An so einem geschenkten Tag (29. Februar) wie heute (passiert nur alle 4 Jahre) kann man doch nicht nur seinen Lieblingsbeschäftigungen nachgehen (Lesen und Schreiben), sondern muss auch „hinaus“. Denn es ist nicht kalt, es weht kein Sturm und ein bisserl blinzelt zuweilen auch die Sonne heraus.
Ich hatte nichts Besonderes vor, entschied aber dann in ein winziges „altes“ Grätzel von Wien zu gehen, auf die Mölkerbastei. Dabei handelt es sich wirklich noch um die alte Bastei, die sonst überall abgerissen ist. Nachdem ich durch meine Lieblingsbegegnungszone gegangen bin (Herrengasse) und festgestellt hatte, dass wirklich weniger Touristen in Wien sind, vor allem die (Horden) Chinesen fehlen. Feststellen konnte ich auch, dass schon viele Lokale den Frühling für gekommen erachten und die Schanis hinausstellen – und wirklich, es essen und trinken manche schon dort. Aber für mich beginnt der Frühling erst, sobald die Säcke (ja, es sind Kaffeesäcke – ob beabsichtigt oder Zufall weiß ich nicht) von den Rosenstöcken im Volksgarten entfernt sein werden.
In der Schottengasse bog ich links ab, um die Mölkerstiege zu erklimmen. Und schon war ich in einem höchst romantischen alt-Wiener Grätzel, wo Filme ob des alten Ambientes gedreht werden. Gleich befand ich mich am Mölkersteig – 1871 nach der benachbarten Mölker Bastei benannt. Wo sich heute der Mölker Steig befindet, verlief im Mittelalter die Wiener Stadtmauer. Ab dem 16. Jahrhundert erstreckte sich hier die Kurtine zwischen Schottentor und Mölker Bastei. An der Auffahrt wurden im 17. Jahrhundert kleine Häuser für die Stadtguardia errichtet, die im 18. Jahrhundert privatisiert wurden. Als zu dieser Zeit auch der benachbarte Melker Hof umgebaut wurde, entstand beim Schottentor eine Stiege. Sie hieß ursprünglich Mölker Stiege, seit 1862 kurze Zeit Schottenstiege, bis sie 1871 in den Mölker Steig einbezogen wurde. Damals wurde die Kurtine abgebrochen, einige Häuser wurden demoliert und der Rest einschließlich der Stiege nunmehr Mölker Steig genannt. Die Verbauung besteht zum Großteil aus den Hinterfronten von Gebäuden des 18. und 19. Jahrhunderts.
Und schon biegt man in die Schreyvogelgasse ein – sie wurde 1885 nach dem Schriftsteller Joseph Schreyvogel (*1768; † 1832) benannt, der der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Direktor des alten Hofburgtheaters war. Im Mittelalter querte die Wiener Stadtmauer den Verlauf der heutigen Schreyvogelgasse. Die Häuser bis zur heutigen Hausnummer 8 wurden um 1400 Innerhalb des Schottentores genannt. 1544 bis 1545 wurde die Mauer abgebrochen und eine Auffahrt zur neuerrichteten Mölker Bastei geschaffen. Demgemäß ist 1776 die Bezeichnung Gässel zur Bastei dokumentiert. Im Zuge der Schleifung der Wiener Stadtbefestigungen und dem Bau der Wiener Ringstraße wurde auch die Mölker Bastei demoliert. Die Gasse wurde ab 1862 Kleppersteig genannt. Nachdem infolge zu hoher Ablöseforderungen der Hausbesitzer ein Teil der Rampe zur ehemaligen Mölker Bastei nicht abgerissen wurde und dadurch einige Häuser in erhöhter Lage auf der Rampe stehen blieben, schuf man hier 1871 einen Zugang zum übrigen Straßennetz.
Während die Gebäude am Beginn der Gasse und auf der gesamten südlichen Straßenseite in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im historistischen Stil erbaut wurden, stammen die Gebäude in erhöhter Lage an der Rampe zur Mölker Bastei auf der nördlichen Seite noch aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, und sind schöne Beispiele spätbarock-josephinischer Architektur in Wien.
Hier befindet sich auch das so genannte Dreimäderlhaus. Die Bezeichnung Dreimäderlhaus geht darauf zurück, dass der Komponist Franz Schubert angeblich eine Romanze mit den hier wohnenden drei Töchtern des Glasermeisters Franz Tschöll, Hannerl, Hederl und Heiderl, gehabt haben soll. Tatsächlich steht das Haus aber in keinem Zusammenhang mit dem Komponisten. Die Geschichte basiert auf dem Roman Schwammerl von Rudolf Hans Bartsch.
Und sogleich stand ich vor dem Pasqualatihaus. Es ist bekannt durch Ludwig van Beethoven, der hier einige Jahre wohnte. Das Haus wurde 1797 für den Leibarzt Maria Theresias Johann Baptist Freiherr von Pasqualati und Osterberg errichtet, indem zwei kleinere Wohnhäuser zu dem stattlichen Zinshaus vereinigt und aufgestockt wurden. Hier wohnte Ludwig van Beethoven mehrmals zwischen 1804 und 1815. Einige seiner bedeutendsten Werke entstanden hier, wie die 4., 5., 7. und 8. Symphonie, die Oper Fidelio, oder das Klavierwerk Für Elise.
In dieser Wohnung im 4. Stock befindet sich eine Gedenkstätte, in der das Porträt Beethovens von Willibrord Joseph Mähler aus dem Jahr 1804/05 und das Porträt Andreas Graf Rasumofskys von Johann Baptist Lampi dem Älteren aus dem Jahr 1814 zu sehen ist. Einige Gegenstände aus dem Besitz Beethovens, mehrere Faksimiles und Abbildungen aus Leben und Schaffen des Komponisten, sowie zwei Hörstationen mit der Musik Beethovens ergänzen das Angebot. Die eigentliche Wohnung Beethovens befindet sich gegenüber, kann aber, da sie vermietet ist, nicht gezeigt werden. Die Gedenkstätte gehört zum Wien Museum.
Na, und will ich schon da war und außerdem sich 2020 Beethovens Geburtstag zum 250. Mal jährt stieg ich die 4 Stockwerke (plus Mezzanin) in dem schönen Stiegenhaus hinauf, um mir diese Ausstellung anzusehen. Es waren wenig Leute da, nur zwei ostasiatischen Paaren begegnete ich im Siegenhaus (ich tippe auf Japaner).
Nach diesem etwas unerwarteten Museumsbesuch stieg ich die Mölkerbastei hinunter, dort steht einerseits, gegenüber der Universität das Liebenbergdenkmal (Wiener Bürgermeister Johann Andreas von Liebenberg. In seine Amtszeit 1680–1683 fiel die Zweite Wiener Türkenbelagerung) andererseits, etwas versteckt im Hang das relativ neues Denkmal für die Trümmerfrauen, das muss man wissen, denn dort sitzt eigentlich eine Badende.
Und da mich das Stehen in dem kleinen Museum doch etwas ermüdet hatte, ging ich nicht mehr zu Fuß nach Hause, sondern schnappte mir den nächstkommenden Ringwagen.
Wenn Sie in der Gegend sind, ist das ein lohnender Ausflug ins Alte Wien!