Rund um Wachauer Marillen

Gestern hat mir eine liebe Freundin einen Korb Marillen aus der Wachau gebracht, frisch gepflückt – aus Dürnstein. Wachauer Marille ist eine geschützte Ursprungsbezeichnung für Marillen (Aprikosen) aus dem Gebiet der Wachau und einiger angrenzender Gemeinden Niederösterreichs. Wie haben sie mich doch angelacht, ich konnte nicht widerstehen, und habe umgehend einen Teil davon verzehrt (ja also besser: genossen). Der Name „Marille“ für Aprikosen ist bereits um das Jahr 1509 in der Wachau nachgewiesen. Ab 1890 erfolgte dort in großem Stil die Einführung der Marille als Ertragsobst. Seither ist der Marillenanbau ein traditionell wichtiger Erwerbszweig dieser Region. Bei der Wachauer Marille handelt es sich ausnahmslos um regionaltypische Sorten von Kegel-, Ananas- und Oval- bzw. Rosenmarillen. Hauptsächlich wird die Sorte „Klosterneuburger“ („Ungarische Beste“) angebaut.

Die Marille/Aprikose war in Armenien schon in der Antike bekannt und wird dort schon so lange angebaut, dass häufig angenommen wird, dass dies ihre ursprüngliche Heimat sei. Andere Quellen lokalisieren den genetischen Ursprung in China, und wiederum andere Quellen besagen, dass die Aprikose um 3.000 vor Christus zuerst in Indien kultiviert worden sei.

Traditionelles Anbaugebiet für Aprikosen ist unter anderem die ungarische Tiefebene. Die Türken besaßen zur Zeit ihrer Herrschaft über diese Ebene riesige Aprikosenplantagen, jedoch verödeten diese Gärten nach dem Abzug der Türken. Mit dem Obstanbau begann man in der Tiefebene erst wieder zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als sich diese Ebene aufgrund heftiger Sandstürme in eine einzige Sandwüste zu verwandeln drohte. Zum Binden des Flugsands erwiesen sich Aprikosenbäume als besonders geeignet, da sie nicht nur sandigen Boden, sondern auch Hitze und Trockenheit vertragen.

Das weltweit größte Anbaugebiet für Aprikosen liegt in der osttürkischen Provinz Malatya am Oberlauf des Euphrat. Dort werden die süßen Aprikosen entsteint und als ganze Frucht getrocknet. Mittlerweile stammen ca. 95 % der in Europa gehandelten getrockneten Aprikosen aus Malatya.

In Europa wurden Aprikosen lange Zeit für Aphrodisiaka gehalten. In diesem Zusammenhang tauchen sie auch z.B. in William Shakespeares Ein Sommernachtstraum auf. In China steht die Aprikose als Symbol sowohl für die weibliche Schönheit als auch für den Wunsch nach Kindern.

Bei uns isst man besonders gern Marillenknödel bzw. trinkt auch den guten Marillenlikör.  

Und dann gibt’s noch meine eigene Geschichte zu Wachauer Marillen und die stammt aus dem Jahr 1945. Wir – meine Mutter und ich – waren nach Kriegsende gleich nach Wien gekommen um nach unserer Wohnung und Habe zu sehen. Die Wohnung war nicht zerbombt, hatte nur Löcher in der Mauer und ausschließlich kaputte Fenster. Aber um unsere Nahrungsversorgung für den Winter zu sichern, fuhr meine Mutter zur Marillenerntezeit in die Wachau. Das sagt sich so leicht, war aber schwierig, denn Züge fuhren, wenn überhaupt, dann sehr unregelmäßig, waren total überfüllt. Also war es unmöglich, vorherzusagen, wann meine Mutter zurückkehren würde. Außerdem waren das Land und die Stadt von den Russen besetzt, deren Verhalten auch wenig vorhersehbar war. Die Reise meiner Mutter glich eher einer Expedition. Ich wurde einer Nachbarin anvertraut und fürchtete mich, ob und wann meine Mutter zurückkehren würde. Außerdem – ich war 10 Jahre alt – hörte ich in der Nacht ein Käuzchen rufen, und irgendwer hatte mir eingeredet, dass ein Käuzchenruf den baldigen Tod einer Person verkündete.

Also meine Mutter kam heil wieder zurück, beladen mit Koffern (und einem Rucksack) voll ziemlich reifer Marillen. Der Transport vom Bahnhof war schwierig, und nur gegen Überlassung von Marillen half ein Dienstmann meiner Mutter.

Ich kann mich gut erinnern, ich saß mitten im Vorzimmer und entkernte die süßen, reifen Marillen (wobei ein guter Teil „ins Kröpfchen und nicht ins Töpfchen“ ging). Die Kerne wurden sorgsam aufgehoben, später mit einem Hammer zerschlagen und die Kerne (die zwar eigentlich giftig sind – Blausäure ist enthalten) getrocknet und als Mandelersatz (für die wenigen weihnachtlichen Vanillekipferl) aufbewahrt. Meine Mutter verteilte inzwischen Marillen, an die Nachbarin, die auf mich aufgepasst hatte, an eine andere Nachbarin, die noch über einen beheizbaren Herd verfügte (Gas gab es nur stundenweise und war daher zum Einkochen ungeeignet), einer weiteren Person, die uns Holz zum Heizen des Herdes überließ. Jetzt wurde eingekocht, Zucker gab’s keinen, von Pektin oder Ähnlichem war nicht einmal die Rede.  Auch Gläser zum Abfüllen der Marmelade mussten zusammengeschnorrt werden, dafür wurde fertige Marillenmarmelade verlangt. Nur gut, dass meine Mutter so viele Marillen mitgebracht hatte – in den Koffern (!), im Rucksack etc.

Die Marmelade war natürlich nicht besonders haltbar, da der Zucker fehlte und auch kein Zellophanpapier zum Verschließen vorhanden war, aber sie war, genauso köstlich wie diese reifen Marillen und leider sehr bald aufgebraucht.

Marillenmarmelade zählt noch immer zu meinen Lieblingsmarmeladen!

Rund um Wachauer Marillen

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