Spannender Ausflug ins alte Wien an einem geschenkten Tag

An so einem geschenkten Tag (29. Februar) wie heute (passiert nur alle 4 Jahre) kann man doch nicht nur seinen Lieblingsbeschäftigungen nachgehen (Lesen und Schreiben), sondern muss auch „hinaus“.  Denn es ist nicht kalt, es weht kein Sturm und ein bisserl blinzelt zuweilen auch die Sonne heraus.

Ich hatte nichts Besonderes vor, entschied aber dann in ein winziges „altes“ Grätzel von Wien zu gehen, auf die Mölkerbastei.  Dabei handelt es sich wirklich noch um die alte Bastei, die sonst überall abgerissen ist. Nachdem ich durch meine Lieblingsbegegnungszone gegangen bin (Herrengasse) und festgestellt hatte, dass wirklich weniger Touristen in Wien sind, vor allem die (Horden) Chinesen fehlen. Feststellen konnte ich auch, dass schon viele Lokale den Frühling für gekommen erachten und die Schanis hinausstellen – und wirklich, es essen und trinken manche schon dort. Aber für mich beginnt der Frühling erst, sobald die Säcke (ja, es sind Kaffeesäcke – ob beabsichtigt oder Zufall weiß ich nicht) von den Rosenstöcken im Volksgarten entfernt sein werden.

In der Schottengasse bog ich links ab, um die Mölkerstiege zu erklimmen. Und schon war ich in einem höchst romantischen alt-Wiener Grätzel, wo Filme ob des alten Ambientes gedreht werden. Gleich befand ich mich am Mölkersteig – 1871 nach der benachbarten Mölker Bastei benannt. Wo sich heute der Mölker Steig befindet, verlief im Mittelalter die Wiener Stadtmauer. Ab dem 16. Jahrhundert erstreckte sich hier die Kurtine zwischen Schottentor und Mölker Bastei. An der Auffahrt wurden im 17. Jahrhundert kleine Häuser für die Stadtguardia errichtet, die im 18. Jahrhundert privatisiert wurden. Als zu dieser Zeit auch der benachbarte Melker Hof umgebaut wurde, entstand beim Schottentor eine Stiege. Sie hieß ursprünglich Mölker Stiege, seit 1862 kurze Zeit Schottenstiege, bis sie 1871 in den Mölker Steig einbezogen wurde. Damals wurde die Kurtine abgebrochen, einige Häuser wurden demoliert und der Rest einschließlich der Stiege nunmehr Mölker Steig genannt. Die Verbauung besteht zum Großteil aus den Hinterfronten von Gebäuden des 18. und 19. Jahrhunderts.

Und schon biegt man in die Schreyvogelgasse ein – sie wurde 1885 nach dem Schriftsteller Joseph Schreyvogel (*1768; † 1832) benannt, der der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Direktor des alten Hofburgtheaters war. Im Mittelalter querte die Wiener Stadtmauer den Verlauf der heutigen Schreyvogelgasse. Die Häuser bis zur heutigen Hausnummer 8 wurden um 1400 Innerhalb des Schottentores genannt. 1544 bis 1545 wurde die Mauer abgebrochen und eine Auffahrt zur neuerrichteten Mölker Bastei geschaffen. Demgemäß ist 1776 die Bezeichnung Gässel zur Bastei dokumentiert. Im Zuge der Schleifung der Wiener Stadtbefestigungen und dem Bau der Wiener Ringstraße wurde auch die Mölker Bastei demoliert. Die Gasse wurde ab 1862 Kleppersteig genannt. Nachdem infolge zu hoher Ablöseforderungen der Hausbesitzer ein Teil der Rampe zur ehemaligen Mölker Bastei nicht abgerissen wurde und dadurch einige Häuser in erhöhter Lage auf der Rampe stehen blieben, schuf man hier 1871 einen Zugang zum übrigen Straßennetz.

Während die Gebäude am Beginn der Gasse und auf der gesamten südlichen Straßenseite in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im historistischen Stil erbaut wurden, stammen die Gebäude in erhöhter Lage an der Rampe zur Mölker Bastei auf der nördlichen Seite noch aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, und sind schöne Beispiele spätbarock-josephinischer Architektur in Wien.

Hier befindet sich auch das so genannte Dreimäderlhaus. Die Bezeichnung Dreimäderlhaus geht darauf zurück, dass der Komponist Franz Schubert angeblich eine Romanze mit den hier wohnenden drei Töchtern des Glasermeisters Franz Tschöll, Hannerl, Hederl und Heiderl, gehabt haben soll. Tatsächlich steht das Haus aber in keinem Zusammenhang mit dem Komponisten. Die Geschichte basiert auf dem Roman Schwammerl von Rudolf Hans Bartsch.

Und sogleich stand ich vor dem Pasqualatihaus. Es ist bekannt durch Ludwig van Beethoven, der hier einige Jahre wohnte. Das Haus wurde 1797 für den Leibarzt Maria Theresias Johann Baptist Freiherr von Pasqualati und Osterberg errichtet, indem zwei kleinere Wohnhäuser zu dem stattlichen Zinshaus vereinigt und aufgestockt wurden. Hier wohnte Ludwig van Beethoven mehrmals zwischen 1804 und 1815. Einige seiner bedeutendsten Werke entstanden hier, wie die 4., 5., 7. und 8. Symphonie, die Oper Fidelio, oder das Klavierwerk Für Elise.

In dieser Wohnung im 4. Stock befindet sich eine Gedenkstätte, in der das Porträt Beethovens von Willibrord Joseph Mähler aus dem Jahr 1804/05 und das Porträt Andreas Graf Rasumofskys von Johann Baptist Lampi dem Älteren aus dem Jahr 1814 zu sehen ist. Einige Gegenstände aus dem Besitz Beethovens, mehrere Faksimiles und Abbildungen aus Leben und Schaffen des Komponisten, sowie zwei Hörstationen mit der Musik Beethovens ergänzen das Angebot. Die eigentliche Wohnung Beethovens befindet sich gegenüber, kann aber, da sie vermietet ist, nicht gezeigt werden. Die Gedenkstätte gehört zum Wien Museum.

Na, und will ich schon da war und außerdem sich 2020 Beethovens Geburtstag zum 250. Mal jährt stieg ich die 4 Stockwerke (plus Mezzanin) in dem schönen Stiegenhaus hinauf, um mir diese Ausstellung anzusehen. Es waren wenig Leute da, nur zwei ostasiatischen Paaren begegnete ich im Siegenhaus (ich tippe auf Japaner).

Nach diesem etwas unerwarteten Museumsbesuch stieg ich die Mölkerbastei hinunter, dort steht einerseits, gegenüber der Universität das Liebenbergdenkmal (Wiener Bürgermeister Johann Andreas von Liebenberg. In seine Amtszeit 1680–1683 fiel die Zweite Wiener Türkenbelagerung) andererseits, etwas versteckt im Hang das relativ neues Denkmal für die Trümmerfrauen, das muss man wissen, denn dort sitzt eigentlich eine Badende.

Und da mich das Stehen in dem kleinen Museum doch etwas ermüdet hatte, ging ich nicht mehr zu Fuß nach Hause, sondern schnappte mir den nächstkommenden Ringwagen.

Wenn Sie in der Gegend sind, ist das ein lohnender Ausflug ins Alte Wien!

Spannender Ausflug ins alte Wien an einem geschenkten Tag

Richard Neutra – und  Traumhäuser meiner Jugend

Ich habe mir eine Freude gemacht! Ich habe mir die Ausstellung „Richard Neutra – Wohnhäuser für Kalifornien“ im MUSA (derzeit Ersatzquartier für Wien Museum) angeschaut.

Nun, ich weiß nicht, wie lange mein Interesse für Neutra schon besteht, möglicherweise stammt es aus meiner Studentenzeit in den USA, in Kalifornien. Wahrscheinlich hat mich jemand dort auf ihn aufmerksam gemacht, da er doch „auch aus Wien kommt“. Ich habe dann Bilder von seinen Häusern gesehen, und sie kamen nahe an das heran, was ich mir als mein Traumhaus vorstellte. Mein „Traumhaus“ aus meiner Jugendzeit war eine römische (Kaiserzeit) Villa in der Gegend um Neapel, wie sie z.B. von Plinius beschrieben.  Über die Finanzierung dachte ich nicht besonders nach und dass ich wohl nicht im mediterranen Klima leben würde wohl auch nicht.

Und dann habe ich über die modernen Architekten und ihre Konzepte gelesen. Dass manche von ihnen schon vor der Planungsphase mit ihren Bauherren zusammenlebten, um ihnen ein „passendes“ Haus bauen zu können. Besonders faszinierte mich, dass ein Architekt einen Bach quer durch das Haus plätschern ließ (die Vorstellung, dass es Hochwasser geben könnte, kam mir nicht in den Sinn). Allerdings dachte ich nie daran, Architektur zu studieren – das alles blieb ein Hobby. Und als wir dann ein Wochenendhäuschen bauen ließen, war eigentlich kein Architekt (grober Fehler aus heutiger Sicht) beteiligt, meine Ideen wurden als „zu teuer“ verworfen – und so schaut es auch aus (wohlgemerkt, es war dann innen sehr gemütlich, aber meilenweit von meinen jugendlichen Ideen entfernt).

Wenn ich also – in meiner Jugend – an Neutra dachte, schwebten mir große Villen mit Swimmingpools in mediterranen Gärten vor. Nun, die Ausstellung zeigt anderes.

Richard Neutra wurde 1892 in Wien geboren, in der Leopoldstadt. Er wurde in eine wohlhabende jüdische Familie geboren. Sein tüchtiger Vater Samuel Neutra (1844–1920) hatte sich aus einfachen Verhältnissen hinaufgearbeitet und besaß nun eine Metallgießerei.  Der Sohn Richard wurde ins Gymnasium und später an die Universität geschickt. Er studierte an der Technischen Hochschule. Aber er lebte in Wien, wo gerade die großen Bauten bemerkenswerter neu denkender Architekten entstanden. So besuchte Neutra parallel zur technischen Universität die Bauschule von Adolf Loos. Neutra wurde auch von Otto Wagner beeinflusst, ohne sein Schüler gewesen zu sein. 1912 mit Ernst Ludwig Freud, Sohn von Sigmund Freud, unternahm er eine Studienreise nach Italien und auf den Balkan. Einige Zeichnungen von dieser Reise sind in der Ausstellung zu sehen.

Dann ereilte auch ihn die Urkatastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts. Neutra erkrankte während des Ersten Weltkriegs an Malaria und Tuberkulose. Das Studium konnte er erst im Sommer 1918 abschließen. 1919 begab er sich zur Kur in die Schweiz. Zugleich lernte er bei Gustav Ammann in Zürich Gartenarchitektur und besuchte das Entwurfsseminar von Karl Moser an der ETH Zürich.

Er arbeitete anfänglich in Deutschland, aus der Schweiz holte er sich seine Gattin, die Tochter eines Architekten. Adolf Loos hatte Neutra für die moderne US-Architektur, insbesondere die Bauten Frank Lloyd Wrights, interessiert. Neutra beschloss daher 1923, gemeinsam mit seiner Frau in die USA zu übersiedeln. Ihn faszinierten die neuen Baumethoden, die für die Errichtung von Wolkenkratzern in New York und Chicago angewendet wurden.

Beeindruckt von einem Werbeplakat mit dem Schriftzug California Calls You!, übersiedelten die Neutras nach Los Angeles. Seit seinem Umzug nach Kalifornien galt Neutra in der Retrospektive der Architekturgeschichte als Vertreter des modernen Internationalen Stils in den USA. 1926 erhielt er die Architektenlizenz, 1929 wurde Richard Neutra US-Staatsbürger.

1926 erhielt Neutra seinen ersten größeren Auftrag (Appartementhäuser). 1927 veröffentlichte er sein Buch „Wie baut Amerika?“. In den Hollywood Hills errichtete er 1927–1929 das Haus Lovell für den Reformarzt Philip M. Lovell in einer damals noch sehr seltenen Stahlkonstruktion aus vorgefertigten Teilen. Auch die Gartengestaltung war dem Architekten übertragen worden.

Und dieses Haus entsprach nun Neutras Vorstellungen:  große Glasflächen, Innen- und Außenräume gehen ineinander über. Das Haus machte Neutra in Fachkreisen international bekannt, motivierte ihn nach Fertigstellung zu einer Vortragsreise durch Europa (1930 besuchte er Sigmund Freud in Wien) und wurde 1932 in einer Ausstellung aktueller Architektur im New Yorker Museum of Modern Art vorgestellt. Im selben Jahr erreichte Neutra die Einladung, an der Werkbundsiedlung Wien mitzubauen, er nahm an. Sein Entwurf eines ebenerdigen Siedlungshauses in Ober St. Veit, in Hietzing errichtet.

Neutra baute nun vorrangig Villen und private Häuser, die sich durch ihre Großzügigkeit und harmonische Eingliederung in die Natur auszeichneten. Viele von ihnen sind in der Ausstellung zu sehen. Ich war beindruckt, dass manche verhältnismäßig klein und eher einfach waren.  Nichts habe ich bemerkt, ob diese Häuser, im Süden Kaliforniens, klimatisiert warten. In seinen Entwürfen entwickelte Neutra den modernen, kalifornischen Stil weiter. Er verwendete leichte Metallkonstruktionen zu einem hellen, Licht und Luft durchlässigen Ensemble. Dabei spezialisierte er sich auf die Einbettung von Architektur in sorgfältig arrangierte Gärten und Landschaften – und diese Gärten entsprachen dem Klima und der umgebenden Landschaft – manchmal „Durchblick“ ans Meer. Neutras architektonische Vorstellungen orientierten sich maßgeblich an den Wünschen seiner Kunden.

Bald nach dem Zweiten Weltkrieg zog es ihn in die alte Heimat zurück. Von 1966 bis 1969 lebte Richard Neutra in Wien. Er starb 1970 – auf einer Vortragsreise.

Mir hat die Ausstellung sehr gut gefallen, ob ich in einem seiner Häuser gerne gelebt hätte – ja, wahrscheinlich, aber nur wenn es in Kalifornien stünde – nahe am Pazifik – und klimatisiert wäre

Richard Neutra – und  Traumhäuser meiner Jugend

Angeheiratete Tanten und Onkel

Es gibt auch angeheiratete Tanten und Onkel, also solche, die nicht schon in der Kindheit eine Rolle gespielt haben, sondern erst durch die Heirat zu Tanten und Onkeln geworden sind.

Und da gibt es die liebevolle Tante Rosi und Onkel Bertl. Berthold war der Bruder meiner Schwiegermutter, also der Onkel meines Mannes und auch dessen Vormund. Der Vater meines Mannes ist gestorben, als dieser erst 12 Jahre alt war, und daher benötigte er zu dieser Zeit noch einen Vormund, „der“ nicht die Mutter sein konnte.

Das Verhältnis der Familie war aber gut, die Beziehungen waren eng, man wohnte nicht weit voneinander. Das wenige, das ich über die Zeit vor meiner Verheiratung weiß, geht auf diverse Erzählungen zurück, und ist recht unvollständig.

Onkel Bertl war in vielem ein Vorbild für meinen Mann – wahrscheinlich auch dessen jüngeren Bruder. Eines weiß ich jedenfalls sicher, in die Briefmarkensammlerei hat Onkel Bertl meinen Mann eingeführt. Nicht weitergegeben hat dieser Onkel seine technische Neigung an seine Neffen und Mündel, Onkel Bertl war Diplomingenieur, die Neffen haben beide später dann Jus studiert. Nur die Tochter Onkel Bertls, Britta, war in die Fußstapfen ihres Vaters getreten und hatte an der Technik studiert um Innenarchitektin zu werden.

Meine Schwiegermutter und ihr nur etwas ältere Bruder standen einander sehr nahe. In der Jugend wurden die Sommer in der Gegend von Neulengbach verbracht. Onkel Bertl besaß damals ein Motorrad mit Beiwagen, mit dem er gerne Ausflüge machte, seine Schwester nahm er zuweilen mit, die im Beiwagen saß. Wie es so in der Jugend zugeht, hat er einmal den Beiwagen samt seiner Schwester „verloren“.   Es gab in dieser Familie noch eine Schwester, die aber erheblich jünger war, das war die Tante Liesl, fesch war sie, gefürchtet ob ihrer spitzen Zunge.

Tante Liesl spielte im Leben meines Mannes auch eine Rolle, sie war mit ihm kurz nach Kriegsende „Hamstern“ gefahren, sie wurden von einem Trupp betrunkener russischer Soldaten aufgehalten, Tante Liesl versteckte sich rechtzeitig in einem Gebüsch. Mein Mann verlor dabei seine geliebte Füllfeder, ging aber ansonsten als Held aus dem Treffen hervor.

Die Familie hatte während des Krieges einiges an Problemen erlebt, da sowohl meine Schwiegermutter, als demgemäß auch Onkel Bertl und Tante Liesl, denn sie waren so genannte „Halbjuden“.  Tante Liels (verheiratet) scheint das aber ganz gut kaschiert zu haben und verkehrte in „Nazikreisen“. Wer dann davon profitiert hat, weiß ich leider nicht. Sie selbst aber wurde von den Russen nach dem Krieg verhaftet, in die Kommandantur gebracht (das Palais Epstein am Ring, und in Baden eingesperrt. Sie hat dort einige Monate verbracht und hat sich geweigert, jemals über diese Zeit zu sprechen.

Onkel Bertl, der im Ersten Weltkrieg bei den Kaiserjägern (in den Dolomiten) gedient hat und auch ausgezeichnet worden war, wurde er während des Zweiten Weltkrieges wesentlich unter seinen Kenntnissen und Erfahrungen „eingesetzt“.  Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er in seinen ursprünglichen Dienst zurück. Von 1952 bis 1961 war der Direktor der Wiener Straßenbahn. Aus dieser Zeit ist nur überliefert, dass er am Allerheiligentag, als damals fast alle Wiener Linien bis zum Zentralfriedhof verlängert wurden, er sich immer auf dem Leitstand befand, um von dort einen reibungslosen Ablauf der ankommenden und abfahrenden Garnituren zu gewährleisten.

Onkel Bertl war ein aufrechter Sozialist. Er lebte getreu der frühen Prinzipien dieser Bewegung, er trank keinen Alkohol (und verabscheute ihn auch), denn er kannte noch die Probleme die daraus entstanden, dass Arbeiter ihren Lohn bei der Auszahlung versoffen und ihre Familien hungern mussten, ich glaube er war Mitglied des Arbeiter-Abstinenten-Bundes. Selbstverständlich unterstützter er den Arbeiterbildungsverein.

Er und seine Frau Rosi, eine Försterstochter, hatten ein langjähriges Abonnement im Volkstheater, das damals als „rotes Theater“ galt. Soweit ich mich erinnern kann, war er auch Mitglied bei einem Buchklub.  Er hielt Bildung für wesentlich. Seine Urlaube wurden weitestgehend und lange in Zelten verbracht.

Onkel Bertl war ein begnadeter Photograph und dokumentierte die Familiengeschichte. Bei Familientreffen musste sich die Familie komplett aufstellen, er stand auf einer Leiter um alle erfassen zu können – wir machten uns immer drüber lustig.

Seine Familie verbrachte die Ferien – zu meiner Zeit – in Kirchberg am Wechsel, wo wir alle sowohl im August als auch um die Weihnachtszeit zusammenkamen. Das „Klan Meeting“ wurde als der Heerwurm bezeichnet. Es gab Traditionen, wie z.B., dass meine Schwiegermutter immer ein Schinkenbein dazu mitbrachte und als „Mitbringsel“ Bohnenkaffee. Auch ich versuche bis heute noch bei Familientreffen ein Schinkenbein am Tisch zu haben. Später kauften Onkel Bertl und Tante Rosi eines der Häuser im Park von Seebenstein, wohin sich dann der Heerwurm bewegte, auch nach dem Tod der Beiden.  Traditionen wurden aufrechterhalten.

Onkel Bertl war ein sehr gläubiger Mensch, er starb – nach einer Auferstehungsfeier – in Seebenstein.

 

 

Angeheiratete Tanten und Onkel

Über meine Arbeitsstätten – in Wien

Wenn ich schon bei den Erinnerungen an alte Zeiten bin – so denke ich manchmal auch darüber nach, wo sich mein jeweiliger Arbeitsplatz befunden hat. Die Arbeitsstätten der Ferialjobs im Ausland werden dann Gegenstand eines anderen Blogs sein.

Als ich noch an der „Welthandel“ – heute Wirtschaftsuniversität – studiert habe, habe ich auch als so genannte „Wissenschaftliche Hilfskraft“ gearbeitet. Daher zähle ich das Gebäude auch zu meinen „Arbeitsplätzen“, es befand sich im 19. Bezirk, in der Franz-Kleingasse. In der Zwischenzeit ist diese Ausbildungsstätte gehörig gewachsen, und bereits zwei Mal umgezogen.  Das Studium hat mich dort gefreut, die Arbeit aber gar nicht, das hing vielleicht nicht so sehr an der Arbeit, als an den Umständen und den Kollegen dort ab. Frauen haben es zu dieser Zeit nicht leicht gehabt, als „wissenschaftliche Hilfskraft, man hat eher wenig „Wissenschaft“ und viel „Hilfe“ erwartet. Ich war dann schon sehr froh, als ich mein Studium beendet hatte und auch die „wissenschaftliche Hilfskraft“ auf den Nagel hängen konnte. Die Lage der „Welthandel“ war für mich sehr günstig, fast wie noch im Gymnasium (Billrothstraße), konnte ich mit dem 38er fahren, rundherum war viel Grün, im Währinger Park konnte man durchaus friedlich lernen. Problem mit Parkplätzen gab es nicht, denn der Verkehr war in Wien in den fünfziger Jahren noch nicht dicht und Studenten verfügten kaum über Autos. Wir bewunderten und beneideten die Kollegen, die über einen „Roller“ verfügten, damals meist ein Puchroller oder Vespas.

Mein erster echter Job war in der damals so genannten Atombehörde (International Atomic Energy Agency). Ganz zu Beginn befanden sich unsere Arbeitsplätze in der Lothringer Straße/Ecke Liststraße. Es war sehr beengt dort und wir waren alle froh, als wir bald in das ehemalige Grand Hotel, am Ring ziehen konnten.  Leider verfügte ich nie über einen Arbeitsplatz mit Ringblick. Aber ansonsten war die Lage äußerst günstig, es gab ein hervorragendes Restaurant – eben keine Kantine, eine eigene Bankfiliale, geführt von der gestrengen Frau Dr. K., die jede Überziehung laut beklagte, wenn man „schon wieder“ Geld abheben wollte. Und es gab das „Comissary“, wo man vieles „in Luxusfassung“ kaufen konnte. Anfangs gab es noch viele Badezimmer bei den größeren Büros, die wurden aber dann herausgerissen, um dort auch Arbeitsplätze unterbringen zu können. Und der so genannten „Agency Kindergarten“ befand sich am Heumarkt.  Parkplätze gab es zwar nicht im Überfluss, aber man konnte immer irgendeinen finden. Das Problem war, dass wir später als die übrigen Büros in der Umgebung zu arbeiten begonnen haben.

Als ich mich dann doch um einen anderen Arbeitsgeber bemühte, spielte die Lage des Büros eine wesentliche Rolle, ich wollte in der Umgebung der Schulen arbeiteten, die meine Kinder besuchten.  Somit fiel die Wahl dann auf die Creditanstalt (neben dem Schottengymnasium, wo mein Sohn lernte). Die Abteilungern, in denen ich arbeite waren nicht direkt im Haupthaus untergebracht, sondern in der Heßgasse. Diese wurde benannt nach Heinrich Heß, Feldmarschall und Heeresorganisator und nicht etwas man Rudolf Heß deutscher Politiker, später Kriegsverbrecher. Ins Haupthaus begaben wir uns zum Mittagstisch bzw. eventuell zum Buffet – und um unsere Bankgeschäfte zu erledigen.  Besprechungen fanden in allen Lokalitäten dieser Bank statt. Das Auto verwendete ich nicht mehr, um zum meinem Arbeitsplatz zu fahren. Wir wohnten inzwischen in Hernals, also war ein Fußweg möglich – denn ich schätzte diesen „Abstand“ zwischen „Arbeit“ und allem, was dann zu Hause zu erledigen war (nicht nur Hausarbeit und kosen, sondern auch Vokabel-Abprüfen etc.). Ich wollte Büroprobleme nicht nach Hause schleppen.

Aber da die „elektronische Datenverarbeitung“ der ich meine gesamte Berufslaufbahn verpflichtet war, immer größeres Gewicht in der Bank erhielt, die eingesetzten Maschinen zahlreicher, die Verkabelung kompliziert und die Sicherheitsanforderungen erheblicher wurden, war das so genannte Technische Zentrum gebaut worden, gelegen am Julius- Tandler-Platz im Alsergrund. Hier erlebte ich mein erste Großraumbüro, von dem man sich verbesserte Kommunikation erwartete. Mir war es nicht lustig, es gab zwar abgeschirmte „Ein-Personen-Einheiten“ ohne Telephon, Denkkammerln genannt, die man zeitweilige benutzen durften, da diese aber ziemlich genau neben der Erholungszone mit Kaffee-Automaten gelegen waren, waren sie für konzentriertes Arbeiten nicht besonders geeignet. Sie wurden auch bald abgeschafft, das wieder mehr Platz für mehr Mitarbeiter benötigt wurde. Anfänglich hatte ich einen „Fensterplatz“ – mit Ausblick auf den Julius-Tandler-Platz, später übersiedelte ich – es wurde zu diesen Zeiten sehr oft „umstrukturiert“ und dann wurde man meist umgesiedelt, dann war meine Außenansicht die Müllverbrennungsanlage Spittelau – von Hundertwasser gestaltet. Eine Zeitlang „residierte“ ich in einem Bürogebäude gegenüber (am Hintereingang des Liechtensteinparks).

Einerseits mag ich die ganze Gegend um den Franz-Josefs-Bahnhof gerne, das ist für mich „Doderer-Gegend“. Außerdem war ich im Neunten Bezirk, am Alsergrund aufgewachsen.  Ich ging noch immer zu Fuß ins Büro, und abends zurück- ich brauchte damals 35 Minuten, wenn ich keine Umwege machte (der Liechtensteinpark war schon recht verführerisch zu queren).

Vielleicht erzähle ich Ihnen demnächst in welchen Orten und Gebäuden unsere „Meetings“ und die Ausbildung stattgefunden haben. Durch die Bankenzusammenlegungen hat sich da ja einiges getan.

Zufrieden war ich mit der Lage meiner Arbeitsstätten eigentlich immer, in Großraumbüros habe ich mich leider meist nicht sehr glücklich gefühlt – aber das sind halt Managementkonzeptsentwicklungen, die sich wahrscheinlich nicht vermeiden ließen.

Heute arbeite ich in einem kleinen stillen Kammerl, gleich neben der Küche gelegen, damit nichts anbrennt!

Über meine Arbeitsstätten – in Wien

Bedeutende Politiker der Nachkriegszeit, die ich persönlich getroffen habe

Wenn ich so in meinem Gedächtnis krame, bin ich eine Reihe von Politikern der Nachkriegszeit persönlich kennen begegnet.

Ich dürfte so ungefähr 12 Jahre alt gewesen sein, al ich mit meinem Cousin „vom Land“ durch den Rathauspark spazierte. Meine Mutter hatte mich beauftragt, ihm diverse Denkmäler dort zu zeigen und dann auf der Ringstraße weiter zu gehen, um ihn auf die dortigen Bauten aufmerksam zu machen. Ich fand das lustig, mein Cousin, der jünger war als ich, langweilte sich – er hatte nie großes Interesse an Wien – auch später nicht. Jedenfalls, als wir so durch den Rathauspark gingen, kam uns ein sehr großer Herr entgegen, der sich sehr aufrecht hielt, ich wusste sofort, wer das war: unser Wiener Bürgermeister, Theodor Körner. Er sprach uns an, fragte, was wir hier täten, wo wir in die Schule gingen und ohnedies brav lernten. Ich war sehr beeindruckt, mein kleiner Cousin weniger.

Theodor Körner, von 1900 bis 1919 Edler von Siegringen (*1873 in Österreich-Ungarn / heute Teil von Komárom, Ungarn; † 1957 in Wien) war österreichischer General, Politiker (SPÖ), Bürgermeister von Wien (1945–1951) und von 1951 bis 1957 der erste vom Bundesvolk direkt gewählte österreichische Bundespräsident.

Ich wusste damals nicht viel von ihm, außer natürlich, dass er Wiener Bürgermeister war, aber auch, dass er nie Mantel und Hut trug.

Während meines USA Aufenthaltes (1953/1954) wurde ich zu einem Treffen ehemaliger Österreicher in Kalifornien mit Otto von Habsburg eingeladen. Ich wurde ihm vorgestellt, als österreichische Studentin, war aber eher beklommen, und wusste nicht so recht, was ich sagen oder vielleicht fragen sollte.

Otto von Habsburg, in Österreich amtlich Otto Habsburg-Lothringen, meist kurz Otto Habsburg (*1912 in Reichenau an der Rax, Niederösterreich; † 2011 in Pöcking, Bayern), war der älteste Sohn von Karl I., dem letzten Kaiser von Österreich und König von Ungarn, sowie Schriftsteller, Publizist und Politiker. Für die CSU war er von 1979 bis 1999 Mitglied des Europäischen Parlaments. Er besaß die Staatsbürgerschaften von Österreich, Deutschland und Ungarn sowie, nach der Unabhängigkeit des Staates Kroatien im Jahr 1991, nach Eigendarstellung auch die kroatische Staatsbürgerschaft. Otto Habsburg hatte auch das „Paneuropäisches Picknick“ initiiert, das dann der Beginn vom Ende des Ostblocks war.

Viel später durfte ich ihn noch einmal erleben, als er im Österreichischen Parlament – vor beiden Kammern und viel Auditorium sprach. Es dürfte in den Nuller Jahren gewesen sein, und ich weiß nur, dass viele, so wie ich auch, von seiner Rede sehr beeindruckt waren und im Geheimen drüber nachdachten, was wohl gewesen wäre, wenn Otto ein Amt in Österreich ausgeübt hätte.

Karl Gruber hatten wir gut gekannt, ich glaube, dass war über den damaligen Chef meines Mannes in der Zeitung „die Presse“, Fritz Molden, zustande gekommen war.  Karl Gruber war Widerstandskämpfer gewesen, worüber er auch gerne erzählte.  1945 wurde er provisorischer Landeshauptmann von Tirol und gründete dort die sogenannte „Österreichische Staatspartei“, die er später trotz seiner sozialistischen Wurzeln, in die Österreichische Volkspartei (ÖVP) eingliederte. Kurz darauf wurde er in die Provisorische Staatsregierung unter Karl Renner berufen, wo er ab September in der Staatskanzlei als Unterstaatssekretär für Äußeres fungierte. Vom 20. Dezember 1945 bis zum 26. November 1953 fungierte er in den Bundesregierungen Figl I, Figl II, Figl III und Raab I als Außenminister im Bundeskanzleramt. In der ersten Zeit seiner Tätigkeit galt sein Hauptinteresse der Lösung der Südtirol Frage. Gruber war maßgeblich an den Verhandlungen zum Staatsvertrag beteiligt und nahm eine stets pro-amerikanische Position ein. Über diese heroischen Zeiten Österreichs konnte er immer wieder faszinierend berichten.

Einmal stand ich sogar Königin Elizabeth II. gegenüber – es war während ihres Staatsbesuches bei einem Empfang im Schloss Schönbrunn. Man konnte zusehen, die der Königin wichtige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vorgestellt wurde. Davon in Erinnerung geblieben ist mir nur der damalige Landeshauptmann der Steiermark, Josef Krainer sen. Sein Verhalten schien mir spontaner, fröhlicher als das der anderen.  Ich stand, wie das halt so üblich ist, bei Empfängen,  mit einem Glas in  Hand eher allein in einem der Gänge herum (mein Mann suchte den Kontakt mit Politikern), als plötzlich die Queen von einigen Honoratioren geleitet durchkam – was ich nicht realisiert hatte, war, dass ich vor Pferdebildern stand, an denen die Queen doch erhebliches Interesse hat. Ich war überrascht, und wusste wirklich nicht, was ich jetzt tun sollte, vor allem- ich gebe es ja zu – wollte ich keinen Knicks machen. Das verbot mein republikanisches Herz. Aber während ich noch darüber nachdachte, war die Queen schon vorüber gerauscht und hatte mich – zum Glück – gar nicht zur Kenntnis genommen.

Und einmal bin ich sogar mit Molotow im Lift gefahren. Das war zurzeit, als ich in der International Atomic Energy arbeitete, die damals noch im Grand Hotel untergebracht war. Das war in der Zeit von 1960 – 1962, als Molotow die UdSSR bei der Internationalen Atomenergieorganisation vertrat. Aber für mich war er noch immer jener Mann, der lange den österreichischen Staatsvertrag verhindert hatte. Wir haben keine Worte gewechselt.

Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow (eigentlich Skrjabin, * 1890 im Russischen Kaiserreich; † 1986 in Moskau) war ein führender Politiker der UdSSR und einer der engsten Vertrauten Josef Stalins. Molotow war von 1930 bis 1941 sowjetischer Regierungschef (Vorsitzender des Rates der Volkskommissare) und von 1939 bis 1949 sowie 1953–1956 sowjetischer Außenminister (Bezeichnung bis 1946: Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten).

Ich werde diese Berichterstattung später fortführen.

Bedeutende Politiker der Nachkriegszeit, die ich persönlich getroffen habe

Israel – „die einzige Demokratie des Nahen Ostens“ – wählt wiederum

Am Montag, dem 2.3. finden zum dritten Male innerhalb eines Jahres Wahlen zum israelischen Parlament statt. Diese früheren Wahlen sind nach demokratischen Prozessen fair abgelaufen, sie haben Ergebnisse gebracht, die es den Politikern nicht ermöglicht haben, eine arbeitsfähige Regierung zu bilden. (Ähnliches ist ja auch schon anderswo passiert, z.B. Spanien, aber dann konnten sich Konkurrenten doch noch zu einer gemeinsamen Regierungsbildung durchringen).

Ich meine, dass die Abhaltung von Wahlen allein noch nicht ein Land zu einer „wahren Demokratie machen. Da gehört viel, viel mehr dazu.

Nach dem weitverbreiteten Demokratieindex von Freedom House (2019) handelt es sich im Falle von Israel ohne Abstriche um eine Demokratie. Andererseits wird eingewendet, dass der israelische Staat auf einem jüdisch-zionistischen Selbstverständnis beruht, das einem Fünftel der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger – den arabischen Israelis – misstraut, sie als Sicherheitsrisiko einstuft und deswegen in vielfältiger Form diskriminiert. Damit könnte man Israel als „ethnische Demokratie“ bezeichnen, denn die palästinensischen Israelis haben dennoch uneingeschränkten Zugang zu politischen Grundrechten. Andere bezeichnen diesen Staat als ein hybrides politisches Regime, das im 20. Jahrhundert eine Art defekte Demokratie (flawed democracy) ausgebildet habe, deren demokratische Elemente im 21. Jahrhundert weiter zurückgedrängt wurden.

Wenn man bestimmte Charakteristika für eine die Zuerkennung „demokratischer Staat“ verwendet, wie z.B.  Organisationsfreiheit, Meinungsfreiheit, aktives Wahlrecht,  passives Wahlrecht,  Recht politischer Eliten auf Werbung für Unterstützung und um Wählerstimmen,  Zugang zu alternativen Informationsquellen,  freie und faire Wahlen, institutionelle Bindung von Regierungspolitik an Wahlen und andere Formen der Willensbildung, dann erfüllt Israel  alle diese Bedingungen nicht nur für seine jüdischen, sondern auch für seine arabischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Allerdings fußt die Staatsräson Israels auf seinem jüdischen Charakter des Staates und brachte Gesetze hervor, die in zentralen Bereichen der Ressourcenverteilung wie beispielsweise Landbesitz, Wassernutzung, etc. arabische Israelis systematisch diskriminiert.

Nun beherrscht Israel Gebiete und Bevölkerungen aus Eroberungen im Junikrieg 1967. Von den eroberten Gebieten hat Israel lediglich die Sinaihalbinsel im Rahmen eines mit Ägypten im Jahr 1979 geschlossenen Friedensvertrags zurückgegeben. Hingegen befinden sich die palästinensischen Gebiete – Ostjerusalem, das Westjordanland und der Gazastreifen – ebenso wie die syrischen Golanhöhen – nach wie vor unter israelischer Herrschaft. Die große Mehrheit der dort lebenden Menschen besitzt nicht die israelische Staatsbürgerschaft. Nun  ist für die Beurteilung des politischen Systems Israels mitentscheidend, ob im Falle einer dauerhaften  israelischen Herrschaft über eroberte Gebiete die betroffene Bevölkerung die israelische Staatsbürgerschaft verliehen bekommt oder auf andere Weise in den Stand gesetzt wird, alle demokratischen Rechte auszuüben.

Im Jahr 1980 wurde Ostjerusalem faktisch annektiert, indem Jerusalem in seiner Gesamtheit per Gesetz zur unteilbaren Hauptstadt Israels erklärt wurde. Die Annexion eines Territoriums durch einen Staat ohne Referendum, d.h. eine Abstimmung durch die betroffene Bevölkerung, widerspricht demokratischen Prinzipien fundamental.

Die im Jahr 1967 eroberten Golanhöhen sind durch Israel stark besiedelt worden. Auf den Golanhöhen stehen heute gut 20.000 israelische Siedlerinnen und Siedler einer kaum größeren arabischen Bevölkerung – überwiegend Drusen – gegenüber. 1981 formalisierte Israel auch seine Herrschaft über die syrischen Golanhöhen und integrierte damit auch dieses Gebiet fest in seinen Herrschaftsverband, obwohl die Annexion aufgrund des fehlenden Referendums auch hier zutiefst undemokratisch war.

Die Besatzung des Westjordanlandes könnte mit demokratischen Prinzipien vereinbar sein, wenn sie nicht auf Dauer angelegt wäre. Außerdem ist es der Siedlungsbewegung mit Unterstützung des israelischen Staates gelungen, jenseits der palästinensischen Städte und Dörfer weite Gebiete des Westjordanlandes zu kolonialisieren. Die gesamte Infrastruktur dieses Gebietes ist inzwischen darauf ausgerichtet, das kolonialisierte Westjordanland an das israelische Kernland anzubinden. Alle Indizien verweisen also darauf, dass die israelische Herrschaft über das Westjordanland auf Dauer angelegt ist. In einer Demokratie müsste daher allen dort Wohnenden der uneingeschränkte Zugang zu den staatsbürgerlichen Rechten des politischen Gemeinwesens gewährt werden. Dies ist aber nicht der Fall.

Im Jahr 2005 wurden alle jüdischen Siedlerinnen und Siedler aus dem Gazastreifen evakuiert. Die massiven Zugangskontrollen zu Land, Luft und Wasser wurden im Jahr 2007, als die Hamas die Macht innerhalb des Gazastreifens gewaltsam an sich riss, zu einer fast vollständigen Blockade ausgebaut. Dem Bericht einer vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingesetzten unabhängigen internationalen Kommission zufolge wurden zwischen dem 30. März und dem 31. Dezember 2018 183 Bewohnerinnen und Bewohner des Gazastreifens, darunter 35 Kinder, von israelischen Soldatinnen und Soldaten erschossen, als sie im Gazastreifen nahe der Sperranlage zu Israel an Demonstrationen gegen die israelische Blockade teilnahmen!

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass rund fünf Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser im israelischen Herrschaftsverband unter einer auf Dauer angelegten Besatzung leben, ohne dass sie demokratische politische Rechte besäßen.

Nun wird wieder einmal gewählt, die USA unterstützen den langjährigen Premier Netanyahu massiv. Aber auch die anderen Kandidaten zeigen keine Tendenz, die Situation der Palästinenser in Israel zu verändern.  Entscheiden Sie selbst, ob Sie Israel weiterhin die einzige Demokratie des Nahen Ostens nennen können.

 

 

 

Israel – „die einzige Demokratie des Nahen Ostens“ – wählt wiederum

Mubarak, Ägypten und der gescheiterte Arabische Frühling

Wenn man heute (sehr) junge Menschen fragt – wer war Hosni Mubarak – dann erntet man nur Kopfschütteln.  Er ist dieser Tage 91jährig verstorben. Ich habe seine „Karriere“ erlebt.

Das erste Mal habe ich seinen Namen gehört als er plötzlich Nachfolger des großen Friedenspräsidenten Anwar as Sadat (* 1918; † 1981) wurde. Dieser war selbst Nachfolger des heute bereits legendären Gamal Abdel Nasser, hatte Ägypten in den Jom-Kippur-Krieg 1973 geführt, dann aber das Land aus der engen Bindung an die Sowjetunion gelöst und 1979 einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen. Für seine Bemühungen im Friedensprozess mit Israel erhielt er zusammen mit Menachem Begin 1978 den Friedensnobelpreis. Er fiel 1981 einem Attentat von Gegnern seiner Politik zum Opfer. Das war dann die Stunde für seinen Nachfolger Hosni Mubarak, der nicht annähernd dessen Qualitäten aufwies.

Nach der Ermordung Sadats durch die Organisation al-Dschihad wurde Mubarak am 14. Oktober 1981 Staats- und Ministerpräsident Ägyptens. Mubarak war militärisch in der Sowjetunion ausgebildet worden. Bis Februar 2011 regierte er Ägypten im Ausnahmezustand, den er während seiner gesamten Regierungszeit immer wieder verlängerte. Im Februar 2011 wurde er durch die Revolution (Arabischer Frühling) in Ägypten gestürzt.

Die Rolle Ägyptens war nach der Annäherung an Israel durch Sadat in der arabischen Welt geschwächt. Unter Mubarak wurde Ägypten 1989 wieder Mitglied in der Arabischen Liga, ohne seine Haltung im Nahen Osten und die Beziehungen zu Israel aufzugeben.

Mubarak regierte autokratisch, Grundlage seiner Macht war bis zuletzt die Armee, die sich als Bewahrerin der nationalen Identität, der Unabhängigkeit und der Stabilität verstand. Um islamistische Gegenbewegungen zu bekämpfen, erklärte Mubarak „Demokratie“ und „Pluralismus“ zu Zielen seiner Regierung. Dennoch gab es in Ägypten nur so viel Opposition, wie Mubarak gestattete. Selbst die Aufstellung der Wahllisten zur ägyptischen Volksvertretung bedurfte der Absegnung durch die präsidententreue Mehrheit im Parlament, es traten also auch für die Oppositionsparteien nur „handverlesene“ Kandidaten an.

In seinen ersten Regierungsjahren erweiterte er den Spielraum der Opposition in Presse und Parlament. Gleichzeitig hielt Mubarak die Allianz mit den konservativen Geistlichen der Azhar-Universität aufrecht, weil er auf ihren mäßigenden Einfluss zählte. Politische Gegner und Kritiker sprachen daher von einer Scheindemokratie, da Mubarak trotz einiger Zugeständnisse an seinem autokratischen Regierungsstil festhielt.

Am 26. Juni 1995 wurde seine Wagenkolonne bei der Fahrt zum Gipfeltreffen der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba beschossen. Mubarak blieb dabei unverletzt. Nach Einschätzung der BBC gab es insgesamt sechs Attentatsversuche auf Mubarak während seiner Präsidentschaft. Auch diese Tatsache bestimmte sein Denken und Handeln.

Mubarak orientierte sich an den wirtschaftsliberalen Konzeptvorschlägen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Die Muslimbruderschaft hatte einen halblegalen Status inne, ihre Aktivitäten und Abgeordnete wurden teils geduldet, teils verfolgt. Seit den 1990er Jahren kam es wiederholt zu Anschlägen islamistischer Extremisten auf Touristen, Kopten, staatliche Amtsträger und Mubarak selbst (1994, 1996). Gegen Ende seiner Amtszeit erhöhte sich der innenpolitische Druck, auch aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen, der großen Armut und Arbeitslosigkeit im Land.

2004 kam es zur Gründung der Kifaja (Graswurzel)-Bewegung, gegen die Geheimdienst und Polizei unter anderem mit Verhaftungen reagierten. Nach einer auf Druck der Bewegung zustande gekommenen, jedoch nur geringfügigen, Verfassungsergänzung fand im September 2005 in Ägypten erstmals eine Präsidentenwahl mit mehreren Kandidaten statt. Bei der Wahl, die von Berichten über Manipulationen überschattet war und an der sich aufgrund der Skepsis zur Zuverlässigkeit der Wahlen nur 23 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten, wurde Mubarak nach offiziellen Angaben mit 88,6 Prozent der Stimmen für eine fünfte Amtszeit gewählt.

Das Mubarak-Regime wurde vom Westen – von den USA, Israel wie auch der Europäischen Union – gestützt. Hauptgrund dafür war die Tatsache, dass Ägypten eine berechenbare Größe in der Krisenregion Nahost darstellte. Für den Westen war das System Mubarak darüber hinaus ein möglicher Verbündeter gegen bestehende und potentielle islamistische Bewegungen. Besonders die Bewegung der Muslimbruderschaft wurde in Ägypten unterdrückt. Und der Westen bezahlte fleißig für Militärhilfe. Und es herrschte verbreitet Korruption in dem Land. Mubarak selbst soll während seiner Regierungszeit ein Vermögen mindestens von 10 Milliarden US-Dollar angehäuft und Großteils ins Ausland verbracht haben. Die größte Quelle der Korruptionsgelder bildeten die Privatisierungen von Staatsunternehmen und Ländereien insbesondere in den 1990er Jahren.

Dann kam der Arabische Frühling auch nach Ägypten. Ursachen für die erhöhte Protestbereitschaft waren, wie in vielen anderen arabischen Staaten, der Unmut über das autoritäre Regime mit einem ausgeprägten Sicherheitsapparat, fehlende Mitsprachemöglichkeiten der Bürger, Korruption in Staat, Wirtschaft und Verwaltung, eine hohe Arbeitslosigkeit insbesondere der jüngeren Bevölkerung und eine wachsende Armut. Hinzu kamen eine Nahrungsmittelpreiskrise durch zunehmende Nachfrage und Spekulationen, und steigende Energiepreise.

Am 11. Februar 2011 trat Mubarak aufgrund der Volksproteste im Zuge des arabischen Frühlings von allen Ämtern zurück. An diesem Tag beschloss der Schweizer Bundesrat, alle möglichen Vermögenswerte Mubaraks und seines Umfeldes in der Schweiz mit sofortiger Wirkung zu sperren, um eine Veruntreuung von staatlichem ägyptischem Eigentum zu vermeiden. Die Regierung Mubaraks ist noch bis zuletzt vor allem von den USA, Europa und Israel gestützt worden. Als Hintergrund hierfür werden hauptsächlich sicherheitspolitische Bedenken bei einer Übernahme der ägyptischen Regierung durch islamistische Oppositionelle sowie Mubaraks Vorgehen gegen islamistische Terroraktivitäten im Gaza-Streifen angesehen.

2011 erhob die ägyptische Staatsanwaltschaft Anklage gegen Mubarak, seine beiden Söhne Gamal und Alaa, und einige andere. Vorgeworfen wurde Mubarak Mittäterschaft an der Tötung von mehr als 800 Demonstranten während der Massenproteste 2011 und die Todesstrafe gefordert.  Weiterhin wurden ihm Machtmissbrauch und Veruntreuung von Staatsbesitz zur persönlichen Bereicherung unterstellt. Aufgrund der Erkrankung Mubaraks wurde der Prozess vertagt. Der Vorwurf der Korruption gegen Mubarak und zwei seiner Söhne wurde wegen Verjährung fallengelassen. Am 2. Juni 2012 wurde Mubarak in Ägypten zu lebenslanger Haft verurteilt. 2013 ordnete ein ägyptisches Strafgericht an, den länger als zwei Jahre in Untersuchungshaft befindlichen Mubarak aus der Haft zu entlassen. Einen Tag später wurde er in ein ägyptisches Militärkrankenhaus überführt.

Am 25. Februar 2020 starb Mubarak 91-jährig in Kairo. Rückblickend wirkt Mubaraks Machtpraxis im Vergleich zu der Repression des heutigen Sissi-Regimes stärker gezügelt. Der Arabischer Frühling kann in Ägypten als gescheitert betrachtet zu werden, letztlich ist ein Diktator durch einen wesentlich strengeren ausgetauscht worden.

Mubarak, Ägypten und der gescheiterte Arabische Frühling

Empfehlung: auf eigene Gefahr, „This is Venice“ im Burgtheater

Gestern war ich wieder einmal im Burgtheater. Es war die letzte Vorstellung in dem Abonnementzyklus 2019/2020 – und ich überlege, ob ich nächstes Jahr wieder ein Abonnement nehmen soll?

Das „gestrige“Stück heißt: “This is Venice (Othello & der Kaufmann von Venedig)“ nach William Shakespeare in einer Bearbeitung und neu übersetzt von Elisabeth Bronfen und Muriel Gerstner.

Zu Elisabeth Bronfen (* 1958) habe ich folgendes gefunden: eine Kultur- und Literaturwissenschaftlerin und Buchautorin; sie ist Professorin für Anglistik und Lehrstuhlinhaberin am Englischen Seminar der Universität Zürich. Zudem ist sie seit 2007 Global Distinguished Professor an der New York University. Bronfens neuere Arbeiten behandeln unter anderem Shakespeares Komödien, den europäisch-amerikanischen Dialog in der Nachkriegskultur, die Kulturgeschichte der Nacht, Studien zu Pop Art und Hollywood-Kino sowie die Beziehungen zwischen literarischer und visueller Kultur. Sie publiziert über Crossmapping, das ist eine Lesemethode von Texten, die auf Vergleiche deren Bildsprachen und Formalitäten beruht.

Und zu Muriel Gerstner (* 1962): sie ist eine schweizerische Bühnenbildnerin und Kostümbildnerin.

Selbstverständlich habe ich auch einige bisher erschienen Kritiken dieser Aufführung gelesen – die mir zur Verfügung gestandenen waren durchwegs wenig positiv.   Aber ich finde, dass man sich selber ein Urteil bilden soll und nicht von Kritiken beeinflussen lassen darf. (Das trifft auch auf meine eigenen Äußerungen zu diversen Stücken zu!)

Übrigens, da ich sonst immer das Programm meist negativ erwähne, diesmal ist es weitestgehend lesbar und – aufgrund der Personenbeschreibungen hilfreich! (Oder habe ich mich schon an das seltsame Layout gewöhnt?)

Es wird durchwegs verständlich gesprochen – außer, wieder einmal – wenn die Sprache durch Masken verzerrt wird. Masken machen es nicht einfacher, dem Stück – den Stücken – zu folgen, denn man erkennt die Personen nicht „auf den ersten Blick“. Noch etwas: es mag für Leute interessant sein, die sich mit Crossmapping beschäftigen, zwei Stücke zu verschmelzen, aber für die Zuschauer?

Ja, es gibt einiges, das beiden Stücken gemeinsam ist – und es ist nicht nur der „Standort“ Venedig. Aber es ist die „Lebensphilosophie“ Venedigs, es ist die Benützung und Ausgrenzung der Nicht-Venezianer (Nicht-Weiß, Nicht-Christen etc.). Vielleicht ist es auch das Mann-Frau Verhältnis, aber dazu könnte man noch viel mehr Stücke Shakespeares oder anderer Klassiker heranziehen. Man hätte diese Eigenschaften auch bei der Aufführung eines der beiden Stücke herausarbeiten können – finde ich. Denn die ganze Aufführung ist natürlich lang, und besonders der erste Teil auch langweilig. Einzelne Szenen aus dem beiden Stücken herausgerissen, machen auch somit auch keinen „Sinn“.

Selbstverständlich für das Kušej -Burgtheateraufführungen ist Musik dabei – permanent, manchmal nur im Hintergrund, diesmal aus der Konserve, und es ist auch sehr viel „Bewegung“ inkludiert (es wird dauernd herumgerannt!) und die Drehbühne dreht sich ebenfalls dauernd, manchmal muss vor- aber manchmal auch zurückgegangen werden.

Was mich wirklich irritiert hat, war das „Bühnenbild“ – bestehend aus überdimensionalem „Lametta“. Immer glitzernd, meist grell beleuchtet, hin- und hergezogen. Sogar in der Pause verhüllte dieses Zeug die Bühne. Mich hat es an die, in den fünfziger Jahren bei Italienurlauben gesehenen „Perlvorhängen“ in italienischen Restaurants und Geschäften erinnert. Hinter dem Glitzervorhang schien manchmal noch eine „erklärende (?)“ Schrift auf. Außer „Funktionssesseln“ gab es sonst keine Requisiten (was mich aber nicht gestört hat).

Zu den Kostümen ist noch zu sagen, dass sie hauptsächlich originell waren. Röcke, die in anderen Szenen als Umhänge gedient haben, Halskrausen, die schnell auf- und abgenommen werden konnten, alles auf der Bühne – alles  im Laufen. Viel „Glitzer“ auch bei den Damenkostümen.

Es sind hervorragende Schauspieler, die im Einsatz sind, allesamt. Nur – ich bin nicht sicher, ob sie jeweils für die richtigen Rollen eingesetzt waren.  Ich stelle mir einen Othello einfach ganz, ganz anders vor – wobei ich einsehe, das heutzutage „Blackfacing“ nicht mehr geht (warum eigentlich?). Dass er als eitel dargestellt wird, sehe ich grad noch ein, aber dass er so eine scheußliche Phantasieuniform tragen muss, und noch dazu eine beleuchtete Federkrone? Auch die Desdemona war – wiederum für mich – viel zu burschikos. Und warum Emilia als einzige während des ganzen Stücks moderne Kleidung trägt – ich kann es mir nicht erklären.

Dass Shylock mit einem etwas anderen Akzent spricht, als die meisten anderen, ist stimmig für die Aufführung, aber dass Portia eine Farbige sein muss (oder sein kann), deren Sprache manchmal etwas schwierig zu verstehen ist, ist – wiederum nach meiner Meinung – für das Stück doch unpassend. Denn wenn der Mohr von Venedig als fremd angesehen wird, wieso dann nicht eine farbige Portia.

Sehr eindrucksvoll war die Stellung aller Schauspieler zueinander, bei der Gerichtsszene, wahrscheinlich ist es einem Gemälde einer Kreuzesabnahme nachgestellt – warum?

Mir wäre es lieber gewesen, man hätte zwei Aufführungen gemacht, eben: einen Othello und einen  Kaufmann von Venedig, getrennt. In Summe, der erste Teil war zu lang und daher zeitweilige etwas fad, es sind auch wieder Zuschauer während der Vorstellung weggegangen, ein ziemlicher Exodus fand dann vor dem zweiten Teil statt. Das war schade für diese Leute, der dieser war viel kurzweiliger. Für mich war diese Situation hinwieder sehr bequem, denn ich konnte schräg in beide Richtungen sitzen, mich ausstrecken, weil auch niemand vor mir saß. Aber das ist ja dann nicht der Sinn eines Burgtheaterabends.

Empfehlung: Besuch auf eigene Gefahr!

 

Empfehlung: auf eigene Gefahr, „This is Venice“ im Burgtheater

Das Elend in Syrien

Bei uns herrscht Corona-Virus-Fieber, damit sind wir mit uns selbst beschäftigt und was auch immer woanders passiert, scheint für Europa derzeit völlig unwichtig zu sein.

Auf den jetzt verstorbenen Hosni Mubarak werde ich ausführlicher zu einem anderen Zeitpunkt zurückkommen.

Mich bewegt besonders und jetzt das Schicksal der Menschen in Idlib. Und was macht die EU? Sie fordert Ende des „inakzeptablen Leidens“ in Idlib. Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten bis in die Nacht auf einem Sondergipfel in Brüssel über den nächsten EU-Haushalt und über das Bürgerkriegsland diskutiert. Dort ist die Lage nach neuen Angriffen der syrischen Armee in der Provinz Idlib dramatisch. Die EU-Staaten fordern alle Konfliktparteien auf, ihre humanitären und völkerrechtlichen Verpflichtungen zu achten. Humanitäre Helfer müssten uneingeschränkt Zugang zu den Konfliktgebieten bekommen. Außerdem solle sich der Internationale Strafgerichtshof mit Syrien befassen und mögliche Völker- und Menschenrechtsverletzungen ahnden. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron telephonierten persönlich mit Russlands Staatschef Wladimir Putin. Sie wären besorgt sie über die „katastrophale humanitäre Lage“ in Idlib. Nun bieten sie an, sich mit Putin und dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan zu treffen. Sie wollten eine politische Lösung für Syrien finden. Doch Russlands Präsident sieht sein Land im Kampf gegen Terroristen! In einem Telefonat mit dem türkischen Staatschef erklärt Amerikas Präsident, dass er die „Gräueltaten“ der syrischen Regierung nicht länger unterstützen wolle. Die Türkei will mit Moskau am Montag über die kritische Lage beraten.

Ich meine allerdings, dass es Assad ist, der seine eigene Bevölkerung umbringen will, um über das gesamte Territorium Syriens zu „herrschen“. Die anderen sind „nur“ Handlanger, die auf unterschiedlichen Seiten kämpfen.  Russland steht im syrischen Bürgerkrieg an der Seite von Machthaber Baschar al-Assad. Die Türkei unterstützt hingegen islamistische Rebellen, die das letzte Gebiet unter ihrer Kontrolle in der Provinz Idlib verteidigen wollen. In den vergangenen Wochen war die syrische Regierung trotz einer Waffenruhe mit russischer Unterstützung weiter vorgerückt. Am Donnerstag waren neue Kämpfe zwischen türkischen Truppen und der syrischen Armee ausgebrochen. Zwei türkische Soldaten starben.

Die Stadt Nayrab wirkt am 24.Februar 2020 völlig zerstört und ist menschenleer. Nach zwei Wochen intensiver Angriffe haben mit der Türkei verbündete Rebellen die Stadt von Assad-Truppen zurückerobert. Unterdessen drangen im Süden der Provinz Idlib Truppen Assad weiter vor und nahmen mehr als zehn Dörfer und kleinere Städte ein. Unterstützt wurden sie von russischen Drohnen und Kampfflugzeugen, die auch vor Angriffen auf türkische Armee-Fahrzeuge nicht Halt machten. Damit droht in Idlib weiter eine direkte Konfrontation zwischen türkischer und russischer Armee.

Es gibt ein Ultimatum von Recep Tayyip Erdogan, wonach sich die syrischen Truppen bis Ende Februar vollständig hinter die türkischen „Observationspunkte“ rund um die Provinz Idlib zurückziehen müssten. Bislang ignoriert Assad die Drohung Erdogans und hat stattdessen seit der ersten Drohung Erdogans am 5. Februar 112 Ortschaften in Idlib und Aleppo unter seine Kontrolle gebracht. All das schaut nicht nach baldigem Frieden aus!

Aber die Verluste bei den Kämpfern sind nichts im Vergleich zu dem, was die Bevölkerung dort erleiden muss: Die Menschen in der Provinz Idlib fliehen zu Hunderttausenden, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, sie verlassen ihre Häuser, ihre Dörfer, auf den Straßen Richtung Norden stauen sich die Autos und Lastwagen. Sie alle sind Vertriebene im eigenen Land, manche sind schon zwei, drei oder viermal weitergezogen. Menschen, die Diktator Baschar al-Assad und seine Verbündeten Russland und Iran vor sich hertreiben, einkesseln. Recht viel weiter nach Norden können die Menschen nicht fliehen. Die türkische Grenze ist geschlossen. In den Camps fehlt es an Zelten, Lebensmitteln, Medikamenten. Das alles bei brutaler Kälte. Und Assads Truppen hinterlassen verbrannte Ende!

Bewusst werden und wurden Krankenhäuser (und Schulen) bombardiert worden, es fehlt an Ärzten und medizinischem Personal, auch sie sind geflohen. Seit Anfang Dezember sind nach Angaben der Vereinten Nationen rund 900.000 Menschen aus den syrischen Kriegsgebieten geflohen. Dies ist die größte Flüchtlingsbewegung seit Kriegsbeginn in Syrien im Jahr 2011. Es fehlt an Essen, es gibt nicht einmal Decken, von Hygiene nicht eine Spur. Familien werden auseinandergerissen, weil in eventuell vorhandenen Lagern Männer von Frauen getrennt werden. Es ist eigentlich nur die Hilfsorganisation Weißhelme, die noch ihr Bestes tun, um den Menschen irgendwie zu helfen.

Selbstverständlich sind auch Schlepper dort unterwegs, 2000 Dollar sollen erforderlich sein, pro Person, um dieser Hölle zu entkommen, aber diese Menschen haben auch kein Geld mehr.

Und wieder werden Waffen gefordert und geliefert: Die türkische Regierung sagte, sie habe nicht die Absicht, mit Russland in Syrien „auf Konfrontation zu gehen“. Aber die Regierung hofft, sich mithilfe US-amerikanischer Patriot-Raketen militärisch aufzurüsten. Die Begründung: „Es besteht die Gefahr von Luftangriffen gegen unser Land“. Es wäre wichtig jene zu entlarven, die Waffen für diesen Krieg liefern!

Wie die Generationen nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Altvorderen vorgeworfen haben, versagt zu haben, so werden uns zukünftige Generationen wiederum vorwerfen, jetzt zu versagen.Denn das tun wir – grandios!

Das Elend in Syrien