Ein paar Gedanken zu „Sirenen“

Sie heulen – derzeit aber nur probeweise

Heute findet wieder ein Zivilschutz-Probealarm statt. Zwischen 12:00 und 12:45 Uhr heulen die Sirenen, um die technischen Einrichtungen zu testen und die Bevölkerung mit den Signalen vertraut zu machen. Im Einsatz sind über 8.200 Feuerwehrsirenen in ganz Österreich, die die drei Zivilschutzsignale „Warnung“, „Alarm“ und „Entwarnung“ ausstrahlen.

Tu felix Austria – ein Land, in dem die Menschen erst mit der Sirene vertraut gemacht werden müssen. In meiner Generation war das anders! Aber dazu später.

Eine Sirene ist in der griechischen Mythologie ein meist weibliches, in Darstellungen bisweilen bärtiges Fabelwesen (Mischwesen aus ursprünglich Mensch und Vogel, später auch Mensch und Fisch), das durch seinen betörenden Gesang die vorbeifahrenden Schiffer anlockt, um sie zu töten. Über das Aussehen der Sirenen berichtete Homer ebenso wenig wie über ihre Namen oder Herkunft. Es gelang sowohl Odysseus als auch Orpheus, an der Sirenen-Insel vorbei zu segeln, ohne ihrem betörenden Gesang zu erliegen. Laut Homer lockten die beiden auf einer Insel wohnenden Sirenen Seefahrer nicht nur durch ihre bezaubernde Stimme an, sondern vor allem durch ihre Fähigkeit, alles auf Erden Geschehende zu wissen und offenbaren zu können. Das erscheint mir recht nachvollziehbar, wenn man ihrem Gesang nachgibt. Folgten die Seeleute ihnen aber auf die Insel, waren sie verloren und starben.

Eine Sagenversion erzählt, dass die Sirenen sich auf Aufforderung von Hera in einen Wettstreit mit den Musen, wer schöner singen könne, einließen, aber unterlagen. Dabei mussten sie „Federn lassen“, aus denen sich die Musen Kränze flochten. Erst in der hellenistischen Zeit findet sich die Sage, dass die Sirenen nach einer Niederlage Selbstmord verübten. Danach konnten sie nur so lange leben, wie sie imstande waren, jeden vorbeifahrenden Seemann durch ihren Gesang zu verlocken und so dessen Untergang zu bewirken. Nachdem sie an Odysseus gescheitert waren, stürzten sie sich ins Meer und starben.

In der moralischen Mythendeutung des antiken und mittelalterlichen Christentums galten Sirenen als Verkörperung der von Frauen und Männern ausgehenden gefährlichen Versuchung und der zu Sinneslust verführenden weltlichen Reize. Man erblickte in ihnen ein Symbol der Bedrohung, vor dem es sich in Acht zu nehmen galt: „Lasst uns also vor der Gewohnheit fliehen, lasst uns vor ihr fliehen wie vor einer gefährlichen Klippe oder dem Drohen der Charybdis oder den Sirenen, von denen die Sage erzählt!“. Später wurden Sirenen gar als Huren bezeichnet – ihre Flügel symbolisieren demnach ihren oftmaligen Partnerwechsel, und mit ihren Klauen hinterlassen die Weggeflogenen Verwundungen. Ein trauriger Abstieg!

Heutzutage ist die Sirene eine Einrichtung zur akustischen Alarmierung oder Warnung, in der Regel durch einen charakteristischen an- und abschwellenden Heulton. Im öffentlichen Bereich werden Sirenen für die Alarmierung der Feuerwehr oder für die Warnung der Zivilbevölkerung im Katastrophenfall verwendet. Ihren Namen erhielt die Sirene im Jahr 1819 von Charles Cagniard de la Tour, der damit an die Sirene aus der Mythologie anknüpfte.

In einigen, meist ländlich geprägten Gebieten alarmieren Sirenen nach wie vor ehrenamtliche Kräfte der Feuerwehr zu ihren Einsätzen. Dort habe ich es oft erlebt, als wir noch unser Häusel in Niederösterreich hatten. Am eindrucksvollsten erlebte ich dies in einer Silvesternacht, als ein Holzstapel durch eine der abgeschossenen Silvesterraketen ein Brand geraten war – und das Feuer auf die umliegenden Gebäude übergriff.  In Städten aber und dichter besiedelten Regionen gehen seit den 1970er Jahren immer mehr Feuerwehren dazu über, auf die sogenannte stille Alarmierung mittels Funkmeldeempfänger und vereinzelt auch zusätzlich per SMS umzustellen. Aber ganz so leicht kann man sie doch nicht ersetzen, die Sirene, weil die „stille Alarmierung“ manchmal nicht funktioniert, wenn  der Strom ausfällt.

Noch immer, wenn ich heute den Sirenenton „Alarm“ höre, „rinnt es mir kalt über den Rücken“. Ich hab das alles noch im Ohr, beginnend vom „Kuckuck“, durch den die Hörer darauf hingewiesen wurden, dass im Drahtfunk wichtige Meldungen zur Luftlage zu erwarten waren. Während der Hochphase des Luftkrieges über dem Deutschen Reich wurde beim Beginn und während des Angriffes feindlicher Bomberverbände über den Rundfunk und später über den Drahtfunk laufend der Bevölkerung über den Stand der Kämpfe Meldung gegeben. Zwischen den Luftlagemeldungen dürften nur Pausenzeichen gegeben werden.

Zuerst wurde die Warnung als Zwei-Minuten-Heulton in den Anfangsjahren des Zweiten Weltkrieges über so genannte Luftschutzsirenen gegeben; ab Mitte des Zweiten Weltkrieges wurde er dann durch die Neuregelung der Luftschutzordnung auf eine Minute verkürzt. Dem zuvor setzte man dann die so genannte Fliegerwarnung ein: dreimal Dauerton von je zwölf Sekunden. Gegen Ende des Krieges wurde in Deutschland das Signal „akute Luftgefahr“, wenn eine unmittelbare Bedrohung des alarmierten Luftschutzortes vorhanden war, neu eingeführt. „Es besteht aus einem kurzen Alarmstoß, bestehend aus zwei Heulperioden der Sirenen von einer Gesamtdauer von acht Sekunden……Die Beendigung der „akuten Luftgefahr“ wird mit dem Signal „Vorentwarnung“ (dreimal wiederholter hoher Dauerton) angezeigt…..Endgültige Entwarnung erfolgt durch das bisherige Entwarnungssignal (eine Minute langer hoher Dauerton).“ Hörte man den Heulton – dann rannte man schon, und suchte den nächsten Luftschutzbunker auf. Abends musste das Gewand so hergerichtet werden, dass man es auch im Finstern fand und Anziehen konnte, um möglich rasch in den Luftschutzkeller zu kommen. Ja, und das Kofferl mit den Dokumenten und Wertsachen stand auch schon bei der Tür – um diesen Inhalt wenigstens retten  zu können, sollte das Haus Bomben abkriegen!

Vielleicht können Sie jetzt nachvollziehen, dass mich Sirenentöne verstören können – auch jetzt noch und selbst, wenn sie angekündigt sind.

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