Kürzlich lese ich einerseits, dass Israel seine Demokratie zugunsten seiner Identität beschädigt und andererseits, dass jedes Land eine Identitätspersönlichkeit in seiner Geschichte hat.
Unsere Identität macht vieles aus: z.B. unsere Sprache, unsere Religion, gemeinsame Feinde, wirtschaftliche Interessen, landesübliche Gewohnheiten oder die Landschaft … Zusätzlich aber gibt es ein gemeinsames Narrativ (wenn Sie wollen Erzählung), eine Geschichte, die wieder und wieder erzählt, umgeschrieben, neu interpretiert und von neuem erzählt wird, die all kennen und lieben.
Welche Persönlichkeiten fallen uns zu diesem Thema ein: z.B. Alexander der Große für Griechenland, das zeigt sich derzeit in dem Namensstreit mit Mazedonien. Bedeutende französische Mythen sind die Legenden um den jungen, gegen Cäsar zum Teil siegreichen Gallier Vercingetorix, die Erzählungen um Johanna von Orléans oder die Ereignisse um die Französische Revolution. Kraftvolle Bilder zur «Grandeur de la France» gibt die Erstürmung der Bastille ab.
Der Reformator Jan Hus wiederum ist die tschechische Identifikationsfigur in Verbindung mit der Jahrhunderte andauernden Unterdrückung der Tschechen: Jan Hus wollte sein eigenes Leben nicht gegen seine Prinzipien und Überzeugungen eintauschen und kam so während des Konstanzer Konzils als Ketzer auf den Scheiterhaufen.
Die Norweger sind stolz auf ihren Wagemut und Entdeckergeist basierend auf der altgermanischen Rechtsinstitution, dem Jarltum. Der Krieger entscheidet selbständig, an welchen Führer er sich binden will – die Eroberungen im Atlantik, die Entdeckungen bis Amerika und sogar der politische Liberalismus werden mit diesem Sinn für die Freiheit des Einzelnen in Verbindung gebracht. Wer denkt da nicht an Erik, den Roten, Thorvaldsson. Boadicea,
Zu Großbritannien fällt mir z.B. die Königliche Familie ein, schon beginnend mit Boadicea, aber z.B. auch Winston Churchill als das Symbol des nicht Aufgebens auch unter großer Gefahr.
In Italien ist es das Risorgimento, das eigentlich erst über eine längere Periode den Italienischen Staat ermöglichte. Stolz sind die Italiener besonders z.B. auf ihre Künstler und deren Werke z.B. Michelangelo.
Und was ist identitätsstiftend für die Schweiz: Sparsamkeit, Fleiß oder Pünktlichkeit? Oder vielleicht Jean Calvin, der die mannigfachen Differenzierungen reformatorischer Anliegen in seinem Werk «Institutio Christianae Religionis» zu bündeln versuchte. Manche assoziieren den Emmentaler Käse mit der Schweiz.
Und was fällt mir zu den USA ein: wohl ihre Constitution, die Verfassung der USA von 1787, vielleicht auch der Angriff auf Pearl Harbour 1941 oder auch der Angriff auf die Twin Towers 2001.
Was macht nun unsere österreichische Identität aus? Worauf sind wir stolz? Das ist eine schwierige Frage, die schon das Museum der Geschichte so endlos verzögert hat. Selbst unser Nationalfeiertag ist kein gewachsenes Konstrukt. Wer erinnert sich nicht an das anfängliche Feiern durch Fitnessmärsche. Mir erscheinen Wiener Schnitzel und Sachertorte, Lederhose und Dirndl zu wenig. Ist es „unser Kaiser“ Franz Joseph? Von manchen Österreichern wird aber diese Monarchie abgelehnt und die Geschichte beginnt erst mit der Republik. Dann dürfen wir auch z.B. Prinz Eugen, den Edlen Ritter oder Maria Theresia nicht als Identifikationsfiguren „verwenden“. Sehr am Herzen liegen uns auch die für uns erfolgreichen Türkenbelagerungen – aber das geht wieder schlecht auf Grund der vielen eingewanderten Türken. Wie wär’s mit der Goldenen Bulle (ein in Urkundenform verfasstes kaiserliches Gesetzbuch und war von 1356 an das wichtigste der „Grundgesetze“ des Heiligen Römischen Reiches) oder mit dem Staatsvertrag? Oder sind wir vielleicht begnadete Brückenbauer?
Haben wir – im Gegensatz zu vielen anderen – eine „negative Identität“ – indem wir uns auch heute bei vielem und jedem unserer Nazivergangenheit besinnen? Da ist noch viel Raum für Politiker etc. um unsre österreichische Identität eindeutig zu klären und Identitätsobjekte zu definieren.
Andererseits behalten wir ansprechende und positive Bilder in Erinnerung, wenn es darum geht, sich im Kollektiv für eine ganze Gemeinschaft einzusetzen. Das Empfinden von Zugehörigkeit wird nicht an Unumstösslichem festgemacht. Es sind nicht Herkunft, Religion oder Ethnie, sondern Erzählungen, die die nationale Zugehörigkeit definieren – Erzählungen, die unabhängig von Herkunftsmerkmalen internalisiert werden können.
Aber heutzutage geht es nicht nur um nationale Identität – wir – beispielsweise sind doch auch Europäer? Auch supranationale Institutionen wie die Europäische Union sollten sich vor nationalen Identitäten, Werten und Symbolen nicht fürchten. Sondern ganz im Gegenteil – es wären narrative Repräsentationen hilfreich. Die Union hat eigene Elemente für das Festigen von Zusammengehörigkeit zu entdecken. Der soziale Mensch braucht in der Gemeinschaft den Kitt und Zement von kollektiver Identität.
Zum Glück haben wir uns schon auf eine gemeinsame Europa-Hymne einigen könnten. Und welche Personen – Ideen könnten für ganz Europa stehen? Mir fällt dazu z.B. Karl der Große ein (von 768 bis 814 König des Fränkischen Reichs, erlangte am 25. Dezember 800 als erster westeuropäischer Herrscher seit der Antike die Kaiserwürde, die mit ihm erneuert wurde). Um auch unsere südöstlichen Nachbarn zu inkludieren, kämen – aus meiner Sicht – Kyrill und Method in Frage, sie gelten als Slawenapostel und schufen die erste Schrift für die altslawische Sprache.
Aber darüber sollten sich gescheitere Menschen den Kopf zerbrechen, aber sie sollten es bitte bald tun, vielleicht vor der nächsten Wahl zum Europaparlament, sonst kommt noch jemand auf die Idee, Stephen Bannon (Im August 2016 wurde er Berater des damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Von dessen Amtsantritt am 20. Januar 2017 bis zum 18. August 2017 war er der Chefstratege im Weißen Haus) mit dieser Aufgabe zu betrauen.