Hieronymus, einer der abendländischen Kirchenlehrer und großer Europäer

Jetzt ist dieser Wahlkampf endlich vorbei, wirklich? Es stehen schon neuerlich Wahlen an, in Vorarlberg, Steiermark und dem Burgenland. Und schon heute früh im Radio, in allen Zeitungen wird über die Regierungszusammensetzung spekuliert.  Aber all das möchte ich jetzt einmal beiseiteschieben und eines großen Europäers gedenken, der vor 1600 Jahre – Sie lesen richtig – gestorben ist. Und Europa – mit seinen südlichen und östlichen Rändern – war damals „die Welt“. Er hat ein Fundament für diese Welt gelegt – er hat z.B. die Bibel ins Lateinische übersetzt – Sie erraten es schon: es entstand die Vulgata.

Sie kennen ihn, von zahllosen Darstellungen in Kirchen und Museen: Michelangelo hat ihn gemalt, ebenso wie Lucas Cranach, Bellini, Albrecht Dürer, Leonardo da Vinci, Rembrandt und viele andere.  Die meisten dieser Darstellungen beruhen auf der Löwenlegende: Als Hieronymus Eremit war, sei ein hinkender Löwe in die Felsenhöhle gekommen und alle Mönche seien geflohen. Hieronymus aber fragte den Löwen, warum er zu ihnen gekommen sei. Das wilde Tier hob seine blutende, verletzte Pranke hoch. Hieronymus trug den Mönchen auf, Wasser zu bringen und die Wunde zu reinigen. Sie zogen einen Dorn aus der Löwenpranke und pflegten das Tier, bis die Wunde verheilt war. Der Löwe blieb bei den Mönchen und hütete die Weidetiere, während die Männer im Wald Holz sammelten. Eines Tages schlief der Löwe beim Hüten der Tiere ein und eine vorüberziehende Karawane stahl unbemerkt einen Esel. Die Mönche dachten zunächst, der Löwe hätte ihn gefressen. Doch der Löwe entdeckte die Karawane mit dem Esel, lief hin und brüllte so gewaltig, dass die Männer fast zu Tode erschraken. Voller Angst und Reue brachten sie den Esel zu Hieronymus zurück.

Geboren wurde Hieronymus um das Jahr 347 in Stridon, der heutigen Stadt Strigova in Kroatien. Die christlichen Eltern schickten den Sohn zum Studium nach Rom. Dort ließ er sich später auch taufen. Hieronymus zeigte schon sehr bald seine herausragenden geistigen Fähigkeiten – vor allem in der Philosophie. Intensiv setzte er sich mit den Werken Ciceros und Platons auseinander. Darüber hinaus verfügte er über ein phänomenales Gedächtnis, war äußerst sprachbegabt und rhetorisch fast unschlagbar. Auch das großstädtische Leben mit all seinen Aspekten gefiel ihm.

Doch Hieronymus gelang es einfach nicht, die Lektüre heidnischer Philosophen mit seinem Glauben zu vereinen. In einem Brief beschreibt er einen Traum:  Er habe sich vor seinem himmlischen Richter stehen sehen, der ihn nach seinem Glauben fragte. Als Hieronymus beteuerte, dass er Christ sei, antwortete der Richter: „Du bist kein Christ, du bist Ciceronianer. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ Hieronymus war tief betroffen und versprach, sich mehr der Heiligen Schrift zu widmen.

Nun studierte Hieronymus an verschiedenen Orten in Europa (Trier, Aquileia) Theologie, und er wurde auch Mönch. 373, mit 26 Jahren, unternahm Hieronymus mehrere Pilgerreisen in den Orient. In Antiochia, einer Stadt im antiken Syrien (heute Antakya in der Türkei), lernte er Griechisch und befasste sich mit der Literatur des Origines (* um 185; † um 254). Hieronymus schloss sich Mönchen in der Wüste bei Aleppo an und lebte in völliger Askese in einer Felsenhöhle. Nun lernte e auch Hebräisch, in Antiochia wurde er 379 zum Priester geweiht. 382 reiste Hieronymus über Konstantinopel nach Rom zurück. Er wurde zum Sekretär des Papstes und dieser beauftragte ihn, die Bibel ins Lateinische zu übersetzen. Diese so genannte „Vulgata“ enthält Texte, die bis heute für die Katholische Kirche verbindlich sind – wenn sie auch inzwischen überarbeitetet wurden. Nach dem Tod des Papstes ging Hieronymus nach Betlehem – seinem letzten Wirkungsort. Dort wurden sowohl Frauen- als auch Männerklöster gegründet, wohl auch durch vornehme Frauen, die sich in Rom um Hieronymus geschart hatten und ihm gefolgt waren. Dazu gehörten auch Pilgerherbergen und eine Schule, an der er selbst unterrichtete. Hier beendete Hieronymus die lateinische Bibelübersetzung. 35 Jahre lebte der Mönch und Gelehrte noch in Betlehem. Er widmete sich ganz der theologischen Wissenschaft, schrieb Briefe und Bibelkommentare und starb mit 73 Jahren am 30. September 420, also heute vor 1600 Jahren.

Hieronymus‘ Grab ist in der Krypta der Geburtskirche in Betlehem. Er blieb für das ganze Mittelalter die große Lehrautorität, besonders in Bibelfragen und für das asketische und Kloster-Leben. Im 13. Jahrhundert wurden seine Gebeine nach Rom überführt in die Basilika Santa Maria Maggiore bestattet. 1295 wurde Hieronymus zum Kirchenlehrer ernannt. Als Kirchenlehrer werden Theologen und Heilige bezeichnet, die einen prägenden Einfluss auf die Theologie der christlichen Kirche hatten. Mit diesem Ehrentitel wurden nur wenige Personen ausgezeichnet; in älterer Zeit (und bis heute in den Ostkirchen) geschah dies relativ spontan, aber auch durch einige Konzilien. In der Westkirche wird die Erhebung zum Kirchenlehrer formell durch den Papst ausgesprochen. Einige herausragende frühchristliche Schriftsteller bis etwa zum 6. Jahrhundert werden zudem als Kirchenväter bezeichnet.

Ich meine, dass in Zeiten wie diesen, Hieronymus nicht nur als Kirchenlehrer vorbildlich ist, sondern einer der erste großen Europäer war, der bis in unsere Zeit hinein seinen Einfluss geltend macht.

Hieronymus, einer der abendländischen Kirchenlehrer und großer Europäer

„Islam und Österreich“

Die Universität Salzburg hat 1.200 Menschen zu ihrer Meinung über den Islam und Österreich befragt. Rund 80 Prozent der befragten Österreicher sehen den Islam kritisch. Fast die Hälfte der insgesamt 1.200 Befragten ist der Meinung, dass Muslime nicht die gleichen Rechte wie andere Österreicher haben sollten. Das Ausmaß der Vorurteile im Vergleich zu anderen Religionsgruppen ist gegenüber Angehörigen des Islam am größten. 70 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Muslime nicht in die westliche Welt passen würden. Laut der Studie finden 72 Prozent der Befragten, dass Muslime keine kulturelle Bereicherung darstellen. Rund die Hälfte der Befragten meint zudem, dass Muslime in ihrer Glaubensausübung eingeschränkt werden sollten, fast genauso viele, dass Moscheen in Österreich nicht toleriert werden sollten. Ein Drittel der Österreicher steht Muslimen ausdrücklich negativ gegenüber. 79 Prozent wollen, dass islamische Gemeinschaften stärker beobachtet werden und 59 Prozent fürchten, dass unter den Muslimen in Österreich Terroristen sind. „Im Spiel der Freien Kräfte“ wurde in Nationalrat ein Entschließungsantrag der Liste Jetzt gemeinsam mit ÖVP und FPÖ eingebracht, der zum Ziel hat, die Auflösung der Vereine der ATIB-Union und des Verbands „Milli Görus“ prüfen.

Nur zur Erläuterung

ATIB-Union ist die Türkisch-islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich“, sie ist ein bundesweiter Dachverband von über 60 eigenständigen türkischen Vereinen mit etwa 100.000 Mitgliedern (Stand 2017) für die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der angeschlossenen türkisch-islamischen Moscheegemeinden in Österreich. Der Verein ist aufgrund verschiedener Aktivitäten und der engen Verbindung mit der Türkei umstritten und wird als verlängerter Arm Erdogans in Europa gesehen. ATIB ist mit Abstand der größte muslimische Verband Österreichs, ist seit 2011 Mitglied der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) und stellte mit Ibrahim Olgun zwischen 2016 und 2018 auch den Präsidenten. Der Verband vertritt den sunnitischen Islam der hanafitischen Rechtsschule und stellt staatliche Imame und 9 Seelsorgerinnen aus der Türkei seinen Moscheegemeinden zur Verfügung. Es ist davon auszugehen, dass der Verband als Auslandsarm der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet handelt und von der türkischen Botschaft gesteuert wird.

ATIB wird Verhinderung der Integration vorgeworfen, da durch den Verein Moslems in der Durchsetzung islamischer Hardliner-Positionen etwa im Schulumfeld bestärken würden. In Erinnerung sind vielen Österreichern wohl die so genannten Kriegsspiele in Einrichtungen der ATIB, wo Kinder nach einem türkisch-nationalistischen und islamistischen Konzept unterrichtet werden und ihnen „türkische Wertvorstellungen sowie die türkische Kultur altersgerecht vermittelt“ werden.

Millî Görüş („Nationale Sicht“), ist eine länderübergreifend aktive islamische Bewegung. Ihre wichtigste Organisationseinheit ist eine türkische Kleinpartei namens „Glückseligkeitspartei“. Die Anhänger sind nun jedoch von der Glückseligkeitspartei unabhängig. In vielen Staaten ist Millî Görüş umstritten. Bis zur Machtübernahme Erdogans wurden in der Türkei die politischen Parteien der Millî Görüş wegen islamistischer Tendenzen verboten. In Österreich übernimmt die Islamische Föderation (die IFW ist eine politisch wie finanziell unabhängige Organisation) eine Koordination der Millî-Görüş-Moscheevereine. Hier soll Millî Görüş mit 30 Ortsvereinen vertreten sein. 2019 eröffnet ein Milli-Görüs-Jugendzentrum im 15. Bezirk in Wien. Der Verfassungsschutz ermittelt.

Jetzt einmal angenommen, dass die beiden Vereine wirklich kein großes Glück für Österreich sind, wieso gibt es hier so große Vorurteile Muslimen gegenüber. Was ist mit uns Österreichern los? Ich hoffe, dass diese Studie nicht repräsentativ sein kann. Wissen denn diese Befragten nicht, dass Religionsfreiheit ein Grund- und Menschenrecht ist? Die Ausübung von Religion ist ein bestehendes Recht, daher besteht auch ein Recht darauf, Moscheen zu bauen. Wie viele „Bewahrer unserer Identität“ haben wir denn, und welche Identität wollen sie denn bewahren? Und ich darf bemerken, dass es völlig falsch ist, dass Muslime nicht zur kulturellen Bereicherung des Westens beigetragen haben.

Jetzt leben seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts Muslime mitten unter uns, anfänglich wollten wir sie zwar nicht wahrhaben, weil sie „Gast“-Arbeiter waren und wir hofften, dass sie zurückgehen würden. Aber sie sind hier, die meisten haben sich unserer Lebensweise weitgehend angepasst, sie haben es geschafft, „gebildet“ zu werden, sie sprechen unsere Dialekte, sie sind in allen Gesellschaftsschichten vertreten, sie sind zum Teil unsere Volksvertreter geworden, sie achten unseren Rechtsstaat und unsere Regeln. Zugegeben, die Mehrzahl der in Europa bekannten Terroristen waren Muslime, aber deshalb sind doch nicht alle Muslime Terroristen!

Ihre genaue Anzahl der Muslime in Österreich ist nicht bekannt, da in den Statistiken Religionszugehörigkeit nicht erhoben wird. Nach übereinstimmenden Schätzungen von Innenministerium und Österreichischem Integrationsfonds lebten Anfang 2017 rund 700.000 Moslems in Österreich. Die Zahl stieg vor allem durch Migranten, Geburten sowie Flüchtlinge aus dem arabischen Raum stark.

Viele von den Muslimen werden heute (hoffentlich) zur Wahl gehen. Sie werden – wie wir alle – unterschiedlichen Parteien ihre Stimme gegeben haben.

Welchen Grund haben die Österreicher den Muslimen derart zu misstrauen? Ich glaube schon, dass nach dem Jahr 2015, dem Jahr der besonders großen Zuwanderung die Angst vor Muslimen gestiegen ist – und, das müssen wir zugeben, diese Angst wurde von mancher Seite geschürt und dann zu parteipolitischen Zwecken ausgenutzt.

Wir, und ich gehe davon aus, dass wir die Mehrheit, vielleicht de bisher schweigende Mehrheit sind, tragen die Verantwortung, dass diese Hetze endlich aufhört, dass die Menschen- und Grundrechte in Österreich gewahrt bleiben. Nicht nur Muslime müssen sich integrieren, auch wir Österreicher müssen diese Integration möglich machen. Dem darf sich keiner entgegenstellen.

„Islam und Österreich“

Noch ein paar letzte Gedanken zur Wahl

Morgen dürfen wir wählen, morgen sollen wir wählen, aber wir müssen nicht. Bei uns ist die Teilnahme an den Wahlen nicht mehr obligatorisch. Zwischen 1929 und 1982 gab es eine Wahlpflicht bei der Bundespräsidentenwahl. Von 1949 bis 1992 bestand Wahlpflicht auch bei den Nationalratswahlen. Historisch basiert die Wahlpflicht aus der Angst der Christlichsozialen Partei (CSP) vor dem 1918 eingeführten Frauenwahlrecht. Die CSP wollte so vermeiden, dass konservative Frauen ihr Recht nicht ausüben und durch das Frauenwahlrecht ausübende sozialdemokratische Frauen die Mehrheitsverhältnisse verändert würden. In Dänemark einschließlich Island wurde das Frauenwahlrecht schon 1915 eingeführt. In Österreich erhielten Frauen das allgemeine Wahlrecht am 12. November 1918 durch das Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich, mit dem dieses sich im Zuge des Zerfalls von Österreich-Ungarn zur Republik erklärte. In Deutschland wurde das Frauenwahlrecht 1918 (genau wie in Österreich, Polen und Russland) im Reichswahlgesetz verankert. In der Türkei galt als wichtiger Schritt in Richtung einer realen Gleichstellung der Geschlechter die Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechts in den Jahren 1930 und 1934. Das Frauenstimmrecht in der Schweiz (Stimm- und Wahlrecht) wurde durch eine eidgenössische Abstimmung erst am 7. Februar 1971 eingeführt.

So, wie vielleicht viele von Ihnen, werde ich morgen jener Partei den Vorzug geben, die für mich „das geringste Übel“ darstellt. Denn keine Partei (und auch kein Parteivorsitzender – aber eigentlich wählen wir die ja nicht, es sei denn, wir geben ihnen eine Vorzugsstimme) erfüllt alle meine Wünsche oder plant nicht Dinge, die ich eigentlich nicht will. Und dann kann ich nur mehr hoffe, dass diese Partei ausreichend Stimmen erhält, um ihre Ziele auch verwirklichen zu können. Mir ist klar, dass nun, egal ob diese Partei Regierungsverantwortung übernehmen wird oder nicht, sie Kompromisse mit anderen eingehen wird müssen, die meine Wunschvorstellungen noch weiter verunmöglichen könnten.

Aber Kompromisse liegen im Wesen der Demokratie, so wie sie uns praktiziert wird. Selbst wenn wir ein anderes Wahlrecht hätten – nach dem Motto „the winner takes it all“ (wie in Großbritannien oder den USA) müssen ebenfalls Kompromisse eingegangen werden, denn anders sind keine Mehrheiten in den Parlamenten zu erzielen.

Und genau deshalb ist es mir so unverständlich, dass die Kandidaten einander vor den Wahlen so „befetzen“, einander so schlecht machen, deren Ideen so heruntermachen, wenn sie doch wissen, mit ihnen zusammenarbeiten zu müssen, vielleicht sogar ein Koalitionsabkommen erzielen müssen. Auf alle Fälle müssen sie morgen einander die Hand geben, ob mit mehr oder weniger Widerwillen.

Dennoch, wir dürfen und sollen wählen. Artikel 23 hält dabei grundsätzlich fest: „Der Nationalrat wird vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes der Männer und Frauen, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt.“ Österreichische Staatsbürger können ihr Recht zu wählen auch (vorübergehend) verlieren. Dazu müssen sie jedoch gerichtlich verurteilt werden. Ausländische Staatsbürger – egal wie lange sie schon in Österreich wohnhaft sind – dürfen nicht wählen. In ganz Österreich leben 1,1 Millionen nicht wahlberechtigte Menschen. Der Anteil der nicht wahlberechtigten Wohnbevölkerung in Österreich ist seit 1999 von 8,6 auf 15,3 Prozent gestiegen – die Hälfte davon kommt aus EU-Ländern, der Rest aus Drittstaaten.

Also, wir dürfen, wir Wahlberechtigte sollen wählen. Aber bei allen Problemen die wir hier haben müssen wir froh sein, dass nicht Zustände wie z.B.in Afghanistan herrschen. Man liest: Inmitten zunehmender Gewalt durch die radikal-islamischen Taliban wählen die Afghanen einen neuen Präsidenten. Nur wenige Stunden nach Öffnung der Wahllokale gab es bereits mehrere Explosionen. Moscheen und Schulen wurden zu Wahllokalen umfunktioniert. Nach Behördenangaben wurden Vorfälle aus Kabul, Dschalalabad, Ghani und Kandahar gemeldet. In Afghanistan wählen zu gehen gilt als lebensgefährlich. Die meisten wissen ohnehin, dass sie heute bei den Wahlen ihr Leben riskieren und gehen trotzdem hin. Nicht nur die Wähler, sondern auch Wahlbeobachter sind bedroht. Die Wahlkommission will während der noch laufenden Wahl keine Informationen zu Zwischenfällen herausgeben. Auch die Regierung übt indirekt Druck auf die Medien aus, nicht über Attacken oder Explosionen zu berichten, solange die Wahllokale noch geöffnet haben, um die Wähler nicht noch mehr zu verunsichern. Die Taliban hatten die Bevölkerung aufgerufen, die Wahl zu boykottieren. Die Extremisten kontrollieren inzwischen mehr Territorium als zu irgendeinem Zeitpunkt seit ihrem Sturz durch die USA im Jahr 2001. Eine Einigung zwischen den USA und den Taliban, die in ein Friedensabkommen zwischen der Regierung in Kabul und den Islamisten hätte münden können, war kürzlich nach langen Verhandlungen gescheitert. Seitdem steigt die Gewalt in dem Land wieder.

Das ist sicher ein Extrembeispiel. In anderen Ländern gibt es noch andere Hindernisse, in den USA z.B., dort muss man, um wählen zu können, sich registrieren, und das wird (noch immer) in verschiedenen Staaten Farbigen extrem schwierig gemacht.

Sind wir dankbar und froh, dass wir in einer stabilen Demokratie leben, du unbehindert wählen gehen dürfen. Machen Sie von ihrem Recht Gebrauch – es ist nicht selbstverständlich!

Noch ein paar letzte Gedanken zur Wahl

Bewegungsmangel und Versammlungsfreiheit

Jetzt muss ich aber etwas ausholen: wiederum habe ich festgestellt, dass ich zu wenig Bewegung mache (ich scheib‘ nämlich lieber). Also (zumindest) müssen gute Vorsätze und entsprechende Pläne her. Ziel: Fit zu werden für die Stadtwanderwege. Auf die bin ich neulich gestoßen und da gibt es eine Menge kennenzulernen, das mit bisher unbekannt ist. Aber (!) jeder dieser Wege umfasst 11 km (und eine Menge Höhenunterschiede). Und dazwischen kann man nicht so leicht abbrechen und ein öffentliches Verkehrsmittel erreichen. Und ich sehe mich nicht in der Lage, das derzeit allein in Angriff zu nehmen.

Somit habe ich mich entschieden, erst einmal einen „Ring-rund-Spaziergang“ in die Wege zu leiten.  Da kann ich dann jederzeit entweder „quer“ zum Ausgangspunkt zurückkehren oder ganz einfach eine Bim (früher hätte ich dieses Wort nie in den Mund genommen, wir haben Tramway – Endsilbe ei ausgesprochen – gesagt) zurück nach Haus nehmen. Der komplette Ring-rund-Weg beträgt 5,2 km. Somit die Hälfte der Stadtwanderwege.

Aber ich finde vor mir selbst immer eine große Anzahl möglicher Ausreden, um nicht den ersten Schritt zu tun. Daher habe ich mich entschlossen, mich selbst zu überlisten. Ich fang einmal „zizerlweise (= stückweise) an. Gestern habe ich ja die Ausrede gehabt, dass die große Demonstration (Earth-Day und Fridays-for-Future) stattfindet und daher auf meinem Weg, der ja eigentlich auch kontemplativ sein soll, eher ein rechter Wirbel herrschen wird. Eigentlich war ich ja schon zwei Mal bei Fridays-for-Future Demonstration gewesen, bei der allerersten, da bin ich zufällig dazugekommen, weil meine Straßenbahn nicht gefahren ist und ich von einer Besorgung zu Fuß nach Hause gehen musste und einmal hat mich einer meiner Enkel mitgeschleppt, da habe ich auch Greta Thunberg gesehen und gehört. Aber ich mag eigentlich den Rummel, die lauten Lautsprecher, das Geschrei nicht gar so gerne. Ich wusste aber auch, dass mindestens zwei Enkel von mir bei dieser Demonstration dabei sind.

Nachdem ich dann am späteren Nachmittag gar keine Ausrede mehr fand um zu Hause zu blieben, mich gemütlich auf die Couch zu legen und zu lesen, machte ich mich halt auf den Weg für das erste Stückerl des Ring-rund-Weges. Ich war neugierig, wie weit ich kommen würde. Statt über den Parkring zum Donaukanal zu gehen, entschied ich mich doch am Opernring zu beginnen. Ich bin ja auch ziemlich neugierig. Viele waren unterwegs, nicht nur – aber hauptsächlich – Junge. Der Ring war vollgeparkt mit Rädern. Man war fröhlich, viele trugen handgeschriebene Tafeln, wahrscheinlich nach Hause, für’s nächste Mal, oder auch Fahnen – größer und kleiner. Viele Familien waren dabei. Etwas verwirrte vereinzelte Touristen sah man auch in der Menge.  Je näher man zum Heldenplatz kam, desto lauter wurde es.  Der Zugang zum Heldenplatz war jedenfalls für Autos gesperrt. Man sah dort Polizeiautos aber sonst war die Polizei eher „wenig präsent“, vielleicht präsent schon aber nicht sichtbar.

Da am Ring der Radweg oft die „Spuren wechselt“, war es wirklich schwer, diesen Radweg zu kreuzen, das muss man aber. Mein eigentliches Ziel war das Schottentor gewesen, aber der noch immer blühende Volksgarten lockte mich dann doch hinein.  Von dort wäre es dann nicht weit, bis zur nächsten Haltestelle. Aber auch hier ging es lebhafter zu, als sonst. Doch die Rosen blühen noch in unverminderter Pracht, und das bissel Lärm von den Lautsprechern war eh nur mehr gedämpft zu hören. Kurz ließ ich mich auf einem Sessel nieder um das Treiben zu beobachten. Es war eher ein Spätsommer- als ein Herbsttag.

Lang wollte ich nicht bleiben aber dann kam eine junge Frau vorüber, die mich fragte, ob sie mir ein paar Fragen stellen könnte, sie käme von Radio Orange – ob ich das wohl kennen. Ich bejahte, ich kenne den Namen aber gehört habe ich noch keine Sendung. Ganz einfach stelle ich mir das nicht vor, so unterwegs zu sein und Leute anzusprechen, ob sie etwas sagen wollten. Sie hieß Lilli, meinte sie und packte ihr Aufnahmegerät aus. Das Anwerfen des Aufnahmegerätes dauerte ein Weilchen und ich überlegte, warum sie mich wohl angesprochen hatte. Vielleicht wollte sie sich auch ein wenig niedersetzen? Oder vielleicht verkörperte ich eine Altersgruppe, von der sie sich „Kontroversielles“ erwartete? Sie stellte einige Fragen zu meiner Haltung zum Thema Klimawandel, zu Fridays-for-Future, zuletzt fragte sie mich: „sind Sie für Demonstrationen“.  Nun diese Frage schockierte mich, denn das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist verfassungs- und europarechtlich geschützt. Und das überhaupt in Frage zu stellen, wunderte mich eigentlich. Vielleicht hatte sie gemeint, dass ich mich vielleicht dagegen aussprechen würde, weil ich so alt bin? Oder wusste sie nicht, dass eine Demokratie ohne Versammlungsfreiheit nicht funktionieren könne. Ich dachte an die Demonstranten in Hongkong, die vielleicht nicht grad ihr Leben aber ihre Freiheit dafür einsetzen, um für ihre Rechte zu demonstrieren.

Aber da hatte sie mir schon gedankt und sich auf die Suche nach weiteren „Opfern“ begeben.

Weiter über diese Themen sinnierend wanderte ich dann doch zu Fuß durch die Burg in Richtung nach Hause. Weit war ich nicht gegangen, aber ein Anfang war immerhin gemacht.

Bewegungsmangel und Versammlungsfreiheit

Aus der Sagenwelt: zu den Schlernhexen, Saligen Frauen und dem Zwerg Laurin

Und weil ich heute die Schlernhexen genannt habe, und weil ich letztlich doch Südtiroler Wurzeln habe, kann ich nicht umhin, Ihnen mehr über diese Schlernhexen zu erzählen, da Sie ja Ihre Wahlentscheidung schon getroffen haben und am Sonntag sicher zur Wahl gehen werden, bzw. Ihren Brief mit Ihrer diesbezüglichen Entscheidung schon abgeschickt haben.

Bis dahin zu Ihrer (hoffentlich) Entspannung: Die Schlernhexen sind Sagenfiguren aus Südtirol, die speziell im Gebiet um den Schlern in verschiedenen Legenden und Erzählungen auftauchen. In den meisten Überlieferungen werden sie für schwere Unwetter verantwortlich gemacht. Als Schlernhexen werden ferner im Volksmund in Südtirol die Alpen-Grasnelken bezeichnet, die einer Sage nach verzauberten Frauen sind.

Einer Überlieferung zufolge versammelten sich einst die Wetterhexen auf dem Schlern. Ein Zwerg beobachtete von der unweit gelegenen Rosengartengruppe aus, dass dunkle Wolken über dem Berg aufzogen, in denen sich die Hexen verbargen. Er wollte der Sache auf den Grund gehen und ging auf den Schlern. Dort konnte er die Hexen belauschen und erfuhr, dass sie planten, ein gewaltiges Unwetter zu erschaffen und die komplette Gegend zu verwüsten. Der Zwerg konnte jedoch auch hören, wie die Hexen erzählten, dass das Unwetter durch ein bestimmtes Läuten einer Kirchenglocke, den sogenannten „Wetterstroach“, gestoppt werden könne. Daraufhin eilte der Zwerg ins nächstgelegene Dorf und trug dem dortigen Messner auf, das „Wetter zu läuten“. Das Unwetter wurde daraufhin abgeschwächt und die Gegend gerettet.

Ein Pfarrer aus Völs am Schlern wanderte einst durch ein Waldstück unweit des Ortes. (Wir hier kennen den Völser Weiher aus Arthur Schnitzlers Tragikomödie „das weite Land“). Zurück zur Sage: Da es ein heißer Sommertag war, legte sich der Pfarrer in den Schatten, um ein Schläfchen zu halten. Als er wiedererwachte, war bereits tiefste Nacht und der Pfarrer fand nicht mehr aus dem Wald heraus. Also beschloss er, im Gebüsch zu übernachten. Was er jedoch nicht bemerkt hatte, war, dass er auf seinem Irrweg direkt an den Hexentanzplatz der Schlernhexen gekommen war. Diese entzündeten ein Feuer, bemerkten den Pfarrer und quälten ihn zu Tode. Der Pfarrvikar der Völser Kirche bemerkte noch in der Nacht das Verschwinden des Pfarrers, ein eilig gebildeter Suchtrupp fand den grausam zugerichteten Leichnam am nächsten Morgen. Die Schlernhexen hatten sich an dem Pfarrer gerächt, da dieser ihnen mehrfach durch sein „Wetterläuten“ ihre Unwetterpläne durchkreuzt hatte.

Am Fuß des Schlern lebte einst ein Bauer namens Hansel mit seiner Frau. Als seine Frau an einem warmen Sommerabend Wasser vom Brunnen holte, bemerkte sie, dass über dem Berg dunkle Wolken aufzogen, zwischen denen sie eine Schlernhexe ausmachen konnte. Sie lief zu ihrem Mann, welcher sofort aufsprang, um die Hexe zu töten. Er nahm sein Gewehr, besprengte die Munition mit Weihwasser und begab sich auf die Tenne seines Hofes. Von dort schoss er in die Wolken, traf und tötete die Schlernhexe. Die tote Hexe fiel direkt vor Hansels Füße und sah so furchteinflößend aus, dass dieser sofort in Ohnmacht fiel. Hansel brauchte mehrere Jahre, um den Schock des Anblicks der Hexe zu überwinden.

Aber unter diesen abscheulichen Hexen gab es auch eine „gute“. Die Geschichte der Schlernhexe Martha beschreibt diese als die Gutmütige unter den Hexen. Sie war der Natur der Dolomiten sehr zugetan und galt als besonders freundlich zu Kindern, obwohl diese sich wegen ihres Aussehens oft vor ihr erschraken. Der Überlieferung nach konnte Martha die Gestalt eines Eichhörnchens annehmen.

Eine andere Legende um die Schlernhexen bezieht sich auf den sagenumwobenen Zwergenkönig Laurin. Dieser hatte in der neben dem Schlern gelegenen Rosengartengruppe einen prächtigen Garten angelegt. Zu jener Zeit befand sich auch auf dem Schlern ein blühender Garten, der von saligen Frauen gepflegt wurde. Die Bewohner der Gegend, aber auch Zwerge und Riesen buhlten um die Gunst der Saligen, dabei kam es dazu, dass der Rosengarten Laurins in Mitleidenschaft gezogen und er selbst ins Tal geschleift wurde. Eine der saligen Frauen sah Laurin in dieser Situation und musste darüber lachen, was den Zwergenkönig derart erzürnte, dass er die Frauen und den Berg verfluchte. Der Garten auf dem Schlern verschwand, die Saligen verwandelten sich in kleine Blumen – die Schlernhexen. Der Schlernwind, ein gutmütiger Riese, blies die Blumen eines Tages in den Garten der Heiliggrabkirche in Bozen, woraufhin sie sich dort ausbreiteten. Die Stampf-Nandl, die den Kirchengarten pflegte, zupfte die meisten der Blumen aus und warf sie in den Brunnen der nahe der Kirche befindlichen Kapelle. An diesem heiligen Ort schließlich wurde der Fluch Laurins gebrochen, und aus den Schlernhexen im Brunnen wurden wieder kleine salige Frauen.  Die Sage erzählt außerdem, dass der Storch, wenn er werdenden Eltern in der Gegend eine besonders hübsche Tochter bringen will, diesen eine der kleinen Saligen aus dem Brunnen in der Kapelle an der Heiliggrabkirche bringt.

Und nur damit Sie auch wissen wer die Saligen sind: Die saligen Frauen werden als scheue, aber hilfsbereite und weise Frauen beschrieben. Sie lebten früher in Felsen- und Gletscherhöhlen oder am Ufer der Drau. Sie waren menschenscheue Geschöpfe, doch standen sie unerwarteten Besuchern mit Rat und Tat zur Seite. Sie halfen armen Bauern und unbeholfenen Menschen. Doch in der Nacht, wenn der Mond hell am Sternenzelt stand, sollte man den saligen Frauen nicht begegnen. Es sei denn, man war laut und machte Lärm, da sie diesen verabscheuten. In einem Fall wird eine solche als blond beschrieben; in einem anderen Fall erscheinen drei von ihnen zunächst als weiße Tauben. Eine Sage aus dem Vinschgau berichtet, dass sie in einem sehr trockenen Jahr den dort noch unbekannten Buchweizen brachten.

Und der Vollständigkeit ihres Sagenwissens halber: der sagenhafte Zwergenkönig mit seinem Rosengarten unterlag m Kampf Dietrich von Bern – zu diesem Ritter vielleicht ein andermal. König Laurin band sich einen Wundergürtel um, der ihm die Kraft von zwölf Männern verlieh, und stellte sich dem Kampf. Als er sah, dass er trotz allem verlor, zog er sich die Tarnkappe über und sprang, unsichtbar wie er nun zu sein glaubte, im Rosengarten hin und her. Die Ritter aber erkannten an den Bewegungen der Rosen, wo der Zwergenkönig sich verbarg. Sie packten ihn, zerstörten den Zaubergürtel und führten ihn in Gefangenschaft. Laurin aber drehte sich um und belegte den Rosengarten, der ihn verraten hatte, mit einem Fluch: Weder bei Tag noch bei Nacht sollte ihn jemals mehr ein Menschenauge sehen. Laurin hat aber die Dämmerung vergessen, und so kommt es, dass der Rosengarten beim Sonnenauf- und -untergang blüht (wir nennen das das Alpgenglühen).

Aber genug der Sagen, kehren wir in die Gegenwart zurück und hoffen, dass die bösen Schlernhexen keinen Zauber auf die Wahl oder auf Wahlwerber am Sonntag legen.

Aus der Sagenwelt: zu den Schlernhexen, Saligen Frauen und dem Zwerg Laurin

Gemma wählen, ohne der Einfluss der Schlernhexen

Ich wurde gefragt, ob ich mich erinnere, wann ich das erste Mal wählen durfte. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich gerade daran nicht erinnere. Dabei habe ich an allen nur möglichen Wahlen teilgenommen, die es so für mich gegeben hat: Nationalratswahlen, Landtagswahlen, Gemeinderatswahlen, Bundespräsidentenwahlen, aber auch z.B. Hochschulwahlen (vor sehr langer Zeit), später dann auch Arbeiterkammerwahlen und selbstverständlich auch Europawahlen. Aber auch an Abtimmungen kann ich mich erinnern – z.B. zum Bundesheer (damals lag in Wien nicht weggeräumter wieder gefrorener Schnee, und mit dem Rollstuhl hatten wir erhebliche Probleme ins Abstimmlokal zu kommen).

Die erste Wahl an die ich mich erinnern kann war jene, als ich noch lang nicht wahlberechtigt war. Meine Mutter hat mich im November 1945 in das Wahllokal in der Währinger Straße im Neunten Bezirk, also im Alsergrund, mitgenommen. Es war ein nebeliger, schon kalter Tag und in das Wahllokal mitgenommen zu werden, war für mich – damals 10 Jahre alt – schon sehr aufregend. Die erste freie Wahl nach dem Zweiten Weltkrieg brachte mehr Frauen als Männer an die Wahlurne.  Mehr als 64 Prozent der Wahlberechtigten, die am 25. November 1945 zur Stimmabgabe aufgerufen waren, sind weiblich. Das lag einerseits an den hohen Opferzahlen unter den Soldaten und an Kriegsgefangenschaften, andererseits aber auch am hohen Männeranteil unter den Nationalsozialisten (die damals nicht wahlberechtigt waren)

Dass Frauen bei uns erst 1920 wahlberechtigt wurden, war mir damals noch nicht bewusst. Das aktive Wahlalter, in der Monarchie noch bei 24 Jahren gelegen wird in der Republik im Jahr 1920 auf 20 Jahre gesenkt. Mit der Verfassungsnovelle von 1929 wird das Wahlalter dann auf 21 angehoben.

Nach der Wiedererrichtung der Republik 1945 werden die ehemaligen Nationalsozialisten zunächst auch von der Wählbarkeit für politische Ämter ausgeschlossen. Ab 1949 können die Wähler bei der Nationalratswahl Kandidaten auf den Wahllisten streichen. Das passive Wahlalter sinkt im selben Jahr erneut auf 26 Jahre, 1968 auf 25 Jahre. Mit der Wahlrechtsreform 1992 sinkt das passive Wahlalter noch einmal auf 19 und schließlich 2007 auf 18 Jahre. 2007 erfolgte die Herabsetzung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre.

Vieles hat sich seit 1945 geändert, z.B. die Möglichkeit der Briefwahl wurde eingeführt, aber für mich ist der Weg ins Wahllokal ein „staatsbürgerlicher Akt“ den ich eigentlich nicht missen möchte. Ich komme mir „wichtig und ernstgenommen“ vor.

Immer haben wir auf die Verkündigung der Ersten Hochrechnung gewartet, schon als sie von Prof. Bruckmann durchgeführt worden war. Meist lagen wir mit unseren Stimmen nicht auf der Gewinnerseite. Aber noch interessanter – so wie jetzt auch – ist dann die Regierungsbildung hinterher. Ich hoffe nur, dass in Österreich die politische Lage so stabil ist, dass wir – weil keine Regierung gebildet werden kann – nach ein paar Monaten noch einmal wählen müssen (siehe z.B. Israel, Spanien)

Es gibt eine Wahl, an die ich mich besonders erinnere: Die Nationalratswahl in Österreich 1966 fand am 6. März 1966 statt und war die elfte in der Geschichte der Republik Österreich. Stimmen- und mandatsstärkste Partei wurde die ÖVP unter Bundeskanzler Josef Klaus, die erstmals seit 1945 wieder eine absolute Mandatsmehrheit erringen konnte. Zweitstärkste Partei wurde die SPÖ unter Bruno Pittermann, die Stimmen und Mandate verlor. Auch die FPÖ, die mit dem ehemaligen SS-Obersturmführer Friedrich Peter als Spitzenkandidaten antrat, büßte Stimmen und Mandate ein. Wahlberechtigt waren 4.886.818 Menschen. Die Wahlbeteiligung betrug 92,74 Prozent (das waren noch Zeiten!). Aber all das ist es nicht, das die Wahl für mich so bemerkenswert macht. Die Wahlplakate zuvor waren recht drastisch gewesen, gegen die ÖVP (dargestellt als der noch aus dem Krieg wohlbekannte Kohlenklau) oder gegen die SPÖ (als Krake) waren recht „drastisch“ gewesen.

Am 6. März 1966  gingen wir frühmorgens wählen und fuhren dann gleich weiter: zum Schifahren nach Südtirol. Ein paar Freunde teilten dort mit uns ein Haus, das wir nur für uns gemietet hatten. Innsbrucker Freunde kamen dann auch abends zu Besuch. Ich war einigermaßen beeinträchtigt, da ich mir einen bösen Sonnenbrand zugezogen hatte, der mein ganzes Gesicht aufschwellen ließ und mit hässlicher Röte überzog.  Unsere Freunde zogen mich aufgrund dessen selbstverständlich auf (kein Mitleid!), und meinten, dass mir die Schlernhexen das Gesicht entstellt hätten.  Der 2563 m hohe Schlern ist ein sagenumhüllter Berg in den Südtiroler Dolomiten. Trotz seiner verhältnismäßig geringen Höhe gilt der stockartige Westpfeiler der Dolomiten aufgrund seiner charakteristischen Form als Wahrzeichen Südtirols.

Dennoch, in der abendlichen Freundesrunde wurde spekuliert, welche Personen (damals wurden nur Männer genannt) denn welche Ämter in der neuen „nur-schwarzen“ Regierung bekommen würden. Und da hatte schon in Wien eine Liste zirkuliert, mit den „absonderlichsten“ Besetzungen. Mein Mann, der immer gern Witze erzählte, konnte auch nicht umhin, den Innsbrucker Freunden diese sonderbare Liste zur Kenntnis zu bringen.  Ha ha ha. Und prompt: einer der anwesenden Innsbrucker Freunde war als Justizminister auf dieser Liste der eher „absurden“ Kandidaten genannt wurden. Alle lachten wir recht herzlich, bis wir später festgestellt haben, dass ebendieser Innsbrucker Professor dann wirklich Justizminister geworden ist, peinlich peinlich. Er hat es meinem Mann nie übelgenommen.

Die Kratzer der Schlernhexen in meinem Gesicht waren zu diesem Zeitpunkt dann auch wieder geheilt. Und mein Mann hatte beschlossen, dass er noch so absonderliche Nominierungen in Zukunft immer ernst nehmen würde.

Gemma wählen, ohne der Einfluss der Schlernhexen

„Was wäre, wenn“ und Nutzung von Altersfreizeit

Was wäre, wenn, das ist eine nicht zulässige Frage, aber dann doch? Wie Sie wahrscheinlich schon wissen liegt mir Europa, in diesem Fall die EU sehr am Herzen und ich finde es wirklich traurig, in welchem Zustand diese EU sich derzeit befindet. Natürlich bedaure ich den Brexit, in welcher Form auch immer, die EU verliert ein großes Land und das betrifft nicht nur Beiträge, wirtschaftliche, finanzielle Potenz, militärische Macht, sondern es betrifft auch Ideen und Denkungsweisen.  Wirklich schade! Noch ist es zwar noch nicht soweit, aber…

Aber ich meine auch andere Zeichen, noch sind sie alle drei in der EU, noch gibt es eine alte und eine(n) neue(n) Außenbeauftragten der EU, aber Merkel, Macron und Johnson haben eine gemeinsame Erklärung verlautbart, dass sie den Iran für die Luftangriffe auf Ölanlagen in Saudi-Arabien verantwortlich machen. Sie waren bei den Verhandlungen des Atomabkommens dabei – mit der Außenbeauftragten … Außenpolitik wird nicht in der EU abgestimmt, die wird von den Ländern recht autonom selber gemacht, als gäbe es keine EU. Ein wenig Abstimmung mit den anderen wäre schon recht sinnvoll gewesen.

Obwohl der Vertrag noch nicht einmal spruchreif ist, die Punkte noch nicht endgültig dokumentiert sind, beschließt Österreich – voreilig, ganz ohne Not (aus reinem Populismus?) – ein Veto gegen das Mercosur einzbringen.

Noch vieles mehr könnte man aufzählen, nicht zuletzt auch die Bestellung der Kommissionspräsidentin – nicht aus der Reihe der vorgesehenen Kandidaten, die man den Wählern vorgegaukelt hatte.

Selbst ich, die ich immer so positiv gedacht habe, immer der Meinung war, dass ein Zerfall der EU undenkbar wäre, bin jetzt nicht mehr ganz so sicher.

Jetzt muss ich ein bissel ausholen: Im Jahr, nachdem die EG gegründet worden war, 1957, wollte ich mich für einen Job dort bewerben. Aber, so teilte man mir mit, diese stünden nur für Staatsbürger jener Staaten offen, die Mitglieder der EG waren. Und heute, ich bin jetzt nicht mehr 22, wie damals, sondern 84 und würde dennoch gerne für das Bestehen der EU arbeiten, allerdings – wenn’s geht, mit meinen derzeitigen Erfahrungen.

Wie Ihnen ja vielleicht auch bekannt ist, meine ich, dass das gleiche Pensionsantrittsalter nicht für alle gleich sinnvoll ist. Wenn man schwer körperlich gearbeitet hat, ist ein frühes Pensionsantrittsalter sicher sinnvoll. Aber „Schreibtischjobs“ – so meine ich – können manche sicher länger machen, sofern sie diese Arbeit gerne machen (und man sie lässt). Ich will mich ja nicht unbedingt als Beispiel hinstellen, aber routinemäßig schreibe ich mindestens einen, meisten zwei Blogbeiträge pro Tag (auch an Wochenenden und auch in eventuell während des „Urlaubs“ (wenn man Reisen während der Pensionszeit so bezeichnen kann).  Auch Blogbeiträge (wenn ich auch kein Geld dafür bekomme) schreiben sich nicht „von selber“, meist muss ich recherchieren (etwas, das ich gerne tue) und „nur so herunterschreiben“ geht auch nicht, es muss wiedergelesen, ausgebessert, umgestellt, geprüft werden. Das geht – bei einfachen Texten – in zwei Stunden, bei komplizierteren sicher nicht unter drei oder vier Stunden. Fulltimejob wäre es keiner, aber als Halbtagsjob – manchmal mit Überstunden – ginge es schon durch.

Ich bin sicher nicht die Einzige, die „noch“ arbeitet. Da sind noch viele mehr: da gibt die die Ladenbesitzer, die keinen Nachfolger finden und bis ins hohe Alter im ihrem Laden stehen, da sind die Großmütter, und neuerdings auch die Großväter, die viele Stunden in die Betreuung ihrer Enkel investieren. Da sind die vielen, die ihre Zeit für die Pflege behinderter, kranker alter Angehörigen (oder auch Fremder) aufbringen. Da sind die vielen Freiwilligen, die z.B. Migranten Deutsch lehren und österreichische Lebensart nahebringen. Da sind auch die vielen, die in diverse (wohltätige) Vereine ihre Zeit investieren. Dies alles – und noch viel mehr – wird vollbracht – und es scheint nicht im BIP auf. Österreich würde ohne Freiwilligenarbeit ein sehr viel ärmeres Land sein, besonders auch die Kultur betreffend. Wieviel Wissen wird weitergegeben in Vorträgen, die „Freiwillige“ organisieren, wieviel Kunst wird gezeigt, in Ausstellungen, die von Vereinen organisiert werden. Und da ist – wie man jetzt so (schön?) sagt – noch Luft nach oben. Nicht umsonst wird jährlich bei der Wahl der Österreicher des Jahres auch Arbeit auf sozialem Gebiet berücksichtigt.

Ich wäre, so nehme ich an, also durchaus noch in der Lage einen Halbtagsjob zu übernehmen. Gerne würde ich diese Zeit dazu verwenden, für ein Weiterbestehen der EU, für eine Verbesserung der Arbeitsweise (Verfassung) der EU, für einen Weiterausbau der EU zu arbeiten.

Aber Sie wollen halt von mir nicht nur Blogbeiträge über die EU lesen … und sonst wird kaum jemand auf die Idee kommen, einer so alten Frau eine in Frage kommende Tätigkeit anzubieten. Daher, so fürchte ich, werden Sie in Zukunft doch regelmäßig im Blog bei mir über die EU lesen.

Ich hoffe, Sie bleiben mir dennoch treu!

 

„Was wäre, wenn“ und Nutzung von Altersfreizeit

„The Party“ im Burgtheater, sowie ich sie erlebt habe

Ich denke nach, was mir an der Aufführung „The Party“ im Burgtheater eigentlich nicht gefallen hat. Vielleicht bin ich falsch gestimmt hingekommen? Mich stören nämlich die Ringsperren außerordentlich. Dieses Mal war sie wegen einer Laufveranstaltung gesperrt- Nachtlauf! Das heißt natürlich keine Autos – betrifft mich persönlich nicht – aber auch keine Straßenbahn. Ja, selbstverständlich kann ich (noch) zu Fuß gehen. Aber bitte Stadtverwaltung: Läufe dieser Art könnten doch viel besser im Prater, auf der Hauptallee stattfinden? Dafür kann aber das Burgtheater nichts.

„The Party“ ist eine Tragikomödie der britischen Autorin und Filmemacherin Sally Potter. Es geht um eine anfänglich noch nette Party im linksliberalen Freundeskreis einer englischen Politikerin Janet – nebst Gatten, Bill – in London. Gefeiert wird der politische Erfolg der Hauptfigur, Janet. Sie wurde zur Gesundheitsministerin eines Schattenkabinetts gewählt.

Sehr beeindruckt hat mich das Bühnenbild, es war wirklich überzeugend gelöst, wie ohne Unterbrechung Personen in verschiedenen Räumlichkeiten – übereinandergestapelt und wieder verschoben – miteinander reden konnten. Alle Szenen spielen in einem Londoner Haus, das komfortabel, aber nicht besonders vermögend wirkt; es sieht bewohnt, aber nicht sehr gepflegt aus. Im Mittelpunkt ein „Sacksitz, meist von Bill okkupiert. Hier wohnen offenkundig kulturell und politisch aktive Menschen, belesen und mit musikalisch sehr interessiert. Die Gäste treffen „tröpferlweise“ – wie wir in Wien sagen – ein. Janet ist einerseits mit Herrichten des Essens für die Party andererseits mit pausenlosen Anrufen beschäftigt.  Es ist schon komisch, wie „falsch“ die einseitige Konversation dann klingt. Irgendwo taucht schon hier ein „Techtelmechtel“ (mehr oder weniger heimliche Liebschaft) auf.

Manchen dieser auftretenden Personen, wie z.B. Jinny, die pausenlos erbricht – hat sie Bulimie? –  Tom – der drogenabhängig ist, kann man eine gewisse Hektik, sowohl in ihrer Haltung, Gestik als auch in ihrer Sprache nicht absprechen.  Gottfried hinwieder „turnt“.

Es wird über alles „diskutiert“, über die Krise des Gesundheitswesens, der Demokratie und der Banken über den Stand des Feminismus bis hin zum Verlust verlässlicher Beziehungen. Aber eine „Äußerung“ von Bill, des Ehemanns von Janet, verändert die Situation komplett. Er verkündet, dass sein Arzt ihm nur mehr eine sehr kurze Lebensdauer vorhergesagt hat, da er bereits metastierenden Krebs hat. Hektisch bemühen sich alle, dieses Faktum anzuzweifeln. Hier wird plötzlich sehr klar, wie die in dem Stücke dargestellte Gesellschaft nicht mit dem Tod umgehen kann (können wir es?). Dann allerdings verkündet er auch gleich dazu, dass er bereits seit längerem eine Beziehung zu einer Frau aus dem gemeinsamen Freundeskreis hat. Das „Tabu“ Tod, das in diesem Stück gebrochen wurde, wird sogleich wieder beiseitegeschoben, durch ein Gspusi (Liebschaft – von italienischem sposi = Verlobte). Schade!

Ab dann wird es burlesk. Janet, die anfänglich – nach der Verkündigung des baldigen Sterbens – sofort bereit war, ihre Karriere, ja, ihre Liebschaft aufzugeben, ändert ihre Meinung recht schnell wieder. Als sich nach und nach alles aufklärt und die Gesellschaft eigentlich in Trümmer fällt, wirft der betrogene Ehemann (Tom) seinem Nebenbuhler (Bill) eine Flasche an den Kopf und dieser fällt um und wird ohnmächtig. Alle bemühen sich nun hektisch ihn wiederzubeleben, was letztlich auch gelingt. Zwischenzeitlich entzweit sich das lesbische Paar Martha und Jinny, um sich alsbald wieder zu versöhnen – Grund der Entzweiung:  Martha hatte früher eine Beziehung zu einem MANN, oh Graus.

Nach vielem Hin und Her stellt sich heraus, dass das Ehepaar Bill und Janet dieselbe Freundin hatten: die abwesende Marianne, die Frau von Tom.

Ich habe auch nicht gar so viel an den Schauspielern auszusetzen. Naheliegenderweise wurde der Text im „Konversationsmodus“ gesprochen, wodurch er für mich – bei manchen Personen – schwerer verständlich war, besonders Katharina Lorenz, als Jinny – sie hat dem derzeitigen Trend junger Frauen entsprechend – noch dazu besonders schnell gesprochen oder sprechen müssen. Markus Hering – als Gottfried – war wahrscheinlich zu sehr mit seinen „körperlichen Aktivitäten“ (alle Achtung: ein Kopfstand) beschäftigt, um deutlich verstanden zu werden.  Jedes Wort konnte man deutlich verstehen, wenn Bill – Peter Simonischek – gesprochen hat. Leider hatte er sehr wenig Text. Gespielt wurde hervorragend.

Also was hat mich gestört? Dieses Drama hätte wesentlich besser auf die Bühne des Akademietheaters gepasst, ist es doch ein Kammerspiel. Für mich war das Stück – trotz propagierter Aktualität „Korrumpierbarkeit der Werte“ (also ein sehr heutiges Thema) rettungslos altmodisch. Ich habe schon zu viele und viel bessere „Beziehungsdramen“ gesehen. Was für mich neu war, war die Einführung des „Todes“, aber in sehr, sehr oberflächlicher Weise. Außerdem ist dieses Stück schon verfilmt worden, leider habe ich den Film verpasst – mit Bruno Ganz. Vielleicht sollte ich das nachholen.

Schade eigentlich, hervorragende Schauspieler, großartiges Bühnenbild und dennoch „schal“, wie schon manche Zeitungen berichtet haben.

„The Party“ im Burgtheater, sowie ich sie erlebt habe

Christa in Bewegung, oder wie man die Polizei ins Museum holt

Noch einmal: Wiener Neustadt. Wir waren schon einigermaßen erschöpft, als wir nach mehr als einstündiger Führung durch die Burg herauskamen. Aber weitergehen – das funktioniert immer, nur stehen, das hat schon wehgetan (das Kreuz halt). Wir haben noch in den Dom bewundert, den Liebfrauendom, ein spätromanisches Bauwerk. Die Lage und Orientierung des Domes ist Teil der mittelalterlichen Stadtplanung. Seine Achse (Langhaus) schneidet die Nord- und Westseite genau in der Mitte und zeigt dorthin, wo am Pfingstsonntag (24. Mai 1192) die Sonne aufgegangen ist. Dieser Termin entspricht dem Tag, an dem Herzog Leopold V. durch Kaiser Heinrich VI. mit der Steiermark belehnt worden ist.

Für den Propstgarten, der eigentlich auch recht anziehend wirkte (samt Lapidarium) hatten wir leider keine Zeit – also ein weiterer Punkt auf der Agenda für den nächsten Besuch in Wiener Neustadt. Bald kamen wir zur imposanten Stadtmauer, wo wir uns noch für ein paar wenige Minuten niederlassen konnten.

Aber dann ging’s schon auf in den einen Teil der Niederösterreichischen Landesausstellung, nämlich in das ehemalige Kloster St. Peter an der Sperr, das aus dem 13. Jahrhundert stammt. Das ist die ehemalige Klosterkirche der Dominikanerinnen an der nördlichen Stadtmauer der ehemaligen Festung der Stadt Wiener Neustadt. Das profanierte Kirchengebäude dient heute als Ausstellungsraum. Hier geht es um die Geschichte der Stadt Wiener Neustadt, von der Gründung an einer „Straßenkreuzung“, nicht an einem Fluss, nicht auf einem Berg, sondern an der Kreuzung zweier Handelswege.

Vorweg möchte ich sagen, dass wir eine ganz exzellente Führerin hatten, wirklich bewandert in Geschichte, Geographie, Wirtschaft etc.  Zum Zweiten war ich aber nicht glücklich über die Karikaturen, die die Fakten und Objekte Besuchern näherbringen sollen. Übermäßig haben sie mich nicht gestört und ich verstehe, dass man die Ausstellung vielleicht vielen Kindern etc. leichter erklären kann. Was mich allerdings wirklich gestört hat war, dass es mit Ausnahme des letzten Teils der Ausstellung überhaupt keine Sitzgelegenheiten gegeben hat. Vielleicht war ich ein Ausnahmefall, weil ich alt bin, weil wir schon den ganzen Tag unterwegs gewesen sind, weil wir auch in der Burg schon lange gestanden sind.

Gerade als wir schon nach Richard Löwenherz und seinen finanziellen Beitrag für Wiener Neustadt hinter uns gelassen hatten, Friedrich III. und seine Eleonore abgehandelt hatten und schon zu Maximilian kamen, die Führerin eloquente Ausführungen zu A.E.I.O.U. gemacht hatte, dröhnte ein Warnsignal. Sichtlich hatte sich jemand (dessen Rücken ihm auch so weh tat wie mir?) möglicherweise an eine Vitrine angelehnt. Er bewegte sich weg und wir gingen weiter um von Maximilian, dem letzten Ritter zu einem modernen aufgeschlossenen Herrscher zu kommen, der die Waffentechnik durch Innovationen verbessern ließ, wissenschaftlich auf der Höhe der Zeit war, Bücher geschrieben hat (all das konnte man ja schon in der Maximilian-Ausstellung in der Wiener Nationalbibliothek lernen), als zwei Museumsangestellte aufgeregt vorbeikamen, die Vitrine, an dem sich der Herr angelehnt hatte genau in Augenschein nahmen, uns dringend ermahnten, uns ja nicht wieder auch nur irgendwo anzulehnen, weil durch diesen Alarm die Polizei benachrichtigt worden war – und schon anrücke. In der Tat, Polizisten stürmten herein, begutachteten die Vitrine und stellten sichtlich fest, dass eh alles in Ordnung war – und zogen wieder ab.

Ich erlaubte mir zu fragen, warum es denn keine Sitzgelegenheiten gäbe und man erläuterte uns, dass es einfach zu schmal wäre und es feuerpolizeilich nicht erlaubt wäre. Auf meinen Einwand, dass in anderen Museen und Ausstellungen so eine Art Stockerl für den Besuch gemietet werden könnte, konnte keine Antwort gefunden werden. Nun begleitete uns eine Museumsangestellte, die akribisch darauf achtete, dass sich ja niemand auch nur irgendwo (sei es auch nur die Mauer) anlehnte …

Wir haben erwogen, uns zurückzuziehen, aber die wirklich gute Führerin zu verlassen tat uns auch wieder leid, also – und ich sage das nicht von ungefähr- schleppten wir uns weiter.

Die Heiratspolitik Maximilians begründete diese Aussage über Österreich: „Bella gerant alii, tu felix Austria nube.“ (Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate.)

Bald kamen wir zum Prunkstück dieser Ausstellung: dem Corvinusbecher. Dieser ist ein Prunkbecher bestehend aus vergoldetem Silber, das mit ungarischem Drahtemail verziert ist. Er dürfte aus der Zeit zwischen 1470 und 1490 stammen. Der Pokal wird durch die auf dem Deckel kniende Ritterfigur mit dem Ungarnkönig Matthias Corvinus, der von 1458 bis 1490 lebte, in Zusammenhang gebracht. Dieser Ritter trägt auf der Vorderseite das A.E.I.O.U. von Kaiser Friedrich III. und das Monogramm des Mathias Corvinus mit dem Raben, der im Schnabel den Ring trägt. Auf der Rückseite ist die Jahreszahl 1462. Es gibt verschiedene Theorien, wie der Becher nach Wiener Neustadt gekommen sein soll. Nach einer Version dürfte der Becher mit dem Frieden von Ödenburg in Beziehung stehen. So soll ihn Corvinus für die zurück erhaltene Stephanskrone an Friedrich übergeben haben. Nach anderen Überlieferungen soll er von Friedrich selbst stammen, der ihn Corvinus ursprünglich schenken wollte, aber aufgrund von Meinungsverschiedenheiten dann doch nicht überreichte. Während der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg war der Becher, der sich nachweislich seit 1741 im Besitz der Stadt befindet, wie viele andere Kunstschätze in einem Stollen des Salzbergwerkes in Hallein untergebracht.

Leider „eilten“ wir weiter um in den letzten Teil der Ausstellung zu kommen – wo es um den Aufbau der Industrie in Wiener Neustadt geht.  (Hier konnte man endlich sitzen!) Der Wandel zur Industriestadt begann mit der Eröffnung der Südbahn von Wien bis Wiener Neustadt im Juni 1841. Schon im folgenden Jahr wurde eine Lokomotivfabrik gegründet. Neben anderen Fabriken, die sukzessive entstanden, errichtete ab 1899 die Firma Austro-Daimler (eine große Fahrzeugfabrikation). Die Industrialisierung bewirkte starken Zuzug von Arbeitskräften auch aus dem Ausland, sodass Wiener Neustadt in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts die zweitgrößte Stadt Niederösterreichs (nach Wien) war. Ab 1851 wurden die Befestigungsanlagen nach und nach abgetragen; zwischen 1862 und 1864 wurden schließlich auch die Stadttore abgebrochen. 1909 ließ die Stadtgemeinde zur Förderung des mechanischen Flugwesens im Norden der Stadt ein Flugfeld anlegen, auf dem bereits 1911 die 1. österreichische Flugwoche abgehalten wurde. Am 7. Juni 1912 explodierte zwischen der Südbahn und der ehemaligen Kaiser-Franz-Josephs-Kaserne ein Pulvermagazin eines k.u.k.-Militärlagers. Die nahegelegene Arbeiterbaracke 48 wurde völlig zerstört, die Druckwelle beschädigte zudem u. a. die Hangars am Flugfeld, die Lokomotivfabrik und die Daimler-Werke. Im Ersten Weltkrieg war Wiener Neustadt auf Grund seiner Industriebetriebe ein Zentrum der Rüstungsindustrie. Die Folgen der Niederlage der österreichisch-ungarischen Monarchie im Ersten Weltkrieg führten zu einem Niedergang der Industrie. Mangels Nachfrage im klein gewordenen Wirtschaftsraum Österreich mussten die großen Fabriken schließen; die Flugzeugproduktion musste auf Grund des Vertrags von Saint Germain aufgegeben werden. Die Weltwirtschaftskrise tat ihr Übriges. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurde in Wiener Neustadt kriegswichtige Industrie angesiedelt.

Alles das und vieles mehr wird in der Ausstellung sehr nachdrücklich dargestellt, wie auch der Tourismusentwicklung etc. Aber für den Zweiten Teil der Ausstellung in den Kasematten blieb diesmal keine Zeit – ich muss wiederkommen!

Ihnen kann ich nur raten: fahren Sie hin, sie werden vieles Interessantes sehen und hören!

Christa in Bewegung, oder wie man die Polizei ins Museum holt

Wir wären alle betroffen: die USA will aus dem Weltpostverein austreten

Haben Sie sich schon einmal Gedanken über den Weltpostverein gemacht? Jetzt lese ich, dass die USA austreten wollen, weil andere Länder (wie z.B. China) so niedrige Gebühren zahlen.

Ich habe angefangen, darüber nachzudenken, inwieweit uns das eventuell betreffen könnte.

Also zuerst: was ist der Weltpostverein?

Der Weltpostverein (WPV; Universal Postal Union) wurde 1874 gegründet und regelt bis heute die internationale Zusammenarbeit der Postbehörden und die Rahmenbedingungen des grenzüberschreitenden Postverkehrs. Der Hauptsitz des Weltpostvereins ist seit der Gründung in Bern in der Schweiz. Er hat seit dem 4. Oktober 2011 insgesamt 192 Mitgliedstaaten. Hauptrechtsgrundlagen des Vereins sind die Satzung (Constitution) vom 10. Juli 1964, ergänzt durch die Allgemeine Verfahrensordnung (Règlement général), sowie der Weltpostvertrag. Die USA, wie auch Österreich-Ungarn z.B. waren Gründungsmitglieder.

Dieser Postverein regelt auf seinen Postkongressen die internationale Zusammenarbeit der nationalen Postverwaltungen. Auf dem zweiten Kongress, der 1878 stattfand, wurde der Allgemeine Postverein zum Weltpostverein, im selben Jahr entstanden das Wertbriefabkommen und das Postanweisungsabkommen. 1881 trat der Postpaketvertrag in Kraft. Auf dem Weltpostkongress 1885 folgten Zusatzabkommen zum Weltpostvertrag, Wertbriefabkommen, Postpaketvertrag und zum Postanweisungsabkommen. Das Postauftragsabkommen und ein Abkommen über Ausweisbücher traten 1886 in Kraft. Am 4. Juli 1947 wurde der Weltpostverein eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Er ist mit 192 Mitgliedstaaten das internationale Forum für die Kooperation zwischen Postverwaltungen (oder den entsprechenden Postministerien und Regulierungsbehörden) und Postunternehmen.

Der Weltpostvertrag von 1874 regelt die internationale Zusammenarbeit der Postbehörden, die Rahmenbedingungen des grenzüberschreitenden Postverkehrs und die Abrechnung der dabei anfallenden Postgebühren. Bis heute besteht die Hauptaufgabe des Weltpostvereins in der Sicherstellung einer weltumspannenden, zeitnahen Zustellung von Briefen und Paketen über Länder- und Sprachgrenzen hinweg. Wir alle verlassen uns darauf, als ob das selbstverständlich wäre.

Die Reglung betrifft immerhin: 5,2 Millionen Postmitarbeiter; 680.000 Poststellen; 327 Milliarden Briefe (davon 3,5 Milliarden grenzüberschreitend); 7,4 Milliarden Pakete (davon 101 Millionen grenzüberschreitend). Das sind Werte aus 2014, aktuellere habe ich nicht gefunden.

Praktische Bedeutung für den einzelnen Postkunden hat der Weltpostverein vor allem bei Verlust von Sendungen. So richtete sich beispielsweise der Entschädigungsbetrag für eine verlorene Einschreibsendung zunächst nach dem Goldfranken (für eine Einschreiben-Sendung gab es 75 Goldfranken), später nach Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds, wobei immer eine Umrechnung in die Währung des Landes des Absenders stattfand.

Der Weltpostverein gibt auch den Internationalen Antwortschein (Coupon-réponse international) heraus. Dieser Kupon kann in jedem Land der Welt in Briefmarken umgetauscht werden, deren Nennwert dem billigsten Auslandsbrief entspricht. Auf diese Weise kann ein Absender die Kosten für einen Antwortbrief übernehmen. Die von den Postverwaltungen in Briefmarken umgetauschten Antwortscheine werden an den Weltpostverein gesandt, mit den Einnahmen aus dem Verkauf von Antwortscheinen der jeweiligen Postverwaltung verrechnet und gegebenenfalls Mehrausgaben erstattet.

Wie wir alle erfahren, nimmt zwar der Briefverkehr derzeit leider ab, aber der Paketverkehr nimmt durch on-line-shopping (z.B. Amazon!) erheblich zu.

Dennoch drohen die USA aus dem Weltpostverein auszutreten: Grund seien die niedrigen Gebühren, die China und andere Länder der US-Post für die Auslieferung von Warensendungen erstatten. Diese liegen deutlich unter dem, was Industrieländer untereinander zahlen. Die USA wollen die Gebühren darum künftig selbst festlegen. Der Vertreter der US-Post sagte in Genf, das Unternehmen arbeite mit Hochdruck daran, im Falle eines Austritts weiter eine problemlose Postbeförderung zu gewährleisten.

Es s geht um kleine Sendungen bis zwei Kilogramm. Geregelt ist es folgendermaßen: Die Post im Absenderland bekommt ein Porto, für den Transport zum Empfänger zahlt sie dann der zustellenden Postgesellschaft im anderen Land Geld. Dabei sind die Länder in vier Gruppen unterteilt, nach Entwicklungsstand und Wirtschaftskraft. Wie viel Geld fließt, hängt davon ab, in welcher Gruppe Absender- und Empfängerland liegen. China etwa gehört zur zweituntersten Gruppe der Schwellenländer; weshalb die chinesische Post relativ geringe Entgelte an Postunternehmen in anderen Teilen der Welt zahlt. Die USA fühlen sich benachteiligt, weil chinesische Versandhändler so geringe Portopreise anbieten können – auf Kosten der amerikanischen Post und letztlich auch Versandhändler.

Eigentlich sind nicht nur die USA, sondern auch andere Länder durch die bestehenden Regelung en betroffen.  Denn die Zahl der kleinen Warensendungen aus China in die ganze Welt hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Gerade der Online-Handel verschärft die Problematik.  Die USA wollen nun durchsetzen, dass die US-Post die Gebühren für Warensendungen aus anderen Ländern selbst bestimmen darf. Sie könnte dann etwa alle Kosten ans Ausland abwälzen. Mitte Oktober 2019 treten die Vereinigten Staaten sonst aus dem Postverein aus, wenn sie ihre Forderung nicht durchsetzen können.

Ein Ausstieg der USA aus dem Weltpostvertrag hätte weitreichende Folgen. Zum einen wäre es ein Schlag für die US-amerikanische Post, die künftig Probleme hätte, sich gegen Logistikunternehmen im eigenen Land zu behaupten. Zum anderen würden Versandkosten zwischen der EU und der USA um ein Vielfaches steigen. Daher geht es auf dem Sondergipfel jetzt darum, einen Kompromiss zu finden, der für die US-Regierung tragfähig ist. Drei Optionen werden auf dem Gipfel zur Wahl stehen: Eine einheitliche Erhöhung der Kosten für Schwellenländer, die Möglichkeit für die Empfängerländer selbst die Kosten festzulegen, die bei dem Versand von Waren aus dem Absenderland fällig werden, oder eine Kombination dieser beiden Optionen.

Das könnte den internationalen Postversand empfindlich stören. Die USA müssten dann bilaterale Verträge mit allen Ländern einzeln schließen. Theoretisch müssten bis dahin die Postunternehmen in den USA und anderswo dann nicht einmal gegenseitig ihre Sendungen annehmen. Und natürlich sind es die Kunden, die betroffen wären: denn sie müssten sich auf Verspätungen und gegebenenfalls steigende Kosten einstellen.

In einer Sondersitzung vom 24. bis 26. September 2019 wollen die 192 Mitgliedstaaten des Weltpostvereins jetzt noch rasch einen Kompromiss finden, der die USA im Abkommen halten kann. Der europäische Dachverband Ecommerce Europe sitzt dem beratenden Ausschuss des Weltpostverbands vor und ist damit aktiv daran beteiligt, das Weltpostabkommen in Zukunft fairer und ausgeglichener zu gestalten.

Hoffen wir das Beste, dass unsere Packerln mit unseren n-line Einkäufen auch weiterhin preisgünstig und pünktlich zugestellt werden! !

Wir wären alle betroffen: die USA will aus dem Weltpostverein austreten