Zu Uganda – und Kindersoldaten

Kürzlich habe ich eine Aufforderung bekommen „um für Familien von Kindersoldaten in Uganda“ zu spenden. Nun, ich bin ja gerne bereit zu helfen, aber dafür? Ich meine zu wissen, dass Uganda derzeit ein recht friedliches, auch halbwegs prosperierendes, zwar autoritär geführtes Land ist, das bereit ist Flüchtlinge aufzunehmen, denen gleich ein Stück Land gegeben wird, wo sie sich eine Hütte bauen und das Land bewirtschaften können. Das ist doch besser, als anderswo!

Aber dann hab e ich mich an Idi Amin erinnert und an die Tatsache, dass Uganda an den Sudan grenzt. Daraufhin habe ich beschlossen, mich „genauer umzusehen“.

Am 9. Oktober 1962 wurde Uganda unabhängig, nachdem es seit 1894 britisches Protektorat gewesen war. 1966 der amtierende König von Premier Milton Obote verdrängt worden, der ein Einparteiensystem einführte und eine radikale Sozialisierung im Sinne des „Afrikanischen Sozialismus“ durchsetzte, teilweise begleitet von blutigen Massakern. Das nutzte der zum Kommandeur (Generalmajor) aufgestiegene Idi Amin aus: Während einer Abwesenheit Obotes übernahm er durch einen Militärputsch 1971 die Macht. Die Diktatur Idi Amins von 1971 bis 1979, er  war für die Ermordung von über 300.000 Oppositionellen verantwortlich. Angehörige anderer Volksgruppen wurden getötet, asiatische Zuwanderer, vor allem Inder, die im Handel bestimmend waren, des Landes verwiesen. Amin wütete bis 1979, die Bevölkerung lebte unter ständiger Furcht vor brutalen Gewaltakten. 1979 wurde die Hauptstadt Kampala unter der Mitwirkung von ugandischen Rebellenverbänden erobert. In den Wahlen im September 1980 kam Milton Obote wieder an die Macht. Obote ließ wieder politische Gegner ermorden, es kam wieder zur Verfolgung ganzer Volksgruppen, Folter und Terror herrschten schlimmer als je zuvor im Land. Im Januar 1986 eroberte seine National Resistance Army (NRA) die Hauptstadt Kampala.

In dem 20 Jahre andauernde Bürgerkrieg im Norden Ugandas terrorisierte die Lord’s Resistance Army (LRA) vom Sudan aus die Bevölkerung, die zusätzlich unter Angriffen ugandischer Regierungstruppen zu leiden hatte. Mehrere Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien scheiterten, bis ein Waffenstillstandsabkommen von Vertretern beider Parteien unterzeichnet wurde. Norduganda blieb seither von größeren Überfällen verschont; die LRA übt weiterhin Gewalttaten im Nordosten des Kongo aus und hat sich möglicherweise auch nach Darfur verlagert.

Viele Jahre hat Europa die Exzesse der Grausamkeit in Uganda ignoriert. Erst durch die umstrittene KONY 2012-Kampagne (Ziel: die Bekanntmachung und Festnahme des ugandischen Rebellenführers und mutmaßlichen Kriegsverbrechers Joseph Kony) wurde das Schicksal von 30.000 entführten Kindern – jedes vierte ein Mädchen – für ein paar Wochen ein Nachrichten-Thema. Sie waren von Joseph Konys LRA gekidnappt worden, die sich erbitterte Kämpfe mit den Truppen von Präsident Yoweri Musevenidie lieferte. Heute hat die Welt ihre Aufmerksamkeit wieder auf andere Regionen gerichtet.

Vorweg vielleicht zu einer Definition von Kindersoldaten, laut UNICEF: „alle Kämpfer und deren Helfer, die unter 18 Jahre alt sind“. Nach den Cape Town Principles von 1997 sollen nicht nur minderjährige kämpfende Angehörige von bewaffneten Einheiten als Kindersoldaten angesehen werden, sondern auch Träger, Informanten, Köche, zwangsprostituierte Mädchen usw. Üblicherweise werden Kindersoldaten zwangsrekrutiert, aber insbesondere Jugendliche schließen sich gelegentlich auch freiwillig bewaffneten Gruppen an. In der Regel kommen Kindersoldaten aus armen Bevölkerungsschichten; viele sind durch Kriegsereignisse von den Eltern getrennt worden und suchen Schutz, es sind Kinder aus Flüchtlings- und Vertriebenenlagern oder Straßenkinder. Unter diesen Umständen erscheint der Krieg für Jugendliche als eine Chance, ihre Existenz zu sichern, ihnen soziale Anerkennung zu bringen, und möglicherweise ein Machtgefühl, das sie als Unbewaffnete nie hätten. Manche sinnen auf Rache, weil ein Feind Angehörige getötet hat. Diese Kinder haben häufig eine höhere Risikobereitschaft. Viele der heutzutage eingesetzten Handfeuerwaffen brauchen weder große Körperkraft noch erfordern sie ein ausgefeiltes Training. Kinder werden auch häufig zum Verlegen oder Entschärfen von Landminen eingesetzt. Mädchen werden auch zwangsprostituiert oder zu Sexbeziehungen oder Heirat mit Soldaten gezwungen oder genötigt.

Der Einsatz von Kindersoldaten kennt keine Grenzen: Oft werden sie auch in Konflikte benachbarter Länder verschleppt (z.B. Kinder in Uganda haben auch im Sudan gekämpft). Heute ist dort nach monatelangen Protesten Sudans langjähriger Staatschef Omar al-Bashir vom Militär des Landes abgesetzt worden.

Kindersoldaten sind keine besonders neues Phänomen. im römischen Reich waren sie als „Rossbuben“ der Reiterei zugeteilt, sie treten im Dreißigjährigen Krieg, in den Napoleonischen Kriegen, und während des Amerikanischen Sezessionskrieges auf. Auch im Zweiten Weltkrieg gab es auf fast allen Seiten Kindersoldaten. Weltweit kommen heute hunderttausende Kindersoldaten zum Einsatz – auf Befehl müssen sie töten und foltern.

Schwierig wird die Rückkehr ins normale Leben. Viele Kindersoldaten glauben, dass der Krieg den einzig möglichen Lebensweg darstellt. Ihre Kindheit haben sie jedenfalls verloren und es gibt selten und wenig Hilfe bei der Aufgabe des „Soldatenberufes“. Sie sind meist traumatisiert. Sie haben eigentlich nichts „Verwertbares“ gelernt, sie haben kein Geld um sich eine Unterkunft zu leisten oder irgendetwas neu anzufangen oder zu lernen. Sie werden weitgehend von der umgebenden Gesellschaft abgelehnt.

Wenn ich das alles so lese: ich werde für Familien von Kindersoldaten in Uganda (es sammelt Missio) spenden.

Zu Uganda – und Kindersoldaten

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