Nach dem Ersten Weltkrieg ist nicht nur das Habsburger Reich zerfallen, sondern auch das Russische Reich, Deutschland verlor seine Kolonien und auch Gebiete innerhalb Europas, sondern auch das Omanische Reich hat aufgehört zu bestehen. Und das hat nicht nur zu Konsequenzen in Europa in der Zwischenkriegszeit und zum Zweiten Weltkrieg geführt, sondern die Konsequenzen der Auflösung des Osmanischen Reiches betreffen die gesamte Region und die Auswirkungen spüren wir auch heute.
Denn die von den Siegermächten betriebene Aufteilung des osmanischen Reiches folgte in erster Linie den Eigeninteressen der westeuropäischen Mächte, England und Frankreich, und berücksichtigte weder über Jahrhunderte gewachsene ethnische, regionale und kulturelle Zusammenhänge, noch die Interessen der arabischen Verbündeten der Entente. Die aus dieser Aufteilung entstandenen Konflikte prägen noch immer die politische und soziale Geschichte des Nahen Ostens.
Schon während des Krieges hatten die Entente-Mächte eine Reihe von Vereinbarungen über eine zukünftige Aufteilung des Reichsgebiets getroffen. Aus Sorge vor einer möglichen russischen Kriegsmüdigkeit angesichts der deutschen und osmanischen militärischen Erfolge in Polen und Ostanatolien sah die Vereinbarung von Konstantinopel vom März 1915 vor, dem Zarenreich im Falle des Sieges die Besetzung Konstantinopels sowie die Kontrolle über den Bosporus und die Dardanellen zu überlassen. Mit der Aufkündigung der Verträge mit den Alliierten nach der russischen Oktoberrevolution von 1917 wurde dieses Abkommen hinfällig. 1916 hatte der Emir von Mekka, Hussein ibn Ali, die osmanische Oberhoheit für aufgehoben erklärt und sich zum König von Arabien ausgerufen. Er wurde schließlich als König des Hedschas anerkannt.
Im Sykes-Picot-Abkommen vom Mai 1916 wurde das osmanische Reich in europäische Interessensphären aufgeteilt. Dieses Abkommen diente im Wesentlichen der Absicherung des französischen Anspruchs auf das osmanische Syrien, indem es Frankreich die „direkte Kontrolle“ über eine Zone entlang der syrischen Küste über den Südlibanon bis nach Anatolien hinein einräumte. Im Gegenzug konnte Großbritannien die direkte Kontrolle über das südliche Mesopotamien sowie eine ausgedehnte Zone indirekter Kontrolle von Gaza bis Kirkuk für sich beanspruchen. In der Balfour-Deklaration von 1917 hinwieder wurde den Juden eine „nationale Heimstätte“ in Palästina versprochen. Dies stand im Widerspruch zu den britischen Versprechen an die arabischen Verbündeten. Die Einhaltung der Balfour-Deklaration setzte eine andauernde militärische Präsenz Großbritanniens in Palästina voraus. Die teils widersprüchlichen Abmachungen führten dazu, dass eine Lösung letztlich nur durch Kompromisse oder gewaltsam erreicht werden konnte.
Nachdem der Katholikos-Patriarch der Assyrischen Kirche des Ostens im Ersten Weltkrieg ein Kriegsbündnis mit Russland geschlossen hatte, um die Unabhängigkeit der Assyrer-Stämme vom zerfallenden Osmanischen Reich zu erreichen, musste er mit zahlreichen Assyrern fliehen. In den Kämpfen und Flüchtlingstrecks verloren Tausende ihr Leben. Der Katholikos-Patriarch der Assyrischen Kirche des Ostens und ein Teil der assyrischen Anführer forderten, unter anderem vor dem Völkerbund in Genf, ein geschlossenes Siedlungsgebiet für ihr Volk mit weitreichender Autonomie, kamen mit ihrer Forderung jedoch nicht durch. Die eine andere Politik verfolgende Chaldäisch-katholische Kirche wurde von den Ereignissen in Mitleidenschaft gezogen, konnte sich in ihren traditionellen Siedlungsgebieten jedoch weithin halten.
Von Wilsons Ideen der Selbstbestimmung der Völker sind diese Lösungen meilenweit entfernt. Die meisten der Versprechungen gegenüber Alliierten waren nach dem Kriegt gebrochen worden.
Der Vertrag von Sèvres von 1920 sah zwar den Erhalt der osmanischen Monarchie und Verwaltung vor, schränkte das Staatsgebiet jedoch stark ein: Die Meeresstraßen des Bosporus und der Dardanellen unterstanden demnach der Kontrolle einer internationalen Kommission. Griechenland erhielt mit Thrakien die letzte europäische Provinz des Reiches, und sollte die Kontrolle über die westanatolische Hafenstadt İzmir bekommen. Ein unabhängiger armenischer Staat sollte in Ostanatolien und dem russischen Kaukasus entstehen, die kurdischen Gebiete Südostanatoliens sollten eine Halbautonomie genießen.
Die Beschlüsse der Konferenz von San Remo (1920) trennte die arabischen Reichsprovinzen von der osmanischen Souveränität und teilten sie in westeuropäische Interessensphären auf: Frankreich erhielt das Völkerbundmandat für Syrien und Libanon, Großbritannien das Mandat für Palästina beiderseits des Jordanflusses und das Mesopotamien. Aus den drei osmanischen Vilâyets Bagdad, Mossul und Basra einschließlich des kurdischen Nordiraks entstand der heutige Irak. Ein weiterer arabischer Staat entstand in Transjordanien. Der Wunsch der ehemaligen arabischen Verbündeten nach Unabhängigkeit wurde durch das Abkommen von San Remo zerschlagen. Ein „Pan-Syrischer Kongress“ hatte am 8. März 1920 die Unabhängigkeit der Gebiete Syrien, Palästina, Libanon und Teilen des Nordiraks erklärt und Faisal I. zum König ernannt. Mit der Niederlage Faisals in der Schlacht am Pass von Maysalun, am 23. Juli 1920 zwischen syrischen und französischen Truppen, rund zwölf Kilometer westlich von Damaskus) gegen französische Truppen wurden diese Pläne vereitelt. Faisals Bruder Abdallah wurde zum König von Transjordanien ausgerufen, während Faisal 1921 die Herrschaft über das Königreich Irak antrat.
Die Aufteilung der arabischen Provinzen des im Ersten Weltkrieg besiegten Osmanischen Reiches in britische und französische Mandatsgebiete traf die arabischen Länder des Nahen Ostens weitgehend unvorbereitet. Fast ein Vierteljahrhundert lang waren die ohne Rücksicht auf historische oder ethnische Zusammengehörigkeit entstandenen Staaten danach damit beschäftigt, ihre volle Unabhängigkeit von Europa zu erlangen und neue Identitäten für ihre Länder zu finden. Die 1918 von den Siegermächten gezogenen Grenzen verlieren nun im Bürgerkrieg in Syrien – unter türkischer Beteiligung – sowie im Irak ihre Gültigkeit.
Und weil die Türkei unter Atatürk nicht das Erbe des Osmanischen Reiches annehmen wollte, kam es zum Vertrag von Lausanne, 1923 zwischen der Türkei sowie Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Griechenland, Rumänien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Mit diesem Vertrag konnte die Türkei, nachdem sie 1922 den Griechisch-Türkischen Krieg gewonnen hatte, die Bestimmungen des nach dem Ersten Weltkrieg abgeschlossenen Vertrags von Sèvres teilweise nach ihren Vorstellungen revidieren. Das Abkommen legalisierte die bereits vollzogene Vertreibung von Griechen bzw. Türken nachträglich. Die aktuellen Grenzen der Türkei und Griechenlands haben ihren Ursprung in diesem Vertrag. Laut Vertrag erhielt die Türkei Ost- und Südostanatolien (Ostanatolien war im Vertrag von Sèvres für Armenien vorgesehen gewesen), Ostthrakien (seitdem der europäische Teil der Türkei) sowie Izmir (griechisch Smyrna). Griechenland behielt Westthrakien. Zudem stimmte die Türkei der von Großbritannien 1914 proklamierten Annexion Zyperns zu, das bis zu dieser Zustimmung formal zur Türkei gehört hatte, und gab ihre Ansprüche gegenüber Ägypten und dem Sudan auf. Des Weiteren wurde die italienische Besetzung rund um Antalya revidiert. Im Gegenzug erkannte der türkische Staat die italienische Souveränität über den Dodekanes und Libyen an, die als Ergebnis des Osmanisch-Italienischen Krieges an Italien gefallen waren.
Wenn man nun heute die Konfliktlinien im Nahen und Mittleren Osten sowie Trouble-Spots im Mittelmeer (z.B. geteiltes Zypern) betrachtet, kann man die Ursache leicht in den Verträgen nach dem Ersten Weltkrieg erkennen.