Es hat alles ganz harmlos begonnen. Meine Tante und meine Mutter hatten beschlossen gemeinsam mit ihren Kindern einen Ausflug zu machen. Wir waren drei Kinder, die beiden meiner Tante älter als ich. Es war im Krieg, wahrscheinlich so im Jahr 1941 oder 42.
Wir standen sehr zeitig auf um den Zug zu erwischen. Er brachte uns von Pernitz nach Miesenbach (2 Stationen). Von dort marschierten wir vergnügt nach Puchberg – über den Ascher – immerhin 11,6 km. Und weil es noch nicht einmal Mittag war, fuhren wir mit der Zahnradbahn von dort auf den Schneeberg. Das war schon aufregend für uns Kinder. Es war sonnig, es war auch oben warm, es war Sommer. Nachdem wir unser Proviant verzehrt hatten, natürlich aus der Blechbüchse, entschieden die beiden Mütter, dass wir von hier doch absteigen könnten, unten wäre dann die Mamauwiese, von dort könnten wir dann problemlos nach Hause kommen. Gesagt, getan!
Dazu ist zu sagen, dass wir sicher nicht hochalpin ausgerüstet waren, dass wir zwar alle eine durchaus – dem Altert angemessene – Kondition hatten, aber wir hatten z.B. keine Karte. Also stiegen wir ab. Dass wir dabei die Fadenwände erwischten, ursprünglich ein alter Jagdsteig war wohl ein Zufall. Aber ganz so einfach ist er auch nicht, weil er nämlich recht steil ist.
Er konnte durchaus ohne größere Probleme bewältigt werden, allerdings dauert es recht lange und auf der Mamauwiese kamen wir auch nicht heraus. Die Tage waren zwar lang, aber es begann dann doch schon zu dämmern. Da wir Kinder wohl wussten, dass sich die Erwachsenen nicht mehr wirklich auskannten, wurden wir dann auch unruhig. Noch dazu kamen wir durch einen Himbeerschlag. Meine Tante konnte an keiner reifen Himbeere vorbeigehen, ohne sie zu pflücken und einzusammeln. Wir waren also der Dämmerung im „Himbeerhimmel“ meiner Tante angekommen – alles Himbeeren weit und breit. Wir halfen, um diese Proviantbüchse endlich füllen zu können. Und es wurde immer dunkler und der weitere Weg führte durch einen wurzelreichen Wald.
Wir stolperten entlang und natürlich fingen wir an zu raunzen – ich wohl an der Spitze. Ich war zwar müde, aber das wog nicht so schwer, wie „verirrt“ zu sein. Ich war einigermaßen verzweifelt, und von damals wird mein Ausspruch in der Familie tradiert: „ich möchte nur wieder herunterkommen – und wenn wir in England landen“. England war damals „der Feind“, das hatte ich als Kind schon mitgekriegt – im Krieg. Ich akzeptierte die wohl schlechtmöglichste Lösung, um wieder in die Zivilisation zu kommen.
Wie vorauszusehen, landeten wir nicht in England, sondern irgendwann auf einer Straße. Die führte in Richtung Gutenstein, zum Glück kam ein Ochsenwagen vorbei, der uns dann mitnahm. An den Rest des Ausflugs kann ich mich nicht mehr erinnern, da ich auf dem Ochsenwagen sofort eingeschlafen war.
In Pernitz hatte der Mann meiner Tante – der die einzige Greislerei in Waidmannsfeld betrieben hatte, und daher nicht zum Militär eingezogen worden war – schon überlegt die Gendarmerie zu verständigen, um eine Abgängigkeitsanzeige zu erstatten.
Irgendwann nach Mitternacht kamen wir dann doch nach Pernitz. Und am nächsten Tag kochte meine Tante die Himbeeren zu ihrer wunderbaren Himbeermarmelade.
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