Verspätetes Ganslessen, lustig aber auch nachdenklich stimmend

Als ich noch im Arbeitsprozess stand – so sagt man doch? -, das ist schon ein Weilchen her, wurde eine so genannte „Gansl-Runde“ installiert. Diese Runde, bestehend aus einer Reihe von Kollegen meiner Umgebung ging rund um den Martinitag gemeinsam Gansl-Essen. Ich war schon immer die Älteste in der Runde, wurde aber immer von den anderen einerseits mit Respekt aber auch mit Rücksicht eher liebevoll behandelt.  Es hatte sich sehr gut getroffen, dass es in der Umgebung unserer gemeinsamen Arbeitsstätte ein Wirtshaus gab, das einerseits sehr gute Gänse briet und andererseits dem Vater eines der teilnehmenden Kollegen gehörte. Dieses Wirtshaus, im Lichtental in Wien, war für seine Gänse weithin berühmt, und daher auch von viel Prominenz aufgesucht.

Es musste unbedingt eine Anmeldung erfolgen, Partner (Ehe- oder auch nicht) waren immer dazu eingeladen. Eine passende Anzahl von Portionen dieses köstlichen Geflügels wurde bestellt und wir trafen alle recht erwartungsvoll ein. Vorspeisen oder Suppen wurden eher nie gegessen – obwohl es eine köstliche Ganslsuppe, mit Bröselknödeln, gab, und bald fanden sich am Tisch eine riesige Platte mit verschiedenen Gänseteilen, Schüsseln mit Rotkraut, weitere Schüsseln mit unübertrefflichen Krautsalat, und selbstverständlich Semmel- und Erdäpfelknödel. Dazu jeweils die gewünschten Weine, für mich ein trockener Grüner Veltliner, für manche andere ein passender Rotwein. Das Gelage konnte beginnen. Jeder konnte sich das ihm genehme Stück (oder mehrere) aussuchen „Der Schmäh rannte“, wie man so in Wien sagt. Der Wirt, eben der Vater eines der Kollegen, erkundigte sich immer, ob wir mit dem Gebotenen auch zufrieden waren und wenn etwas ausgegangen war, wurde es prompt nachgeliefert. Für ein Dessert hinterher blieb eigentlich kein Raum, aber selbstverständlich für ein Schnapserl, wer es mochte.

Nach einem derartig gelungenen Beginn wurde das Ganslessen zu einer gemeinsamen Tradition. Selbst als durch immer wieder stattfindende Umstrukturierungen bei unserem gemeinsamen Arbeitgeber der Zusammenhalt der Gruppe einigermaßen lockerer wurde, wurde an der Tradition des jährlichen gemeinsamen Essens eher nichts geändert. Die PartnerInnen wechselten zuweilen oder verschwanden. Manche der Teilnehmer machten ihre Karriere jetzt schon bei anderen Firmen, aber immer wieder gingen wir gemeinsam ins Lichtental.

Dann allerdings änderte sich vieles, als der Wirt und Vater des Kollegen ernsthaft krank wurde und aus gesundheitlichen Gründen das Geschäft aufgeben musste. Er erholte sich zum Glück später, das Wirtshaus im Lichtental war an andere Besitzer, Betreiber übergegangen. Einmal probierten wir dieses Etablissement noch aus, aber ohne den fröhlichen, umgänglichen Wirt und Vater unseres Kollegen, zogen wir dann doch etwas enttäuscht ab.

Ganz sollte die Tradition doch nicht fallen gelassen werden, also wurde ein alternatives Lokal gesucht. Aber persönliche Krisen, Schwierigkeit von Terminabstimmungen mit Kollegen, die nicht mehr im gemeinsamen Büro saßen, mangelnde Interesse, diese Organisationsaufgabe zu übernehmen ver- und behinderten einige Treffen.

Aber, so wurde entschieden, heuer sollte wieder das Ganslessen stattfinden. Die Organisation ging in neue Hände, ein Lokal wurde bestimmt und die Einladungen ausgesendet nicht (mehr an jenen, der aus Wien weggezogen war). Zwei der Eingeladenen waren dienstlich verhindert, einer kam nur zu Beginn, einfach um alle miteinander einmal zu sehen, er musste dann aus familiären Gründen weggehen. Wir bleiben zu fünft. Partner waren keine mehr dabei. Um es gleich vorauszuschicken, das Essen kommt bei weitem nicht an jenes heran, das es im Lichtental gegeben hatte. Jeder bekam ein „Haxl“, es wurde ein Schüssel Rotkraut mit Äpfeln auf den Tisch gestellt (kein Krautsalat!) und für jeden ein Erdäpfelknödel. Ich muss leider vermerken, dass die Haut des Gansels sehr hart war und das Fleisch drunter fasrig und trocken, aber wir sind ja nicht primär wegen des Essens zusammengekommen, sondern weil wir einander sehen wollten und eigentlich um zu erkunden, wie es den jeweils anderen „so geht“. Wie meist anfangs (in dieser Gruppe) standen Probleme der Zuwanderung im Mittelpunkt, wobei erwartungsgemäß auf der einen Seite die Gründe im überbordenden Kapitalismus gesucht wurden, die andere Seite – unabhängig von der Einstellung – einfach die Zuwanderung überhaupt abgelehnt wurde (Kollege wohnt in Ottakring, wo die Zuwanderung besonders evident ist). Dann wurde von den Erlebnissen der beiden abenteuerlustigen Fernreisenden mit allerhand „Großgetier“ in Afrika berichtet, wohl der lustigste Teil des Abends. Aber bald kam es schon zur Diskussion der „persönlichen Befindlichkeit“. Und die zeigt wohl von dem Dilemma der „mittleren Generation“. Es sind viel weniger die Probleme, die sich aus Patchworkfamilien ergeben, die scheinen relativ leicht zu bewältigen zu sein, es sind die Probleme der Eltern dieser Generation, die sehr alt werden und sehr pflegebedürftig sind. Pflegebedürftigkeit allein scheint sich auch noch bewältigen zu lassen, aber nicht, oder sehr schwer, nur unter großen Opfern dann, wenn diese Eltern, oder Elternteile langsam dement werden. Das Extrembeispiel dazu wurde geliefert: der immer schon äußerst patriarchalisch agierende Hausvater mit unterwürfiger Ehefrau wirft Pflegerinnen regelmäßig aus dem Haus. Sein Enkel, der ihn betreut, also mein ehemaliger Kollege, nennt die Zahl 50, betreffend Pflegerinnen, die hinausgeworfen worden waren und umgehend ersetzt werden mussten. Er meint, er wäre froh, dass diese Frauen aus dem Ausland die deutsche Sprache nur schlecht verstünden und damit die Beschimpfungen durch den Großvater nicht „mitkriegten“, sonst wäre er (der Enkel) noch öfter gefordert, prompt ins Burgenland (er wohnt in Wien) zu fahren, um die Situation wieder zu retten. Wahrscheinlich ist das ein Extrembeispiel, aber für die Betroffenen eine äußerst schwierige Situation, besonders wenn auch die Kinder der Aufmerksamkeit bedürften.

So ist dieses Ganslessen teilweise sehr lustig aber auch teilweise sehr besinnlich verlaufen. Wir haben beschlossen, es im nächsten Jahr zu wiederholen. Ich kann für mich nur dazu sagen: wenn Gott mir das Leben und die Gesundheit (halbwegs) schenkt.

Verspätetes Ganslessen, lustig aber auch nachdenklich stimmend

1943, die Konferenz von Teheran der Alliierten des Zweiten Weltkriegs

Vor 75 Jahren, also schon zu meiner Lebenszeit, fand die Konferenz von Teheran (auch Eureka-Konferenz bzw. Konferenz der „Großen Drei“ genannt) vom 28. November bis zum 1. Dezember 1943 als erste Konferenz der Regierungschefs der drei Hauptalliierten der Anti-Hitler-Koalition im Zweiten Weltkrieg, Großbritannien, den USA und der Sowjetunion, in Teheran statt. Teilnehmer waren der US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der britische Premierminister Winston Churchill, der sowjetische Staatschef Josef Stalin sowie ihre militärischen Berater.  Frankreich allerdings durfte – angeblich auf Wunsch von Stalin – nicht teilnehmen. Damals wusste ich nichts von dieser Konferenz und ahnte auch nicht, wie sehr sie unser Leben beeinflussen würde.

Das war die Ausgangslage: Die USA, Großbritannien und die Sowjetunion hatten sich nach dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion im Juni 1941 zur „Anti-Hitler-Koalition“ zusammengeschlossen. Halb Europa, vom Atlantik bis zur Ukraine, war deutsch besetzt. Anfang 1943 erlitt die deutsche „6. Armee“ in Stalingrad eine katastrophale Niederlage. Am 13. Mai 1943 kapitulierte das deutsche Afrikakorps. Am 8. September 1943 kapitulierte die italienische Armee ebenfalls und wechselte schließlich am 13. Oktober 1943 die Fronten (wie es Italien auch im Ersten Weltkrieg getan hatte).

Vorgesehener Inhalt der Konferenz war einerseits die Absprache über die militärische Vorgehensweise auf dem europäischen Kriegsschauplatz im Jahr 1944 und andererseits die politische Neuordnung Europas nach einem Sieg der Alliierten über Deutschland. Dazu hatte im Oktober eine vorbereitende Außenministerkonferenz in Moskau stattgefunden, auf der auch „unsere“ Moskauer Deklaration (Zukunft des besiegten Deutschlands und des wieder zu schaffenden Österreichs) verabschiedet worden war.

Mitten im Zweiten Weltkrieg sitzen US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der britische Premier Winston Churchill und der sowjetische Staatschef Josef Stalin Ende 1943 zusammen auf der Terrasse der sowjetischen Botschaft in Teheran. Die Botschaft ist klar: „Es ist ein starkes Signal an die Welt, dass die Großen Drei die Zukunft im Nachkriegs-Europa gestalten werden.“

Stalin hatte es durchgesetzt, dass diese Konferenz in Teheran stattfinden solle. Er hatte Flugangst und wollte sich nicht zu weit entfernt von der Sowjetunion aufhalten. Stalin hatte die Oberhand: Die beiden anderen wollten ihn treffen, damit konnte er diktieren, wohin er bereit war zu kommen. Der kommunistische Diktator war sowohl für Churchill als auch Roosevelt noch eine „ferne und rätselhafte Figur“ gewesen, die sie kennenlernen wollten. Stalin hinwieder wollte herausfinden, ob er den Imperialisten aus dem Westen trauen kann. Lange schon drängt Stalin seine Verbündeten, die Rote Armee im Osten durch eine zweite Front im Westen zu entlasten. Churchill hat allerdings die gemeinsam mit den USA geplante Invasion in der Normandie immer wieder verschoben. Stalin will sichergehen, dass Briten und Amerikaner nicht vielleicht doch einen separaten Friedensvertrag mit Adolf Hitler schließen. In Teheran rückt nun Roosevelt von Churchill ab: Zusammen mit Stalin legt er den britischen Premier auf eine Invasion im Frühjahr 1944 fest. Schließlich beschlossen die Alliierten in Teheran eine Invasion von amerikanischen und britischen Truppen in Nordfrankreich im Mai 1944 genannt „Operation OVERLORD“. Der amerikanische Präsident will jeden Eindruck vermeiden, der Westen verbünde sich gegen die Sowjetunion. Es geht aber auch unter anderem um die russische Offensive an der Ostfront, den britisch-amerikanischen Vormarsch in Italien und den Umgang mit der deutschen Kriegsschuld.

Aber nicht nur die Operation Overlord war beschlossen worden, aber auch die Westverschiebung Polens und damit die neue Grenze zwischen Polen und Deutschland, also die Oder-Neiße-Grenze. Demnach sollte Russland einen Teil Ostpolens bekommen, Deutschland einen Teil des Ostens an Polen abgeben. Es ging dabei um die „Sicherung der Westgrenze der Sowjetunion“. Die Ereignisse in der Folge aber haben gezeigt, dass sich die Sowjetunion noch einen wesentlich größeren Teil „der Beute“ holen würde.  Diese Einigung fand statt, obwohl weder Churchill vom Parlament noch Roosevelt vom Kongress die Vollmacht erhalten hatte, Nachkriegsgrenzen festzulegen. Die Sowjetunion erklärte sich im Gegenzug dafür bereit, nach Beendigung des Krieges in Europa in den Krieg gegen Japan einzutreten. Sie waren sich auch einig, dass sie die Grenzfrage zunächst auch ohne Hinzuziehung der polnischen Exilregierung lösen könnten.

Die Westalliierten waren kriegsmüde und hatten keine Lust, sich mit Stalin über das Schicksal Ostpolens zu streiten. Churchill betonte, dass – gemäß der Zusicherung Chamberlains an Polen Ende März 1939 – England für ein starkes und unabhängiges Polen gegen Deutschland in den Krieg gezogen sei, sich aber nicht auf bestimmte Grenzen festgelegt hätte. Den „Marsch Polens gegen Westen“ demonstrierte Churchill mit drei Streichhölzern, die die Sowjetunion, Polen und Deutschland symbolisieren sollten. Aus heutiger Sicht war es eine eher zynische Entscheidung, da über die Köpfe von Millionen betroffener Menschen, Polen und Deutsche, hinweg entschieden wurde. Aber mit Rücksicht auf Stalin akzeptierte Churchill den Vorschlag der Sowjets, Polen nach Westen bis an die Oder zu „verschieben“, während Ostpolen bis zur Curzon-Linie (diese, benannt nach dem damaligen britischen Außenminister George Curzon, war nach dem Ersten Weltkrieg 1919 in Paris unter Bezugnahme auf die Muttersprache der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung als polnisch-russische Demarkationslinie vorgeschlagen worden) von der Sowjetunion beansprucht wurde. Stalin ließ schon damals klar erkennen, dass er im ostmitteleuropäischen Raum freie Hand zu behalten wünschte.

Auch US-Präsident Roosevelt versicherte am 1. Dezember 1943 Stalin, dass er prinzipiell einer Westverschiebung Polens zustimmen könne, jedoch aus Rücksicht auf die sechs Millionen polnische Wähler (außerdem Esten, Letten und Litauer) und den bevorstehenden Wahlen in den USA sich in Teheran noch auf keine Grenze festlegen könne. Längst vergessen war, dass 25 Jahre zuvor US-Präsident Wilson u.a. in einer Rede am 11. Februar 1918 vor dem US-Kongress feierlich die Selbstbestimmung der Völker als oberstes politisches Prinzip proklamiert hatte, das zukünftig kein Staatsmann mehr übergehen dürfe!

Dazu kam, dass die polnische Exilregierung in England und nationalkonservative Untergrundorganisationen bereits 1940 die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens gefordert hatten. Die Deutschen östlich dieser Linie sollten vertrieben werden. 1941 schlossen sich dem die polnischen Sozialisten und 1944 die „katholische Arbeiterpartei“ an.

Es zeigt sich halt immer wieder, damals wie heute, dass interne Probleme der Länder ausschlaggebend für ihre Entscheidungen über internationale Fragen bleiben. An die betroffenen Menschen zu denken, wäre wohl zu viel verlangt.

 

1943, die Konferenz von Teheran der Alliierten des Zweiten Weltkriegs

Gedanken bei meiner Adventvorbereitung

Die Vorbereitungen für den Advent sind mehr oder minder abgeschlossen. Jetzt kann er für mich beginnen. Und ich freu mich drauf. Der Adventkranz prangt bereits. Damit habe ich eine große Freude. Denn früher, da war das anders. Aber dazu muss ich ausholen. Wir hatten eine langjährige Haushaltshilfe, die nicht nur dieses, sondern auch vieles andere tat. Da ihr Lebensgefährte Bienen züchtete, verfügten die beiden über einen Stand am Karmelitermarkt. Dort verkauften sie Freitag und Samstag nicht nur Honig, sondern auch vieles sonst Selbstgemachtes: Diverse Kuchen, Eierlikör, eingelegte Gurken, Paprika und Kraut, Eier, Marmeladen etc. Im Advent zusätzlich – und da war bei uns zu Hause dann Krise – kamen noch die selbstgebastelten Adventkränze, weihnachtliche Dekorationsobjekte und vor allem Kekse, viele Kekse dazu. Da war dann das Aufräumen bei uns eindeutig zweite Priorität, was ich manchmal nicht ganz eingesehen habe. Und außerdem, und jetzt komm ich doch wieder zum Thema zurück, kamen wir in den Genuss eines selbstgebastelten Adventkranzes.  Da kam es zu einem „Culture-Clash“, denn der Adventkranz war relativ klein – ich hatte mir schon immer einen großen gewünscht, sehr eng gebunden – nur aus Fichtenzweigen – ich hatte mir einen aus verschiedenen Nadelhölzern und locker gebunden vorgestellt – aber das Grundübel war, dass er reich geschmückt war. Mit Bändern, Maschen, bunten Kugeln, also man sah den Kranz kaum mehr. Über die Jahre habe ich dann erreicht, dass erstens nicht irgendwelche Kerzen draufstanden, sondern halt doch die liturgischen und dass dann letztendlich nur mehr Nüsse, Zimtstangen und Zapfen als Schmuck verwendet wurden. Die goldenen Maschen und Bandeln ließen sich einfach nicht vermeiden.

Jetzt, nachdem uns diese Haushaltshilfe verlassen hat, ist alles etwas anders geworden, ich kaufe die Eier im Supermarkt, ich sammle Verpackungsmaterial nicht mehr, damit die Haushaltshilfe ihr Obst drinnen am Markt anbieten konnte, Zeitungen kommen in den Papiermüll, weil sie nicht mehr als Verpackungsmaterial verwendet werden, ich werfe auch Papierverpackungen von Eiern weg und selbst die Netze der Zitrusfrüchte landen im Müll, während früher der „Lebensgefährte“ Kugeln aus Schmalz mit verschiedenen Kernen zum Vogelfüttern draus gemacht und verkauft hat.

Vor allem aber habe ich jetzt den Adventkranz den ich mir immer gewünscht habe, relativ groß und dick, aus Zweigen verschiedener Nadelbäume. Also bin ich losgezogen, um einen „nackerten“ Adventkranz zu kaufen – mir scheint, da bin ich nicht die einzige, die sich so etwas wüscht – denn sie werden – wohl etwas versteckter – aber dennoch angeboten. Hierauf mussten die Kerzen, eben in den liturgischen Farben (drei lila und eine rosa) besorgt werden. Das ist gar nicht so einfach. Nicht einmal am Christkindlmarkt rund um den Stephansdom habe ich sie gefunden. Ich glaube viele Leute wissen nicht mehr, was dieser Adventkranz bedeutet, daher legen sie auch keinen Wert auf eine adäquate Dekoration. Ich bekam die Kerzen – sogar in der gewünschten Höhe und Stärke. Ich gebe zu, sie stehen noch etwas wackelig auf dem Adventkranz, aber ich habe‘ beim Anschauen meine Freude.

Aber dessen nicht genug: es gibt noch allerhand sonstigen adventlichen Schmuck der mit Kerzen gefüllt werden musste. Dann gehören für mich auch Blumen dazu: Also ein roter Weihnachtsstern. Wir waren einmal – vor vielen Jahren in Tunesien. bei dem Haus, indem wir gewohnt hatten, gab es einen Garten, in diesem Garten blühte – es war November – ein prächtiger Strauch voll roter Weihnachtssterne. Daher brauche ich für „meinen“ Advent zumindest ein Stöckerl roter Weihnachtssterne. Ich denke so gerne an diese (kurze) Zeit in Tunesien bei lieben Freunden zurück. Und wenn’s geht, kommt noch ein blühender Kaktus dazu!

Jetzt fehlen nur noch die Barbarazweige. Ich weiß schon, dass sie erst am 4. Dezember, noch vor Sonnenaufgang, frisch geschnitten werden sollten, zum Namenstag der Heiligen Barbara, aber das lässt sich in der Stadt nicht so punktgenau durchführen. Sie sollen jedenfalls bis zum Heiligen Abend blühen und zum Weihnachtsfest die Wohnung schmücken. Der Brauch geht auf eine Überlieferung von der Heiligen zurück, nach der sie auf dem Weg in das Gefängnis mit ihrem Gewand an einem Zweig hängenblieb. Die heilige Barbara lebte im 3. Jahrhundert in Nikomedia am Marmarameer in Kleinasien. Sie stellte diesen abgebrochenen Zweig in ein Gefäß mit Wasser, und er blühte genau an dem Tag, an dem sie das Martyrium erlitt. Nach dem Volksglauben haben diese Barbarazweige eine gewisse Orakelfähigkeit. Wenn sie bis zum Heiligen Abend blühen, bedeutet das in der Familie im kommenden Jahr eine Hochzeit oder wenn keine Jugend im Haus ist, einfach Glück und Freude. Bei manchen Familien stellt jedes einzelne Familienmitglied einen Zweig in die Vase, wessen Zweig bis zum Heiligen Abend blüht, der wird im darauffolgenden Jahr heiraten oder besonderes Glück haben.

Na gut, ich habe mehrere Zweige auftragsgemäß in lauwarmes Wasser gestellt und hoffe, dass sie alle blühen werden.

Jetzt bleibt mir nur mehr Ihnen allen einen schönen Advent zu wünschen.

Gedanken bei meiner Adventvorbereitung

Wer übernimmt heute noch politische Verantwortung?

Ich bin verwirrt! Was ist sie jetzt, die politische Verantwortung? Ich habe den Eindruck, dass für politische Verantwortung nicht dieselben Regeln gelten, als für die Verantwortung, die jeder von uns übernehmen muss. Wenn in einem Team, sei es in einem Krankenhaus, einem Industrie- oder Dienstleistungsbetrieb Fehler gemacht werden ist es eindeutig klar, wer hierfür die Verantwortung trägt, der Chefarzt, der Team-, Abteilungs-, etc. Leiter.  Aber in der Politik?

Nehmen wir Großbritannien als Beispiel, da haben die Brexiteers den Menschen das Blaue vom Himmel versprochen, aber keine wie auch immer geartete Strategie genannt, wie dieses Blaue auch erreicht werden könnte. Und sie haben noch immer keine Strategie, obwohl sich wohl inzwischen herausgestellt hat, dass der „Harte Brexit“ ziemlich viele Probleme auch für den einzelnen britischen Staatsbürger bringen wird.

Das werden Gesetze beschlossen, deren Auswirkungen in keinster Weise abzusehen sind. Hinterher werden sie vielleicht entweder von einem Gericht beanstandet und müssen aufgehoben werden oder werden eingeklagt. Manchmal werden sie auch nicht bereinigt, und die Bürger müssen einfach darunter leiden. Ich verstehe, dass es sehr schwierig ist, alle Konsequenzen einer Gesetzesänderung einzuschätzen, aber ein bissel mehr Sorgfalt und Abstimmung würde ich mir schon wünschen. Dürfte es vielleicht auch etwas Verantwortungsbewusstsein sein?  Diejenigen, die die Beschlüsse fassten, sind ja selten selbst davon betroffen! Hofft man bei Einführung von neuen Gesetzen manchmal, dass die Auswirkungen erst in der nächsten Legislaturperiode auftreten werden, in der man nicht mehr aktiv ist? Dann kann ja gar nichts mehr passieren!

Selbst wenn ein Ausschuss im Parlament mühselig versucht, die politische Verantwortung für die Zerstörung einer Behörde, für den Ankauf (zu teurer?) Geräte festzunageln, kann kein Verantwortlicher gefunden werden. Selbst beim Bau eines Spitals ist nie diejenige verantwortlich, unter deren „Herrschaft“ dieses erbaut wurde, selbst wenn sie schon lang anderswo einen lukrativen Job hat, die ständig interveniert hat etc., sondern irgendeine Behörde, die ihr zwar unterstand, aber die dann für die Fehler verantwortlich gemacht wird. Und in all diesen Fällen muss niemand mit seinem Vermögen oder Einkünften geradestehen, es ist ja immer der Steuerzahler, also wir alle, auf den auch die Mehrkosten umgelegt werden. Gut, man – also wir alle, die Steuerzahler – können ja beim nächsten Mal eine andere Partei wählen, aber die Erfahrung zeigt, dass es nicht wirklich besser wird. Führt das nicht zu dieser stetig sinkenden Wahlbeteiligung, die überall so beklagt wird?

Aber das halte ich nicht für eine Lösung. Ich habe bei jeder Wahl, die während meiner Zeit stattgefunden hat, egal für welche Ebene der staatlichen Stellen, gewählt, nicht immer dieselbe Partei, aber es ist gar nichts besser geworden.

Es kann doch nicht sein, dass alle Politiker korrupt – oder dumm – sind. Ich meine, sie sollten endlich zur Verantwortung gezogen werden. Für uns alle gilt doch das Prinzip, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt. Aber das galt nicht – für den so genannten Skandal im Burgtheater, nicht für die Fehler in der Salzburger Verwaltung, nicht für Fehler des Linzer Finanzskandal. Irgendein „Unterläufel“ fand sich dann immer, auf den man die ganze Verantwortung abwälzen konnte. Der Linzer Bürgermeister hat selbst z.B. damals treuherzig eingestanden, dass er die Geschäfte, die gemacht wurden, nicht verstanden hat.  So etwas wäre in der Privatwirtschaft komplett undenkbar! Kommt daher auch, dass attraktive, verantwortungs bewusste Politiker fehlen?

Aber dann, so frage ich mich beklommen, wozu brauchen wir die Politiker überhaupt? Ihre Gagen sind durchaus ansehnlich, aber wofür bekommen sie diese? Dass sie für ihre Widerwahl werben? Dass ist beileibe nicht nur ein österreichisches Phänomen. Trump schadet der gesamten Weltwirtschaft mit seinem „America First“, er „regiert“ planlos, chaotisch mittels Twitter. Seine einzige Zielsetzung – so scheint mir – ist die Befriedigung seiner Stammwähler, sei es durch den Bau einer sündteuren Mauer, die Flüchtlinge letztlich auch nicht abhalten kann, durch Strafzölle, den anderen Ländern aber auch anderen Stimmbürgern in den USA schaden etc. Er will wieder gewählt werden! Auch er ist nicht der Einzige, wohl aber der extremste.

Ich wünsche mir (wahrscheinlich kann ich nur das Christkind darum bitten), dass endlich einer dieser Politiker seine Verantwortung wahrnimmt, dazu steht und auch Konsequenzen trägt! Wikipedia meint: „Politische Verantwortung steht einerseits im Spannungsfeld von Macht und Machtmissbrauch, andererseits ist sie vor allem mit dem Anspruch auf Erfolg verbunden. Der Politiker erhält das Vertrauen seiner Wähler und ist diesem für die Ergebnisse seiner Politik verantwortlich. Die Kontrolle erfolgt durch die öffentliche Meinung und die Notwendigkeit, sich erneut zur Wahl stellen zu müssen. In der grundsätzlichen Auswirkung von Politik wird meist in zwei Verantwortungsarten unterschieden, die als unterschiedliche Leitlinien für ein anzustrebendes Gesellschaftsbild dienen:

  • Selbstverantwortung (Eigenverantwortung) bedeutet, für sich selbst sowie für das eigene Handeln, Reden und Unterlassen Verantwortung zu tragen.
  • Mitverantwortung bedeutet, für andere (insbesondere diejenigen, die dies nur teilweise können) Verantwortung zu übernehmen.

Mitverantwortung und Selbstverantwortung sind als gleichwertige Verantwortungsarten anzusehen; oft sind beide in Kombination erforderlich. Ein internationales Konzept ist die Initiative Schutzverantwortung zum Schutze des Menschen vor schweren Menschenrechtsverletzungen und Brüchen des humanitären Völkerrechts.“

Es gibt immerhin eine Verfassung, es gibt das Internationale Völkerrecht, ich kann nicht beurteilen, ob sie gebrochen werden, aber es wäre wohl wert, die Handlungen der Politiker auch an ihrer moralischen Verantwortung zu messen. Ab Aristoteles, über Kant bis Bonhoeffer haben sich die großen Philosophen darüber Gedanken gemacht – also ist es nicht nur ein heutiges Problem.

Dennoch empfinde ich das Verhalten mancher unserer Politiker bestenfalls als zynisch, wenn sie ihre Verantwortung von sich weisen.

Ziehen wir sie doch endlich heran, zu ihrer Verantwortung!

Wer übernimmt heute noch politische Verantwortung?

Kriminalromane im Alten Rom

Hin und wieder lese ich gerne einen Kriminalroman. Aber einen gewissen Mehrwert sollte er schon haben. Unter Mehrwert verstehe ich Informationen zu Orten, zur Gesellschaft, Personen, etc.

Jetzt habe ich gerade einen derartige Romanserie gelesen. Von Steven Saylor. Er hat Geschichte und Klassische Altertumswissenschaft studiert, daher halte ich seine Schilderung von den diversen Stadtteilen und der dort lebenden Gesellschaft für recht authentisch. Titel der Serie: Roma Sub Rosa. Sie spielt im antiken Rom, und zwar in der Endzeit der Republik. Der „Held“, genannt der Sucher, der diese Geschichten verbindet, entspricht in etwa dem heutigen Privatdetektiv. Aber nicht nur die Topographie Roms spielt eine wesentliche Rolle, auch bis zu einem gewissen Grad jene von Alexandrien. Besonders schien dem Autor Baiae, bekannt für seine Quellen.  Es entwickelte sich vor allem in der späten römischen Republik und am Beginn der Kaiserzeit zu einem beliebten Heilbad und Erholungsort. Zahlreiche wohlhabende Römer ließen in der Umgebung der Stadt teilweise aufwändige Villen errichten. Später waren es dann auch römische Kaiser wie Caligula, Nero oder Hadrian, die dort zeitweilig Aufenthalt nahmen; ein Teil des Gebiets von Baiae war dann seit Augustus kaiserlicher Besitz.  Mir haben ja schon seit der Schulzeit römische Villen besonders gut gefallen, und in dieser Serie werden sie liebevoll und eindringlich beschrieben. In Baiae sind umfangreiche Reste antiker Thermenbauten erhalten, die heute in einem Archäologischen Park liegen. Selbstverständlich werden Gladiatorenspiele in allem (grauslichen) Detail beschreiben.

Das Wesentliche für mich waren aber dennoch nicht die Orte, die beschrieben wurden, oder auch beispielsweise die Flotte damals (Zeit der Piraten im Mittelmeer), sondern die Mehrzahl der handelnden Personen. Da gibt es die Familie und die Freunde und Helfer des Suchers, aber die anderen, meist seine Kundschaft, die kennen auch Sie sicher: Cicero, Cato, Catilina, Caesar, Crassus, Sulla, Catull, Marcus Antonius und nicht zu vergessen Spartacus.  Naheliegender Weise werden sie sehr menschlich geschildert.

Und spannend sind die Geschichten schon, aber anders als die Cicero-Triloge von Robert Harris.

Jedenfalls ließen sich eine Reihe von hervorragenden Tatort- und ähnlichen Filmen daraus machen……

Kriminalromane im Alten Rom

Geballte Geschichte

Es gibt schon allerhand zu sehen und zu lernen, wenn man nur möchte. Ich war vergangenen Sonntag im Museum Niederösterreich, Haus der Geschichte, und habe mir sowohl die ständige Ausstellung als auch die Sonderausstellung „die umkämpfte Republik – Österreich 1918 -1938“ angesehen. Heute war ich im Haus der Geschichte Österreich „Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918“. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich das Wien-Museum besucht, in denen die Photoausstellung 1918/1919 zu sehen ist (In meinem Blog beschrieben unter das Elend 1918/1919), und zu erwähnen in diesem Zusammenhang ist auch die Ausstellung im Palais Niederösterreich, 1848/1849 ebenfalls bechrieben in meinem Blog unter 1818). Und wem nicht zu kalt ist, kann sich noch die Informationssäulen vor dem provisorischen Bürogebäude am Heldenplatz ansehen. Man kann über das Informationsangebot wahrlich nicht klagen.

Ich habe alle diese Darbietungen allesamt nicht polemisch gefunden, wenn ich auch da und dort Schwerpunkte anders gesetzt hätte. Es waren alle diese Ausstellungen hervorragend gegliedert und übersichtlich angeordnet. Ja, im Haus der Geschichte in Niederösterreich gibt es mehr Platz, im Haus der Geschichte Österreich leider sehr wenig, daher sind viele „Ausstellungsstücke“ auch weit oben ausgestellt, was gewisse Anforderungen an die Nackenmuskeln stellt. Aber hier gäbe es -ich habe es leider nur viel zu spät entdeckt – jene tragbaren zusammenklappbaren Stockerln (sie haben sicher einen professionelleren Namen), die man sowohl als Stock als auch als Sitz verwenden kann.

Aber abgesehen vom verfügbaren Platz: das Haus der Geschichte in St. Pölten stellt diese (niederösterreichische) Geschichte seit Urbeginn dar (nur die Venus von Willendorf fehlt, aber die steht im Naturhistorischen Museum in Wien). Die Aufbereitung einzelner Perioden ist auch für Kinder geeignet, es gibt die Möglichkeit sich interaktiv zu betätigen. Man zeigt viele „Objekte“, die die jeweilige Zeit charakterisieren. Selbstverständlich ist es nicht nur einer Geschichte Niederösterreichs, die lässt sich ja nicht so leicht abtrennen. Diese Ausstellung befasst sich mit den großen Herausforderungen in Österreich und Zentraleuropa, welche unser Land geprägt haben: die Erschließung des Lebensraumes, Flucht und Wanderung – die es immer schon gegeben hat – und die Frage nach der politischen Macht in diesem Land. Der Schwerpunkt liegt auf der jüngeren Geschichte    und hier kommen nun auch meine Erinnerungen ins Spiel, die auch mein schon langes Leben bestimmt habe. Daher gab es viel, das ich „wiedererkannt“ habe, seien es Persönlichkeiten oder Ereignisse. Manches war auch neu für mich, besonders wenn bestimmte Orte in Niederösterreich betroffen waren.

Zeitlich gesehen, überschneidet sich die Ausstellung „die umkämpfte Republik“ mit der Gesamtgeschichte. Hier werden die ungünstige Ausgangslage der jungen Republik, sowie die kurze Erholung und gleich darauf einsetzende Zersetzung gezeigt. Österreich wird gesamteuropäische Entwicklung eingebunden, es werden auch die wirtschaftlichen Probleme – von der Hungersnot, über die Völkerbundanleihe über den Crash der Creditanstalt, die horrende Arbeitslosigkeit und die daraus folgende Armut eindringlich dargestellt. Es wird der Frage nachgegangen, warum und wieso so viele Menschen damals nicht an unser Land geglaubt haben. Wahlplakate zeigen schon damals den Hass der verschiedenen Gruppen gegeneinander, der vor Gewalt nicht haltmachte Der Schritt vom Schattendorfer Prozess zum Brand des Justizpalastes wird nachvollzogen. Genau verfolgen kann man auch die Maßnahmen der Nazis, gesteuert aus Deutschland, bis zum Tod des damaligen Bundeskanzlers Dollfuß, zum Juliabkommen 1936, die letztlich im „Anschluss“ endeten. Es wird noch auf die darauffolgenden Judenverfolgungen – auch in ganz Niederösterreich hingewiesen (z.B. wird eine Torakrone der ehemaligen jüdischen Gemeinde Wr. Neustadt gezeigt).

Vielleich fahre ich noch einmal nach St. Pölten um mir das noch einmal anzusehen (Bis 24. März 2019)

Ich war schon sehr neugierig, auf dieses Haus der Geschichte Österreich, viel wurde im Vorfeld gestritten, über den Inhalt, den Ort und überhaupt alles.  Vieles wurde seit der Eröffnung drübergeschrieben. Eigentlich hatte ich gehofft, dass heute nur wenig Publikum anwesend wäre (das Wetter ist ja wirklich ungemütlich), aber auch da habe ich mich wieder getäuscht. (Für die Garderobe nehmen Sie eine Ein-Euro-Münze mit, denn die wird für das Kastl benötigt, in dem Sie ihren Mantel verstauen können.)

Anfänglich, als ich die imposanten Stiegen hinaufgegangen bin und schon einige Exponate der Ephesus-Ausstellung zu sehen waren, wäre ich eigentlich gerne wieder einmal dort hineingegangen (meine archäologische Neigung) aber heute stand eben etwas anderes am Programm. Gleich im ersten Saal sieht man das „Entstehen“ der Republik, anhand von Objekten, Dokumenten und Schriften. Auch schon hier, aber auch in der restlichen Ausstellung sind viele Plakate zu sehen. Meist sind sie „oben“ angebracht, damit auch darunter alles andere gezeigt werden kann. Mehr Platz wäre wirklich kein Schaden! Diese Plakate sind graphisch interessant gestaltet und schon damals ging es nicht nur darum, die eigenen Stärken dazustellen, sondern besonders die Nachteile und Schwächen der anderen hervorzuheben. Es steht aber dort ein Büchlein bereit, indem viele dieser Plakate aufgenommen sind. Besonders erschüttert hat mich der Almosen-Apparat, wo Bettler einen Groschen herausbekommen konnte – es steht aber nichts über die Kaufkraft dieses Groschens dort. Hungrig sind die Leute dennoch geblieben! Viele Objekte, Schriften und Bilder erläutern die NS Diktatur, den Terror – vor allem gegen Juden und Roma. Es geht aber auch um zögerliche Restitution, und das langsame und späte Schuldeingeständnis rund um die Affäre Waldheim – dominiert durch das Alfred Hrdlicka Pferd.

Immer wieder wird die Identitätssuche Österreichs dargestellt, und vieles hier kommt mir sehr bekannt vor – ich habe es erlebt: der Staatsvertrag, gleich drauf folgend der Ungarn-Aufstand, die samtene Revolution, der Fall der Berliner Mauer, die Jugoslawien-Zerfallskriege. Der Beitritt Österreichs zur EU.

Es ist ein gutes Land, mein Heimatland!

 

Geballte Geschichte

Meine prall gefüllte Greislerei: mit Erstaunen, Ärger, Angst, Irritation, etc.

Das sind nur wenige Beispiele – es gäbe viel mehr – dessen, was man in den Zeitungen, in Magazinen und im Netz so alles lesen und im Radio hören kann. Und welcher der Emotionen sie das jeweilige Ereignis zuordnen überlasse ich Ihnen.

  • Der ukrainische Präsident unterzeichnet das Kriegsrecht Dekret. Der Anlassfall ereignete sich am Sonntag an der Straße von Kertsch, einer Meerenge zwischen der Krim (das Russland von der Ukraine annektiert hat) und Russland. Die Straße von Kertsch verbindet das Schwarze Meer mit dem Asowschen Meer. Die Ukraine wirft Russland vor, drei seiner Marineschiffe beschossen und aufgebracht zu haben. Dabei seien sechs ukrainische Marinesoldaten verletzt worden, zwei von ihnen schwer. Die Schiffe wurden zusammen mit 23 Besatzungsmitgliedern nach Kertsch gebracht. Russland hält sein Vorgehen für gerechtfertigt, weil die ukrainischen Marineboote illegal in russische Gewässer eingedrungen wären und auch auf Aufforderungen zu stoppen, nicht reagiert hätten. Die Regierung in Kiew verurteilte das russische Vorgehen als aggressiven militärischen Akt. Die Situation entstand möglicherweise aus innenpolitischen Gründen: Putin ist nicht mehr ganz so populär, wie er es war – oder noch besser, sein möchte und daher ist kaum etwas nützlicher als ein Feind von Außen. In der Ukraine findet im März die Präsidentenwahl statt. Mit der Verhängung des Kriegsrechtes könnten die Wahlen verschoben werden, weil unter anderem das Versammlungsrecht im Wahlkampf nicht gewährleistet wäre und Ausgangssperren bestehen könnten. Umfragen deuten auf eine Niederlage Poroschenkos hin. Säbelrasseln scheint mir fast immer eine recht gefährliche Situation einzuleiten.
  • Vergangene Woche töteten Ureinwohner der kleinen Insel North Sentinel im Indischen Ozean einen Amerikaner, der ihre Insel betreten hatte. Die Sentinelesen leben in fast völliger Isolation. Die Sentinelesen bevölkern die Insel North Sentinel, die zur Inselgruppe der Andamanen (indisches Hoheitsgebiet) gehört und etwa 75 Quadratkilometer groß ist. Die Stämme auf den Andamanen gelten als die Nachfahren der ersten Menschen, die vor rund 100 000 Jahren von Afrika aus in andere Erdteile wanderten. Der Amerikaner John Allen Chau hatte North Sentinel am Mitte November 2018 betreten, um die Einwohner zum Christentum zu bekehren. Obwohl er Fische und Fußbälle als Geschenke mitgebracht hatte, beschossen ihn die Ureinwohner mit Pfeilen und verletzten ihn tödlich. Angeklagt werden die Täter aber vermutlich nicht, und auch Chaus Leiche wird möglicherweise nie gefunden werden. Die indische Regierung respektiert den Wunsch des Inselvolkes, keinen Kontakt zur Außenwelt zu haben. 1996 war ein entsprechendes Gesetz erlassen worden: Fremde müssen fünf Kilometer Abstand zur Insel North Sentinel halten. Die Polizei konnte nicht auf der Insel landen, da sie von einem Pfeilhagel erwartet worden wäre. Überdies wäre inzwischen jeder Besuch eines Fremden für die Sentinelesen ein enormes Risiko gewesen: Wegen ihrer Abgeschiedenheit können sie keine Abwehrkräfte gegen Krankheiten entwickeln; schon eine gewöhnliche Erkältung würde die Existenz des Volkes gefährden. Meine Mutter hätte zum Fall Chau wohl gesagt: warsdt net auffigstiegn, warst net obagfalln.
  • Ich habe immer geglaubt, dass man in Wien sicher leben kann. Ohne ersichtlichen Grund hat ein 15-Jähriger in der Nacht auf 24.11 in einem Wiener City-Lokal nahe dem Rathause mit einem Schraubenzieher auf einen Gast eingestochen. Der 24-Jährige ging an dem Burschen vorbei, worauf er den Älteren beschimpfte. Der Mann ignorierte das, daraufhin ging der 15-Jährige mit dem Schraubenzieher auf ihn los. Der 15-Jährige versuchte, mehrmals auf sein Opfer einzustechen. Der 24-Jährige konnte die Attacke größtenteils abwehren und erlitt lediglich leichte Stiche im Oberkörper. Der 15-jährige Bursche, der mit seinem 17-jährigen Bruder in dem Lokal war, wurde festgenommen. Und das ist beileibe nicht die erste Messerstecherei in Wien.
  • Heute streikte die “Bahn“. War es wirklich notwendig? Die Verhandlungen liefen ja noch! Aber, die Gewerkschaft hat einen heißen Herbst versprochen und dazu gehört – ja – ein Streik. Also musst schnell noch gestreikt werden. Und wer sind die Leidtragenden: die Kunden der Bahn und jene, die fürsorglich heute auf das Auto umgestiegen sind, und in den großen Unfall selbst verwickelt waren bzw. in den dadurch ausgelösten Stau gesteckt sind. Meine Meinung dazu ist: die so genannte 12 Sunden Tag gehört politisch ausdiskutiert und gelöst, ist aber nicht Teil der Verhandlungen der Einzelgewerkschaften. Wie viel derartige Streiks haben wir denn heuer noch zu erwarten?
  • Ärgern Sie auch gewisse Sicherheitskontrollmaßnahmen auf Flughäfen: z.B. dieses unsägliche Schuhe-Ausziehen. Im Sommer, beim Urlaubsflug kann man ja Schlapfen anziehen … Und das, weil EINMAL jemand ein Messer in seinem Schuh versteckt hat! Nun hat sich herausgestellt, dass das Abnehmen von Behältern mit mehr als 100 Milliliter im Grunde nicht zur Sicherheit beiträgt, denn auch 100 Milliliter können einen beträchtlichen Schaden anrichten, wenn die Flüssigkeit richtig eingeschlossen ist. Eine der diesbezüglich leistungsfähigsten Flüssigkeiten wäre z.B. Oder Benzin in einem Shampoo- Behälter – zusammen mit einem (erlaubten) Feuerzeug – könnte beträchtlichen Schaden anrichten.  Dazu kommt, dass alle Behälter über die berühmten 100 Milliliter weggeworfen werden, wenn nun wirklich Sprengstoff drin wäre, wäre eine Spezialentsorgung notwendig, die aber nicht erfolgt.  Stattdessen kommt es angeblich sogar zu einem Handel unter den Flughafenangestellten mit den zurückgebliebenen Kosmetika und Getränken! Die 100-Milliliter-Regelung ist nach dem August 2006 entstanden. Selbstmordattentäter hatten versucht, mehrere Maschinen vom Flughafen London-Heathrow auf dem Weg in die USA und nach Kanada mit flüssigem Sprengstoff explodieren zu lassen. Die Tat konnte verhindert werden.

Es gäbe noch eine Reihe „Waren“ für meine Greislerei. Vielleicht demnächst wieder.

 

 

Meine prall gefüllte Greislerei: mit Erstaunen, Ärger, Angst, Irritation, etc.

Der Kathreintag, eine Haydnmesse, der St. Pöltner Dom und das Haus der Geschichte

Das war heute ein langer, ereignisreicher Tag für mich. Es gab ein „limitiertes“ Familientreffen in St. Pölten. Dort singt meine Schwiegertochter im Domchor und heute fand eine Aufführung der Missa in tempore belli (Messe in Zeiten des Krieges, auch Paukenmesse) von Joseph Haydn statt. Es war wirklich sehr eindrucksvoll, der wunderschöne barocke Dom, die aufwühlende Musik, eine zum Nachdenken anregende Predigt, schöne Messgewänder ….  Das einzige, das mir abging, war eigentlich der Weihrauch.

Nachher nahmen wir an einem Zusammenkommen des Chors teil und dann spazierten wir durch die wunderschön restaurierte barocke Altstadt (weitgehend Fußgängerzone) zum Mittagessen. Dabei durchquerten wir sehr ansprechende Höfe, prächtige Fassaden. Das Wetter war etwas nebelig aber nicht wirklich kalt.

Dann kam das Katharinenfest, denn sowohl meine Tochter als auch meine Schwiegertochter heißen Katharina – was in der Vergangenheit zu allerlei Verwechslungen geführt hat. Heute ist der Namenstag von Heiligen Katharina von Alexandrien (es gibt noch weitere Heilige Katharinen: jene von Siena und die von Genua). Sie wird in der katholischen und der orthodoxen Kirche als Märtyrin verehrt und gehört zu den sogenannten Virgines capitales, den vier großen heiligen Jungfrauen. Die hl. Katharina zählt auch zu den heiligen vierzehn Nothelfern und gilt als Helferin bei Leiden der Zunge und Sprachschwierigkeiten. Sie ist Schutzpatronin der Schulen, der philosophischen Fakultäten, der Näherinnen und Schneiderinnen. Der Legende zufolge war die hl. Katharina eine geweihte Jungfrau. Als der Kaiser Maxentius (oder Maximinus oder Maximianus) Christen zum Märtyrertod verurteilte, trat Katharina ihm entgegen und fragte ihn, weshalb nicht er zum Christentum übertrete, statt von den Christen Götzenopfer zu verlangen. In einer öffentlichen Diskussion, zu der der Kaiser seine besten 50 Philosophen und Gelehrten aufgeboten hatte, brachte Katharina so einleuchtende und gelehrte Argumente für das Christentum vor, dass sich alle fünfzig zum Christentum bekehrten. Weil sie nicht vermocht hatten, Katharina vom christlichen Glauben abzubringen, schickte der Kaiser sie alle auf den Scheiterhaufen.

Von ihrer Intelligenz und Schlagfertigkeit beeindruckt, ging die gebildete Kaiserin Faustina selbst zu ihr ins Verlies, um sie zum Heidentum zu bewegen. Doch auch die Kaiserin wurde von Katharina zum Christentum bekehrt und wurde, wie zuvor die Philosophen, hingerichtet. Katharina wurde daraufhin zwölf Tage lang gegeißelt und ohne Nahrung in einem finsteren Verlies eingekerkert. Jedoch erhielt sie göttlichen Beistand durch Engel, welche die Wunden salbten, und durch eine weiße Taube, die Nahrung brachte. Auch Christus selbst kam, um ihren Glauben zu stärken und sie auf das Martyrium vorzubereiten. Das Folterwerkzeug ihres Martyriums sollte das Rad sein, vier „mit eisernen Sägen und spitzen Nägeln“ gesäumte Räder. Auf Katharinas Gebet hin kam jedoch ein Engel und zerstörte das Folterinstrument mit solcher Wucht, dass zugleich 4000 Heiden getötet wurden. Letztendlich wurde Katharina enthauptet, und aus ihren Wunden floss Milch statt Blut. Engel brachten ihre sterblichen Überreste zum Berg Sinai. 500 Jahre später wurden ihre Reliquien dort gefunden, und der Heiligen zu Ehren wurde das Katharinenkloster an der Fundstelle gebaut. Aus dem Sarkophag fließt unaufhörlich ein für heilkräftig gehaltenes Öl.

Das gemeinsame Mittagessen zu Ehren der beiden Katharinen war dann gut und lustig.

Aber – wenn ich schon in St. Pölten war, dann wollte ich mir gleich das dortige Haus der Geschichte anschauen, um es dann mit jenem in Wien vergleichen zu können. Jedenfalls brachte mich meine Tochter noch in den Kulturbezirk 5 (kann man wirklich so ins „Navi“ eingeben). Dort begab ich mich ins Museum Niederösterreich, dessen Teil das Haus der Geschichte ist. Also im grauen Nebel, an einem Sonntag am Nachmittag fand ich die Gegend nicht gerade anziehend, eher einem Zukunftsroman der 80er Jahre entsprechend. Keine Leute, kein Verkehr, alles scheint ziemlich verlassen. Das Museum bot für mich persönliche eine sehr positive Überraschung, eine der „Buchhändlerinnen“ meiner ehemaligen Lieblingsbuchhandlung – die zwischenzeitlich zugesperrt hatte – begrüßte mich dort freudig. Es war nicht leicht für sie gewesen einen neuen Job auf dem Gebiet „Kultur“ zu finden, aber sie scheint sehr zufrieden, mit ihrer Tätigkeit im Museum Niederösterreich. Sie empfahl mir, nicht nur das Haus der Geschichte, sondern auch die Ausstellung „Die umkämpfte Republik – Österreich 1918 – 1938 anzuschauen – was ich dann auch tat. Darüber werde ich in einem meiner nächsten Blogs berichten – dann gleich im Vergleich mit dem „Wiener Haus der Geschichte“.

Knapp vor Ende der Ausstellung (17 Uhr) begab ich mich dann auf den Heimweg – das heißt zuerst zum Bahnhof in St. Pölten. Kein ganz leichtes Unterfangen, „Öffis“ dorthin gibt es keine und daher machte ich mich zu Fuß, bewaffnet mit einem Stadtplan auf den Weg. Naja, es war schon finster, es war ziemlich nebelig und kein Mensch auf der Straße. Die Straßenbeleuchtung hat auch nicht ausgereicht um hin und wieder den Plan zu konsultieren. Und diesen Weg scheint wirklich zu dieser Zeit von niemanden begangen zu sein – ich habe‘ mich nicht gefürchtet aber „gemütlich“ war’s dann auch nicht. Wenn irgendjemand meinen Weg kreuzte, fragte ich, ob ich wohl richtig in Richtung Bahnhof wäre – ich war’s. Dort erstand ich ein Ticket für die ÖBB und ärgerte mich, dass ein verspäteter Westbahnzug noch dort stand (den ich nicht zu erreichen gehofft hatte), den ich mit dem ÖBB Tickt nicht betreten durfte. Aber der nächste Zug kam dann eh schon bald (der war aber auch verspätet aber das störte mich nicht). Über Tullnerfeld erreichte ich dann den Hauptbahnhof (auf dem ich das erste Mal ankam) und trat den weiten Marsch zu U-Bahn an. Mit dem U1 war ich aber dann ehebaldigst zu Hause.

Und merken Sie: „Kathrein stellt den Tanz ein“, denn der in der nächsten Woche beginnende Advent dient als Bußzeit als Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Vom Kathreintag an bis einschließlich Erscheinung des Herrn blieben „Bass und Geigen eingesperrt“.

 

Der Kathreintag, eine Haydnmesse, der St. Pöltner Dom und das Haus der Geschichte

Die Großen Meister – wenn auch nur in Kopien, in der Votivkirche

Eine Anregung, in die Ausstellung „die Großen Meister“ zu gehen, stammt aus dem Facebook, wo eine lieber Verwandte (danke M.) einige Bilder gepostet hat.

In der Votivkirche werden hervorragend gemachte Kopien der großen Werke von da Vinci, Michelangelo, Raffael und Botticelli gezeigt. Wahrscheinlich haben viele von uns manche der Originale irgendwo schon sehen dürfen. Aber unter ganz anderen Umständen. Hier ist nichts gedrängt, keiner steht dem anderen im Weg herum, niemand drängt nach und dängelt, damit man endlich vorwärtsgeht. Es sind insgesamt 52 Werke, die man in de Votivkirche bewundern kann, nahe hingehen ist selbstverständlich, photographieren kein Problem, Kirchenbänke laden zum Sitzen ein. Insgesamt hat man hier Bedingungen, die man vor den Originalen nie vorfinden wird. Und man bekommt eine erhebliche Dosis Renaissance und kann schon rechten Stolz auf unser Abendland empfinden (mir ging’s zumindest so).

Außerdem – ich gesteh es ein – hat man die Möglichkeit sein Smartphone aus der Tasche zu ziehen, und bei bestimmen Bildern kurz nachzuschauen, wer denn die dargestellten handelnden Personen sind. Ich habe zumindest nicht gewusst, worin der Triumpf der Galatea bestand, oder wer überhaupt Apelles war, bzw. wessen man ihn bezichtigt hat. Auch bei Heliodor musste ich nachschauen, warum er denn eigentlich aus dem Tempel verjagt wurde, und was es mit dem umgefallenen Krug an sich hat, aus dem goldene Münzen rollen. Die Maler damals, aber auch ihre Auftraggeber und die Kunstsinnigen hatten schon ein sehr breites Wissen um Gestalten der Bibel und der Mythologie.

Inhaltlich stellen die meisten Bilder Heilige, Szenen aus der Bibel dar, besonders die vielen Madonnen sind – ich kann’s gar nicht anders sagen – bezaubernd. Besonders begeistert hat mich die Madonna mit dem Stieglitz oder die Felsengrottenmadonna. Das Jesuskind spielt auf verschiedenen dieser Bilder mit einem Granatapfel, dieser galt als Fruchtbarkeitssymbol aber auch als Aphrodisiakum? Es gibt auch recht unterschiedliche Darstellungen von der Heiligen Familie, mit und ohne Heilige Drei Könige. Eine davon, von Sandro Botticelli, zeigt in den Gesichtern der gemalten Figuren seine Zeitgenossen, aber für mich sehr berührend der Blick des Heiligen Joseph auf Maria, bewundernd, beschützend? Auch das Bild der Vermählung Mariens strahlt für mich einen besonderen Zauber aus, hier ist auch Joseph nicht gar so alt dargestellt.

Überhaupt diese Botticelli Bilder! So oft kommt man ja nicht nach Florenz, um sie im Original bewundern zu können, diese Schönheit und Eleganz der Figuren, diese Leichtigkeit der Bewegungen (der Frühling), oder die unnachahmliche Geburt der Venus. Sehr glücklich schaut ja die arme Venus gar nicht drein?   Selbst Judith, selbstverständlich nicht blutbefleckt, obwohl sie noch das Schwert trägt, mit dem sie das Haupt des Holofernes abgeschlagen hat, traut man diese Tat eigentlich nicht zu. Ihre Magd hinter ihr trägt das abgeschlagene Haupt, sie weist es nicht vor, wie in den meisten bekannten Bildern. Und Athene, die meist sehr wehrhaft dargestellt wird, wirkt in diesem Bild Botticellis lieblich und sehr anziehend – um nicht zu sagen erotisch, aber um sie als Kriegsgöttin zu definieren, trägt sie eine Hellebarde.

Ja, es sind nicht nur biblische Szenen dargestellt. Auch die Mythologie kommt nicht zu kurz – lange bin ich Raffaels Parnassus gestanden – und habe versucht, die verschiedenen Personen zu identifizieren, naja, gelungen ist es mir nur sehr teilweise. Apoll hab‘ ich gefunden (das war nicht schwer), die neuen Musen einzeln sicher nicht, aber doch den blinden Homer und Sappho – immerhin.

Ähnliche Probleme hatte ich bei Raffaels Begegnung Leos des Großen mit Attila. Ich gebe zu, ein großer Ignoramus (oder Ignorama?) zu sein, aber dass Attila und Leo der Große einander überhaupt begegnet sind, war mir neu. Ich hab‘ Leo nur im Zusammenhang mit Beilegung von Konflikten zwischen den großen theologischen Zeitfragen seiner Zeit gekannt – naja, man lernt nie aus.

Andererseits: Michelangelos David kennen wir ja alle. Zumindest seine Kopie vor dem Palazzo Vecchio in Florenz. Er wirkt so gar nicht als der „Unterlegene“, weder in seiner Mimik noch in seiner Körperhaltung. Ist er sich seines Sieges gewiss? Wahrscheinlich entspricht er dem Schönheitsideal eines jungen Mannes seiner Zeit, auch dem des Heute?

Und all das, was man in der Sixtinischen Kapelle von Weitem wahrnehmen kann, sieht man hier von der Nähe (und wird dabei nicht „durgeschoben“). Man fragt sich, welche sorgenvollen Gedanken Gott hatte, als er Adam schuf. Auch scheint sich Michelangelos Gott ordentlich angestrengt zu haben, als er Sonne, Mond und Pflanzen schuf. Bei der Vertreibung aus dem Paradies ist mir aufgefallen, wie unterschiedlich Adam und Eva im Paradies gewirkt haben (schöne gelassene Menschen) und wie gealtert und eigentlich ein bissel hässlich sie bei der Vertreibung wirken. Die Sintflut hinwieder bietet die Möglichkeit allerhand Strategien zu zeigen, die die bedrohten Menschen eingesetzt haben, um ihr Leben und ihre Habe zu retten. Ein paar haben sich sogar an die Arche außen angeklammert, andere haben sich in ein Boot gerettet und vertreiben gnadenlos jene, die versuchen dieses Boot zu entern.

Das Jüngste Gericht hat mich erschüttert. Es ist kein barmherziger Christus, der hier dargestellt wird, er ist der gestrenge Richter und nicht wenige werden verdammt. Können wir das heute noch glauben?

Bei der Bekehrung des Saulus von Michelangelo hab‘ ich mich an die Bruegel-Ausstellung erinnert, wo auch dieses Thema abgehandelt wurde. Welch ein Unterschied! Und bei der Kreuzigung Petri habe ich mich gefragt, ob Petrus denn nicht schon alt gewesen ist, als er gekreuzigt wurde – hier wirkt er sehr stark und fast noch kampfbereit auf mich, außerdem – warum schaut er „aus dem Bild“ auf uns, die Betrachter?

Ich habe in meinem Berichts Wesentliches nicht erwähnt, aber schauen Sie sich das an, auch wenn es nur Kopien sind, die hier einander gegenübergestellt werden. manches davon, wie den Salvator Mundi, können Sie derzeit im Original nur in Abu Dhabi bewundern, und um die anderen zu sehen müssen Sie in Europa umherfahren.

Die Votivkirche ruft!

 

 

Die Großen Meister – wenn auch nur in Kopien, in der Votivkirche

Gibraltar: Stolperstein am Brexitweg

Und nun geht es um einen großen Stein des Anstoßes: den Felsen von Gibraltar, ein monolithischer Kalksteinfelsen, 426 Meter hoch, eine Touristen Attraktion, ein Naturschutzgebiet, der Lebensraum von über 250 Berberaffen. Einer Legende nach verliert die britische Krone Gibraltar, wenn die Affen verschwinden. Er enthält in den Felsen gegrabenen Verteidigungstunnel. Wegen des vergleichsweisen milden Klimas auf dem Felsen wird er während der Vogelzugzeit von vielen Zugvögeln als Rastplatz verwendet, im Herbst bei der Reise nach Süden, im Frühling nach Norden.

Der Felsen von Gibraltar ist eine der Säulen des Herakles, auf denen gemäß altem Weltbild das Himmelszelt ruht. Die beiden Säulen (die andere war Monte Hacho oder Dschebel Musa auf der Südseite der Straße von Gibraltar), markierten damals das Ende der bekannten Welt. Ihn krönt eine Maurische Burgruine aus der Zeit, als Gibraltar von den Mauren besetzt war. Sie wurde im Jahr 711 von Tariq ibn Ziyad, einem Kriegsherrn der Berber, errichtet. Er war als erster Muslim auf Gibraltar gelandet, weshalb der Felsen im arabischen noch immer seinen Namen trägt, Dschabal at-Tariq, „Fels des Tariq“. Aber auch Karl V. hat seine Spuren dort hinterlassen. Die Mauer Karls V. wurde 1552 etwa in der Mitte der Halbinsel errichtet. Der noch erhaltene Teil beginnt etwas über dem Fuß des Felsens und führt bis zum Kamm. 2008 wurde auf dieser Mauer ein Fußweg eröffnet. Trotz langer Belagerungen ist Gibraltar seit dem Mittelalter nicht mehr gefallen.

Nachdem die spanischen Habsburger die Vorherrschaft in Europa am Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 verloren hatten, kämpften Niederländer und Engländer um die Kontrolle der Ozeane. Zwischen diesen Auseinandersetzungen kam es immer wieder zu Friedensschlüssen und gemeinsamen Aktionen gegen Dritte. Eine dieser gemeinsamen Aktionen war die Eroberung Gibraltars am 4. August 1704 durch Prinz Georg von Hessen-Darmstadt im Spanischen Erbfolgekrieg an Bord der englisch-holländischen Flotte. Die spanische Besatzung wurde dabei in Abwandlung militärischer Taktik nicht im Morgengrauen, sondern während der Siesta am Nachmittag überrascht. Die anschließende Belagerung Gibraltars durch Spanien blieb erfolglos. 1713 wurde das Gebiet im Vertrag von Utrecht formell den Briten zugesprochen und ist seit 1830 britische Kronkolonie. Während des Englisch-Spanischen Krieges von 1727–1729 belagerten Truppen von Philipp V. vergeblich Gibraltar. Zwischen 1779 und 1783 versuchten spanische und französische Truppen erneut, die Festung zu erobern (Great Siege). In dieser Zeit wurden die ersten Tunnel, die sogenannten Great Siege Tunnels, gegraben.

Seit langem kommt es zu Spannungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Spanien, weil Spanien die Hoheit über Gibraltar wiedererlangen möchte. Die Grenze nach Spanien war von 1969 bis 1985 geschlossen. Seit 1946 steht das Territorium auf der UN-Liste der Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung. Bei einem Referendum am 7. November 2002 (Wahlbeteiligung: fast 90 %) stimmten 99 % der Abstimmenden für einen Verbleib unter britischer Herrschaft. Nur 187 Bewohner waren für eine geteilte Souveränität. 2006 schlossen der Außenminister Spaniens und der Europaminister des Vereinigten Königreichs sowie der Chief Minister of Gibraltar einen Vertrag zur Zusammenarbeit. Wesentlich dabei war auch eine Erleichterung der Grenzkontrollen auf der Landseite.

Und nun der Brexit: Im Gegensatz zu allen anderen Britischen Überseegebieten ist Gibraltar Teil der Europäischen Union. Aus Sicht der Europäischen Union sind die Einwohner nicht Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs. Es gibt einige spezielle Regelungen:

  • Gibraltar ist den freien Warenverkehr betreffend nicht Teil des EU-Binnenmarktes.
  • Das Schengen Recht findet in Gibraltar grundsätzlich keine Anwendung, da kein gesonderter Anwendungsantrag gestellt wurde.
  • Die EU-Bestimmungen zur Mehrwertsteuer finden in Gibraltar keine Anwendung.
  • Gibraltar nimmt nicht an der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Fischereipolitik teil.

Im Jahr 2003 erhielten die Bewohner Gibraltars das Wahlrecht für das Europäische Parlament, obwohl die Bürger keine Unionsbürger sind. Dies begründet der EuGH mit der engen Verbindung von Gibraltar zum Vereinigten Königreich. Bei der Europawahl 2004 nutzten 57,5 % der Wahlberechtigten Gibraltars ihr neues Recht. Damit lag die Wahlbeteiligung 18,6 Prozentpunkte über dem britischen Durchschnitt. Beim Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union 2016 stimmten 95,9 % für den Verbleib in der Europäischen Union, 4,1 % für den Brexit – bei einer Wahlbeteiligung von 83,5 %. Gibraltar war damit der Stimmbezirk mit dem höchsten Stimmanteil für einen Verbleib in der EU. Man sieht sich als Briten; die Zukunft Gibraltars liegt aber in der EU. So die Meinung der Bürger. Das Territorium ist 6,5 Quadratkilometer groß, etwa doppelt so groß wie die Wiener Innenstadt oder so groß, wie der Wiener Prater!

Wirtschaftliche Interessen stehen aber im Vordergrund:  Im Süden Spaniens sind viele Menschen arbeitslos. Anders ist die Situation in Gibraltar. Mehr als zehn Millionen Touristen kamen 2017, das Glücksspiel floriert. Rund 10.000 Spanier arbeiten in Gibraltar. Aber – nach dem Brexit – können Ausländer künftig noch problemlos im Vereinigten Königreich arbeiten? Wie offen sind die Grenzen für den Waren- und Personenverkehr? Da es in Gibraltar keine Mehrwertsteuer gibt, boomt beispielsweise der Zigarettenschmuggel. Es gibt gemeinsame Herausforderungen beim Umweltschutz. Spanien möchte diese Fragen für Gibraltar allein mit Großbritannien besprechen. Die Lage ist schwierig: Schließlich bekäme Spanien als einziges EU-Land auf dem Kontinent plötzliche eine EU-Außengrenze mit Großbritannien. Und die Problematik wird verstärkt durch die am 2. Dezember stattfindenden Regionalwahlen in Andalusien. Die 10.000 Spanier, die um ihre Jobs in Gibraltar zittern, leben in Andalusien.

Ein englisches Sprichwort lautet „solid as the Rock of Gibraltar“. Das Motto Gibraltars lautet „Nulli Expugnabilis Hosti“ (lat.: Für keinen Feind bezwingbar).

Ich glaube fast sicher zu sein, dass es bis zum Sondergipfel der EU am 25.11.2018 zu einer Lösung dieser vertrackten Situation kommen wird. Dabei sollen die Staats- und Regierungsspitzen der EU sowohl dem 585 Seiten starken Austrittsvertrag als auch der Erklärung zu den künftigen Beziehungen ihren Segen geben. Angestrebt wird eine „ehrgeizige“ und „tiefe“ wirtschaftliche und politische Partnerschaft. Die Übergangsperiode soll um ein, zwei Jahre verlängert werden können.

Also hoffen wir das Beste, dass zumindest dieser Schritt in dem steinigen Brexit-Weg zeitgemäß und einstimmig erfolgen kann.

PS.: ich habe an dieser Stelle schon einmal über Gibraltar (und Brexit) geschrieben: am 16. Juni 2016 unter dem Titel: Und was sagen die Affen dazu?

Gibraltar: Stolperstein am Brexitweg