Ich durfte heute wieder an einer Feuerbestattung teilnehmen, mit Priester, mit Musik (nicht aus der Konserve, sondern live), mit Kränzen und mit Blumen. Es war sehr feierlich, es war berührend. Der Sarg versank – nicht wie früher, als es in ein brennendes loch geschoben wurde. Manche Teilnehmer kamen zu spät. Sie hatten die Feuerhalle nicht gefunden. Feuerbestattungen sind noch nicht so „üblich“, dass alle die Stätte leicht finden können. Dass das Areal fast neben dem Schoss Neugebäude liegt, hilft beim Finden auch nicht besonders.
Ich gehe zu Begräbnissen – öfter – nicht, weil ich den Toten nahegestanden bin, sondern vielmehr den trauernden Hinterbliebenen. Ihnen gilt meine Anteilnahme, denn die Verstorbenen sind ja – meiner Auffassung nach – schon in einer besseren Welt, ohne Schmerzen, ohne Beeinträchtigungen.
Der Nachteil dieser Feuerhalle ist es, dass es mehrere “Räumlichkeiten“ gibt, wo derartige Verabschiedungen stattfinden können. Und in der großen Halle warten Menschen, bis sie im Gedenkbuch unterschreiben können, sie tratschen, sie lachen – ja so ist zwar das Leben, aber für Trauerfeiern findet man das halt doch unangemessen.
Das Wetter war dem Anlass angemessen trüb. Leicht regnerisch und für die Jahreszeit viel zu kühl.
Die „teure Verstorbene“, wie man so sagt, war die Frau eines Bürokollegen (daher waren auch andere Kollegen gekommen), die ich nur sehr „am Rande“ gekannt habe, von den Festen, zu denen die Partner mitgenommen werden, die sich aber dann oft nicht sehr wohl gefühlt haben, kannten sie doch „die anderen“ nicht so gut. Einige dieser Treffen fanden beim Drei-Kugel Schachinger in Sievering statt. Drei Steinkugeln vor dem Haus in der Sieveringer Hauptstraße 99 haben dem „Dreikugelhaus“ (auch „Dreikugl-Schachinger-Haus“ genannt) in Döbling seinen Namen gegeben. Mit einem Durchmesser von mehr als 40 Zentimetern sind sie „bei weitem die größten Türkenkugeln, die es in Wien gibt“. Aus welcher der Türkenkriege sie stammen, konnte ich leider nicht eruieren. Mein Mann hat sich immer geweigert, zu Festen zu kommen, an denen ich teilnehmen sollte und er „die begleitende Person“ gewesen wäre. Mir war’s manchmal einigermaßen peinlich, denn während eine begleitende Ehefrau etwas “Normales“ war, war dann der begleitende Mann eher die Ausnahme. Auf Dienstreisen nahm ich meinen Mann auch erst mit, als ich sehr unruhig gewesen wäre, ihn allein zu Hause zu lassen (als er nämlich schon behindert war).
Interessant für mich war dann eigentlich die Eloge über die Verstorbene. Sie muss in etwa nur etwas älter als ich gewesen sein, aber sie hat ein sehr „europäisches Schicksal“ erlitten. Geboren in Mähren, die Eltern waren Seidenweber, beide berufstätig, das Kind viel sich selbst überlassen. 1945 Vertreibung, Neubeginn der Familie in Bamberg. Es sagt sich so leicht, aber so leicht kann es nicht gewesen sein, der Verlust der Heimat, des Gewerbes und Einkommens der Eltern, Wechsel der Schule … Aber dann dennoch die Beendigung der Ausbildung zu Lehrerin, Ausübung des Berufes.
Dann Verehelichung mit neuerlichem Wechsel des Wohnsitzes – Aufgabe des Jobs. Dafür Übernahme von Nachhilfeschülern – von denen einige bei der Feierlichkeit in der Feuerhalle anwesend waren. Eine stets hilfsbereite Frau, warmherzig und positiv dem Leben gegenüberstehend.
Es wurde nicht erwähnt, mit zunehmendem Altem wurde sie hilfsbedürftig – ihr dann schon pensionierter Ehemann kümmerte sich rührend um sie. Ja, sie waren miteinander wie Philemon und Baucis, nur der gleichzeitige Tod wurde ihnen nicht gewährt. Ihr Mann hatte in der Parte geschrieben: „Du bist mir vorausgegangen…“
Und als der Sarg hinuntersank, wurde ihre Lieblingsmusik gespielt.