Wie eine gut gemeinte Idee ziemlich schief gehen konnte

Die Veröffentlichung der Islam-Landkarte

Da gibt es eine Institution namens Dokumentationsstelle Politischer Islam, voller Name: Österreichischer Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischem Extremismus. Diese Institution wurde 2020 von der österreichischen Regierung aus ÖVP und Grünen eingesetzt und soll „den Politischen Islam wissenschaftlich dokumentieren und erforschen“. Sie ist ein Fonds im Sinne des österreichischen Stiftungs- und Fondsgesetzes 2015.

Im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen aus dem Jahr 2020 war die Einrichtung einer „Forschungs- und Dokumentationsstelle für Antisemitismus, für den religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam) und für den Rassismus im 21. Jahrhundert“ geplant gewesen. Ziel war laut dem Regierungsprogramm von 2020, in dem der Politische Islam im Sinne des politischen Extremismus als „Ideologien, die den Grundsätzen unserer Verfassung entgegenstehen“ definiert wird, die Schaffung „einer unabhängigen staatlich legitimierten Dokumentationsstelle für den religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam) zur wissenschaftlichen Erforschung, Dokumentation und Aufbereitung von Informationen über den religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam) sowie besseren Koordination der Präventions- und Aufklärungsarbeit.

Der Auftrag der Dokumentationsstelle wurde jedoch gegenüber dem Regierungsprogramm eingeschränkt. Dokumentiert und beforscht werden soll nun ausschließlich der „politische Islam“, seine Strukturen und entsprechende Parallelgesellschaften.

Die Aufgaben der Dokumentationsstelle sind laut Frauen- und Integrationsministerium (ÖVP) die folgenden:

„Wir wollen mit der Dokumentationsstelle Politischer Islam Netzwerke und Strukturen durchleuchten, die Nährboden sind für Extremismus, die Nährboden sind für diese extremistische Ideologie des politischen Islam. Beispielsweise Vereinsstrukturen oder auch soziale Medien oder auch im Bildungsbereich, im Bereich Kindergärten oder Schulen, wo wir in Österreich auch da und dort einen Einfluss aus dem Ausland – aus der Türkei, aus Saudi-Arabien, aus anderen Ländern – feststellen müssen.“

Vorbild für die Dokumentationsstelle als Bundesfonds war der Österreichische Integrationsfonds, sowie die Sektenbehörde und das DÖW (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands). Die Startfinanzierung betrug 500.000 Euro aus dem Budget des Integrationsministeriums. Zur Leiterin der Dokumentationsstelle wurde Lisa Fellhofer (ehemalige Leiterin des Teams Wissensmanagement und Internationales des Integrationsfonds) ernannt. Der wissenschaftliche Beirat wird von dem Religionspädagogen Mouhanad Khorchide (Universität Münster) geleitet. Mitglieder des Beirates wurden international ausgewählt, es sind auch Juristen, Religionswissenschaftler, Ethnologen. Historiker, Soziologen und Sozialwissenschaftler vertreten.

Im Dezember 2020 veröffentlichte die Dokumentationsstelle ein erstes Grundlagenpapier. Aufbauend auf vorhergehenden Veröffentlichungen zieht die Veröffentlichung den Schluss, dass Mitglieder der Muslimbruderschaft versuchten, sich an Schlüsselpositionen des muslimischen Teils der österreichischen Gesellschaft zu positionieren, um so einen möglichst großen Einfluss auf diesen, sowie auf den Rest der Gesellschaft zur Durchsetzung ihrer Ziele zu erlangen.

Bereits vor der Gründung der Dokumentationsstelle gab es politische Auseinandersetzungen und Kritik an der Regierung. (Kritik an der Fokussierung auf den „politischen Islam“ – samt fehlender Definition, gegenüber dem ursprünglich vorgesehenen, viel weiter gefassten Tätigkeitsfeld).

Im Mai 2021 präsentierte die Dokumentationsstelle eine Neuauflage einer „Islam-Landkarte“ von Ednan Aslan aus dem Jahr 2012, die bereits damals von einigen der erfassten islamischen Vereine kritisiert worden war.

Nur diese Islam-Landkarte unter „politischer Islam“ zu veröffentlichen, war wirklich keine besonders gute Idee. Es gab keine Differenzierung der Vereine, und nur durch „Lesen“ konnte man erfahren, zu welcher z.B. (türkischen) Vereinigung (Graue Wölfe, Milli Görüs etc.) ein Verein gehört. Und selbst daraus kann man noch keine Schlüsse zu „politischem Islam“ ziehen. Selbstverständlich war in diesem Zusammenhang die Sichtbarmachung von Namen von Vertretern dieser Vereine und deren Adressen eher gefährlich, und ich verstehe jene (Muslimische Jugend), die jetzt dagegen klagen.

Es ist schade, dass mit dieser Veröffentlichung viel „Porzellan zerschlagen“ wurde. Die Karte als Teil einer Studie über den politischen Islam, in differenzierter Form hätte durchaus sinnvoll sein können. Aber nur die Karte allein hat einfach derzeit keine sinnvolle Aussagekraft und hat demgemäß heftige Kontroversen ausgelöst, die man sich hätte sparen können.

Außerdem finde ich es schade, dass zwei so kompetente Religionswissenschaftler, die sich um einen „europäischen (moderaten) Islam“ bemühen, wie Khorchide und Aslan durch Veröffentlichung dieser Karte in Misskredit geraten sind. Dass die Universität ihr Logo von der Karte entfernt hat, war auch nicht gerader hilfreich.

Jetzt zerreißen sich viele Kompetente und auch viele viel weniger Kompetente dem Mund über diese Karte. Falsch war meines Erachtens nicht die Karte an sich, sondern ihre Veröffentlichung ohne Einführung, ohne Rahmen, ohne Definition des politischen Islam.

Wie eine gut gemeinte Idee ziemlich schief gehen konnte

Gedanken zur Seidenstraße

Der antiken aber auch der neuen.

Manche von Ihnen kennen das schon – ich habe eine Freundin, die in ihrem Leben sehr viel gereist ist, aber auch getreulich bei all diesen Reisen gefilmt hat und hinterher diese Filme auch bearbeitet hat (Karten dazugegeben, Texte gesprochen, und Musik unterlegt hat).

Und sie lädt mich dazu ein, diese Filme anzusehen.  Heute waren wir im Jahr 1988 auf den Spuren von Teilen der „antiken“ Seidenstraße. Es gab ja mehrere parallele Routen durch Zentralasien, und alle 6400 km umfasst auch keine organisierte Reise. Auf der antiken Seidenstraße wurde in westliche Richtung hauptsächlich Seide, gen Osten vor allem Wolle, Gold und Silber gehandelt. Nicht nur Kaufleute, Gelehrte und Armeen nutzten ihr Netz, sondern auch Ideen, Religionen und ganze Kulturkreise drangen ineinander ein und wanderten auf den Routen von Ost nach West und umgekehrt: hierüber kamen z. B. der Nestorianismus (aus dem spätantiken Römischen Reich) und der Buddhismus (von Indien) nach China. Allerdings wird in der neueren Forschung davor gewarnt, das Handelsvolumen (zumindest auf dem Landweg) und die Verkehrsinfrastruktur der verschiedenen Handelsrouten zu überschätzen. Was ich da heute von der „antiken Route“ gesehen habe, veranlasst mich anzunehmen, dass es sehr, sehr mühsam gewesen sein muss, auch nur Teile dieser Strecke zu bereisen.  Und auch 1988 war es mühsam genug, wie der Film zeigte, auch wenn ein Teil der Strecke Karakorum Highway heißt.  Also 1988 gab es jede Menge Erdrutsche, abgebrochene teilüberschwemmte Straßen und unsichere Brücken auf denen ein Fortkommen sehr mühsam war. Ich glaube, was ich da heute gesehen habe, war ein Zeitdokument, und die Städte werden wohl heute ganz anders aussehen, als damals.

Rufen wir uns in Erinnerung: General Zia, the U.S. Botschafter und Spitzen der pakistanischen Armee Pakistans kommen am 17. August 1988 bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz ums Leben.  Der Tod von General Zia beendete eine 11-jährige Periode militärischer Herrschaft.  Ihm folgt die elegante Benazir Bhutto, die die Wahlen im November gewinnt. (Die Reise meiner Freundin fand im Sommer statt).

In dem bei dieser Reise auch Peschawar auf dem Programm stand, kommen mir auch die dortigen Koranschulen in den Sinn. Die Zahl der Koranschulen in Pakistan hatte nach dem Einmarsch der Sowjets nach Afghanistan 1979 drastisch zugenommen. In den Medresen bekamen die Schüler (Talibs) eine (extremistisch) religiöse, ebenso wie eine militärische Ausbildung – um als junge Mudschaheddin in den Kampf gegen die Rote Armee im Nachbarland zu ziehen. 1996 übernahmen die radikalislamischen Taliban die Macht in Kabul. Die meisten Regierungsmitglieder des Ende 2001 gestürzten Regimes waren in pakistanischen Medresen ausgebildet worden.

Im Nachbarland Afghanistan herrschte Krieg – die sowjetische Intervention in Afghanistan fand zwischen 1979 und 1989 statt. Sie begann mit der militärischen Unterstützung der durch einen Putsch an die Regierung gekommenen afghanischen Machthaber durch die Sowjetunion gegen die zahlreichen Gruppierungen der Mudschahidin, die sich vor allem als Reaktion auf die Säkularisierung Afghanistans bildeten. Diese islamistischen Rebellengruppen wurden in der Folge politisch und materiell von den USA sowie einigen NATO-Staaten und Teilen der islamischen Welt unterstützt.

Aber die gezeigten Bilder dieser Reise waren phantastisch, vor allem die Landschaftsaufnahmen mit dem Hohen Gipfeln – wie z.B. dem Nanga Parbat. Die Gegend ist steinig, manche dieser Steine tragen Felszeichnungen, nur in den Tälern ist Landwirtschaft und damit Leben möglich. Vieles hängt vom Wasser ab, Reis und Getreide wird in Terrassen gezogen. Mir ist fast kein Wald aufgefallen.

Viele Namen von Orten habe ich das erste Mal gehört. An manche konnte ich mich erinnern, wie z.B. Taxila. Bei dieser Reise von Islamabad bis an die chinesische Grenze spielten Landschaft und Berge die Hauptrolle, Kultur und Geschichte waren dabei weniger vertreten.

Aber mit der Geschichte der Gegend habe ich so meine Probleme, wer waren diese Mogulkaiser, die diese Gegend beherrschten und wie weit haben sich ihre Reiche ausgedehnt. 

Aber statt mich um die „antike“ Seidenstraße zu kümmern, denn ihre größte Bedeutung hatte das Handels- und Wegenetz zwischen 115 v. Chr. und dem 13. Jahrhundert n. Chr. erreicht. Mit dem allmählichen Verlust römischen Territoriums in Asien und dem Aufstieg Arabiens in der Levante wurde die Seidenstraße zunehmend unsicher und kaum noch bereist. Im 13. und 14. Jahrhundert wurde die Strecke unter den Mongolen wiederbelebt; unter anderen benutzte sie zu der Zeit der Venezianer Marco Polo, um nach Cathay (China) zu reisen. Nach weit verbreiteter Ansicht war die Route einer der Hauptwege, über die Mitte des 14. Jahrhunderts Pestbakterien von Asien nach Europa gelangten und dort den Schwarzen Tod verursachten.

Ja, ich sollte mich lieber mit der heute von China geplanten Seidenstraße auseinandersetzen.   One Belt – One Road. Denn durch sie könnte uns Ungemach drohen. Ist die Neue Seidenstraße vielleicht eine geostrategische Jahrhundertidee, mit der China seine Ordnungsvorstellungen und Machtprojektion durchzusetzen entschlossen ist? Könnten dadurch Staaten, die sich an diesen Projekten beteiligen, zu Vasallen Chinas werden?  Und könnte auch heute durch die Einschleppung gebietsfremder Arten die Biodiversität beeinträchtigt und dadurch die Ökosysteme geschädigt werden?

Dabei ist doch Seidenstraße für mich ein so romantischer Begriff.

Gedanken zur Seidenstraße

Das Automatenbuffet – im Akademietheater

Diesmal nur im Fernsehen gesehen.

Ich muss etwas ausholen: es ist im Moment schwierig, an Theaterkarten zu kommen, ich bin das als Abonnement einfach nicht gewöhnt. Kaum hatte ich das erschienen Programm studiert und mir ausgesucht, was ich denn so sehen wollte (und auch mit meinem interessierten Enkel abgestimmt hatte) war schon fast alles ausverkauft. Ja, wir haben halt noch immer Corona-Zeit und es dürfen nicht alle verfügbaren Sitze verkauft werden.  

Im vergangenen Herbst, als alles noch über mein Abonnement ablief, habe ich aber ein Stück versäumt – und angenommen es später sehen zu können. Aber alles kam dann doch ganz anders – und da ich es nun im Fernsehprogramm angekündigt gefunden hatte (3SAT) habe ich beschlossen, jedenfalls darum nicht um Karten zu raufen und mir das Ganze im Fernsehen anzusehen.

Es geht um die Aufführung im Akademietheaters „Automatenbüffet“, von Anna Gmeyner. Meine Freundin hat es gesehen, und dazu gemeint: „Du hast nichts versäumt“, wir haben aber nicht ganz denselben Geschmack, was nun Theaterstücke anlangt.

Ich habe vorher, ganz gegen meine sonstigen Gewohnheiten auch nichts darüber gelesen, auch keine Vorschauen und Kommentare gesehen. Ich ließ das Stück nur „auf mich wirken“, gespielt war es hervorragend, aber leider, ich muss zugeben, mir hat das Stück leider „nichts gesagt“, ja ich habe es langweilig gefunden. Sollte damit gegen die Automatisierung bzw. Digitalisierung polemisiert werden?

War der Grund, die Aufführung uninteressant zu finden,  darin liegen, dass ich das Stück nicht live gesehen habe? Ich glaube nicht, das Bühnenbild war nicht so komplex, dass man eventuell verwirrt sein könnte und die Sprache war auch im Fernsehen klar und gut verständlich (bei den Schauspielern nicht weiter verwunderlich!).

Das Burgtheater schreibt dazu:

Der eigenbrötlerische Provinzbürger Adam verhindert gerade rechtzeitig, dass sich die unbekannte Eva in einem Teich das Leben nimmt. Er bringt sie ins Automatenbüfett, ein von seiner Gattin geführtes Restaurant, wo Speisen, Getränke und auch Musik auf Knopfdruck bestellt werden können. Unter der strengen Obhut Frau Adams treffen sich hier die Honoratioren der Stadt. Die Fremde entfacht sogleich die Fantasie der Männerrunde, und so wird es mit Evas Unterstützung für Adam ein leichtes Spiel, seine visionären Pläne zum Aufbau der Fischzucht-Industrie umzusetzen. Dem ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung dürfte nichts im Wege stehen, doch mit Evas kalkuliertem Einsatz von Gefühlen entlarvt sich auch die Doppelmoral der örtlichen Verantwortungsträger.

Anna Gmeyner wurde 1902 in Wien geboren und blieb wie ihre Bühnenheldinnen eine autonome Außenseiterin. In Berlin zur Zeit der Weimarer Republik arbeitete sie als Dramatikerin und Dramaturgin, das politische Exil führte sie nach Paris und London, wo sie Drehbücher und Romane verfasste. Die technischen Errungenschaften und das reaktionäre Bürgertum ihrer Zeit inspirierten sie 1932 zu ihrem ersten Stück AUTOMATENBÜFFET, mit dem sie auf den großen Bühnen in Hamburg, Berlin und Zürich Aufmerksamkeit erregte, bevor sie vor der nationalsozialistischen Verfolgung fliehen musste.

Im „Standard“ lese ich dazu:

Regisseurin Barbara Frey findet in ihrer Akademietheater-Inszenierung, die nach der Premiere und der Sonntagsvorstellung nun direkt in die Lockdown-Pause übergehen wird, indes einen überzeugenden zeitgenössischen Zugriff, der einerseits der Reproduktion immer gleicher Opferbilder ausweicht und der andererseits dem Soziotop einer abgewirtschafteten Kleinstadt einen faszinierenden Kunstmärchenboden mit Nordlichtern und puppenhafter Personnage bereitet. Jede Minute ist voller Spannung.

Diesen Gedanken kann ich mich gar nicht anschließen, es tut mir leid, aber spannend war’s für mich gar nicht. Das Drama wurde 1932 uraufgeführt. Es hatte zu seiner Zeit durchaus einigen Erfolg, wurde in Hamburg, Berlin und Zürich gespielt.

Die Inszenierung ist, wie das Stück selbst auch, durchgehend sehr komisch. Das kann ich aber hinwieder nicht nachvollziehen. Ich habe die Sache eher sehr traurig gefunden, Kälte und Armut wohin das Auge blickt, und die eventuelle Aussage der einzelnen handelnden „Neben“-Personen nicht verstanden. (Warum trägt man dauernd einen Sessel wie einen Rucksack auf den Rücken geschnürt, auf den man sich zuweilen niederlässt?)

Regisseurin Barbara Frey und Bühnenbildner Martin Zehetgruber dafür ein Bühnenbild gefunden: Das titelgebende Automatenbüffet, in dem das gesamte Stück spielt, besteht aus einer Rückwand aus lauter kleinen, beleuchteten Kästchen, in denen Bierkrügerl mit immer-steifem Plastikschaum stehen und deren Türen sich gegen Einwurf öffnen und dann schließen. Auch der Klavierspieler, eine lebende Juke-Box, sitzt in einem solchen, natürlich etwas größeren Kästchen, das er nur verlassen darf, wenn jemand Münzen einwirft.

Aus meiner vielleicht etwas zu laienhaften Sicht, ist das Stück nur aufgrund der Leistung der Schauspieler sehenswert.

Das Automatenbuffet – im Akademietheater

Prinzessinnentag 2021, Essen am Tulbingerkogel

Heute war Prinzessinnentag. Sie fragen sich, was das sein soll? Nun, das ist ein Tag rund um den Geburtstag einer meiner Enkeltöchter, der traditionell einerseits dem Schuhkauf gewidmet ist und dann andererseits mit einem gemeinsamen Essen – am Tulbingerkogel verbracht wird.

Über den äußerst erfolgreichen Schuhkauf lesen Sie unter: https://christachorherr.wordpress.com/2021/05/29/prinzessinnentag-2021-der-schuhhimmel-im-ballhaus/

Von der Berggasse fuhren wir durch den neunten, sowie den 19. Bezirk nach Neustift am Schwarzenbergpark vorbei (die Parkplätze dort waren schon sehr voll) und dort über die wunderschön angelegte recht kurvige, aber enge Straße Richtung Tulbingerkogel.  Es waren auch sehr viele Radfahrer unterwegs. Man kommt an Tafeln wie Scheiblingstein, Sophienalpe vorbei, die an die Ausflüge meiner Kindheit erinnern, besonders an die Kracherln, – mit Himbeergeschmack, die man in den dort gelegenen Wirtshäusern bekommen hat.

Der Wiener Wald ist in dieser Gegend derzeit unfassbar prächtig. Es sind die herrlichen hohen Buchen, die mir so gut gefallen, denn hier im Gegensatz zum südlichen Wienerwald mit seinen Föhren, gibt fast ausschließlich Laubwald. Und aufgrund des kühlen Wetters sind die Blätter noch wunderschöne lichtgrün – und vieles blüht gleichzeitig.

Der Tulbinger Kogel liegt am nordwestlichen Rande des Wienerwaldes. Mit seinen 494 m ist der nach Tulbing benannte Berg die höchste Erhebung im Bezirk Tulln sowie der gesamten nordwestlichen Kante zum Tullnerfeld. Die umfassende Aussicht auf rund 300 Berge der Ostalpen, inklusive Ötscher, Schneeberg und Großen Priel war uns zwar (wahrscheinlich) möglich, aber es war nur ein wenig dunstig.

Und es gibt auch „Geschichte“ zur Gegend: Wahrscheinlich war hier ein Standort von Römischen Leuchtfeuern, die erste Besiedelung erfolgte durch Forstarbeiter und später auch durch Steinbrucharbeiter. Traurig wurde es 1529 während der Ersten Wiener Türkenbelagerung, denn damals versteckten sich die Bewohner Tulbings im Jammertal (intermittierender Strom) am Tulbingerkogel; ein krähender Hahn verriet ihr Versteck und alle fanden den Tod. Zwischen 1880–1890 wurde der Tulbingerkogel zur Sommerfrische. Am jetzigen Standort des Berghotels Tulbingerkogel entstand ab 1880 aus einem Forsthaus allmählich ein Gasthaus. 1930 wurde an selber Stelle ein Luxushotel (für damalige Verhältnisse) errichtet. Es gab acht Zimmer mit privater Dusche und alle Zimmer wurden vom Gang einzeln beheizt. Die Gegend am und um den Tulbingerkogel wurde und wird aber auch landwirtschaftlich genutzt.

In dieses Restaurant dort sind wir schon lange Zeit und immer gerne gegangen – wir haben dort immer wieder gefeiert, Geburtstage, Hochzeitstage, wir sind aber auch „nur so“ gerne hingegangen, weil man gemütlich dort sitzen und wunderbar speisen kann. Auch an eine Bürofeier dort kann ich mich gut erinnern. Und immer wieder gab es Spezialwochen, die die Möglichkeit geboten haben, Neues, Spezielles zu kosten.

Wir konnten im Garten sitzen – immer wieder kamen zwar Wolken daher, immer wieder sah man auch irgendwo in der Ferne Regenschauer niedergingen, aber wir saßen im Halbschatten – es war nicht grad heiß, aber die Sonne, wenn sie dann doch immer wieder heraußen war, wärmte wunderbar.

Wir hatten große Schwierigkeiten das Richtige von der Speisekarte zu wählen, denn alles lachte uns an. Schließlich konnten wir entscheiden, vier unterschiedliche Vorspeisen und vier unterschiedliche Hauptspeisen zu nehmen, um davon dann rundherum kosten zu können. Meine Jakobsmuscheln waren selbstverständlich dabei, aber auch der wunderbare dicken Marchgelder Spargel, Lamm, Wild, Innereien, Artischocken. alles, was man sich an Köstlichkeiten um diese Jahreszeit vorstellen konnte.

Bei den Nachspeisen musste ich leider passen, aber ich durfte selbstverständlich auch bei den anderen kosten (es tat mir dann natürlich leid, dass ich keine eigene bestellt hatte, aber mehr als essen kann man halt leider nicht). Mein Favorit unter den Nachspeisen ist das Topfen-Sauerrahm Soufflé mit Erdbeermark.

Wir haben es genossen, wieder zusammen zu sein, wieder gemeinsam zu essen und zu trinken, wieder gemeinsam in einem Garten zu sitzen und den Rundblick zu genießen. (Nicht hinterher das Geschirr wegräumen zu müssen)

Es war ein wunderbares Geburtstagsfest!

Prinzessinnentag 2021, Essen am Tulbingerkogel

Prinzessinnentag 2021, der Schuhhimmel im Ballhaus

Heute war Prinzessinnentag. Sie fragen sich, was das sein soll? Nun, das ist ein Tag rund um den Geburtstag einer meiner Enkeltochter, der traditionell dem Schuhkauf gewidmet ist – sie ist ein echter Shoemaniac, und dann mit einem gemeinsamen Essen verbracht wird.

Diese Tradition gibt es schon lange, wir sind immer zum Wunderl nach Sollenau gefahren und hinterher auf den Tulbingerkogel. Vor allem hat früher auch noch sehr gerne mein Mann daran teilgenommen, er ist gemütlich mitten im Schuhgeschäft gesessen, dazu meist einen Prosecco geschlürft, hat meiner Enkeltochter zugesehen, welche (verrückten) Schuhe sie ausgesucht hat – und hat seine durchaus professionelle Meinung dazu abgegeben. Voriges Jahr ist dieser Tag Corona-bedingt ausgefallen.

Heuer war alles doch anders. Mein Mann kann leider nicht mehr teilnehmen. Die Firma Wunderl hat ein Pop-up Store in Wien eröffnet: Meine Enkeltochter war ein bisserl traurig, das „Hinausfahren“ hat doch irgendwie immer dazu gehört, aber wir sind dann doch in das Wiener „Geschäft“ gegangen.

Und das befand sich an einem durchaus bemerkenswerten Platz. Dem Ballhaus in der Berggasse 5. Die meisten kennen die Berggasse hauptsächlich aufgrund des Freud-Museums dort. Ich konnte dort als Kind im Winter noch Rodeln.  Aber ein Ballhaus? Erbaut wurde das Haus im Jahr 1824. Seine erste Verwendung fand es als klassisches Wiener Gasthaus, das gerne vom Wiener Bürgertum genutzt wurde. Früher einmal hieß es dieses Gasthaus Zum silbernen Brunnen, vormals Zum Schweizer. Als Ort der Lebenslust und des Genusses wurde die Berggasse 5 rasch bekannt und beliebt, und so wurde im Jahr 1870 der neobarocke Gartentrakt, das jetzige VIENNABallhaus, angebaut. 1890 war das brummende Lokal um den eleganten Gartentrakt erweitert worden. Es war auch nie ein Ballhaus gewesen, sondern der Gartenspeisesaal eines Gasthauses. In diesen Örtlichkeiten wurden 1895 auch die Naturfreunde gegründet – ein Ereignis, an dem unter anderem der spätere österreichische Kanzler Dr. Karl Renner maßgeblich beteiligt war.

Später nutzten ein Verlag, eine Buchdruckerei und ein Studentenkaffee den einst sehr beliebten Platz, bis er schließlich nur noch ein trauriger Schatten seiner selbst war.

Im Jahr 2016 wurde das brachliegende Gebäude neu entdeckt; sein Potential war gegeben. Der Ballsaal in Puppenformat war noch immer überzeugend. Drei Jahre, unzählige Auflagen, Ups and Downs und viele Hürden später konnte dann das VIENNABallhaus nach liebevoller detailgetreuer Renovierung als Top-Eventlocation wiedereröffnet und für die schönsten Seiten des Lebens buchbar gemacht werden.  Von außen ist an der Adresse Berggasse 5 nur ein schlichtes Biedermeierhaus zu sehen. Erst im Innenhof steht man plötzlich vor einem neobarocken Kleinod: einem schmalen, lang gestreckten, großflächig verglasten Saal, der neuerdings frisch in Weiß und Gold erstrahlt.

Als ich dort ankam, um die anderen Teilnehmerinnen des Prinzessinnentages zu treffen (Mutter und Tante der Prinzessin) war ich erstaunt, ob der vielen dort wartenden Menschen. Ich konnte mir die Schlange im Hausflur nicht ganz erklären, so viele Menschen wollen schicke Schuhe kaufen? – Naja, das Haus wird derzeit auch für Corona-Tests genutzt.

Wir kamen aber dann durch einen Hof/Garten in den bezaubernden Ballsaal mit viel verspieltem Stuck, Spiegeln und Leuchtern, und fanden ihn voller Schuhe und Taschen. Also doch wiederum der Schuhhimmel meiner Enkeltochter. Die Firma Wunderl erfreute sich sehr lange des Rufes besonders exquisites Schuhwerk aus aller Herrn Länder (besonders italienische hochwertige Markenschuhe anzubieten), die man in der Vielfalt in Wien nicht bekommen konnte. Diese Schuhe hatten auch ihren Preis.

Als nun die großen Kettenläden in Wien ebenfalls begannen, diese Marken anzubieten, ließ der Ansturm nach Sollenau einigermaßen nach – und das Einkaufskonzept der Firma wurde umgestellt. Es werden noch immer hochwertige, elegante, aber auch tragbare Schuhe, gefertigt von italienischen Meistern ausgesucht und hier angeboten. Diese Meister tragen allerdings nicht die „Großen Namen“ (wie z.B. Prada, Miu Miu etc.) und daher können die Preise wesentlich moderater gestaltet werden.  Auch ein On-line Handel wurde eingerichtet.

Wir haben ordentlich „zugeschlagen“, alle vier.  Wir konnten uns auch Zeit dazu nehmen, wir wurden hervorragend beraten und letztendlich fiel es uns schwer, irgendetwas zurückzulassen. Wir sind mit 12 Paar Schuhen – insgesamt abgezogen. (Ich habe wirklich vieles gesehen, das mir sehr gut gefallen hat, aber altersbedingt, muss ich halt darauf schauen, dass die Sohle dick, weich und nicht rutschig ist und ich mein Überbein auf einer Zehe dezent verbergen kann. Also keine Ansätze, keine Riemerln … man ist halt nicht mehr zwanzig!)

Um den Prinzessinnentag traditionsgemäß abschließen zu können, stand doch noch der Ausflug auf den Tulbingerkogel bevor.

Prinzessinnentag 2021, der Schuhhimmel im Ballhaus

Wieder überaus zufrieden im „Vestibül“

Der Frühling ist bei Weitem zu kühl, jetzt dürfen wir zwar endlich wieder in den Schanigärten sitzen – aber es ist zu kühl, zu windig und überhaupt, es schaut immer wieder nach Regen aus. Naja, dann müssen wir halt drinnen sitzen- mit entsprechenden Abständen und beim Hinein- und Hinausgehen mit Masken. Wir weisen artig unseren Impfpass vor, tragen uns in das Register ein – und freuen uns unbändig, unter diesen Umständen wieder unsere Freunde sehen zu können.

Allzu viele sind ja nicht im Lokal, aber – das wird schon werden, trösten wir uns (und wahrscheinlich auch die Wirte).  Liebe Freunde hatten mich ins Vestibül im Burgtheater eingeladen. Es ist auch drinnen wunderschön, also mit Marmor, sehr elegant – es war schließlich die kaiserlichen Kutscheneinfahrt und der angrenzenden Marmorsaal – für Kaiser Franz Josef, um ins Burgtheater zu gehen. Man sieht auch überall die verschlungen Initialen FJ. an den Wänden.  

Und da man schon so lange nicht in Restaurants gewesen ist, genießt man gleich auch in das Lesen der Speisekarte und vertieft sich drinnen.  Die Wahl fällt wirklich schwer.  Es gibt nämlich vieles, das ich mir sicher nicht selber machen kann. Die Zeit der Wahl wird etwas verkürzt durch das köstliche Brot (das eigentlich fast wie Buchteln ausschaut), geschlagene Butter, Olivenöl, Salzkapern und ein spezielles Salz, das einfach auch anders ausschaut, als jenes, das man so täglich zu Hause verwendet.

Ich entscheide mich für Wiener Schnecken, eigentlich eine Vorspeise, aber Wiener Schnecken, das ist doch wirklich etwas Besonderes. Ein Wiener Schnitzel, das auch angeboten wird, das kann ich mir doch selber machen (vielleicht nicht in der Qualität). Natürlich hätte mich auch das Lamm gereizt, aber mehr als essen kann man halt nicht. Und außerdem wollte ich auch noch eine Nachspeise (absolut köstliche Vanillekreation) essen können.

Wir haben Wein zum Essen getrunken. Ich musste feststellen, dass ich das überhaupt nicht mehr gewöhnt war, und daher recht bald einen kleinen Schwips hatte.

Trotz gutem Espresso nach dem Essen war ich einigermaßen müde. Aber kaum hatten wir das Lokal verlassen fanden wir einen Riesenwirbel vor dem Lokal vor. Die Feuerwehr stand herum, ziemlich viele Polizisten mit ihren Mannschaftswagen waren da, Teile des Gehsteigs waren abgesperrt.  Leider schon üblich gewordener Freitag-Nachmittag in der Stadt – eine Demonstration. Man ließ mich aber durch, ich wollte nämlich Theaterkarten für Juni kaufen (schon vieles ausverkauft) – ein paar habe ich noch ergattern können. Ich konnte nicht ausmachen, wofür oder wogegen demonstriert wurde.

Und als ich dann wieder herauskam fand ich heraus, wozu die Feuerwehr da stand. Ein Fiakerpferd lag – verendet, ob aufgrund eines Unfalls oder einfach aus Überlastung, Altersschwäche konnte ich nicht feststellen, in der Nebenfahrbahn. Es war schon traurig! Der Fiaker, also das Fuhrwerk ohne Pferde stand weiter hinten zusammen mit einem Lastwagen, der ihn wahrscheinlich abtransportieren sollte.

Naja, dennoch – schön war’s wieder Freunde zu treffen und miteinander essen zu gehen. (Wahrscheinlich musste man uns das erst durch Lockdowns entziehen, damit wir so etwas wieder richtig schätzen lernen)

Wieder überaus zufrieden im „Vestibül“

Neuer Artikel in der Ärgernisgreislerei

Es geht um den Stellenwert der Wissenschaft in unserer Republik

Dass es so gut wie keine „(Lockerungs-)Maßnahmen“ für Universitäten gibt, dass man auf die Studenten vergessen zu haben scheint, ist schon äußerst bedenklich.

Das ist eine Seite, ich möchte aber noch auf eine anderer zu sprechen kommen: und zwar auf die geplante – und von der Opposition abgelehnte – Datensammlung im Zusammenhang mit dem Grünen Pass. Der Ablehnungsgrund: Datenschutz, die Gefahr des „gläsernen Menschen“. Man fürchtete obrigkeitliche Einsicht und Erkennung einzelner Personen, aufgrund gespeicherter Merkmale.

Hinter diesem Wunsch nach Datensammlung stand aber nicht die Polizei oder andere „dunkle Mächte“, sondern die Wissenschaft, die an der Aufklärung der Fakten – auch im Zusammenhang mit Corona (besonders z.B. Long-Corona) – im Gegensatz zu Forschern in anderen Ländern damit über viel zu wenig Forschungsunterlagen verfügt.  

Durch diese Ablehnung – Verweigerung der Datenspeicherung – benachteiligen wir die Wissenschaftler, aber auch uns selber, alle, denn nur mit guter Datenlage können entsprechende Statistiken erstellt werden, Korrelationen erkannt werden und überhaupt ordentlich geforscht werden. Oft wurde während dieser Pandemie über diese schlechte Datenlage geklagt. Nun wurde – wohl aus politischen Gründen – wieder eine Chance verpasst.

Wir erwarten von unseren Wissenschaftlern, dass sie Sachverhalte aufklären, Ergebnisse bringen, die nützlich für uns alle sind und dass auch sie letztlich Nobelpreise einheimsen können.  Aber gleichzeitig entziehen wir ihnen die (Daten-)Basis, um ihre Schlüsse draus ziehen zu können.

Das wird nix!

Neuer Artikel in der Ärgernisgreislerei

Ich lerne wieder einmal dazu: was ist cancel culture

Ein neuer Begriff für bestehende Verhaltensweisen?

Man hat es wirklich nicht leicht als alter Mensch, kaum glaubt man, bei wenigstens bei den halbwegs gängigen Themen mitreden zu können, taucht flugs schon wieder ein neuer Begriff auf, mit dem man anfangs aber schon gar nichts anfangen kann.

Na gut, man will ja nicht von gestern sein und schaut einmal im „Dr. Google“ nach, in den Lexika, die bis vor kurzem noch herumstanden, findet man derartiges ohnedies nicht.

Es geht diesmal um „Cancel Culture“. Cancel Culture ist ein politisches Schlagwort, mit dem übermäßige Bestrebungen zum Ausschluss von Personen oder Organisationen bezeichnet werden, denen beleidigende oder diskriminierende Aussagen beziehungsweise Handlungen vorgeworfen werden.

Canceln wird oft in sozialen Medien betrieben und zielt auf einen Entzug von Aufmerksamkeit ab. Typischerweise geht es um Fragen sozialer Gerechtigkeit, dabei vor allem um Sexismus, Heterosexismus, Homophobie und Rassismus. Cancel Culture richtet sich vor allem gegen diejenigen, die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Hautfarbe als privilegiert angesehen werden. Hoppala, da sehe ich mich als Betroffene? Damit gehen in der Regel Beschuldigungen einher, die den Ruf der betroffenen Person schädigen können. Entsprechende Vorfälle haben vereinzelt auch zu Entlassungen sowie zur Absetzung von Filmen und Fernsehserien geführt. Der Begriff wird auch im Zusammenhang mit der Revision von als rassistisch wahrgenommenem kulturellen Erbe, wie zum Beispiel Denkmälern von Kolonialisten oder Blackfacing gebraucht. So besehen, geht es dabei bei uns z.B. um das Lueger Denkmal.

Cancel Culture ist ein politischer Begriff, der von den Gegnern dieser Tendenz geprägt wurde. Der Begriff gilt als ambivalent, ist umstritten und negativ besetzt und steht in der Tradition der Auseinandersetzungen um Political Correctness. Auf diesem Sektor habe ich ja einige Erfahrung. Oftmals richtet sich der Begriff gegen linke Politik bzw. gegen die Unterdrückung unpopulärer Meinungen an Universitäten und in sozialen Medien, wohingegen der Begriff seltener für rechte Politik gebraucht wird, die vor allem über Gesetzgebungsverfahren linke Ansichten zu ersticken versucht. Auch wenn das Phänomen „Proteste gegen andersartige Meinungen“ an sich nicht neu ist, so erlaubten es insbesondere die sozialen Medien stärker als zuvor, Debatten über die Angemessenheit von beispielsweise Handlungen und Kulturdenkmälern zu führen, die eine internationale Beachtung erreichen können, während Berichte über umgeworfene Statuen und Proteste offenbar den Eindruck einer „neue[n] Form von linker Aggression“ erweckten.

Cancel Culture wird als Gefahr für demokratische Grundrechte wie Meinungsfreiheit sowie Freiheit von Kunst und Wissenschaft gewertet und mitunter sogar mit Zensur in Verbindung gebracht. Wird wirklich eine jüngere Generation von Intellektuellen, Wissenschaftlern und Künstlern eingeschüchtert und traut sich nicht mehr, eine andere Meinung zu äußern. Lähmt wirklich der Trend, Menschen mit anderen Überzeugungen zu verleumden oder zu feuern, die Fähigkeit, kollektiv Probleme zu lösen?

Das am 2. Februar 2021 gegründete Netzwerk Wissenschaftsfreiheit aus über 70 festangestellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland will „Opfern der Cancel Culture seine Unterstützung“ anbieten und „unzulässig ausgegrenzte Sichtweisen in eigenen Veranstaltungen wieder ein Forum verschaffen, solange sie sich im Rahmen von Gesetz und Verfassung bewegen“.

2021 gründeten in den USA 200 Wissenschaftler vor verschiedenen politischen Hintergründen die Academic Freedom Alliance als Reaktion auf die Cancel Culture, die sie als Gefahr für die freie Gesellschaft und die Toleranz gegenüber Andersdenkenden sehen. Die Allianz möchte Hochschullehrer dabei unterstützen „zu sprechen, zu unterrichten und zu veröffentlichen, ohne Angst vor Sanktionen, Mobbing, Bestrafung oder Verfolgung“ haben zu müssen. Ich denke da konkret auch an die Auflösung von Universitätsinstituten den USA,  die sich mit römisch-griechischer Kultur befassen, die von manchen als Kolonialismus-begründend erachtet wird. Darüber habe ich aber schon geschrieben:   https://christachorherr.wordpress.com/2021/04/22/weg-mit-der-westlichen-zivilisation/

So, und jetzt lese ich, dass es in Schleswig-Holstein, im Kreis Segeberg, einen Ort gibt, dessen Name Negernbötel ist. 989 Einwohner hat das Dorf, eine neue Feuerwehrhalle, eine neue Siebanlage im kommunalen Klärwerk – und einen Namen, den die Grüne Jugend gern abschaffen möchte. Weil der Name „Negernbötel“ rassistisch sein soll. „Der Ortsname N***rnbötel enthält das sehr verletzende und rassistische N-Wort“, äußert die Grüne Jugend Segeberg und fordert: „N***rnbötel umbenennen!“ Welche „Nicht-Weißen“ haben sich an diesem Namen gestoßen?

Wo stehe ich jetzt, wenn ich das für un-notwendig halte im Zusammenhang mit cancel culture?  Ich warte einfach ab, bis ein neues Wort in der Sprache der deutschen Medien für all das auftaucht.

Ich lerne wieder einmal dazu: was ist cancel culture

Baschar al-Assad, Syrien, lässt sich derzeit wieder „wählen“

Kommentare zu seinem Vater, seiner Kindheit und seiner Frau

Vielleicht ist es sinnvoll, nicht nur die jetzige Situation zu betrachten, sondern sich die Geschichte der Familie Assad genauer anzusehen.

Der Vater: Hafiz al-Assad (* 6. Oktober 1930; † 10. Juni 2000), gehörte der Religionsgemeinschaft der Alawiten an, eine religiöse Sondergemeinschaft in Vorderasien, die im späten 9. Jahrhundert im Irak entstanden ist und zum schiitischen Spektrum des Islam gehört. Sie machen nur etwa 12 % der syrischen Bevölkerung aus. Als erstes Mitglied seiner Familie erwarb Assad eine höhere Schulbildung. Da die Familie nicht genug Geld für die Universität aufbringen konnte, besuchte er 1951 die Militärakademie. Dort wurde er – teilweise in der Sowjetunion – zum Piloten ausgebildet. Hafiz al-Assad entstammte einer angesehenen Grundbesitzerfamilie aus dem alawitischen Kernsiedlungsgebiet. Sein Vater Ali Sulaiman al-Assad (1875–1963) war einer von sechs Notabeln, die 1933 während der französischen Mandatszeit in einer Stellungnahme an den französischen Ministerpräsidenten Léon Blum die Beibehaltung des autonomen Alawitenstaates neben einem späteren unabhängigen Syrien gefordert hatten. Hafiz al-Assad Assad war verheiratet und hatte sechs Kinder.

Assad trat 1947 als Jugendlicher der panarabistisch-sozialistischen Baath-Partei bei. 1961 wurde in Syrien erfolgreich gegen die ägyptisch-syrische Union geputscht. Innerhalb der Baathpartei bildete sich nach der Machtübernahme ein Gegensatz zwischen dem politischen und dem militärischen Flügel der Partei. Der Militärflügel putschte 1966 und unter Assads und Dschadids Führung wurde der Präsident Amin al-Hafiz abgesetzt. Assad wurde nach dem Umsturz Verteidigungsminister. Die eigentliche Macht konzentrierte sich weiterhin in den Händen der Militärs. Am 16. November 1970 putschte Assad. Im Rahmen dieses offiziell als Korrekturbewegung bezeichneten Umsturzes ließ Assad seine Konkurrenten inhaftieren und ernannte Ahmed al-Chatib zum zeremoniellen Staatsoberhaupt. Am 12. März 1971 wurde Assad per Plebiszit zum Staatspräsidenten gewählt. Assad stützte seine Macht auf das Militär und den Geheimdienst der Luftwaffe. Unter Assads Regierung kam der Libanon 1976 unter syrische Herrschaft. Der Islamismus und die Muslimbrüder wurden unterdrückt, 1982 wurde ihr Aufstand beim Massaker von Hama blutig niedergeschlagen. An diesem Massaker war auch Assads Bruder maßgeblich beteiligt, Rifaat al-Assad (* 1937), der lange Syriens „Nr. 2“ war. 1983 putschte Rifaats Miliz (die Verteidigungsbrigaden) und Teile der Armee. Den folgenden Bürgerkrieg gewann der inzwischen herzkranke „Löwe von Damaskus“; sein Bruder musste ins Exil gehen.

Assad sah am Beginn seiner Herrschaft eine militärische Revanche gegen Israel als Hauptziel seiner Politik. In Folge eines ausgeprägten Personenkultes wurde in zentralen öffentlichen Plätzen der größeren Städte Bronzestandbilder des Präsidenten aufgestellt; Plakate mit seinem Porträt an den Hausfassaden und in jedem öffentlichen und privaten Umfeld waren allgegenwärtig. Die Plakate sind mittlerweile durch solche ersetzt, die Abbildungen seines Sohnes zeigen. Dieser Personenkult glorifizierte Assad als Vorkämpfer der von ihm als Ziele der arabischen Völker vorgegebenen Ideologien Sozialismus und Nationalismus. Im Ersten Golfkrieg zwischen dem Irak und dem Iran von 1980 bis 1988 unterstützte er den Iran, im Zweiten Golfkrieg von 1990 bis 1991 beteiligte er sich an der anti-irakischen Koalition. In den 1990ern näherte sich Assad dem Westen und den konservativen Regimen Arabiens an. Friedensgespräche mit Israel scheiterten jedoch. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beschuldigte Assad, dass unter seiner Herrschaft Tausende Syrer staatlichen Morden zum Opfer gefallen seien.

Baschar al-Assad vor Antritt der Regierung Syriens: Einige Monate nach Assads Tod im Jahr 2000 wurde sein von ihm als Nachfolger vorgeschlagener zweiter Sohn Baschar al-Assad mit 34 Jahren sein Nachfolger. Über Baschar al-Assads Kindheit und Jugend ist vergleichsweise wenig bekannt. Baschars damals recht einseitiges Gesichtsbild zeigte als Feinde böse und verschwörerische Kolonialmächte und Juden. Er erhielt keine militärische Ausbildung, sondern nahm ein Studium der Medizin auf. Er führte sein Studium nach einiger Zeit in London fort und durchlief im Western Eye Hospital eine Ausbildung zum Augenarzt. Neben seinem medizinischen Interesse gilt Assad auch als technisch begabt und entwickelte eine besondere Vorliebe für Computer. Mit Unterstützung Basils gründete er 1989 die Syrian Computer Society (SCS) und wurde deren Präsident. Die SCS hat sich die Verbreitung von Computern und Internet zur Aufgabe gemacht und fungiert seit Assads Machtübernahme als wichtige Kaderschmiede.

Anders als sein Vater und der als dessen Nachfolger ausersehene ältere Bruder Basil al-Assad war Baschar vor Basils Tod 1994 nie Teil des Personenkults um den Präsidenten. Im Gegensatz zu ihren älteren Geschwistern Basil und Buschra lernten Baschar und sein jüngerer Bruder Maher ihren Vater nicht mehr zu Zeiten kennen, als dieser noch nicht als nationaler Mythos angesehen wurde. Die Beziehung zwischen Baschar und seinem Vater nahm daran sichtlich Schaden und wird als „distanziert“ beschrieben. In öffentlichen und privaten Äußerungen bezeichnet Baschar ihn selten als „meinen Vater“, sondern spricht meist vom „Präsidenten Hafiz al-Assad“. Eigens für Baschar wurde am 10. Juni 2000 die Verfassung geändert und das Mindestalter für den Präsidenten von 40 auf 34 Jahre herabgesetzt. Assads ältester Sohn und eigentlicher Nachfolger Basil al-Assad war 1994 bei einem Autounfall gestorben.

Die Ehefrau: Asma al-Assad, geborene Asma (Emma) Fawwaz al-Achras, aus einer wohlhabenden sunnitischen Familie, ist eine in Großbritannien aufgewachsene syrische Finanzanalystin und seit 2000 als Ehefrau von Baschar al-Assad die First Lady Syriens. Es gibt drei Kinder aus dieser Ehe.

Die derzeitigen Wahlen in Syrien werden als weder frei noch fair bezeichne.

Baschar al-Assad, Syrien, lässt sich derzeit wieder „wählen“

Doch – noch immer – Corona

Werden wir die notwendige Herden-Immunität von 70% Geimpften und Genesenen erreichen? Wie?

Die Infektions-Zahlen purzeln, die Zahl der Geimpften steigt, man kann wieder Einkaufen und in Restaurants gehen und es wird über weitere Öffnungsschritte nachgedacht. Nirgends steht mehr die Ampel auf ROT (für mich ein wenig zu früh – wir haben doch noch keine Ziffern über die Auswirkung dieser Lockerung!) Noch immer gibt es nicht überall ausreichend Impfstoff für alle, die sich impfen lassen wollen (über die Föderalisierung der Impfung bin ich auch nicht glücklich – wieso geht es in manchen Bundesländern viel schneller – wahrscheinlich haben sie mehr Impfdosen bekommen – oder?). Aber mehr Impfstoff soll schon zugesagt worden sein.  

Klingt ja alles bestens – oder?

Aber nur ein kleines Beispiel, der Chef eines kleineren Mittelbetriebes hat für seine Mitarbeiter die Impfung für kommenden Samstag zugesagt bekommen – die Mitarbeiter müssen namentlich vorher bekanntgegeben werden. Die Mitarbeiter dieses Betriebes sind zum Großteil jung. Der Chef staunte, dass sich von denen nur die Hälfte impfen lassen will. Er hat nun seine eigene „Impfkampagne“ gestartet – also Aufklärung durch entsprechende Experten. Er macht das auch aus Eigeninteresse, denn wenn ein Teil seiner Angestellten nicht geimpft ist, müssen ALLE (Angestellte und Kunden) dort weiterhin Masken tragen, weil sonst sein Geschäft zum Cluster werden könnte.

Was bedeutet das nun aber für uns alle. Wollen sich wirklich nur 50% der Bevölkerung impfen lassen? Wollen sich weiterhin lieber diese „anderen 50%“ für jede Gelegenheit GRATIS testen lassen, um bei allem – nach 3-G Prinzip – dabei sein zu können. 

Auf diese Art werden wir die Pandemie aber nicht loswerden und im Herbst wird das Spiel mit Lockdown – und Lockdown-Lockerung munter weitergehen. Das erscheint mir aber sehr unbefriedigend.

Ich verstehe, dass man niemand dazu zwingen kann, sich impfen zu lassen (obwohl ich es mir für manche Personen in manchen Berufsgruppen wünschen würde). Ich verstehe auch, dass man auch niemand kündigen kann, sollte er die Impfung ablehnen. Ein Dilemma. Man könnte allerdings z.B. sobald alle jene geimpft sind, die dies wünschen, die Tests einfach nicht mehr gratis durchführen, wobei die Impfungen weiterhin gratis bleiben müssten. Eine Möglichkeit besteht, manche Services nur für 2-G zuzulassen, also nur für Genesene und Geimpfte, nicht aber für „nur“ Getestete.

Aber grundsätzlich bin ich mehr für „Belohnungen“ (als für Strafen). Mir gefällt die etwas skurrile Idee der Corona Lotterie. Im US-Bundesstaat Ohio startet nun eine Lotterie für Menschen, die sich gegen Corona impfen lassen. Ihnen winkt der Hauptgewinn von einer Million Dollar, und das jede Woche.  Das geschieht ab nun fünf Wochen lang jeden Mittwoch, und der Gewinner erhält jeden Mittwoch eine Million Dollar. Es sind aber in den USA auch Weltreisen und Stipendien zu gewinnen. Schon länger werden Amerikaner mit Einkaufsgutscheinen, Sporttickets, U-Bahn-Karten oder Freibier für die Bereitschaft belohnt, sich mit einem Stich immunisieren zu lassen. Nach Ohio hat auch Oregon eine Millionenlotterie gestartet. In Maryland kann man immerhin 400.000 Dollar gewinnen. In New York schlummern sagenhafte 5 Millionen Dollar im Jackpot. Am Montag kündigte zudem die Fluggesellschaft United an, dass sie unter ihren geimpften Kunden fünf Jahres-Freitickets für jeweils maximal 26 Trips zu beliebigen Zielen verlost. Denn man fürchtet in den USA die Herdenimmunität (ca. 70% Geimpfte) nichterreichen zu können!

Nach der ersten Impfwelle locken Staaten mit kuriosen Anreizen. Ob Geldgutscheine in Russland, Joints oder Donuts in den USA oder deutlich größere Freiheiten für Geimpfte – viele Staaten versuchen, möglichst alle Bürger und Bürgerinnen von einer Impfung zu überzeugen. Wie erfolgreich die Werbeaktionen tatsächlich sind, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Experten glauben, dass man überzeugte Impfgegner sicherlich nicht umstimmen kann, sondern in ihrer Haltung eher noch bestärkt. Aber Menschen mit einer abwartenden Haltung könnten laut Umfragen motiviert werden, sich immunisieren zu lassen.

Ich meine, dass breite, gute (vielleicht lustige) Aufklärung wohl der beste Weg ist, Menschen zu überzeugen, sich impfen zu lassen.

Doch – noch immer – Corona