Ein paar Fakten zum so genannten 10. Hieb, Favoriten in Wien

vielleicht können sie zum Teil die Ausschreitungen dort erklären

Zu den doch gewalttätigen Auseinandersetzungen, die kürzlich in Wien/Favoriten  stattgefunden haben, habe ich ein paar Kommentare abgegeben. (https://christachorherr.wordpress.com/2020/06/28/die-grauen-wolfe-heulen-jetzt-auch-in-osterreich/)

Sie haben im 10.Wiener Gemeindebezirk stattgefunden, dem bevölkerungsreichsten und wahrscheinlich buntesten der Stadt: in Favoriten. Der Name „Favoriten“ leitet sich von der Favorita, einem einstigen Jagdschloss, her. Der barocke Komplex ist nur teilweise erhalten, gehört zum 4. Bezirk Wieden und beherbergt das Theresianum, eine Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht. Von dort führte die heutige Favoritenstraße zum „Favorithen-Thor“ des Linienwalls (der äußeren Befestigungsanlage Wiens).

Gestatten Sie mir ein paar Worte zum Linienwall: Zum Schutz gegen die Angriffe der Türken und Kuruzzen wurde unter Leopold I. 1704 mit dem Bau des Linienwalls begonnen. Der Linienwall war Teil der sogenannten Kuruzzenschanzen. Diese sollte die Grenze zu Ungarn mit einer zusammenhängenden Verteidigungslinie entlang der Leitha, der March zur Donau und weiter bis zum Neusiedler See schützen. Es ist schon eine Ironie des Schicksals, dass sich die oben genannten Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden gerade hier stattgefunden haben.

Beim Linienwall handelte es sich um einen mit Palisaden verstärkten Erdwall mit einem vorgelagerten Graben, aus militärischen Gründen verlief er im Zickzack. Zu den Arbeiten am Linienwall wurden alle Bewohner Wiens und der Vorstädte zwischen 18 und 60 Jahren eingeteilt oder mussten einen Vertreter stellen. Der enorme Einsatz an Menschen machte die Fertigstellung des vier Meter hohen und vier Meter breiten Walls innerhalb von nur vier Monaten möglich. Davor wurde ein drei Meter tiefer Graben angelegt. Insgesamt hatte der Linienwall eine Länge von ca. 13,5 km. An den wichtigsten Ausfallstraßen wurden Tore mit Zugbrücken und Linienämter angelegt. 1738 wurde der Erdwall zusätzlich mit Ziegeln ausgemauert. Zwischen 1740 und 1760 (Herrschaft der Maria Theresia) errichtete man 18 Kapellen an den Toren, die alle dem heiligen Nepomuk geweiht waren. 1848 diente er den aufständischen Wienern kurzfristig als Schutz vor den kaiserlichen Truppen. Der Wall diente ab 1829 vor allem als Steuergrenze. An den „Linien“ wurde bei den Mautstellen, den so genannten Linienämtern, für die Einfuhr von Lebensmitteln in Richtung Wien die so genannte Verzehrungssteuer (Akzise) eingehoben, eine Art zusätzlicher Umsatzsteuer. Ab 1862 wurde direkt an der Außenseite des Walls eine Straße geplant und gebaut, die 1873 eröffnete Gürtelstraße. Der Linienwall wurde ab März 1894 abgetragen, der Gürtel stark ausgebaut und 1895 mit dem Bau der 1898 eröffneten Gürtellinie der Stadtbahn begonnen. Ihre Viadukte bzw. Einschnitte wurden genau in die Mitte des nun sehr breiten Gürtels platziert.

Die außerhalb des Walls – vor allem im Zuge des Baues der Süd- und der Ostbahn – entstandene Siedlung nannte man Siedlung vor der Favoriten-Linie. Auf diese Entstehung des Bezirks durch Abtrennung von Gebieten des 4. und 5. Bezirks, die sozusagen „mit einem Hieb“ durchgeführt wurde, dürfte die umgangssprachliche Bezeichnung 10. Hieb für Favoriten zurückzuführen sein. Bis 1891 umfasste der neue Bezirk die Katastralgemeinde Favoriten und das heute zum 3. Bezirk zählende Arsenal bis zur Aspangbahn. Südlichere Bezirksteile kamen 1892 und 1954 hinzu. Auch das NS-System änderte die Grenzen von Favoriten, diese Änderungen wurden ab 1945 wieder zurückgenommen. Aber ab 1945 – 1955 war Favoriten zwischen Wien und Niederösterreich aufgeteilt, aber beide Teile lagen im jeweiligen sowjetischen Sektor. Die letzte große Erweiterung erlebte Favoriten 1954, als die ehemaligen Dörfer Rothneusiedl, Oberlaa und Unterlaa bei Wien verblieben und Teile des 10. Bezirks wurden.

Der Bezirk Favoriten umfasste 1869 nur 22.340 Einwohner. Durch den enormen Zustrom von Arbeitern in das Bezirksgebiet bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs versiebenfachte sich die Bezirksbevölkerung bis 1910. Dann sank diese Einwohnerzahl um den Zweiten Weltkrieg und in den 40er Jahren deutlich ab. In den 50er und 60er Jahren stiegen sie wieder deutlich an, dann stagnierten sie. Seit 2001 ist die Zahl der Einwohner jedoch wieder deutlich gestiegen und betrug im Jahr 2019 204.142 Menschen.

Der Anteil der ausländischen Bezirkseinwohner lag 2016 bei 32,8 % (Wien: 27,4 %) und weist gegenüber 2001 (16,5 %) eine steigende Tendenz auf. Die größten Anteile der Ausländer stellten 2016 mit rund 5,9 % Anteil an der Bezirksbevölkerung Staatsbürger aus Serbien und mit 4,8 % aus der Türkei. Weitere 2,2 % waren polnische, 2,0 % bosnische, 1,9 % rumänische und 1,4 % kroatische Staatsbürger. Insgesamt waren 2016 43,4 % der Favoritner Bevölkerung ausländischer Herkunft.

2001 (seither ist die Nennung der Religionszugehörigkeit bei Bevölkerungserhebungen nicht mehr zulässig) gaben 47,0 % der Bewohner an, der römisch-katholischen Kirche anzugehören (Wien: 49,2 %). 11,2 % der Bewohner waren islamischen Glaubens (Wien: 7,8 %), 6,4 % gehörten der Orthodoxen Kirche an und 4,1 % waren evangelisch. 26,5 % der Bezirksbevölkerung gehörten hingegen keiner Religionsgemeinschaft an, 4,9 % hatten kein oder ein anderes Religionsbekenntnis angegeben. Aber seit 2001 hat sich die Bevölkerungsstruktur und auch deren Religionszugehörigkeit verändert, in Richtung Zunahme des islamischen Bevölkerungsanteils.

Diese Bevölkerungsstruktur und ihre religiöse Zugehörigkeit erklären wohl auch zum Teil das Aufflammen der derzeitigen Unruhen.

Favoriten galt immer und gilt auch heute noch als traditioneller Arbeiterbezirk. Der Bezirk ist seit 150 Jahren stark vom Verkehr bestimmt. Jeder der vom Süden kommt trifft hier auf die Spinnerin am Kreuz. Um diese gotische Steinsäule rankt sich auch eine Sage, welche die Entstehungsgeschichte der Steinsäule mit den Kreuzzügen in Verbindung bringt. Laut dieser Sage soll eine Frau an dieser Stelle, wo damals noch ein Holzkreuz stand, jahrelang spinnend auf ihren Mann gewartet haben.

Mit dieser hübschen Sage lassen wir’s diesmal bewenden. Es gibt auch sonst vieles aus und über Favoriten zu berichten, aber dies wird wohl ein andermal erfolgen müssen.

Ein paar Fakten zum so genannten 10. Hieb, Favoriten in Wien

Das Klima-(Volksbegehren) und die Coronasituation

stehen sie einander entgegen?

Das Klimavolksbegehren ist nicht so ausgegangen, wie sich die Initiatoren vorgestellt haben. Ja, es sind halt noch immer nicht „normale“ (?) Zeiten. Für viele Menschen dominiert noch immer das Thema Corona. Und eigentlich finde ich das ganz gut so, denn mir scheint, dass zu viele Menschen schon zu sorglos geworden sind.  Der Babyelephant steht nur mehr selten zwischen uns. Und Masken tragen auch nur mehr wenige. 

Aber jetzt unabhängig von unserer Wahrnehmung: das tückische Virus droht weiterhin großflächiger zuzuschlagen, besonders wenn das Reisen beginnt. Ich verstehe ja den Drang, endlich „hinauszukommen“, dem ganzen Schlamassel zu entfliehen, am Strand liegen – und mit der Seele baumeln. Aber sowohl die so sehsüchtig erwarteten Gäste aus dem Ausland können das Virus unbewusst und unabsichtlich einschleppen, wie auch wir, wenn wir uns Ausland fahren, uns doch leicht anstecken können, besonders wenn an unserem Traumziel auch Touristen aus anderen Ländern (wie z.B. Großbritannien) Interesse haben.

Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass dieselben Maßnahmen, die anfangs so geholfen haben, noch einmal eingesetzt werden können. Ein kompletter Lockdown würde das zarte Pflänzlein „wirtschaftliche Erholung“ sofort zum Verdorren bringen. Aber lokale Maßnahmen, für begrenzte Lokationen, wie wir sie ja auch schon anfänglich gesehen haben, würden wohl unabdingbar sein. Und selbst wenn man sich nicht infiziert, 14 Tage wo auch immer in Quarantäne zu sitzen, stelle ich mir gar nicht so besonders lustig vor. Heute früh habe ich von den Maßnahmen Griechenlands für einreisewillige Touristen gehört.

Griechenland-Reisende müssen sich ab Mittwoch mindestens 48 Stunden vor ihrer Reise über eine Internet-Seite anmelden, wo sie unter anderem Informationen zur Person, zum Aufenthalt im Land und zu im Vorfeld besuchten Ländern bekanntgeben müssen. Diese Informationen entscheiden dann, ob ein Corona-Test bei der Einreise nötig wird. Der Reisende erfährt dies jedoch erst bei Ankunft in Griechenland. Der Antragsteller bekommt von der Behörde per E-Mail oder auf sein Handy einen Barcode zugesendet, den er bei der Einreise vorweisen muss. Bei der Anmeldung müssen die Besucher rund drei Dutzend Angaben machen. Gefragt wird unter anderem nach Flugnummer, Namen, Heimatadresse, Ausweisnummer, Alter, Telefonnummern und E-Mail-Adresse bis hin zu Besuchen in anderen Ländern, Namen, Adressen und Telefonnummern von Kontaktpersonen und der Anschrift, unter der man in Griechenland in den nächsten 14 Tagen zu erreichen ist. (Amerikareisende kennen derartige, schon länger in Kraft befindliche Prozeduren ja bereits zur Genüge). Wozu die Angaben verwendet und wie lange sie gespeichert werden, erfährt der Antragsteller auf der Website nicht. Die griechische Regierung erklärte dazu, die erhobenen Daten würden „anonymisiert“. Namen würden nicht gespeichert. Hinweise auf den Datenschutz fehlen aber. Und die Kosten für einen eventuellen Test müssen die Besucher sicher selbst tragen – und wie hoch die sind, wurde auch noch nicht bekannt gegeben. Und dorthin wird wieder geflogen – und das belastet halt das Klima neuerlich.

Ja, das „Klima“ verändert sich parallel zur Corona Krise. Ganz wenig Erleichterung hat der weltweite Shutdown gebracht, aber von Nachhaltigkeit kann hier keine Rede sein. Und was wurde nun im Klimavolksbegehren gefordert?

  1. Zukunft ermöglichen: Recht auf Klimaschutz in die Verfassung!
  2. Zukunft sichern: Stopp klimaschädlicher Treibhausgase!
  3. Zukunft fördern: Klimaschutz belohnen und niemanden zurücklassen!
  4. Zukunft gestalten: Mobilität und Energie nachhaltig machen!

Jetzt wird dieses Thema hoffentlich im Parlament „behandelt“ werden. Ob irdenwelche dieser geforderten Maßnahmen umgesetzt werden, ist damit allerdings nicht gewährleistet.

Es sollte auch bedacht werden, dass „Klima“ nicht national begrenzt ist, genau so wenig wie dies Corona ist. Es ist schon notwendig, dass jedes Land Klimaschutzmaßnahmen setzt, aber – für mich wäre es auch wichtig – wenn das zumindest europaweit koordiniert ablaufen würde.

Das erste EU-Paket mit klima- und energiepolitischen Maßnahmen wurde 2008 vereinbart und enthält die Ziele für 2020. Dazu gehören:

  1. Verringerung der Treibhausgasemissionen um 20 % (gegenüber 1990)
  2. Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien auf 20 %
  3. Verbesserung der Energieeffizienz um 20 %

Zur Verwirklichung dieser Ziele hat die EU das EU-Emissionshandelssystem (EHS) entwickelt und später reformiert; mit diesem System sollen die Treibhausgasemissionen, insbesondere von energieintensiven Industriezweigen und Kraftwerken, verringert werden. In den Sektoren Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft wurden im Rahmen der Lastenteilungsverordnung nationale Emissionsziele festgelegt.

Im Jahr 2014 wurde der Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 beschlossen, in dem weitere Ziele für den Zeitraum 2021-2030 festgelegt sind. Mit diesen Zielen hat die EU zugesagt, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 % gegenüber 1990 zu senken.

Der Rahmen enthält Maßnahmen und Ziele, um die Wirtschaft und das Energiesystem der EU wettbewerbsfähiger, sicherer und nachhaltiger zu gestalten. Der Rahmen diente auch dazu, das Emissionshandelssystem zu reformieren und Vorschriften für die Überwachung und Meldung einzuführen; zudem wurde darauf hingewiesen, dass nationale Energie- und Klimapläne und langfristige Strategien erforderlich sind.

Das klingt ja gut, aber dennoch werden die Sommer immer heißer, es fällt in manchen Regionen zu wenig, in anderen zu viel Niederschlag, und die Wetterwerte und das Wetterverhalten wird immer extremer.

Es ist allerhöchste Zeit – in Österreich, in Europa aber auch weltweit – und in Brasilien wird immer mehr abgeholzt!

Das Klima-(Volksbegehren) und die Coronasituation

Und noch ein paar ketzerische Gedanken bei einer Verabschiedung

Zur mangelnden Gendergleichheit in der Witwenschaft

Begräbnisse von Witwen sind traurig und noch ein wenig trauriger, weil wenige Leute kommen. Das – so habe ich festgestellt – ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass die „Hinterbliebene“ oft wenig Ahnung haben (oder daran interessiert sind), wer denn die Freunde und Freundinnen dieser Witwen sind. Also, liebe Witwen, schreibt Listen jener Personen, die von Eurem Tod zu verständigen sind, und hebt sie bei Euren Testamenten, Patientenverfügungen etc. auf. Ich habe den Tod einer lieben Freundin, wir hatten lange engen, guten Kontakt gehabt, erst ein Weilchen nach ihrem Ableben erfahren. Ihre Söhne, die von unserer Freundschaft wussten, die mit meinen Kindern befreundet waren, haben es einfach verabsäumt, mich zu verständigen.

Zu den Begräbnissen ihrer Männer sind Vertreter – je nach beruflicher Ausrichtung – aus Politik, Wirtschaft, Kunst, Journalistik etc. gekommen. Es kamen mächtige Kränze von verschiedenen Organisationen, z.B. von Clubs, NGO’s, für die sie gespendet haben. Wenn eine Witwe stirbt, kommen vielleicht Blumen ihrer Kinder und Enkel, vielleicht auch noch von der Institution, bei der sie gearbeitet hat, vielleicht einige ganz wenige Berufskollegen – so sie verständigt worden sind.

Wenn ihr Mann stirbt sorgt seine Witwe oder seine Kinder für ein würdiges Begräbnis, dem Priester oder Trauerredner(n) werden entsprechende Unterlagen übermittelt, die Lieblingsmusik des Verstorbenen wird ausgesucht, Live-Musiker werden berufen … Ich fürchte, dass nach dem Tod der Witwen kaum derartige Aktivitäten gestartet werden.

Naja, nach unserem Tod könnte uns das eigentlich egal sein, aber in Österreich gilt die „schöne Leich“, also das pompöse Begräbnis, noch immer als erstrebenswert.

Aber dennoch geht’s uns Witwen hier ein Europa noch ganz gut: wir werden beim Tod unseres Mannes nicht gleich mitverbrannnt. Das ist ein Femizid in hinduistischen Religionsgemeinschaften, bei dem die Ehefrauen verbrannt werden. Am häufigsten waren Witwenverbrennungen bisher in Indien, es gab sie aber auch auf Bali und in Nepal. Bei einer Witwenverbrennung in Indien verbrennt die Witwe zusammen mit dem Leichnam des Ehemanns auf dem Scheiterhaufen. Einige der Frauen, die bisher gemeinsam mit der Leiche ihres Ehemanns verbrannten, wurden damals nach ihrem Tod in hohen Ehren gehalten und teilweise göttlich verehrt; ihre Familie gewann hohes Ansehen. (Na, den Druck seitens der Familie auf die Witwe kann man sich so ungefähr vorstellen.) Ursprünglich töteten sich auf diese Weise Frauen der im Kampf gefallenen Männer aus Fürstenfamilien, möglicherweise, um nicht den Feinden in die Hände zu fallen. Die Witwenverbrennung, zunächst als Selbsttötung gedacht, wurde jedoch im Laufe der Zeit in vielen Bevölkerungskreisen eingefordert. Es kommt immer noch, wenn auch seltener, zu Verbrennungen. Vollständig unterbunden werden konnte die Witwenverbrennung jedoch nicht, Einzelfälle werden weiterhin bekannt. In manchen Bevölkerungskreisen wurde von Witwen die Selbstverbrennung erwartet. Teilweise wurden die trauernden Witwen durch sozialen Druck zur Selbstverbrennung gebracht und teilweise auch mit Gewalt gezwungen. Als Witwe verliert man in dieser Gesellschaft an Ansehen und Autorität. Sie hat das Problem der Versorgung, ist rechtlos und vom ältesten Sohn abhängig. Unter Umständen muss sie sich vorwerfen lassen, am Tode des Mannes schuld zu sein. Sie muss keusch und bescheiden leben; trotzdem könnte es ihr drohen, verstoßen zu werden und als Bettlerin oder Prostituierte zu enden. Hinduistische Witwen werden benachteiligt, da sie sich bereits am Todestag des Mannes den Kopf kahlscheren müssen, nur noch Kleider aus grobem weißem Baumwollstoff tragen und weder Fleisch essen noch an Festen teilnehmen dürfen. Diese Situation wird ebenfalls dafür verantwortlich gemacht, dass Witwen in den Selbstmord getrieben werden. Auch heute ist es für die Schwiegerfamilie wirtschaftlich von Vorteil, wenn die Witwe verbrennt, statt zu ihrer Familie zurückzukehren, weil sie bei der Rückkehr ihre Mitgift wieder mitnehmen kann. Bei der Verbrennung bleibt die Mitgift hingegen im Besitz der Schwiegerfamilie.

Auch aus der Antike sind Fälle überliefert, bei denen sich Frauen selbst verbrannten oder durch Angehörige getötet wurden, um nicht den Feinden in die Hände zu fallen.

In mehreren Erdteilen, insbesondere in Asien und Afrika, haben die von den Regierungen unterzeichneten internationalen Konventionen zur Gleichstellung der Frauen die Rechtlosigkeit von Witwen nicht beendet. Und dort geben die Gesetze den Frauen kein Anrecht auf ein Erbe oder sie dürfen nach dem Tod ihres Mannes nicht selbst darüber verfügen. Das islamische Recht spricht weiblichen Erben gar nichts oder nur die Hälfte dessen zu, was die männlichen erhalten. Alte Gebräuche und Trauerriten berauben die Witwen weiterhin in großem Masse ihrer universell anerkannten Rechte

Es gibt weltweit etwa 245 Millionen Witwen, von denen 115 Millionen in extremer Armut leben. Vielleicht sollten wir uns verstärkt auch dieses Problems annehmen.

Und noch ein paar ketzerische Gedanken bei einer Verabschiedung

Adieu, G.!

Heute fand Deine Feuerbestattung statt. Es war knapp zwei Dutzend Leute anwesend, nur wenige haben geweint. Die Musik kam aus der „Konserve“, die Auswahl hat mich etwas erstaunt, besonders da doch Du und Dein Mann, der uns früher verlassen hat, gute Kontakte in die moderne Musikszene in Österreich hattet. Aber die Organisation dieser Einäscherung lag in den Händen Deiner Nichten – und deren Angehörigen –, die in Nizza leben und vielleicht mit den Gegebenheiten hier n Wien nicht so vertraut waren. Denn Ihr hattet keine Kinder. Und die Verwandten Deines Mannes leben in Tirol, wo auch Du – aber besser Deine Asche – begraben sein wirst (Deine letzte Ruhestätte finden wirst, kling mir doch zu pathetisch).  

Du hattest eine sehr rationale Grundeinstellung und daher hast Du religiöse Zeremonien für Dich abgelehnt. Aus diesem Grund war auch kein Priester, Pastor, Rabbi oder Imam in der Feuerhalle anwesend.  Es gab eine einzige Rede, in englischer Sprache eingeführt, dann in Französisch gehalten – besser gesagt, gelesen. Das verstehe ich, denn Reden in hoch emotionalisierten Situationen können leicht schief gehen – ich hab’s erlebt. Mein Französisch hat nicht ausgereicht, um sie zu verstehen. Ich habe währenddessen an unsere schönen gemeinsamen Erinnerungen gedacht.

Es stand auch noch ein Porträtphoto von Dir vor dem Sarg, Du scheint darauf wesentlich jünger gewesen zu sein, und wirktest auf mich eher fremd. Zum Glück stand noch ein Photo daneben, das unsere gemeinsame Freundin, eine ganz ausgezeichnete Photographin und Malerin gemacht hatte: Du, beim Blumenpflücken.   

Ich hab‘ Dich erst spät kennengelernt, Dein Mann hat zu unserem Bekannten- und Freundeskreis gehört. Ihr wart aber über längere Perioden „abwesend“, da Dein Mann im diplomatischen Dienst tätig war. Ich glaube, Du hast ihn in Straßburg kennengelernt, wo er auch „diplomatisch“ unterwegs war. Du warst dort Universitätsprofessorin für Politikwissenschaften (so glaube ich). Aber immer wieder hast Du Deinen Mann begleitet, ich weiß von Euren Aufenthalten in Syrien, in Algerien, in Kroatien. Überall habt Ihr liebe Freunde gehabt, mit denen Ihr immer weiterhin in Verbindung geblieben seid. Ich finde, dass Du eine Intellektuelle warst, wie sie in Frankreich leben, interessiert am Zeitgeist – eher linksorientiert. Du hast aber nie „geeifert“, sondern in Kreisen, die nicht Deine Meinung geteilt haben, sehr sachlich argumentiert.  Ich kann mir vorstellen, wie gut Du Deine Doktoranden betreut hast.

Als Dein Mann in Pension ging, habt Ihr Euch eine wunderschöne Wohnung in der Josefstadt in Wien eingerichtet. Beide seid Ihr noch zwischen Wien und Straßburg gependelt, da Du Deine Tätigkeit an der Universität fortgesetzt hast.

Ihr habt vieles miteinander gemacht, z.B. Tennis gespielt, Ihr habt Eure Freunde eingeladen, Du hast hervorragend gekocht. Die Gespräche bei Euch waren immer anregend. Du fingst langsam an, Dich in Wien einzuleben.

Und dann geschah für Dich eine Katastrophe, völlig unerwartet und ziemlich rasch hast Du Deinen lieben Mann verloren. Du sahst Dich mit Ärzten, Rechtsanwälten, Notaren und vielen Bürokraten umgeben, die Deine Sichtweisen nicht teilten. Du hattest das Gefühl, ausgenutzt zu werden, Du hast die Regelungen nicht eingesehen.  Die Bürokratie hat Dich überfordert, Dein Mann war Dein Anker in Wien gewesen, Du hattest noch nicht ausreichend Zeit gehabt, um hier tiefere Wurzeln zu schlagen.

Du sahst Dich mit der Entscheidung konfrontiert, ob Du weiterhin in Straßburg oder in Wien leben solltest. Du hast Dich für Wien entschieden, ich weiß, dass Dir diese Entscheidung nicht leichtgefallen ist.  

Wir haben fröhliche Stunden miteinander verbracht, wir saßen im Kaffeehaus und schwatzten. Wir wählten nette Lokale für gemeinsames Mittagessen aus. Zuletzt hast Du schon sehr wenig gegessen. Wir haben einen wunderbaren Tag gemeinsam in der Wachau verbracht, er wird mir unvergessen bleiben.   

Vielleicht habe ich nicht genügend Zeit für Dich aufgebracht, besonders zuletzt. Du hast Deine Krankheit mit wunderbarer Größe getragen. Auch hier war Dir das Verhalten mancher Ärzte fremd, es erschien Dir zuweilen brutal.

Über Dein Ende habe ich nur von Deinen engeren Freundinnen gehört, die Dich getreulich begleitet haben, Dir Stütze und Hilfe waren.  Ich glaube, Du hast Deinen Lebenswillen mit dem Tod Deines geliebten Mannes begraben. Die Lebensfreude war Dir entkommen.

Nach meinen Vorstellungen vom Leben nach dem Tod bist Du wohl jetzt mit ihm vereint, glücklich, schmerzlos!

Leb wohl, meine Freundin Chouchou, wie Dich Dein Mann immer liebevoll genannt hat.

Adieu, G.!

Die Grauen Wölfe heulen jetzt auch in Österreich

Aber eigentlich ist das verboten!

Jetzt, im Rahmen unserer Wohngemeinschaft, erfahre ich von Dingen, die sonst an mir vorübergegangen wären.  Gut so!  Derzeit gibt es in Wien einen „Hotspot“, in Favoriten. Hier treffen Kurden, unterstützt von Linken Gruppierungen auf Türken, die den Grauen Wölfen nahestehen unterstützt von rechten Gruppierungen aufeinander. Die Polizei versucht sie auseinander zu halten. Ganz klar lassen sich die Gruppen nicht zuordnen. Hier steht auch das Ernst-Kirchweger-Haus, ein seit 1990 besetztes Haus in Wien-Favoriten. Das Gebäude ist ein weit über die Grenzen Wiens hinaus bekanntes Zentrum der autonomen Szene und beherbergt einige politisch, kulturell und sozial engagierte Gruppierungen und Projekte. 2008 wurde die Besetzung für beendet erklärt, nachdem alle im Haus vertretenen Gruppen Mietverträge unterzeichnet haben. Fast täglich finden Veranstaltungen verschiedener Art wie Konzerte, Lesungen, Diskussionsrunden, Info- und Beratungsabende statt. Das Haus wurde nach dem antifaschistischen Widerstandskämpfer und Kommunisten Ernst Kirchweger benannt, der 1965 bei einer antifaschistischen Demonstration von einem rechtsextremen Gegendemonstranten tödlich verletzt wurde. Viele der sozialen und politischen Aktivitäten der im Haus angesiedelten Gruppen und Organisationen, wie etwa der anarchistischen „Schwarzen Distel“, stehen immer wieder unter Beobachtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT).

Eigentlich, ganz genau genommen handelt es sich bei den Demonstrationen um ein innertürkisches Problem. Aber in Österreich gibt es eine große türkischstämmige Community, deren Integration doch nicht so erfolgreich verlaufen zu sein scheint, dass man sich jetzt – als österreichische Staatsbürger – um türkische Angelegenheiten prügelt. Mir scheint eines der Probleme in diesem Zusammenhang zu sein, dass es eine Reihe von türkischen Vereinen in Österreich gibt, die von der Türkei finanziert, Sammelbecken für türkischstämmige österreichische Bürger sind.

Spätestens jetzt sollte überlegt werden, wer diese Grauen Wölfe sind. Graue Wölfe ist die Bezeichnung für türkische Rechtsextremisten wie Mitglieder der Partei der Nationalistischen Bewegung oder der Partei der Großen Einheit. Sie haben in der Vergangenheit und besonders in den 1970er Jahren zahlreiche Gewalttaten und Morde begangen. Sie bezeichnen sich selbst als „Idealisten“.

Nach der Präsidenten- und Parlamentswahl in der Türkei 2018 besteht der Eindruck, dass die Türkei versucht, die Extremistengruppe Graue Wölfe in Europa hoffähig zu machen. Z.B. Cemal Çetin, Vorsitzender des Dachverbandes der Grauen Wölfe in Europa und frisch gewählter Abgeordneter der MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung), gehörte der türkischen Delegation beim NATO-Gipfel im Juli 2018 an.

Bei Bildern der derzeitigen Demonstrationen sieht man zuweilen ihre Flagge, den Wolfskopf, sie wird von den Grauen Wölfen und anderen panturkistischen Gruppen verwendet. Der Wolf ist an die Wölfin aus der türkischen Mythologie angelehnt. Es geht um die Ergenekon-Legende:  Die Ergenekon-Sage ist eine neuzeitliche, zu Beginn des 20. Jahrhunderts propagierte national-türkische Legende, die auf eine Kompilation teils sehr alter zentral-asiatischer Motive und Versatzstücke zurückgeht. Sie handelt vom Zerfall und Wiederaufbau des türkischen Reiches (gemeint ist das Osmanische Reich und dessen im Entstehen begriffenen Nachfolgestaat, die moderne Türkische Republik), wobei das Geschehen in die Zeit der sagenhaften Vorgeschichte der Kök-Türken in Zentralasien zurückversetzt wird. Es wird gemeinhin als Ursprungsmythos der türkischen Stämme bzw. der heute existierenden Turkstaaten betrachtet. Die Gök-Türken hatten sich nach der Niederlage gegen die Chinesen im 8. Jahrhundert dorthin zurückgezogen. In der Geschichte der türkischen Völker spielt der Wolf eine bedeutende Rolle. So ist die Wölfin Asena Teil der historischen Abstammungslegende der Türken, aber ursprünglich möglicherweise eine skythisch-iranische Legende.

Mir fällt dazu noch der Energenekon Skandal ein: ein sechseinhalbjähriger Mammutprozesses (Anfang 2007 bis Mitte 2013) in der Türkei, in dem hunderte (Ex-)Militärs, Juristen, Geschäftsleute, Politiker und Journalisten als mutmaßliche Mitglieder einer angeblichen Verschwörergruppe verhaftet und am 5. August 2013 zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Diese nationalistische Untergrundorganisation namens Ergenekon sollte ein wichtiger Bestandteil des so genannten „tiefen Staates“ darstellen und angeblich ab 2003 durch Terror und Desinformation den Sturz der islamisch geprägten Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan betrieben haben.

Als Feindbilder sehen die Grauen Wölfe die kurdische Arbeiterpartei PKK, welche auf einschlägigen Webseiten als „Babymörder“ bezeichnet wird, und jegliche Kurden, welche eine „Gefahr“ für die Türkei darstellen. Ebenfalls als Feindbilder gelten des Weiteren Juden, Christen, Armenier, Griechen, Kommunisten, Freimaurer, Israel bzw. „Zionisten“, die EU, der Vatikan und die Vereinigten Staaten. (Wenn ich es so bedenke – ohnedies wir alle!)

Der „Wolfsgruß“ ist die Grußform der Grauen Wölfe, die einen Wolf darstellt. Das ist die Bedeutung: der kleine Finger symbolisiert den Türken, der Zeigefinger den Islam. Der beim Wolfsgruß entstehende Ring symbolisiert die Welt. Der Punkt, an dem sich die restlichen drei Finger verbinden ist ein Stempel. Das bedeutet: Wir werden den Türkisch-Islamischen Stempel der Welt aufdrücken.“

Ein „Idealist“ wird folgendermaßen definiert: er ist in der Regel kein Mann des Denkens, sondern immer ein Mann der Tat […] Alle Denkweisen, Handlungen und Meinungen, die von Handlungs- und Denkweise der Idealisten abweichen, sind ungültig.“ (Von Frauen ist in diesem Zusammenhang keine Rede!) Ziel der Grauen Wölfe ist eine sich vom Balkan über Zentralasien bis ins chinesische Autonome Gebiet Xinjiang erstreckende Nation, die alle Turkvölker vereint, diese Ideologie wird auch als Panturkismus bezeichnet. Zentrum der von ihr beanspruchten Gemeinschaft aller Turkvölker ist eine starke, unabhängige und selbstbewusste Türkei. In diesem Streben nach „Turan“, der zentralasiatischen Urheimat der Türken, konkretisieren sich die pantürkischen Ziele der „Idealisten“, die sämtliche türkischstämmigen Völker Asiens in einem großtürkischen Reich vereinigt sehen möchten.“

Die AKP (Partei Recep Tayyip Erdogans) ist für die Parlamentswahlen 2018 eine Allianz mit der MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung), einer vom Gründer der Grauen Wölfe, Alparslan Türkes, gegründeten Partei eingegangen.

Seit 1. März 2019 sind in Österreich sowohl Zeichen der Grauen Wölfe als auch der Wolfsgruß verboten. Das türkische Außenministerium protestierte gegen das Verbot und fand es insbesondere skandalös, dass die Grauen Wölfe in einer Liste mit der PKK genannt werden.

Österreichische Werte werden von den „Grauen Wölfen“ sichtlich nicht vertreten, und m.E. haben sie damit in Österreich auch nichts verloren. Bitte, kümmern Sie sich darum, Frau Bundesministerin für Frauen und Integration, Susanne Raab! Und gegen ausartende Demonstrationen bin ich auch, das brauchen wir hier nicht, aber das ist Sache der Polizei.

Die Grauen Wölfe heulen jetzt auch in Österreich

Ferien zwischen zwei Seen

Keutschacher- und Wörther See in der Nachkriegszeit

Bei der jetzigen Wetterlage denke ich halt häufiger an die Ferien meiner Kindheit und Jugend. Einen Sommer, ich weiß nicht einmal mehr ob es vier oder sechs Wochen waren, durfte ich mit der Familie meiner damaligen „besten Freundin“ – mit der aber der Kontakt bis heute besteht – „zwischen zwei Seen“ in Kärnten verbringen.

Ich kannte die Familie schon sehr gut, da der Vater meiner Freundin mit seiner Familie jeden Sonntag eine Wanderung im Wiener Wald machte. Die Mutter – so sehe ich das heute – drückte sich sehr gern von diesen Wanderungen. Sie war überhaupt nicht wie meine Mutter, was mich damals sehr erstaunte. Sie überließ sehr viel der Hausarbeit ihren Töchtern. Es gab drei Töchter und einen Sohn – den Stammhalter – in der Familie. Meine Freundin war die Älteste, ihrem Vater ähnlich, im Gegensatz zu ihren beiden jüngeren Schwestern. Sie übernahm viele häusliche Pflichten von ihrer Mutter.

Na jedenfalls, ich wurde eingeladen – wohl deshalb, weil meine Eltern sich keinen Urlaub leisten konnten, mit dieser Familie nach Kärnten zu fahren. Ich glaube, die Mutter der Familie hat von Anfang an – schon am Südbahnhof in Wien, bereut, dass sie mich mitgenommen hat, ich war furchtbar aufgeregt, hüpfte herum fragte ständig, wann wir denn endlich einstiegen würden … Ein quirliges Einzelkind! Naja. Wie üblich hatten wir „Proviant“ für die Bahnfahrt dabei, und außen in auch gleich, nach Beginn der Bahnfahrt.

In Kärnten wohnten wir auf einem Bauernhof zwischen dem Wörther See/Reifnitz und dem Keutschacher See. Der Wörthersee war damals – in den späten vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts – sehr „mondän“, besonders halt Pörtschach und Velden. Wer auf sich gesellschaftlich etwas hielt, war im Sommer dort zu finden.

Der Bauernhof war gar nicht mondän. Wir vier Mädchen hatten ein Zimmer, ich fand das sehr lustig, ich kann mich noch erinnern, dass wir in der Früh einander frisierten.  Verköstigt wurden wir auch auf diesem Bauernhof und genossen das sehr, da ja zu dieser Zeit in Wien noch immer Mangel herrschte, wenn auch nicht so arg, wie direkt nach dem Krieg. Das Essen war einfach, aber zum Glück viel!

Ich glaube nicht, dass dort slowenisch gesprochen wurde? Dass es einen slowenischen Bevölkerungsanteil gab, wusste ich auch nicht – und bekümmerte mich nicht. Über derartiges hatten wir in der Schule nichts gelernt, Zeitgeschichte scheuten unserer Lehrer, sie waren zu oft betroffen gewesen, von Regimewechseln, die sie um ihre Posten (damals sagte man noch nicht Jobs) gebracht hatten.

Am Weg zu den Seen ging es durch den Wald, dort waren noch Heidelbeeren zu finden, die Preiselbeeren waren noch nicht reif und ich genoss es, keine Beeren sammeln zu müssen, sondern sie nur unterwegs naschen zu können.

Wir, die Kinder wollten eigentlich hauptsächlich baden, in den See springen, schwimmen herumtollen. Es war meist der Keutschacher See, an einem frei zugänglichen Ufer des Sees. Von der 1864 entdeckten Pfahlbausiedlung aus der Jungsteinzeit merkten wir nichts, jetzt, seit 2011 gehört sie zum UNESCO-Welterbe Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen. Etwas, das mich damals auch nicht bekümmerte war, dass der See in Privatbesitz ist.

An Reifnitz kann ich mich nur dunkel erinnern. Ob wir dort in ein Bad gingen – ich kann es mir nicht vorstellen, vielleicht gab es auch dort noch frei zugängliche Badeplätze. An eines kann ich mich jedenfalls sicher erinnern, dass wir einmal (wirklich nur einmal) – die ganze Familie und ich – in Reifnitz in eine Konditorei Eis essen gegangen sind.

Der Vater der Familie schleppte uns auf Wanderungen, da war die Mama eher selten dabei. Es war nicht nur der Pyramidenkogel – damals noch nicht mit der großen Aussichtswarte – den wir bestiegen, auch viele andere Berge und Hügel in der Umgebung.  Selbstverständlich bewunderten wir die Burgruine Reifnitz, einst so mächtig, jetzt nur in Trümmern zu besichtigen. An der Stelle der ehemaligen Burgkapelle steht heute die Kirche St. Margarethen.

Sehr fasziniert hat uns der Hexenstein – schon der Name! Es ist eine heidnische Kultstätte unbestimmter Datierung. Er befindet sich verborgene Lage im einschichtigen Wald. Als in dieser Gegend bereits das Christentum gepredigt (9. Jahrhundert nach Christus) wurde, steckten die Bewohner dieser Region noch im Heidentum. Sie trafen sich an verborgenen Stellen zu verbotenen heidnischen Kulthandlungen und brachten ihren alten Göttern Tieropfer dar.

Über den alpinen Ausflug, den nur der Vater der Familie, meine Freundin und ich auf den Sonnblick unternahmen, ist gesondert zu berichten.

Ich kann mich im Zusammenhang mit diesen Ferien nur an Sonnenschein und Fröhlichkeit erinnern, ist es möglich, dass es in dieser Zeit wirklich nie geregnet hat?

Ferien zwischen zwei Seen

Schwimmen in der Aist

Nachdem ich Sie schon in die Piesting entführt habe, möchte ich Sie jetzt aus dem dortigen kalten Wasser holen und Sie bitten, mich zur Aist zu begleiten.

Die Aist ist ein Bach- und Flusssystem im östlichen Mühlviertel. In Hohensteg (südlich von Pregarten) vereinigen sich die Feld- und Waldaist zur Aist. Die Aist hat bis zur Mündung in die Donau in der Nähe von Schwertberg eine Länge von 14 Kilometern. Zusammen mit der Waldaist kommt sie auf eine Länge von rund 72 km.

Aus alten Urkunden, wie etwa der Wilhelminischen Schenkungsurkunde, geht hervor, dass der Name „Aist“ von einer slawischen Flussbezeichnung abgeleitet wurde. Das Mühlviertel, wie auch viele andere Teile Europas, waren damals von slawischen Völkern besiedelt. Der Fluss taucht im Jahre 853 erstmals in einer Schenkungsurkunde als „Agasta“ auf. 983 wird er „Agesta“ genannt. Die Vorsilbe „ag-“ bedeutete „treiben“, „rasch“.

Also „meine Aist“ war die Feldaist. Die spielte eine ganz andere Rolle als die Piesting, denn wir wohnten an der Aist in einer Hammerschmiede, deren Hämmer von der Aist betrieben wurden. Das bedeutete auch, dass wir die Aist nicht nur zum Baden benutzten. Um dort zu schwimmen, war es angebracht den Fluss nicht vom Ufer her zu betreten, denn da gab es sehr viel Schlamm und in diesem Schlamm da lebten die Blutegel – und das fand ich recht grauslich. Am liebsten ließ ich mich von einem großen Stein, der in den Fluss ragte, ins Wasser gleiten um gleich zu schwimmen. Die Aist war ein relativ ruhiges Gewässer, leicht moorig und nicht so kalt wie die im vorigen Blog erwähnte Piesting. Das Wasser war auch weicher als jenes im „Kalkstein-Niederösterreich“.

Es lebten viele Fische drinnen, das merkten wir aber erst, als die Russen in der Besatzungszeit ab 1945 mit dem Fischen begannen, sie taten das weder mit einer Angel noch mit einem Netz, sondern – mit Handgranaten. Dann schwammen die toten Fische mit Bäuchen noch oben an der Wasseroberfläche und brauchten nur herausgehoben zu werden. Der Rest trieb flussabwärts. Wo schon hungrige Einheimische lauerten.

Außer zum Baden nutzten wir die Aist auch im Winter – damals, als die Winter noch sehr kalt waren und ab November alles verschneit war, zum Eislaufen. Ja, und beim Wäschewaschen schwemmten wir die Wäsche im fließenden Aistwasser. Das war im Winter schon sehr kalt und manchmal mussten wir die Flussränder aufhacken.

An ein Hochwasser an der Aist kann ich mich nicht erinnern, aber es gab später ein so genanntes Jahrhunderthochwasser, im August 2002, währenddessen das gesamte Aisttal verwüstet worden ist.  

Knapp vor dem Haus, in dem wir wohnten, wurde ein „Arm“ der Aist abgeleitet, der dann die Hämmer betrieb. Und dort war auch eine Wehr, die den Fluss aufstaute. Und eine Brücke – schmal und nur für Fußgänger, führte hier über die Aist. Und genau hier übergaben Amerikaner und Russen einander die Oberhoheit über das Gebiet im Jahr 1945, nachdem die Amerikaner es erobert hatten, es aber „vertraglich“ den Russen zustand.

Von uns aus konnte man an beiden Ufern der Aist spazieren gehen. Naja, spazieren gehen war es nicht eigentlich, meist suchten wir in den angrenzenden Wäldern nach Schwammerln, wir sammelten sowohl Herrenpilze als auch Eierschwammerln, die entweder sofort zubereitet wurden, oder geschnitten, aufgefädelt und „luftgetrocknet“ wurden. Selten fanden wir auch Parasole. Die getrockneten Pilze  leisteten uns dann, später in Wien, als Lebensmittel sehr knapp waren, gute Dienste.

Aber wir sammelten nicht nur Schwammerln, es gab auch jede Menge Beeren. Am dominantesten waren die Heidelbeeren, aber wir fanden auch Walderdbeeren (deren Geruch und Geschmack sind einfach unübertroffen), aber auch Himbeeren und Brombeeren. Selten kehrten wir „ohne“ irgendetwas gefunden und gesammelt zu haben nach Hause zurück.

Bei einem Spaziergang mit einer Freundin im Aisttal wurden wir gegen Ende des Krieges von amerikanischen Tieffliegern erfasst, sie beschossen uns zwar, aber wir konnten uns gleich in den Wald verziehen und dann ließen sie von uns ab.

Allerdings mochte ich diese Spaziergänge entlang der Aist, (noch heute träume ich zuweilen davon) das Ufer war von Bäumen und Sträuchern bewachsen und die Äste hingen tief in den Fluss hinein, das träge Wasser gluckste nur leise – es war sehr romantisch dort.

Gleich gegenüber von dem Haus indem wir damals wohnten war die so genannte „Badeanstalt“ Pregartens. Es war eigentlich nur eine Holzhütte auf einem gemauerten Uferstück, in die Kabinen eingelassen waren. Diese Badeanstalt war selbstverständlich nur an heißen Tagen in Betrieb, ansonsten stand sie mir zum Spielen zur Verfügung. Außerdem badeten die Kinder und die Jugendlichen weiter oben am Fluss, an einem Knie, wo sie sich nicht überwacht fühlten.  

Grad heute, da es so plötzlich heiß, ja eher schwül geworden ist, denke ich an da laue, weiche Wasser der Aist gerne zurück.

Schwimmen in der Aist

Baden in den kalten Bächen (die Piesting)

Jetzt kommt der Sommer, damit beginnt auch die Badezeit.

Und ich erinnere mich, dass zum Baden nicht immer nur Bäder gedient haben. Es waren auch die Bäche in denen man zwar nicht weit schwimmen, aber herrlich pritscheln konnte, die es auch erlaubten, Gatschknödelschlachten auszutragen, da man ja das alles gleich wieder abwaschen konnte.  Besonders beliebt waren Wehren, dort wo das Wasser gestaut wurde, um in einem Nebenarm ein Mühlrad oder ein Sägewerk zu betreiben. Dort war das Wasser tiefer, man konnte richtig schwimmen und dem Sog der Wehr entgegenwirken, und wenn es dann in der Gegend noch eine Brücke gab, konnten die Mutigen sogar ins Wasser springen (dazu gehörte ich eher nicht). Wenn das Wasser so über das Wehr herunterströmte, konnte man manchmal hinter diesem Wasser durchgehen – auch dazu gehörte ein gewisses Maß an Waghalsigkeit. Von dem herunterströmenden Wasser konnte man sich auch richtig duschen lassen.

Wir brauchten damals keine Rutschen, keine Trampoline, alles das boten uns die Bäche und kleinen Flüsse auch.  

Die Bäche, an die ich mich in diesem Zusammenhang besonders erinnere sind die Piesting und die Aist. Später – und das war dann nicht mehr ein Bach, sondern das war die Donau.

Die Piesting entspringt nördlich vom Schneeberg und trägt alternativ den Namen Kalter Gang (stimmt!). Diese Bezeichnung ist bereits in der Josephinischen Landesaufnahme sowie im Franziszeischen Kataster zu lesen. Eine frühere Bezeichnung für den Oberlauf lautet Klosterbach. Nach Durchqueren des Klostertals kommt es im Ortsgebiet von Gutenstein zum Zusammenfluss mit der in den zentralen Gutensteiner Alpen entspringenden Steinapiesting und der Längapiesting, die am Gobenzsattel nordwestlich der Dürren Wand entsteht.

Wichtig für uns Kinder war der in Pernitz mündende Myrabach. Wir alle kannten seinen Ursprung, die Myraluckn, das ist eine Höhle am Unterberg in Niederösterreich. Diese ist eine episodisch aktive Wasserhöhle und weist zwei Siphonstrecken auf, die nur durch Tauchen und teilweise mit einem Schlauchboot zu überwinden sind. Die Gesamtlänge der Höhle beträgt über 306 m, der Gesamthöhenunterschied 19 m.

Denn vor der Mündung in die Piesting durchquert dieser Bach die Myrafälle. Da aber dort ein Elektrizitätswerk gebaut worden war, waren die Myrafälle (außer wenn sie „aufgedreht“ waren) nur ein kleineres Rinnsal und wir konnten die Myrafälle hinaufklettern – ohne die Brücken verwenden zu müssen. Das allerletzte Stück oben war dann für mich dann doch unüberwindlich.

Das Wasser der Piesting war nie wirklich warm, aber damals störte uns das überhaupt nicht. Auch meine Kinder liebten diesen Bach, allerdings benutzten sie ihn „weiter oben“, sie ließen sich in alten Autoreifen den Bach heruntertreiben.

Aber zurück zur Piesting: Zwischen der Hohen Mandling (967 m) im Norden und dem Großen Kitzberg (771 m) im Süden durchbricht die Piesting die Quarb, eine felsige Talenge. Der Flurname Quarb wird auf keltischen Ursprung zurückgeführt. Das Wort Quarb – abgeleitet von dem Wort „gwar“ (Aussicht, Obhut), lässt auf einen Wachtposten schließen, der sich vermutlich am Nordhang des Kitzenberges, gegenüber dem Eingang ins Feichtenbachtal, befunden hat. Nach dem Fund einer Scheibenfibel aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. die dortige Verbindung vom Piestingtal ins Triestingtal schon bekannt war. Und mich hat im Zusammenhang mit Quarb immer die Quick – in Gutenstein fasziniert. Um 1500 wurde der „Quickhammer“ in der Vorderbruck in Gutenstein gegründet. Im Hammerwerk wurde mit Wasser und Holzkohle als Energiequelle steirisches Eisenerz weiterverarbeitet. Die Enge der Quarb teilen sich der Fluss, die Straße, die Bahn und ein Radweg. Und dort kam es früher leicht zu Überschwemmungen, wobei dann das ganze Tal dahinter abgesperrt war und man, um nach Wien zu kommen, über den Hals und Pottenstein ausweichen musste.

Die Piesting fließt weiter ostwärts durch Markt Piesting und Wöllersdorf ins Wiener Becken, genauer ins Steinfeld, das zum Teil aus dem von der Piesting selbst geschütteten Wöllersdorfer Schotterfächer besteht. In der Feuchten Ebene bei Gramatneusiedl mündet die Piesting in die Fischa.

In der Piesting stehen auch die Forellen. Natürlich haben die verwegeneren Burschen meiner Jugend dort gefischt – was allerdings verboten war, denn nur die Eigentümer dieser Gewässer durften dort fischen.  Heutzutage werden „Karten“ ausgegeben, die das Fischen ermöglichen. Ich mag es aber noch immer gerne, am Ufer des Baches oder auf einer Brücke zu stehen, und den Forellen bei ihrem Tummeln durch das klare Wasser zuzusehen.

Über das Baden in der Aist und später in der Donau werde ich Ihnen demnächst berichten.

Baden in den kalten Bächen (die Piesting)

Reisen! Heuer wahrscheinlich nur im Kopf

Es wird Ferienzeit, und im Grunde möchte ich gerne ans Meer – wie viele andere auch. Unsere für heuer geplanten Urlaube bzw. Reisen sind abgesagt.

Um den für Ende Juli geplanten Urlaub in den Cinque Terre tut’s mir besonders leid. Aber wenn man so die Karte Italiens betrachtet, könnte man zwar unter Vermeidung der Lombardei dorthin kommen. Aber heutzutage weiß man nie, wann für eine Region wieder ein Reiseverbot verhängt wird, wie schnell sich Spitäler in bestimmten Gegenden wieder füllen und welche Grenzen dann plötzlich gesperrt sein könnten. Aber natürlich in meinem Alter sagt man nicht so leicht – vielleicht später, ich bin nicht sicher, wie lange es ein „später“ noch geben wird.  

Die andere Reise hätte uns nach Belgien geführt, aber in einem Autobus. Und wenn ich jetzt lese, dass z.B. für Nordrhein-Westfalen eine Reisewarnung besteht, scheint auch diese Unternehmung stark zu „wackeln“. Schade, es wäre eine Reise „für Fortgeschrittene“ gewesen, wie mein Schwager immer gesagt hat, wenn man nicht zu den Hauptsehenswürdigkeiten gefahren ist, sondern die heimlicheren Juwele einer Gegend besucht hat.

Aber jetzt ganz abgesehen, von diesen abgesagten Reisen, wohin würde ich einfach gerne fahren.

Zuallererst ist mir Abbazia/Opatje eingefallen. Ich war leider nie lange genug dort, dass mir eventuelle Nachteile dieses Ortes aufgefallen wären. Es ist noch immer mein Traum, dort in einem (altmodischem) Hotel direkt am Meer auf dem Balkon meines Zimmers zu sitzen und unten das klare Meer plätschern zu hören. Es wäre für mich sogar auch öffentlich erreichbar. Dagegen spricht, dass zwei Grenzen zu Österreich bestehen, die unter den gegebenen Umständen recht plötzlich gesperrt sein könnten. Selbst wenn ich noch ein eigenes Auto hätte wäre es eine „riskante G’schicht“.  Also nein.

Und das folgende gehört jetzt zu den „Träumen“: 

Gerne würde ich wieder nach Apulien fahren. Ich könnte mir gut vorstellen, mich am Gargano an irgendeinem nicht mondänen Strand niederzulassen, und mich in die Geschichte dieses Gebiets zu versenken und hin und wieder die ein oder andere Sehenswürdigkeit zu besuchen. Das Castel del Monte kann man nicht oft genug betrachten. Als wir – mein Mann und ich – damals die Gegend bereist haben, war es Ostern – und es war kalt und windig. Dennoch habe ich mich dort sehr wohl gefühlt, sei es in Bari, Tarent oder Lecce gewesen.

Wie ich schon öfter erwähnt habe, faszinieren mich die Reste der Bronzezeit, wie Menhire, Hypogäen. Selbstverständlich haben die Griechen diese Gegend kultiviert und die Römer zivilisiert. Zeitweilig herrschten die Germanen – im Rahmen der Völkerwanderung dort – während der Zeit der Herrschaft der Langobarden blieb Apulien unter byzantinischem Einfluss. Dann aber kamen die muslimischen Sarazenen. Emirate wurden gegründet und die Byzantiner aus fast allen ihren Besitzungen vertrieben.

Eine neuerliche, grundlegende Wende, die für die gesamte Geschichte Süditaliens bis ins 19. Jahrhundert richtungweisend war, kam mit dem Erscheinen der Normannen am Beginn des 11. Jahrhunderts. Zuerst handelte es sich nur um kleine Gruppen landloser Ritter aus der französischen Normandie, die in ihrer Heimat keine Zukunftsperspektive hatten und so als Abenteurer „in der Fremde ihr Glück machen“ wollten. In den ungeordneten, kriegerischen Verhältnissen Süditaliens ergriffen sie die Chance, im Sold der verschiedenen einheimischen Kriegsparteien aus ihrer Kampfkraft Ruhm, Beute und Landbesitz zu gewinnen. Ihre Erfolge zogen rasch weitere Gruppen von Landsleuten nach, die wachsende Zahl von normannischen Kriegern verstärkte ihren militärischen und politischen Einfluss, bald wurden ihre Anführer zu Vasallen heimischer Fürsten und gelangten in den Besitz eigener Lehen. Sie griffen die letzten byzantinischen und sarazenischen Besitzungen planmäßig an, Robert Guiscard brachte zuerst Kalabrien und dann ganz Apulien in seinen Besitz. Die Existenz eines selbständigen normannischen Machtbereichs wurde nach misslungener Gegenwehr von Kaiser Heinrich III. und dem von ihm protegierten Papst Leo IX. anerkannt, Robert Guiscard wurde als Herzog von Apulien und Kalabrien bestätigt. Der Kontakt zur byzantinischen und muslimischen Welt des östlichen Mittelmeers um die Wende zum 12. Jahrhundert gerade von Apulien aus mächtig intensiviert, als in den beginnenden Kreuzzügen die apulischen Adriahäfen den Kreuzfahrergruppen günstige Einschiffungs- und Landemöglichkeiten – zum Teil mit Hilfe der Venezianer – boten.

Dann kamen die Staufer – durch Eheschließung des Sohnes des Stauferkaisers Friedrich Barbarossa, mit Konstanze, der um elf Jahre älteren Tochter Rogers II. und Erbin des Königreichs Sizilien. Gegen Ende seines Lebens ließ Friedrich II. die Burg Castel del Monte errichten, weltberühmt als „Krone Apuliens“. Bemerkenswert und schon von den Zeitgenossen als Sensation und mit Abscheu betrachtet ist die Tatsache, dass Friedrich II. sich mit muslimischen Gelehrten und Literaten umgab, eine sarazenische Leibwache hielt und die apulische Stadt Lucera mit unterworfenen Sarazenen besiedelte, in denen er seine treuesten Untertanen und Anhänger fand, ehe er schließlich in Castel Fiorentino in der Nähe von Lucera starb.

Sie alle haben ihre Spuren in diesem Apulien hinterlassen!

Entschuldigen Sie bitte meinen Ausflug in die äußerst abwechslungsreiche Geschichte dieser Region, die die Landschaft und die Menschen dort geprägt hat.

Vielleicht können Sie meine Sehnsucht, dorthin vielleicht einmal zurückzukehren verstehen?

Reisen! Heuer wahrscheinlich nur im Kopf

Ein Wiener Spaziergang

Wipplingerstraße

Heute spazierten wir „durch die Stadt“. Wir, das sind zwei Mitglieder unserer Wohngemeinschaft. Unser Ziel war das Alte Rathaus in der Wipplingerstraße. Dort gibt es Volksbegehren zu unterschreiben. Ich wusste gar nicht wie viele derzeit laufen.

Jedenfalls schon beim Eingang des Alten Rathauses steht ein Ordner, man hat eine Maske aufzusetzen und er dirigiert die Menschen in die Richtung, wo man ihre Begehren erfüllt. Um in den Raum zu kommen, wo man für Volksbegehren unterschreiben kann, muss man sich zuweilen anstellen, obwohl eigentlich 6- 8 Personen den „Kunden“ zur Verfügung stehen. Ich unterschrieb das Klimavolksbegehren, mein Enkel und Mitbewohner versuchte mich noch dazu zu stupsen, auch das Asylantenvolksbegehren zu unterschreiben, aber da ich die genauen Forderungen nicht kenne (Schande über mich), habe ich nicht unterschrieben – damit muss ich mich doch genauer auseinandersetzen. Das Klimavolksbegehren läuft nur mehr bis 29. Juni – wenn Sie es unterstützen wollen, haben Sie nicht mehr sehr viel Zeit.

Wir sind verhältnismäßig früh aufgebrochen und die Stadt war noch nicht sehr belebt – naja, außer Lieferwagen, die ja vormittags zufahren dürfen. Als ich gestern die Kärntnerstraße gequert hatte, kam ich an einem Sprühnebel-Gerät (ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen könnte) vorbei. Es war auf einem Hydranten montiert.

Gestern war es nicht sonderlich heiß, und außer Kindern wagte sich niemand in die Nähe, man wollte ja nicht nass werden. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass es an sehr heißen Tagen angenehm sein könnte, nahe daran vorbei zu gegen.  Derzeit ist der Einsatz für meine Begriffe verfrüht – und es gäbe Orte, wo man diese „Dusche“ dringender brauchen könnte. In der Kärntnerstraße gibt es Bäume und diese Bäume wurden während der letzten heißen Sommertage in den vorigen Jahren ohnedies eingenebelt. Heute war diese „Nebelgranate“ nicht in Betrieb – und es war wesentlich wärmer. Gut, dass sie rechtzeitig getestet worden ist! Optisch stört sie auch nicht besonders.

Auf dem Rückweg, mein Enkel hatte sich mit dem Fahrrad nun in eine andere Richtung bewegt, nach Erledigung der Unterschrift der Volksbegehren, konnte ich mich meiner Umgebung widmen. Der Name Wipplingerstraße geht auf Wildwerker (in verschiedenen Schreibweisen) zurück, Wildwerker, das waren Kürschner, die im Mittelalter zu den wohlhabendsten Honoratioren gehörten.

Der Name bezog sich 1272 und um 1300 auf den sehr kurzen Abschnitt vom Hohen Markt bis zu dem Zugang zur Judenstadt; der wesentlich längere Abschnitt von hier bis zur Hohen Brücke lag innerhalb der Judenstadt und hieß bis 1421 Judenstraße. Nach der Vertreibung der Juden (1421) und der Auflassung des Gettos wurde der Straßenname ausgedehnt. Ab der Renngasse verlief die damalige Wipplingerstraße zum Judentor Ecke Helferstorferstraße-Rockhgasse, das diesem Abschnitt damals seinen Namen gab (Beim Judentor); Das alte Judenviertel hatte bis 1421 vier Tore, die man alle Judentore nannte. Sie standen am Beginn der Wiltwerkerstraße (Wipplingerstraße) gegen den Hohen Markt zu, an der Hohen Brücke, am Ende des (später Hofgässel genannten) Gässchens gegen den Platz Am Hof zu (Färbergasse) und am Ausgang des Schulhofs. Ein fünftes, beim Stoß im Himmel, hatte man schon 1380 vermauert.

Es kommen aber auch die Bezeichnungen dieser Straße wie Hinter dem Meierhof der Schotten, oder Im Winkel zunächst der Stadtmauer (1435) vor. Als 1568/1569 in dieser Gegend das kaiserliche Arsenal (Zeughaus) errichtet wurde, endete die Wipplingergasse als Sackgasse bei der Renngasse; nach der Demolierung des Arsenals (1870) kam es zu einer Neuparzellierung bei gleichzeitiger Veränderung der Richtung der Wipplingerstraße.

In dieser Straße haben z.B. Schubert, Mozart gewohnt. Es gibt zwei prominente Gebäude in dieser Straße. Einerseits das Alte Rathaus und andererseits die Böhmische Hofkanzlei. Und die bemerkenswerte Hohe Brücke soll auch nicht vergessen werden.

Bis zur Eröffnung des Neuen Rathauses 1883 war dies das Wiener Rathaus Es handelt sich bis heute um ein städtisches Amtsgebäude, vor allem für die Bezirksvorstehung und Bezirksvertretung des 1. Bezirks. Dieses Haus mit 1298 gestifteter Kapelle (Salvatorkapelle) stammte aus dem Besitz der angesehenen Bürgerfamilie der Haimonen. Otto II. (erwähnt ab 1275, gestorben 1333) war wiederholt Stadtrichter, nahm jedoch 1309 am Aufstand gegen die Habsburger teil, wurde nach dessen Niederschlagung verbannt und verlor seinen Besitz durch Konfiskation. Auf Ersuchen der Bürgerschaft überließ Friedrich der Schöne 1316 der Gemeinde das Gebäude. Diese dürfte das Haus jedoch erst nach Ottos Tod 1333 als Rathaus genutzt haben, weil man nach Ottos Rehabilitierung mit einer Rückforderung rechnete. Restitutionen haben Wien immer wieder, bis in unsere Zeit beschäftigt.

1705 nahm im (Alten) Rathaus die Wiener Stadtbank ihren Betrieb auf (Stadtbanco). 1741 schuf Georg Raphael Donner (auch verantwortlich für den so genannten Donner Brunnen am Neuen Markt) den Brunnen im Hof (Andromedabrunnen). Im Großen Ratssaal nahm 1907 die 1905 gegründete Zentralsparkasse der Gemeinde Wien den Geschäftsbetrieb auf (die beiden Ratssäle samt Zugang werden heute von der Bank Austria für Veranstaltungen benutzt). Dort konnte ich diverse interessante Vorträge hören. Im prunkvoll ausgestatteten Ratssaal durfte ich eines meiner Bücher vorstellen.

Zur Böhmischen Hofkanzlei werde ich Ihnen einiges zu berichten wissen, sobald wir uns gemeinsam auf den Judenplatz begeben.

Aber nur noch ein paar Worte zur „Hohen Brücke“. Zur Römerzeit stand an der hohen Brücke der linke westliche Torturm des Legionslagers – die sogenannte Porta Principalis Sinistra. Im Tiefen Graben floss ursprünglich der Ottakringer Bach, später ein Arm des Alsbachs, der nach der Ableitung des Ottakringer Bachs in dessen Bett geleitet worden war, zur Donau. Im 15. Jahrhundert bestand die Hohe Brücke aus einem aus mächtigen Mauern konstruierten steinernen Spitzbogen, der mit Moos bewachsen war. Da die alte Brücke Risse und Sprünge aufwies und auch die Wipplingerstraße verbreitert werden musste, wurde sie 1857/1858 durch einen neugotischen Bau ersetzt. Da die 1858 errichtete zweite Brücke dem gestiegenen Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen war, wurde sie 1903/1904 neu erbaut. Seither wurde sie bereits zwei Mal generalüberholt. In einem der Eckhäuser dieser Brücke wohnten sehr liebe Freunde von uns, in deren Wohnung wir viele fröhliche Stunden bei hervorragendem Essenverbracht haben.

Sie sind uns beide schon vorausgegangen!

Ein Wiener Spaziergang