Eine dringende Empfehlung: Gehen Sie in das Hofmobiliendepot und schauen Sie sich dort die Sonderausstellung „Bruch und Kontinuität 1918, das Schicksal des habsburgischen Erbes nach 1918 an. Dort wird in sehr anschaulicher Form „Geschichte“ vorgeführt. Auch diese Ausstellung könnte Teil eines großen (!) Hauses der Geschichte/der Republik sein, genauso wie die Ausstellung 1848/49 im Palais Niederösterreich oder die Ausstellung 1818/1919 im Wien Museum.
Ich interessiere mich für Geschichte, in dieser Ausstellung habe ich wieder viel dazugelernt, und ich habe über vieles nachgedacht, das uns heute selbstverständlich erscheint, aber damals rasch unter Druck geregelt werden musste. Man muss sich vor Augen halten: der Krieg war verloren, der Kaiser hat mit seiner Familie das Land verlassen. Die Kronländer waren weggebrochen und die Lieferung lebensnotwendiger Güter von dort fiel weg. Die Versorgung war zusammengebrochen. Es herrschten Hunger, Krankheit (die spanische Grippe), und Mangel an fast allem (auch Heizmaterial). Die Soldaten kehrten aus dem Krieg zurück, viele davon verwundet, die Spitäler überfüllt, sie fanden keine Anstellungen. An die kleine Republik Deutsch-Österreich wurden von allen Seiten Forderungen gestellt, sie hatte die „Schuld am Krieg“ zu tragen.
Schwierig war es, dieses habsburgische Erbe zu klassifizieren und dann aufzuteilen. Was durfte sich die junge Republik durch Enteignung überantworten, was war kaiserlicher Privatbesitz? Worauf erhob die ehemalige Herrscherdynastie also zu Recht Ansprüche? Was gehörte den Nachfolgestaaten der Monarchie? Rechtlich geregelt wurde das Problem in zwei Schritten: Im Friedensvertrag von Saint-Germain (September 1919) setzte sich das Territorialprinzip durch. Die Vermögenswerte fielen demjenigen Staat zu, in dessen Staatsgebiet sie sich befanden. Die klugen Beamten in Österreich hatten das vorhergesehen und die Verhandlungen mit den Nachbarstaaten durch bürokratische Ausreden verzögert. Damit waren „Raubzüge“, wie jener Italiens nicht mehr möglich, die Schlösser hingegen etwa in Böhmen gingen an die Nachfolgestaaten.
Die Dynastie verlor alles, was im sogenannten habsburgischen Familienfonds war, ausgenommen war nur das, was eindeutig Privateigentum der habsburgischen Familie war. Das war im Fall Kaiser Karls nicht viel, die Villa Wartholz in Reichenau gehörte dazu und Schloss Eckartsau, sein letzter Aufenthaltsort in Österreich. Für die Erben des Kaisers Franz Joseph I. hatte dieser wesentlich besser vorgesorgt. Seine Enkelin, die so genannte „Roten Erzherzogin“, die Tochter Kronprinz Rudolfs, vermachte später, als bekennende Sozialdemokratin, ihr Erbe, Kunstwerke aus dem Privatbesitz Kaiserin Elisabeths und ihres Vaters, der Republik.
Die Nachfolgestaaten und die Siegermächte forderten ihren Anteil an der Erbmasse der Monarchie ein – der „Raub“ von 66 kostbaren Gemälden der italienischen Militärkommission aus dem Kunsthistorischen Museum ist hier nur der spektakulärste Fall. Das geschah, bevor internationale Regelungen getroffen worden waren, was diesen Besitz angeht. Ein Photo zeigt die leeren Bilderrahmen im Kunsthistorischen Museum und den Abtransport der Gemälde. Aber es waren nicht die einzigen Kunstgegenstände, die die Italiener „genommen“ hatten. Leider war ich nicht in der Lage festzustellen, ob diese Kunstwerke je zurückgegeben (restituiert) worden waren. Ich hoffe, im Katalog, der erst im Februar erscheinen wird, diese Informationen zu finden.
Auch andere Nachfolgestaaten versuchten, noch an das Erbgut der Habsburger zu kommen. Da man die bittere Not der Menschen in klein gewordenen Österreich kannte, bot man Lebensmittel für Kunstgegenstände, Möbel und Teppiche an. Aber Österreich ließ sich nicht erpressen.
Regelungen mussten getroffen werden: das sogenannte Habsburgergesetzwurde am 3. April 1919 in Kraft gesetzt. Im Paragraph 5 steht dort zu lesen: „Die Republik Deutschösterreich ist Eigentümerin des gesamten in ihrem Staatsgebiete befindlichen beweglichen und unbeweglichen hofärarischen sowie des für das früher regierende Haus oder für eine Zweiglinie desselben gebundenen Vermögens.“ Die tatsächliche Inbesitznahme der ehemals kaiserlichen Hofämter, Kunstsammlungen, Schlösser und Liegenschaften war jedoch deutlich wesentlich komplizierter. Aber dieses Österreich verfügte über eine äußerst kompetente, weise agierende Bürokratie, die auch nichts überhastete – und damit vieles vor Verkauf retten zu können. Die Abwicklung nahm drei Jahre in Anspruch. Bis November 1921 existierte der „Hof ohne Kaiser“ unter republikanischen Vorzeichen weiter. Eine gewachsene Organisation wie den Hofstaat eliminiert man nicht in wenigen Wochen oder Monaten, das dauert Jahre. Bis zum November 1921 existierte ein „Hof ohne Kaiser“. Diese Personen, mit sehr eindrucksvollen Titeln und in strenger Hierarchie waren im Kaiserhaus nicht hoch bezahlt gewesen, aber sie genossen hohes Ansehen und empfingen viele Sozialleistungen. Und dann? Auch sie reihten sich in Schlangen der Arbeitslosen ein – nur wenige konnten von der Republik übernommen werden.
Den Schmuck der Angehörigen des Herrscherhauses kann man auf deren Gemälden bewundern, besonders „Sisi“ ist oft mit äußerst prächtigem Schmuck zu sehen, ausgestellt ist die Vitrine, in dem dieser Schmuck „aufbewahrt“ worden war (Schatzkammer) und die leeren Etuis. Diese Stücke waren heiß umstritten, aber das Herrscherhaus hatte sie vor der Abreise an sich gebracht. Vieles musste von den Mitgliedern unter seinem Wert verkauft werden um den Lebensunterhalt im Exil zu decken. Damals verkauften viele Adelige ihre Schmuckstücke, daher war der Gegenwert, den man erzielen konnte eher, sehr gering.
Etwas enttäuscht hat mich der Thronsessel, er hat – für mich – so gar nichts mit einem Thron zu tun. Er scheint wie ein etwas aufwändiger gestalteter Sessel auf einem Podest. Er wurde auch sehr selten benutzt.
Interessant war auch die „Nachnutzung“ verschiedener Liegenschaften. Schönbrunn z.B. Ich wusste zwar, dass dort nach dem Ersten Weltkrieg hungernde Waisenkinder untergebracht waren, nicht aber wusste ich das Kriegsinvaliden aus überfüllten Spitälern flohen und sich in lichten, luftigen Räumen in Schönbrunn niederließen. Und nicht nur dorthin gingen sie. Gerührt hat mich ein Gedicht, vorgetragen von einem kleinen Mädchen, das Dankbarkeit für amerikanische Lebensmittel ausdrückte.
Und Vieles mehr –
Lassen Sie sich informieren, belehren, überraschen, verärgern, rühren …. Das alles bietet diese Ausstellung. Sic transit gloria mundi.