Jetzt ist dieser Wahlkampf endlich vorbei, wirklich? Es stehen schon neuerlich Wahlen an, in Vorarlberg, Steiermark und dem Burgenland. Und schon heute früh im Radio, in allen Zeitungen wird über die Regierungszusammensetzung spekuliert. Aber all das möchte ich jetzt einmal beiseiteschieben und eines großen Europäers gedenken, der vor 1600 Jahre – Sie lesen richtig – gestorben ist. Und Europa – mit seinen südlichen und östlichen Rändern – war damals „die Welt“. Er hat ein Fundament für diese Welt gelegt – er hat z.B. die Bibel ins Lateinische übersetzt – Sie erraten es schon: es entstand die Vulgata.
Sie kennen ihn, von zahllosen Darstellungen in Kirchen und Museen: Michelangelo hat ihn gemalt, ebenso wie Lucas Cranach, Bellini, Albrecht Dürer, Leonardo da Vinci, Rembrandt und viele andere. Die meisten dieser Darstellungen beruhen auf der Löwenlegende: Als Hieronymus Eremit war, sei ein hinkender Löwe in die Felsenhöhle gekommen und alle Mönche seien geflohen. Hieronymus aber fragte den Löwen, warum er zu ihnen gekommen sei. Das wilde Tier hob seine blutende, verletzte Pranke hoch. Hieronymus trug den Mönchen auf, Wasser zu bringen und die Wunde zu reinigen. Sie zogen einen Dorn aus der Löwenpranke und pflegten das Tier, bis die Wunde verheilt war. Der Löwe blieb bei den Mönchen und hütete die Weidetiere, während die Männer im Wald Holz sammelten. Eines Tages schlief der Löwe beim Hüten der Tiere ein und eine vorüberziehende Karawane stahl unbemerkt einen Esel. Die Mönche dachten zunächst, der Löwe hätte ihn gefressen. Doch der Löwe entdeckte die Karawane mit dem Esel, lief hin und brüllte so gewaltig, dass die Männer fast zu Tode erschraken. Voller Angst und Reue brachten sie den Esel zu Hieronymus zurück.
Geboren wurde Hieronymus um das Jahr 347 in Stridon, der heutigen Stadt Strigova in Kroatien. Die christlichen Eltern schickten den Sohn zum Studium nach Rom. Dort ließ er sich später auch taufen. Hieronymus zeigte schon sehr bald seine herausragenden geistigen Fähigkeiten – vor allem in der Philosophie. Intensiv setzte er sich mit den Werken Ciceros und Platons auseinander. Darüber hinaus verfügte er über ein phänomenales Gedächtnis, war äußerst sprachbegabt und rhetorisch fast unschlagbar. Auch das großstädtische Leben mit all seinen Aspekten gefiel ihm.
Doch Hieronymus gelang es einfach nicht, die Lektüre heidnischer Philosophen mit seinem Glauben zu vereinen. In einem Brief beschreibt er einen Traum: Er habe sich vor seinem himmlischen Richter stehen sehen, der ihn nach seinem Glauben fragte. Als Hieronymus beteuerte, dass er Christ sei, antwortete der Richter: „Du bist kein Christ, du bist Ciceronianer. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ Hieronymus war tief betroffen und versprach, sich mehr der Heiligen Schrift zu widmen.
Nun studierte Hieronymus an verschiedenen Orten in Europa (Trier, Aquileia) Theologie, und er wurde auch Mönch. 373, mit 26 Jahren, unternahm Hieronymus mehrere Pilgerreisen in den Orient. In Antiochia, einer Stadt im antiken Syrien (heute Antakya in der Türkei), lernte er Griechisch und befasste sich mit der Literatur des Origines (* um 185; † um 254). Hieronymus schloss sich Mönchen in der Wüste bei Aleppo an und lebte in völliger Askese in einer Felsenhöhle. Nun lernte e auch Hebräisch, in Antiochia wurde er 379 zum Priester geweiht. 382 reiste Hieronymus über Konstantinopel nach Rom zurück. Er wurde zum Sekretär des Papstes und dieser beauftragte ihn, die Bibel ins Lateinische zu übersetzen. Diese so genannte „Vulgata“ enthält Texte, die bis heute für die Katholische Kirche verbindlich sind – wenn sie auch inzwischen überarbeitetet wurden. Nach dem Tod des Papstes ging Hieronymus nach Betlehem – seinem letzten Wirkungsort. Dort wurden sowohl Frauen- als auch Männerklöster gegründet, wohl auch durch vornehme Frauen, die sich in Rom um Hieronymus geschart hatten und ihm gefolgt waren. Dazu gehörten auch Pilgerherbergen und eine Schule, an der er selbst unterrichtete. Hier beendete Hieronymus die lateinische Bibelübersetzung. 35 Jahre lebte der Mönch und Gelehrte noch in Betlehem. Er widmete sich ganz der theologischen Wissenschaft, schrieb Briefe und Bibelkommentare und starb mit 73 Jahren am 30. September 420, also heute vor 1600 Jahren.
Hieronymus‘ Grab ist in der Krypta der Geburtskirche in Betlehem. Er blieb für das ganze Mittelalter die große Lehrautorität, besonders in Bibelfragen und für das asketische und Kloster-Leben. Im 13. Jahrhundert wurden seine Gebeine nach Rom überführt in die Basilika Santa Maria Maggiore bestattet. 1295 wurde Hieronymus zum Kirchenlehrer ernannt. Als Kirchenlehrer werden Theologen und Heilige bezeichnet, die einen prägenden Einfluss auf die Theologie der christlichen Kirche hatten. Mit diesem Ehrentitel wurden nur wenige Personen ausgezeichnet; in älterer Zeit (und bis heute in den Ostkirchen) geschah dies relativ spontan, aber auch durch einige Konzilien. In der Westkirche wird die Erhebung zum Kirchenlehrer formell durch den Papst ausgesprochen. Einige herausragende frühchristliche Schriftsteller bis etwa zum 6. Jahrhundert werden zudem als Kirchenväter bezeichnet.
Ich meine, dass in Zeiten wie diesen, Hieronymus nicht nur als Kirchenlehrer vorbildlich ist, sondern einer der erste großen Europäer war, der bis in unsere Zeit hinein seinen Einfluss geltend macht.