In der Liturge des zweiten Fastensonntags spiel Abraham eine große Rolle. Und ich habe darüber nachgedacht, dass Abraham nicht nur bei Juden und Christen als eine bedeutende Persönlichkeit gilt. Denn sowohl im Judentum, Christentum und Islam (aber auch bei den Bahai) wird Abraham in den Heiligen Büchern genannt. Und darum bezeichnet man diese Religionen auch als Abrahamitische.
Aber ganz gleich werden Abraham und Ibrahim (des Islam) dann doch nicht dargestellt. Ibrahim gilt im Islam als einer der wichtigsten Propheten und als Begründer des monotheistischen Kults an der Kaaba in Mekka. Er wird in 25 Suren des Korans insgesamt 69-mal namentlich erwähnt, die 14. Sure ist nach ihm benannt. Der allgemeine Beiname von Abraham ist „Freund Gottes“. Er geht auf Sure 4:125 zurück, wo es heißt, dass sich Gott Abraham zum Freund nahm.
In den Suren der mekkanischen Periode wird beschrieben, wie Abraham zum Verkünder des monotheistischen Glaubens wird, gegen den Widerstand seines Vaters Azar, dessen Götzenbilder er zerstört. Daraufhin wird er von seinem eigenen Volk ins Feuer geworfen, aber auf wunderbare Weise gerettet. Dieses Wunder veranlasst einige der Landsleute, darunter auch Lot, sich zum Glauben an Gott zu bekehren. Abraham ist es auch, der Gott darum bat, Mekka zu einem geschützten Ort zu machen, damit seine Nachkommen als künftige Bewohner des an sich unfruchtbaren Gebietes im Schutz des Gottesfriedens ihren Lebensunterhalt finden können. Ähnlich wie in der Genesis wird berichtet, dass Abraham von Gott einer schweren Prüfung unterzogen wird, indem ihm aufgetragen wird, seinen Sohn zu opfern. Als Abraham die Bereitschaft zu diesem Opfer erkennen lässt, greift Gott ein; Abrahams Sohn wird durch ein Schlachtopfer abgelöst. Dieser Sohn, Ismael, wird zum Stammvater der Muslime.
Der Nomade Abraham ist eine der zentralen Figuren in der jüdischen Thora und auch im christlichen Alten Testament. Nach Noah und der großen Sintflut beginnt die Geschichte Abrahams und damit auch die Geschichte des jüdischen Volkes.
Abraham soll knapp 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung gelebt haben, also vor rund 4000 Jahren. Er stammt aus dem babylonischen Ur, einer reichen Stadt in einem fruchtbaren Tal im heutigen Irak. Doch Ur wird von feindlichen Truppen besetzt, weshalb Abrahams Familie nach Norden in die Stadt Harran flieht. Nun tritt Gott auf den Plan, erscheint Abraham und befiehlt ihm, seine Heimat zu verlassen. So beginnt die Wanderung Abrahams in das Gelobte Land Kanaan, das Gott ihm verheißen hat. Es soll das Land der Israeliten werden. Mit Kanaan ist im Alten Testament das gesamte Land westlich des Jordan gemeint. Heute umfasst dieses Gebiet sowohl Teile Israels als auch Palästinas. Es ist ein schmales Durchgangsland zwischen dem Mittelmeer im Westen und der syrischen Wüste im Osten. Im Süden befindet sich damals die Großmacht Ägypten.
Gott erscheint Abraham mehrmals und macht große Versprechungen: Seine Nachkommen sollen so zahlreich sein wie die Staubkörner auf der Erde und die Sterne am Firmament. Gott schließt einen Bund mit Abraham. Dieser soll seinem neuen Gott treu sein, ebenso seine Nachkommen. Als Zeichen des Bundes zwischen Abraham und Gott, als Beleg für den Glauben an den einen Gott, soll Abraham seine Nachkommen beschneiden lassen. Im Gegenzug wird Gott dafür sorgen, dass Abrahams Sippe nicht untergehen wird, sondern sogar einmal ein ganzes Volk werden wird.
Doch Abraham und Sarah sind irgendwann sehr alt und immer noch kinderlos. So alt, dass die inzwischen 70-jährige Frau Abrahams der Verheißung Gottes keinen Glauben mehr schenkt. Weil sie ihrem Mann kein Kind gebären kann, schickt sie ihre Sklavin Hagar zu ihm, damit Abraham mit Hagar Kinder zeuge. Aus der Verbindung mit Hagar bekommt Abraham einen Sohn, Ismael, den Stammvater der Muslime. Eines Tages erscheinen Männer bei Abraham und Sarah und das Paar bewirtet sie. Abraham erkennt plötzlich, dass es Gott selbst ist, der unter seinem Dach einkehrt. Die Männer sagen ihnen voraus, dass sie bald schon einen Sohn zeugen werden. Tatsächlich wird die inzwischen 90-jährige Sarah schwanger und bringt Isaak zur Welt. Bald stellt Gott Abrahams Glauben sehr auf die Probe, er will von ihm den ultimativen Treuebeweis: Abraham soll ihm seinen Sohn zum Opfer darbringen und töten. Abraham versteht die Welt nicht mehr, aber er gehorcht. Im letzten Moment hindert ihn Gott daran, seinen Sohn auf dem Opferaltar zu töten – hochzufrieden, dass Abraham Gott mehr liebt als sein eigenes Kind.
Dieser Sohn Isak zeugt Jakob, Gott kämpft mit Jakob einen harten Ringkampf, und er erhält den Namen Israel – „der, der mit Gott gerungen hat“. Jakob zeugt zwölf Söhne, die Begründer der Stämme Israels. Unter ihnen ist Josef, der von seinen Brüdern nach Ägypten als Sklave verkauft wird. Doch Josef macht in Ägypten Karriere und wird zum Berater des Pharaos. Als die Sippen seiner Brüder unter einer Hungersnot leiden, kommen sie zu Josef nach Ägypten. Josef vergibt ihnen und die Israeliten lassen sich in Ägypten nieder. Doch einige Generationen später werden sie von den Ägyptern unterjocht und versklavt. Einer von ihnen, Mose, wird mit Gott den Bund erneuern und die Israeliten schließlich aus Ägypten in die Freiheit führen.
Wenn sich vielleicht die jüdisch-christliche Geschichte Abrahams mit jener der Muslime in wesentlichen Punkten deckt (der alleinige Gott der mit den Menschen einen Bund schließt) entwickelt es sich bei den jeweiligen Söhnen dann doch einigermaßen anders. Vielleicht wohl auch weil die muslimische Geschichte Ibrahims erst erheblich später als dessen jüdisch-christliche geschrieben wurde.
Wesentlich ist vielleicht für die „damalige Zeit“, dass ein Vorbild geschaffen wurde, mithilfe dessen Menschenopfer durch Tieropfer ersetzt worden sind.
Dennoch sollten wir alle, die wir hier in Europa leben ob Juden, Christen oder Muslime unseres gemeinsamen Stammvaters gedenken – und Frieden untereinander halten.