, plante der ebenfalls aus Uljanowsk stammende Chefideologe Michail Suslow die Lenin-Gedenkstätte.

Zwischen 1967 und 1970 gestalteten die besten Architekten und Bildhauer den Bau. Um den Betonquader herum entstand ein Park mit Wasserspielen. Die wirtschaftlich schwach entwickelte Stadt erhielt ein neues Gesicht: Im Zentrum rissen die Behörden Hunderte von Holzhäusern ab und siedelten die Bewohner in Plattenbauten um. Eine Universität und zwei Hoteltürme wurden gebaut, für die Studenten und jährlich eine Million Touristen. Auf dem Lenin-Platz durfte selbstverständlich auch eine Statue des Staatsgründers nicht fehlen.

Heute ist der Glanz der sowjetischen Moderne verblasst, die Innenstadt eher trist. Die Bassins vor der Gedenkstätte sind leer, der Asphalt bröckelt, und die Gedenkstätte ist eingezäunt: Die Steinplatten der Fassade könnten herunterfallen. Nach 47 Jahren ist das Gebäude stark sanierungsbedürftig. Die Kosten dafür müsste Moskau schultern, doch wurde die geplante Renovierung wiederholt verschoben. Es ist zweifelhaft, ob ihr der Kreml hohe Priorität zumisst in Zeiten der knappen Finanzen.

Dennoch äußert Moskau die Hoffnung, dass Lenin wieder zu einer Figur der nationalen Einheit werden könnte: Tatsächlich sehen laut einer Umfrage 56 Prozent die Rolle Lenins in der Geschichte des Landes in positivem Licht – eine Zunahme um über 10 Prozentpunkte in der letzten Dekade. Der Rest lehnt ihn jedoch ab oder hat keine Meinung, was die Spaltung der Gesellschaft eher betont als relativiert. Der Wunsch, die konfliktträchtige Geschichte Russlands durch eine versöhnliche und patriotische Erzählung zu entschärfen, entspricht den Zielen der staatlichen Geschichtspolitik. Beim Zweiten Weltkrieg ist dies bereits gelungen; der Heldenmythos der Roten Armee hat in der Öffentlichkeit Fragen nach Fehlern der Führung oder nach den 27 Millionen Toten, welche der Sieg gefordert hat, weitgehend verdrängt. Stalin gilt als nachahmenswerter Held.

Für das Jahr 1917 scheint die Gestaltung der Geschichte komplizierter, da es zwei Revolutionen mit divergierenden Zielen gab – eine im Februar und eine im Oktober –, die in der neugeschaffenen Leerformel «Große Russländische Revolution» nur schwer einzubinden sind, vom Bürgerkrieg und Rotem Terror ganz zu schweigen.

In der Sowjetunion und später in Russland ist es üblich, die Geschichte nach gegenwärtigen Erfordernissen darzustellen.

100 Jahre Russische Revolutionen

Der heurige Nationalfeiertag ein großes, fröhliches Volksfest

Heute waren wir am Heldenplatz, am Nationalfeiertag.  Heuer war es etwas anders als sonst, da das Bundesheer sein Gerät verteilen musste, da durch die Ausweichquartiere für das Parlament nicht alles am Heldenplatz Raum finden konnte. An einem strahlend schönen Herbsttag tat das aber dem Publikumsandrang und der positiven Stimmung keinen Abbruch.  Das haben wir versäumt: die Kranzniederlegungen: Bundespräsident Alexander Van der Bellen und die Bundesregierung gedachten am Äußeren Burgtor der toten Soldaten und Opfer des Widerstandes. Höhepunkt des Festaktes war die Angelobung von 1.321 Rekruten aus ganz Österreich am Heldenplatz. Danach folgte der Fallschirmsprung von drei Soldaten des Jagdkommandos. Diese sind allerdings aufgrund der Windverhältnisse nicht wie geplant am Heldenplatz, sondern im Burggarten gelandet.

Viele sind gekommen, aus allen Bevölkerungsschichten, aus allen Altersklassen, Touristen und Österreicher waren dabei, aber auch solche mit Migrationshintergrund. Ein gutes Zeichen für Österreich.  Sogar die umstrittene verkleidete Figur, die bei der Polizei Anstoß erregt hatte,  fand sich vor einem Hinweise auf die Demokratiewerkstatt und war von Kindern umlagert. Es wurde viel photographiert, die Kinder bekamen bunte Luftballons in der Form von Flugzeugen und Hubschraubern. Die Ansprachen anlässlich der Angelobung der jungen Rekruten gingen fast unter, auf einer großen Leinwand konnte man aber den Vorgang und das offizielle Österreich sehen.  Auch die hohe Geistlichkeit aller Denominationen war vertreten. Natürlich, und es wäre nicht Österreich, gab es verschiedene Standeln, wo allerhand Essbares angeboten wurde.  Aber auch die EU betrieb einen Informationsstand sowie diverse Ministerien. Die Garde marschierte mit ihrer Musikkapelle auf.

Der Ring war wieder einmal gesperrt (mit Ausnahme der Straßenbahn, Radfahrern und Fußgängern). In der Stadt gab es viel Gedränge, weil sich die Interessierten zu den verschiedenen Plätzen, wo Gerät ausgestellt war, begaben.  Die öffentlichen Gebäude waren allesamt mit Fahnen geschmückt, die fröhlich im Wind flatterten.

Der österreichische Nationalfeiertag wird seit 1965 jährlich am 26. Oktober begangen, dem Tag, an dem 1955 die beschlossene österreichische Neutralität in Kraft getreten ist und die letzten Besatzungsmächte Österreich verlassen haben. Dieser Gedenktag löste den vormaligen Tag der Fahne als Nationalfeiertag ab. Am 12. November feierte die Erste Republik ihre Entstehung.  Später änderte sich das Datum auf den 1. Mai. An diesem Tag war die Verfassung des Ständestaates feierlich verkündet worden. Im Juli 1955 erlangte Österreich durch den Österreichischen Staatsvertrag die Souveränität zurück. Der Abzug der Alliierten Besatzungsmächte geschah am 25. Oktober 1955. Um schließlich nicht dieses Ereignis zu feiern, sondern die Neutralität Österreichs, wurde das Datum 1956 auf den nächsten Tag verlegt. Seither wird am Nationalfeiertag die österreichische Flagge gehisst, weswegen man oftmals auch vom “Tag der Fahne” sprach. 1967 wurde der Nationalfeiertag den übrigen gesetzlichen Feiertagen in Österreich gleichgestellt und ist seither arbeitsfrei.

Anfänglich fanden unter dem Motto „Fit am Nationalfeiertag“ hunderte Breitensportveranstaltungen im ganzen Land statt, vor allem für Läufer und Wanderer („Fit-Märsche“), aber auch für Radfahrer, Skater oder Walker. Leider ist dieser Aspekt über die Jahre verloren gegangen.

Nun ich verstehe jene Menschen, die in den sozialen Medien posten, dass man den Nationalfeiertag nicht unbedingt mit Zurschaustellung von Kriegsgerät feiern müsste, sondern andere Errungenschaften der Bürger dieses Staates darstellen sollte. Aber man sollte auch nicht vergessen, warum es anfänglich diese militärischen Darstellungen gab, die inzwischen zur Tradition geworden sind. Man wollte nach allen Seiten nachdrücklich beweisen, dass Österreich sehr wohl seine Neutralität verteidigen könne, und das war im Kalten Krieg kein unwesentlicher Aspekt. Jetzt ist es zum Volksfest geworden, auch nicht so schlecht.

Das Angebot der „Offenen Türen“ (Hofburg und Kanzleramt) nahmen wir nicht an. Vielmehr lasen wir die Plakate der Demonstranten vor der Hofburg (rund um die neuen glänzenden Poller), die gegen die FPÖ gerichtet waren.  Und vom Michaelerplatz kommend war eine andere Demonstration  im Gange, gegen Atomraftwerke, insbesondere gegen Bohunice, so nahe an Österreich.

Ich lebe gerne in einem friedlichen Land, das seinen Nationalfeiertag als Volksfest begeht.

 

Der heurige Nationalfeiertag ein großes, fröhliches Volksfest

#Me too – #not me? Und die Semmeringbahn

Ich muss leider zugeben, dass mich das alles sehr stört. Z.B. dass der ehemalige US-Präsident Bush sen. sich mit seinen 93 Jahren entschuldigt, dass er zu Zeiten, als das noch nicht als so schlimm galt, einer Dame auf den Hintern gegriffen hat.  Mich stört auch, wie Nina Proll nun angegriffen wird, weil sie sich erlaubt hat, zu sagen: #not me!

Als ich jung war, konnten sich Männer noch viel herausnehmen, aber man konnte ihre Handlungen mit Würde übersehen. Es war, ist und bleibt verwerflich, berufliches Vorrücken durch sexuelle Begünstigung erkaufen zu müssen. Aber in welchen Berufen und in wie vielen Fällen wird das noch gefordert. Ich finde diesen Hype im Moment recht ärgerlich, er führt dazu, dass das als „Standardvorgabe“ eingestuft ist, das es nicht war, nicht ist und nicht sein wird. Natürlich gehen wir heute davon aus, dass Frauen und Männer gleichwertig sind (was sich leider noch immer nicht in der Bezahlung ausdrückt – aber auch nicht im Frauenpensionsalter). Sicher ist es schwierig, die Grenze zwischen Belästigung und freizügigem Umgang festzulegen.  Aber wenn es dazu führt, dass sich ein Mann nicht traut, in eine Liftkabine zu steigen, wenn nur eine Frau drin ist, um nicht hinterher der sexuellen Belästigung bezichtigt zu werden.

Es gibt andere Problemfelder, die aufgegriffen werden müssten! Es gibt in Österreich viele Menschen, die gegen etwas (Neues) sind. Da wird viel investiert, die sozialen Medien werden genutzt und Experten werden aufgerufen. Langsam bin ich leider dazugekommen, dass ich die jeweils zitierten Experten nicht immer ernst nehmen kann, denn es gibt für jede Sachfrage „Experten“, die mit entsprechenden Argumenten dafür oder dagegen sprechen. Es steht jedem Bürger frei, gegen gewisse Vorgehensweisen zu sein, dagegen zu demonstrieren, andere aufzufordern, sich der jeweiligen Kampagne anzuschließen. Dazu kann das Internet genutzt werden, dabei können „Mitstreiter“ über soziale Medien gesucht werden.

Wenn dann aber endlich eine Entscheidung gefallen ist, so finde ich, sollten die Regeln der repräsentativen Demokratie gelten.  Die so getroffene Regelung sollte dann auch gelten – mit allen Konsequenzen.  Aber hinterher – leider meist hasserfüllt, weil man ja seine Sache nicht durchbringen konnte – bösartig jene anzugreifen, die diese Entscheidung gefällt haben, finde ich verwerflich, besonders wenn man sie mit juristischen Mitteln über andere Einsatzgebiete versucht anzuschwärzen.

Es gibt leider jetzt in Wien eine Meute, die sich bei jeder Neuerung zusammenfindet und alles nur menschenmögliche versucht, diese Neue zu verhindern. Es ist ihr gutes Recht, aber ist es auch das Recht der (mehrheitlich) anderen, dieses Neue umgesetzt zu sehen. Nicht umsonst dauert jedes Projekt in Österreich endlos lange und wird daher auch laufend teurer.

Vielleicht sollten wir uns eher an Carl Ritter von Ghega (1802 – 1860) orientieren,  der innerhalb von nur vier Jahren, entgegen aller negativen Behauptungen, dass das nicht möglich wäre, die Semmeringbahn erbaut hat!

#Me too – #not me? Und die Semmeringbahn

Die Gasse meiner frühen Kindheit

Begonnen hat es in der Harmoniegasse Nummer 3, im 9. Wiener Gemeindebezirk, dem Alsergrund. An das Haus kann ich mich noch erinnern, es führte eine gewundene Treppe zu uns in den zweiten Stock, Toilette und Wasser (Bassena) am Gang. Die Wohnung bestand aus einem Vorzimmer, als Wohnzimmer genutzt, einem Schlafzimmer und einer Küche. Dieses Vorzimmer hatte ein Fenster auf den Gang, das Schlafzimmer auf die Harmoniegasse. Mehr konnten sich meine Eltern damals nicht leisten. Ich kann mich noch erinnern, dass man mir berichtet hatte, dass die „Hausfrau“ (Gattin des Besitzers des Hauses?) im ersten Stock wohnte, damals belle Etage genannt, eine größere Wohnung hatte, deren Zimmer auch ein größeres Fenster hatte. An der Hinterseite des Hauses war ein kleiner Hof – mit Brunnen, der mit einer Mauer begrenzt war. Dahinter war der Park des Besitzes Clam Gallas.

Der Name der Gasse hat weniger mit Harmonie als Übereinstimmung, Einklang, Eintracht, Ebenmaß zu tun, als vielmehr mit dem Harmonietheater, das quer, am Ende/Anfang der Harmoniegasse in der Wasagasse stand. Später wurde das Theater in Orpheum beziehungsweise Neue Wiener Bühne umbenannt. Aber eigentlich war von der Bezirksvorstehung (erfolglos) der Name Jasomirgottstraße vorgeschlagen worden. Schade!

Das Ensemble der Miethäuser Harmoniegasse 1, 3, 4, 6, 8, 9 zählt zum Frühwerk Otto Wagners. Sie wurden 1864 für Leopold Blühdorn errichtet. Auch das Harmonietheater war ein Werk Wagners.

Das Ensemble Otto Wagners und auch meine Familie wurden erheblich gestört, als die Häuser 5 und 7 umgebaut und in ein Hotel umgewandelt wurden. Meine Großeltern hatten lange in der Harmoniegasse 7 gelebt und mussten – sehr gegen ihren Willen – umziehen. Sie fanden dann in der Porzellangasse eine Bleibe. Das Hotel Westminster wurde eröffnet und nach einiger Zeit renoviert und in „The Harmonie“ umbenannt.

Da die Gasse zur Pfarre Roßau gehörte, eigentlich Katholische Pfarre Maria Verkündigung bei den Serviten in der Roßau, wurde ich dort getauft, und meine Geburtsdaten dort eingetragen. Sie wurde damals auch Servitenkirche genannt.  Viel später, mit dem 31. August 2009 hat der Servitenorden seinen Wiener Konvent in der Roßau geschlossen. Hierauf war die „Kongregation der Maronitischen Libanesischen Missionare“ (CML) die neue Ordensgemeinschaft im ehemaligen Servitenkloster und hat die seelsorgliche Leitung der Pfarre Roßau übernommen. Ab 2012 hat die Priesterbruderschaft der Missionare des heiligen Karl Borromäus die Pfarrseelsorge in der Roßau übernommen und bewohnt seither das ehemalige Servitenkloster. Bekanntheit hatte das ehemalige Kloster bereits im Frühling 2013 erlangt. Damals diente es Flüchtlingen aus Traiskirchen, die zuvor die Votivkirche besetzt hatten, als Quartier.

Vom Fenster der Harmoniegasse Nummer 3 sah ich meinen Vater in den Krieg ziehen…

Als mich meine Mutter in den Kindergarten bringen wollte, damals in der so genannten Schubert-Schule – in der Grünentorgasse untergebracht, habe ich verweigert. An diesem Platz der Schubertschule stand bis 1913 das alte Schulhaus, in dem Franz Schubert 1818-1825 bei seinem Vater wiederholt gewohnt hat. Am 1. Jänner 1818 übersiedelte Schuberts Vater, der dann Schulleiter war, hierher. Ob auch Franz Schubert hier unterrichtete, ist ungewiss. Allerdings bin ich dann später dort gerne in die Schule gegangen. Mein Schulweg war damals: ein Stück Liechtensteinstraße, gelegen in der Alservorstadt, am Himmelpfortgrund, im Lichtental, in der Roßau, auch genannt Thury, benannt (1862) nach Adam Andreas Fürst Liechtenstein (1657-1712), einem Vertreter des bis heute regierenden europäischen Fürstengeschlechts, an dessen Besitz sie vorbeiführt (Liechtensteinsches Sommerpalais). Das war der Abschnitt eines alten nach Klosterneuburg führenden Straßenzugs, dessen südliche Seite bis zur Dietrichstein- und Harmoniegasse überwiegend aus Gärten bestand. Durch die Donauüberschwemmung 1193 wurde der älteste anstelle der Liechtensteinstraße verlaufende Verkehrsweg weggerissen und der Steilrand nördlich der Währinger Straße gebildet, die nun dessen Funktion übernahm. Damals, als ich zur Schule ging, befand sich das „Flieger-Kino“ dort in der Liechtensteinstraße, es war nach dem Ersten Weltkrieg aus der ehemaligen Dietrichsteinschen Reitschule entstanden, 1971 erfolgte der Umbau zum „Studio Molière“, dem Französische Lyzeum angegliedert. Dann kam schon der Bauernfeldplatz, den das Schulkind sehr bald allein zu queren hatte.  Er ist benannt nach Eduard von Bauernfeld (*1802, † 1890) Bühnendichter, Schriftsteller, wie mir meine Mutter sehr bald erklärt hatte. Bauernfeld hatte sehr bald als Lustspieldichter Erfolg gehabt. Und schon war ich in der Porzellangasse angelangt: benannt (1825/1862) nach der staatlichen Porzellanmanufaktur, einer der wichtigsten Straßenzüge der ehemaligen Vorstadt; der gekrümmte Verlauf entspricht jenem eines verlandeten Donauarms.  Um die Ecke befand sich schon die Grünentorgasse, in der Roßau, ist benannt nach dem Gasthausschild „Zum grünen Tor“.

In guter Erinnerung ist mir auch die Servitengasse, in der in meiner Kindheit ein Markt stattfand, auf dem die Peregrini-Kipferln verkauft wurden.  Benannt wurden diese köstlichen Kipferln nach dem späteren Heiligen Peregrinus Pellegrino Latiosus (geboren 1265). Ihm ist eine Kapelle der oben genannten Serviten Kirche geweiht. Zur Erinnerung an den freigebigen Peregrin wurden in Wien schon zu Kaisers Zeiten Peregrini-Kipferl verschenkt (sogar auch in den vielen jüdischen Haushalten am Alsergrund, wie etwa bei Sigmund Freud).

Und das bringt ich in die Berggasse, wo ich als Kind in schneereichen Wintern gerodelt bin.

Da uns die Wohnung in der Harmoniegasse doch irgendwann zu klein geworden war, übersiedelten wir in die Währinger Straße, doch dazu ein anderes Mal.

 

Die Gasse meiner frühen Kindheit

Bücher für Weihnachten?

Ich geb’s ja zu: ich lese gerne Thriller – nicht notwendigerweise Kriminalromane, eher so genannte Polit-Thriller. In der Familie werden sie abschätzig entweder als „Schmarrnbücher“ oder auch als „Buchis“ bezeichnet. Aber beim Kauf versuche ich drauf zu schauen, dass sie auch einen Informationswert haben, also z.B. „Origin“ von Dan Brown.  Ich habe auch die vorhergehenden „Langdon-Bücher“ gelesen und fand sie immer spannend und interessant. „Origin“ spielt in Bilbao und Barcelona und der „Mehrwert“ liegt für mich (für andere vielleicht schon) nicht so sehr in der Beschreibung der Städte und vor allem des Guggenheim Museums und besonderer Kunstschätze dort, sondern in der Beschreibung der von den Guten und den Bösen eingesetzten Technik. Das sehr vermenschlichte Computerprogramm, eigentlich eine der Hauptpersonen, ist für mich schon eine Zukunftsvision.  Das Königshaus und besonders die Kirche kommen nicht besonders gut weg!

Der kürzlich herausgekommene Ken Follett „Das Fundament der Ewigkeit“ kehrt wieder weiter in die Geschichte zurück: Es gilt als Band 3 der Kingsbridge Saga, hat aber mit deren Inhalten wenig zu tun, außer, dass es an dem selben Ort spielt. Der Inhalt ist diesmal die Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten in England und in Frankreich, wobei es nicht eigentlich um Glaubensinhalte geht, sondern um Machtausübung einerseits und Toleranz andererseits.  Es beginnt im Jahr 1558 und gipfelt in der Bartholomäusnacht,  23. – 24 August 1572 (ein Massaker an französischen Protestanten, den so genannten Hugenotten, anlässlich der (vermeintlich der Versöhnung dienenden) Hochzeit des Protestanten Heinrich von Navarra (des späteren Königs Heinrich IV.) mit Margarete von Valois in Paris.) Wie oft bei Follett sind die handelnden Personen sowohl fiktiv als auch reale historische Figuren. Das Buch ist spannend, wenn auch zuweilen vorhersehbar. Mir hat die Trilogie Sturz der Titanen, Winter der Welt, Kinder der Freiheit, besser gefallen, eigentlich weil ich mit diesem 20. Jahrhundert doch wesentlich vertrauter bin.

Der Erscheinungszeitpunkt liegt schon etwas länger zurück, aber „die Leopardin“ von Ken Follett hat mir auch gut gefallen. 1944, im besetzten Frankreich versucht die Resistance das deutsche Heer zu behindern. Unterstützt werden sie von wagemutigen Engländern. Die Deutschen werden als arrogant und eher dümmlich dargestellt. Damals lebten die deutschen Offiziere halt noch wie „Gott in Frankreich“ – allerdings nicht mehr lange!

Ein weiteres Buch, das vielleicht sogar etwas dazu beitragen kann, die Geschichte des Sudan bzw. auch den „Islamischen Staat“ im Irak und Syrien auch im zwanzigsten Jahrhundert besser zu verstehen, ist „Triumph der Sonne“ von Wilbur Smith. Viele von uns haben über die Belagerung von Karthum gelesen oder gehört, oder auch über die Schlacht von Omdurman. Auch ist manchen unter uns Älteren der Film „Karthoum – der Aufstand am Nil“ mit Charlton Heston und Laurence Olivier noch in Erinnerung.

Auch hier ein Roman sowohl mit fiktiven als auch realen Personen und vielen realen Fakten dieser Zeit. Im Sudan, der ab 1821 unter die Herrschaft der osmanischen Vizekönige (Khediven) von Ägypten gekommen war, begann 1881 der Mahdi-Aufstand. Muhammad Ahmad hatte sich zum Mahdi erklärt und im November 1883 mit seinen todeswütigen Reitern in der Schlacht von Scheikan die ägyptische Armee zerschlagen. Auf Grund der desolaten Lage der ägyptischen Truppen in Sudan wies die britische Regierung daher im Dezember 1883 Ägypten an, die Sudan-Provinzen aufzugeben. Dazu mussten allerdings tausende ägyptische Soldaten, britische Zivilangestellte und deren Angehörige aus dem Sudan evakuiert werden. Die britische Regierung beauftragte deshalb Charles George Gordon nach Khartum zu gehen, um von dort aus die Evakuierung zu organisieren.

Gordon wurde zum Generalgouverneur mit exekutiven Vollmachten ernannt. Er erreichte Khartum am 18. Februar 1884. Bevor die Mahdisten die Stadt am 12. März einschlossen und zu belagern begannen, konnte er noch ca. 2500 Frauen, Kinder, Kranke und Verwundete nach Ägypten evakuieren. Der militärische Anführer der Belagerer war der spätere Nachfolger des Mahdi Abdallahi ibn Muhammad.

Gordon unternahm eine Reihe von Versuchen, die Moral der Verteidiger zu erhöhen. Er ließ Siegesmeldungen über heraneilende britische Truppen verkünden und mietete Häuser für die Unterbringung derselben an. Die Bevölkerung hungerte.

Die britische Regierung sandte aber keine Entsatztruppen, da sie die Sudan-Provinzen ohnehin aufgeben wollte. Andererseits konnte sie Gordon nicht opfern und forderte ihn auf, sich zu retten. Gordon antwortete: „I am in honour bound to the people“ (Ich bin den Menschen hier in Ehre verpflichtet). In dem Buch wird Gordon als „Sturschädel“ dargestellt. Im Sommer 1884 wird eine Armee, die so genannte Gordon Relief Expedition, ausgesendet. Allerdings war diese nicht vor November 1884 abmarschbereit. Die Hauptstreitmacht (River Column) rückte mit Dampfern und Booten auf dem Nil vor. Gleichzeitig marschierte das so genannte Camel Corps direkt durch die Wüste. Aus der Belagerungsarmee von Khartum wurden daraufhin einige Tausend Mann abgezogen. Diese Armee stieß am 17. Januar 1885 in der Schlacht von Abu Klea auf das Camel Corps. Die Engländer konnten mit 1.500 Mann die zahlenmäßig weit überlegenen 10.000 Mahdisten schlagen.

In Khartum waren inzwischen die Vorräte verbraucht und die Verteidiger erschöpft. Am Morgen des 26. Januar traten 50.000 Mahdisten zum Angriff an. Die Angreifer hatten den Rückgang des Frühjahrshochwassers des Nil abgewartet und griffen daraufhin in Booten die nur schwach verteidigte Flussseite Khartums an. Sie stürmten und plünderten die Stadt und töteten Gordon. Die Mahdisten stellten den Kopf Gordons als Trophäe in ihrem Feldlager aus. Am 27. Januar gerieten zwei Dampfer der Gordon Relief Expedition unter Gewehrfeuer. Am 28. Januar trafen die Dampfer in Khartum ein. Sie gelangten in Sichtweite des Gouverneurspalasts und mussten feststellen, dass jede Hilfe zu spät kam. Der Mahdi-Aufstand gilt als der erste erfolgreiche Aufstand einer afrikanischen Bevölkerungsgruppe gegen den Kolonialismus. Das Kalifat von Omdurman existierte 15 Jahre und wurde 1898 durch eine anglo-ägyptische Streitmacht zerstört.

All das – und über viele fiktive private Schicksale in diesem Umfeld kann man in diesem Buch lesen. Selbst ohne Fiktion wäre es spannend genug.

Wenn Sie nun erwägen das ein oder das andere Buch zu verschenken – und es vielleicht vorher lesen wollen, dann tun Sie’s gleich. Ich habe alle über Kindle gelesen – der Vorteil: man benötigt kein Licht in der Nacht (geht aber zulasten des Schlafes!)

Bücher für Weihnachten?