Zum Czernin Viertel in der Leopoldstadt in Wien (zweiter Bezirk)

1439 wurde eine Holzbrücke zwischen dem ersten Bezirk und dem „Unterer Werd“ (zweiter Bezirk) gebaut. Dieser Ort bildete eine Art Insel, indem er von der Stadt durch einen Donauarm abgegrenzt wurde. Eben hierher wurden im Jahre 1623 die Juden aus dem Stadtzentrum verbannt und gründeten ihr Ghetto. Auf der „baumfreien Heide“, wie dieser Ort anfangs genannt wurde, entstanden bis zum Jahre 1669 136 Häuser und zwei Synagogen: „Alte Synagoge“ und „Neue Synagoge“. 1669 wurden die Juden auch von hier durch den Kaiser Leopold I. vertrieben, und der Name des Bezirks wurde von „Unterer Werd“ in „Leopoldstadt“ geändert. Leopoldstadt wurde auch „Mazzesinsel“ genannt – d. h. „Matzeninsel“, denn in den unzähligen Bäckereien konnte man dort die Matze/ungesäuertes Brot  kaufen. 1858 wurde die größte Synagoge Wiens fertiggebaut („Großer Tempel“ oder „Synagoge in der Tempelgasse“), welche zum Zentrum des jüdischen Lebens wurde.

Nach dem Zerfall der Habsburger Monarchie kamen ca. 60.000 Juden nach Wien, die hier nach ihrem Glück suchten. Das Schicksal war nicht für alle gnädig, in der Leopoldstadt gab es Armut und Reichtum nebeneinander. Aber genau hier, in der chaotischen Atmosphäre mehrerer Strömungen des Judentums, verschiedener Sprachen, Schulen und Meinungen, entstand ein sehr belebtes Zentrum des kulturellen und geistigen Lebens. Hier gibt auch heute Geschäfte mit koscheren Lebensmitteln, z.B. eines direkt in der Tempelgasse. Die Schilder erinnern an die hier früher stehenden Gebäude. Hier befinden sich zahlreiche jüdische Gebetshäuser, Institute, Zentren, Stiftungen.

Man findet auch hier viele Steine der Erinnerung: das sind unauffällige Tafeln in den Gehsteigen, verstreut im ganzen Bezirk. Sie erinnern an die hier vor dem Krieg lebenden Juden.

Um all das „hautnah“ erleben zu können, lohnt es die Czerningasse auf und ab zu gehen. Die Czerningasse im 2. Bezirk verläuft heute von der Praterstraße (Nestroyplatz, seit 24. November 1979 mit U-Bahn-Station) zur Franzensbrückenstraße. Die Gasse wurde amtlich am 2. Mai 1882 nach Johann Rudolf Graf Czernin von und zu Chudenitz, dem Angehörigen eines alten Grafengeschlechts, benannt. Die Familie Czernin war um das Ende des 17. Jahrhunderts im Besitz dieses Areals, besaß etwa dort, wo sich die Gasse zum ebenfalls 1882 benannten Czerninplatz erweitert, ein Gartenpalais und leitete 1813 die Parzellierung ein. Seither war die Bezeichnung Czerningasse nichtamtlich in Gebrauch; vorher hatte die Verbindung Schab-den-Rüssel-Gasse geheißen. Der Durchbruch der Gasse zur Franzensbrückenstraße erfolgte wesentlich später. Die Einmündung der Gasse in die Praterstraße wird seit 1932 als Nestroyplatz bezeichnet, um an das der Einmündung der Gasse auf der anderen Seite der Praterstraße gegenübergelegene, nicht mehr bestehende Carltheater zu erinnern.

Schab den Rüssel ist ein Märchen. Es steht in Ludwig Bechsteins „Neues deutsches Märchenbuch“. Ein Bettler geht trotz großer Menschenmenge leer aus, da will er den Teufel anbetteln. Der kommt im Jägerkleid, schließt einen Pakt mit ihm, und gibt ihm eine Raspel. Damit schabt er sich immer morgens den Mund und sagt „Schab den Rüssel“, wobei Goldstücke herausfallen. Davon wird er ganz wund und geht ständig bandagiert. Verspottet ihn einer, so fährt die Raspel, „Schab den Rüssel“, über dessen Mund. Die Leute meinen bald, er habe einen Goldmund, von dem er abschabt, so reich ist er. Er baut ein Haus, über dem Eingang steht „Zum Schab den Rüssel“. Nach sieben Jahren kommt der Teufel und will ihn holen, dem Pakt gemäß, doch er raspelt ihm auf dem Mund herum, bis er den Pakt aufgibt.

Zurück am Nestroyplatz biegt man in die Tempelgasse ein, benannt (1862 und neuerlich 27. April 1945) nach dem dortigen jüdischen Tempel (Leopoldstädter Tempel); 1938-1945 hieß diese Gasse: Mohapelgasse, nach dem nationalsozialistischen „Blutzeugen der Bewegung“ Josef Mohapel (1904-1925).

Her stand einst der Leopoldstädter Tempel, freistehend in der Mitte zwischen zwei Höfen. Es war das zweite große Synagogenprojekt Wiens nach dem Bau des Wiener Stadttempels und wurde 1858 feierlich eröffnet. Erstmals war es der jüdischen Gemeinschaft gestattet, ein Gotteshaus zu errichten, das nach außen sichtbar war. Im Stil des historisierenden Klassizismus, außen als Ziegelrohbau mit arabischen, maurischen und assyrischen architektonischen Formen gestaltet, bot der Leopoldstädter Tempel in seinem dreischiffigen Inneren Sitzplätze für über 2.000 Personen und 1.500 Stehplätze. Zu beiden Seiten lagen zwei vierstöckige Verwaltungsgebäude. Am 17. August 1917 wurde die Synagoge durch einen Brand verwüstet. Die Restaurierung dauerte bis zum Jahr 1921. Während des Novemberpogroms (früher Reichskristallnacht genannt) wurde die Synagoge zerstört, nur eines der zwei Verwaltungsgebäude blieb erhalten. Ein 1997 ausgeführtes „Memorial“ in Form von vier Stelen, von denen die beiden mittleren höher sind als die äußeren, erinnert heute an den Leopoldstädter Tempel. Erst 1948 kam die Israelitische Kultusgemeinde wieder in den Besitz des Gebäudes und sie errichtete ein Rückkehrer Heim für jüdische Displaced Persons. Am 10. Mai 1992 wurde das Sephardische Zentrum mit zwei Gebetsstätten in 2, Tempelgasse 7, eröffnet. Das Zentrum beherbergt eine bucharische und eine georgische Synagoge.

Ecke Ferdinandstraße/Tempelgasse befindet sich noch ein kleiner Park, genannt Veza-Canetti-Park. Veza Canetti (* am 21. November 1897 als Venetiana Taubner-Calderon; + 1. Mai 1963) war eine österreichische Schriftstellerin und Übersetzerin. Ihre Kurzgeschichten erschienen teilweise zu Lebzeiten in der Wiener Arbeiter-Zeitung und Neuen Freien Presse, jedoch nicht in gebundener Form. Auch schrieb Canetti Theaterstücke. Basierend auf ihrer Korrespondenz und Eigenaussagen wird spekuliert, dass einige ihrer nie veröffentlichten Werke von ihr selbst vernichtet wurden. Erst nach dem Tod ihres Mannes Elias Canetti, der sie posthum zur Mitautorin von Masse und Macht erklärte, erschienen ihre Kurzgeschichten in zwei Bänden Die gelbe Straße und Geduld bringt Rosen sowie ihr einziger Roman, „Die Schildkröten“, als Druck im Fischer Taschenbuch Verlag.

Das Czernin Viertel ist eine Gegend prallvoll mit österreichischer Geschichte, die in ihrer Vielfalt gar nicht in einem Blog untergebracht werden kann.

Zum Czernin Viertel in der Leopoldstadt in Wien (zweiter Bezirk)

Aus dem 4. Lockdown (November 2021)

Neulich habe ich mich wirklich geschreckt, als ich in der Früh aufgewacht bin, musste ich länger (!!) überlegen, welcher Wochentag wohl wäre. Sie sind alle so gleichförmig geworden, es gibt fast nichts, das einen Tag von dem nächsten unterscheidet. Ein winterlicher Lockdown ist noch trostloser, als einer im Frühling, in dem man sich mehr im Freien aufhalten könnte! Denn meist ist es „grau in grau“!

Jaja, Sie werden jetzt sagen, strukturieren sie ihre Tage, nehmen sie sich etwas vor.  Ja eh! Ich schreibe mindestens zwei „G’schicht‘ln“ für meinen Blog, das füllt schon einen großen Teil des Tages aus. Ich koche mir auch ein Mittagessen. Gestern z.B. war ich auf dem Friedhof. Es waren ganz wenige Leute dort unterwegs, ein Fahrradfahrer, ein Läufer, keine Autos, kaum „klassische“ Friedhofsbesucher. Es war halt recht kalt und sehr windig, sogar stimmungsvoll, dennoch suchte ich bald das Weite, einfach weil ich gefroren habe (hatte keine Kopfbedeckung mitgenommen). Aber als ich „unser Grab“ (derzeit nur von meinem Mann „bewohnt“) erblickte, hatte ich so etwas von einem „Heimkommen-Gefühl“, irgendwann werde ich auch dort begraben werden.

Sollte es demnächst regnen oder schneien, habe ich mir vorgenommen, eine Rundfahrt mit je einem Citybus zu machen. Sonst benutze ich sie ja kaum, denn alles „in der Stadt“ ist für mich zu Fuß zu erreichen. Sie sind auch meist nicht sehr voll. Noch etwas habe ich auf meiner „To-Do“-Liste für die Lockdown Zeit. Gestern habe ich von dem Czernin-Viertel im Zweiten Bezirk gehört – zum ersten Mal. Das werde ich demnächst aufsuchen.

Und sollten die Museen demnächst dann doch aufsperren, dann steht ganz oben auf der Liste das Jüdische Museum mit der Rothschild-Ausstellung.

Ansonsten werde ich versuchen besonders vorsichtig zu sein. Ich habe einen gesunden Respekt vor der Omikron Mutante. Denn mit deren Auftreten wurde uns die wieder die „Sicherheit“ geraubt, in der ich mich als Drei-Mal-Geimpfte gewiegt habe. Aber der Optimist in mir flüstert mir zu, dass wir vielleicht mit dieser Mutante auch Glück haben könnten: möglicherweise ist sie zwar sehr ansteckend aber in ihrer Auswirkung weitgehend „harmlos“. Na dann würden sich schnell viele Menschen anstecken (dabei nicht sehr krank sein) und prompt hätten wir die Herdenimmunität (ein grässliches Wort, ich sehe mich nicht gern als Teileiner Herde) erreicht. Vielleicht würde dann die Impfpflicht überflüssig … Und ich könnte mich wiedersicher fühlen und wir brauchten keinen Lockdown mehr.

Aber besser ist es, jetzt sehr vorsichtig zu bleiben! Leider! Ich versuche in Öffentlichen Verkehrsmitteln Abstand zu halt – das ist wirklich nicht leicht. Auf der Straße trage ich sie nicht, die Maske, aber sonst überall. Aber auch da gibt es Tücken, denn die Brillen laufen bei Temperaturwechsel sofort an und es dauert lange, bis man wieder ordentlich durchsehen kann (gefährlich z.B. bei Stufen in die U-Bahn). Und in der Straßenbahn kann man nicht lesen.

Aber es freut mich jedenfalls, dass der Nikolo kommen darf!

Fernsehen hilft mir nicht besonders, in Zeiten wie diesen. Besonders der ORF ist zuweilen recht enttäuschend. Auf einem Sender eine Show – die ich schon grundsätzlich nicht mag, und auf dem anderen Sender ausschließlich Sportberichterstattung. Beides nicht für mich. Ja, da gibt es noch ORF III und Arte, wo es zuweilen Interessantes zu sehen gibt. Aber Unterbrechung durch Werbung – auf den vielen anderen Sendern – ist mir ziemlich zuwider … Dann hätten wir noch Netflix, aber die endlosen Serien – mit erfundenen Personen – werden zuweilen ziemlich langweilig. Über echte Personen – das ist dann etwas anderes!

Aber nie hätte ich diverse Lockdowns überstehen können, wenn es keine Bücher gäbe! Ja, ich muss zugeben, ich lese viel „über Kindle“, d.h. ich kaufe Bücher über Amazon (das, seit „meine“ Buchhandlung zugesperrt hat, all die netten, kundigen Verkäufer dort andere Jobs suche mussten). Aber vertrauensvoll borgen mir Freunde oft Bücher, die sie gerne selber gelesen haben. Und Verwandte und Freunde schenken mir Bücher!  Erst gestern ist ein vorweihnachtliches Geschenk eingetroffen, über das ich mich besonders gefreut habe: „Die Romanows – Glanz und Untergang der Zaren-Dynastie 1630 – 1918“ von Simon Sebag Montefiori (über 900 Seiten). Ich freue mich deshalb besonders darüber, weil ich schon einiges von ihm gelesen habe: der junge Stalin, am Hof des roten Zaren und das grandiose Jerusalem (alle sehr empfehlenswert!). Sie werden ein Weilchen warten müssen, bis ich „die Romanows“ gelesen haben werde. Erst dann kann ich Ihnen darüber berichten.

Bis demnächst wieder!

Aus dem 4. Lockdown (November 2021)

Der Kampf um Kobalt und dessen Wichtigkeit für die Elektromobilität (und unser Klima)

Um unser Klima zu retten, oder vielleicht besser gesagt, seine Verschlechterung hintanzuhalten, sollen wir vermehrt auf Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb umsteigen. Diese Fahrzeuge benötigen starke Batterien.  Und zur Erzeugung der Batterien brauchen wir Kobalt. „Der mit Abstand wichtigste Verwendungszweck von Kobalt liegt im Bereich der wieder-aufladbaren Batterien“, so lese ich.

Die weltweit bekannten Cobalt-Reserven betragen 25 Millionen Tonnen. Die wichtigsten Erzlagerstätten befinden sich in der Demokratischen Republik Kongo und in Sambia, wo das Cobalt zusammen mit Kupfer auftritt, außerdem in Kanada, Marokko, Kuba, Russland, Australien und den USA.

Das Kobalt stammt aus der südwestlichen Region der Demokratischen Republik Kongo namens Kisanfu, in der sich eines der größten Kobaltvorkommen der Welt befindet. Der Kongo als Ganzes ist für die Produktion von über 70 % des weltweiten Kobaltangebots verantwortlich. 15 der 19 Kobalt produzierenden Minen des Landes sind inzwischen im Besitz chinesischer Unternehmen, die Kredite und Finanzierungen in Höhe von mindestens 12 Milliarden US-Dollar von staatlich unterstützten Institutionen erhalten haben. Die USA sind unterdessen ins Hintertreffen geraten – und haben sogar Kobalt-Assets verloren. Das ist die Bühne für einen großen Kampf um die Energie des 21. Jahrhunderts, mit Kongolesische Arbeitern und Anwohner sind mittendrin. Kongolesische Beamte haben einem dieser Bergbauunternehmen, China Molybdän, vorgeworfen, Zahlungen an die Regierung zurückgehalten zu haben. Während die Kobaltproduktion seit der Übernahme durch die chinesischen Firmen rasant angestiegen, beklagten sich mindestens ein Dutzend Mitarbeiter und Auftragnehmer in einer Mine von Tenke Fungurume über einen „drastischen Rückgang der Sicherheit und eine Zunahme der Verletzungen, von denen viele dem Management nicht gemeldet wurden“. Es gibt im Kongo Kinderarbeit in illegalen Minen, die unter mehr als fragwürdigen Bedingungen insbesondere von den Chinesen ausgenutzt werden.

Die Raffinade Produktion von Kobalt findet weltweit statt und betrug 2017 etwa 116.940 Tonnen. Hauptherstellerland ist China mit 69.600 Tonnen. Das machte 2017 einen Anteil von knapp 60 Prozent aus. China konzentriert sich dabei vorwiegend auf die Herstellung von kobalthaltigen Salzen und Chemikalien.

Die USA und China befinden sich möglicherweise auf einem Kollisionskurs um knappe Ressourcen, deren Folgen massive Auswirkungen auf die Entwicklungsländer haben könnten. Es geht bei diesem neuen Ressourcenkampf um Metalle und Mineralien, die schon derzeit, aber besonders in der Zukunft für Elektrofahrzeuge in stark steigendem Maße benötigt werden.

Aber Analysten und Experten warnen bereits vor einem kommenden Batteriemangel (für Elektrofahrzeuge). In den USA bereiten sich Elektroautohersteller wie Tesla bzw. auch Traditionsmarken wie General Motors und Ford darauf vor, ihren Kobalt- und Lithiumbedarf in den kommenden Jahren drastisch zu erhöhen, während sie die Elektrofahrzeugproduktion hochfahren. Werden die Chinesen ausreichend liefern, dass es nicht wieder zu Versorgungsengpässen kommt und die Produktionen stillstehen werden – und wo bleibt übrigens die europäische Autoproduktion dabei?  Es kommt derzeit schon zu einem Anstieg der Batteriezellenpreise bei gleichzeitig steigenden Rohstoffpreisen. Wenn die Länder ihren Weg zur Erreichung der erforderlichen Klimaziele fortsetzen, könnten Lieferungen aus bestehenden Minen bis 2030 nur noch die Hälfte des Lithium- und Kobaltbedarfs decken.

Als Antwort auf diese Schwierigkeiten hat Tesla den Kobalt-Anteil seiner Akkus auf mindestens 2,8 Prozent reduziert. BMW hat angekündigt, seine Rohstoffe einerseits selbst zu besorgen und andererseits vorwiegend aus Australien zu beziehen – und nicht mehr aus dem Kongo.

Rohstoffe wie Kobalt (und Lithium), die einmal im Umlauf sind, lassen sich bei intelligenter Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, mehrfach verwenden. Einziges Handicap: Es gibt noch nicht genügend Akkus aus alten Elektroautos, weil diese zu lange halten… und 2025 werden völlig kobaltfreie Batterien auf dem Markt sein, wird angekündigt.

(China, allerdings, dominiert den Markt für seltene Erden die für Motoren – die unabhängig vom Antriebssystem erforderlich sind.)

Aber der Umstieg auf Elektromobilität ist dringend erforderlich, ein Grund hierfür ist der Endenergieverbrauch: Derzeit hat der Verkehr einen Endenergieverbrauch von 800 Terawattstunden. Würde die Fahrleistung mit Elektroautos erbracht, würde sich dieser auf 200 Terawattstunden reduzieren, meinen Fachleuten.

Und es gibt einen weiteren Grund: es wird davon ausgegangen, dass ab 2025 mehr als die Hälfte des Öls bereits aus unkonventionellen Quellen gefördert werden muss, und das bedeutet aus Fracking, aus Teer Sand oder gar der Tiefsee. Schon 2030 werden es, so schätzt man, 80 Prozent aus unkonventionellen Quellen – mit all den Nachteilen in Sachen Umweltschutz, Transport und Emissionen sein.

Bisher scheint der weltweite Vorstoß in Richtung erneuerbarer Energietechnologien einem vertrauten Drehbuch zu folgen, mit einer Handvoll großer Akteure, die auf der globalen Bühne hart um die Gewinnung wertvoller Ressourcen konkurrieren, wahrscheinlich auf Kosten lokaler Gegebenheiten, besonders Ökologie und zu Lasten des Zusammenhalts der lokalen Bevölkerung.

Der Kampf um Kobalt und dessen Wichtigkeit für die Elektromobilität (und unser Klima)

Zum Thema: Israel Palästina, erster Teilungsplan 1947

ein noch immer ungelöstes Problem

Mich hat diese Auseinandersetzung schon lange interessiert, ich habe 2008 ein Buch über diesen Konflikt veröffentlicht: „Wessen Heiliges Land – Christen im Israel-Palästina Konflikt“. Wir haben 2019 die Gegend bereist, die die Probleme quasi „hautnah“ wahrgenommen. Aber mich hat dieser Konflikt auch mein Leben lang begleitet. 1947 war ich zwölf Jahre alt, heute bin ich 86 und der Konflikt schwelt noch immer.

Am 29. November 1947: Die UN-Vollversammlung beschließt den UN-Teilungsplan für Palästina, der den arabisch-jüdischen Konflikt auf dem Gebiet des Britischen Mandats Palästina lösen soll.

(Aber schon  1917, hatte der britische Außenminister Arthur James Balfour eine Erklärung an die britische zionistische Vereinigung übermittelt. Großbritannien betrachte „die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina mit Wohlwollen und wird sich nach besten Kräften dafür einsetzen, die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern.“ Das war die sogenannte Balfour Deklaration. Palästina lag damals noch im Osmanischen Reich!)

Der UN-Teilungsplan für Palästina wurde von der UN-Generalversammlung als Resolution 181 (II) angenommen. Die Resolution sollte den Konflikt zwischen arabischen und jüdischen Bewohnern des britischen Mandatsgebiets Palästina lösen. Die Resolution beinhaltete die Beendigung des britischen Mandats und sah vor, Palästina in einen Staat für Juden und einen für Araber aufzuteilen, wobei Jerusalem (einschließlich Bethlehems) als Corpus separatum unter internationale Kontrolle gestellt werden sollte. Die beiden neuen Staaten sollte eine Wirtschaftsunion verbinden und sie sollten demokratische Verfassungen erhalten.

Seit 1922 hatte der Völkerbund die Schaffung einer nationalen Heimstätte für Juden („Jewish National home“) in Palästina im Völkerbundsmandat für Palästina festgeschrieben. Verschiedene zionistische Organisationen, darunter die Jewish Agency, forderten nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust verstärkt einen eigenen Staat in Palästina.

Arabische Interessenvertreter favorisierten einen gemeinsamen Staat, der damals größere arabische Bevölkerungsanteile gehabt hätte, oder – im Falle einer Teilung – die Sicherung eines zum Bevölkerungsanteil proportionalen Teils des wirtschaftlich interessanten Gebiets. Weil es der Mandatsmacht Großbritannien nicht gelungen war, eine sowohl für den jüdischen als auch den arabischen Bevölkerungsteil annehmbare Lösung zu finden, beschloss die britische Regierung am 14. Februar 1947, das Palästinaproblem den Vereinten Nationen zu übergeben.

Laut Teilungsplan sollte der jüdische Staat zu etwa einem Drittel die kleine fruchtbar gemachte Küstenebene mit Galiläa und zu etwa zwei Dritteln das große unfruchtbare Gebiet der Negev-Wüste erhalten, zusammen 56,47 Prozent des restlichen Mandatsgebiets Palästina ohne Jordanien. Die Negev-Wüste konnte zu dieser Zeit weder landwirtschaftlich genutzt werden noch konnte man dort Städte errichten. Das Land, das für einen jüdischen Staat vorgesehen war, stimmte weitestgehend mit dem Land überein, in dem es auch eine große – wenngleich ohne Mehrheit – jüdische Bevölkerung gab.

Beinahe die Hälfte des Landes war zu diesem Zeitpunkt besitzlos, insbesondere die Regionen der unfruchtbaren Negev-Wüste, die etwa ein Drittel des Landes ausmacht. Etwa 47 Prozent des Landes waren in arabischem Besitz, etwa 6 Prozent des Landes hatten die Juden besessen oder erworben.

In dem vorgeschlagenen jüdischen Staat hätte es nach Angaben der jüdischen Einwanderungsbehörde eine Bevölkerung von 498.000 Juden und 325.000 Nichtjuden gegeben. In dem arabischen Staat hätten 807.000 Nichtjuden und 10.000 Juden gelebt. In der vorgeschlagenen Internationalen Zone hätten 105.000 Nichtjuden und 100.000 Juden gelebt. Palästinensische Quellen beziffern die Zahl der Nichtjuden jedoch weit höher.

Die arabischen UNO-Mitglieder lehnten den Plan ab. Neben der generellen Ablehnung eines jüdischen Staates geschah dies mit der Begründung, der Plan verletze die Rechte der Mehrheitsbevölkerung in Palästina, die zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich nicht-jüdischen Religionen angehörten.

Das Ende des britischen Völkerbundsmandates für Palästina am 14. Mai 1948, einem Freitag, um Mitternacht, führte zur Versammlung des Jüdischen Nationalrats in Tel Aviv um 16 Uhr, Erev Schabbat. David Ben Gurion verkündete in der israelischen Unabhängigkeitserklärung „kraft des natürlichen und historischen Rechts des jüdischen Volkes und aufgrund des Beschlusses der UNO-Vollversammlung“ die Errichtung des Staates Israel. Einige Stunden nach der Ausrufung des Staates Israel eröffneten die Armeen Transjordaniens, des Irak, des Libanon, Ägyptens und Syriens einen Krieg gegen Israel (Palästinakrieg, in Israel „Unabhängigkeitskrieg“). Israel gewann den Krieg und konnte bis zu seinem Ende im Januar 1949 erhebliche Geländegewinne verbuchen. Unter anderem kam der Westteil Jerusalems unter israelische Kontrolle. Gebiete der Westbank und Ost-Jerusalem gelangten unter die Kontrolle Jordaniens. Der Gaza-Streifen wurde unter ägyptische Verwaltung gestellt. Ein großer Teil der palästinensischen Bevölkerung floh aus den israelischen Gebieten oder wurde von dort vertrieben. Bis heute werden die Auswirkungen der Geschehnisse von 1948/49 von den Palästinensern als Nakba (Katastrophe) erinnert.

Nach Jahrzehnten voller Gewalt ist der israelisch-palästinensische Konflikt noch immer nicht gelöst. Immer wieder kommt es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, zahlreiche Friedensverhandlungen führten nur phasenweise zu einem Waffenstillstand. Offene Streitpunkte sind in erster Linie nach wie vor der israelische Siedlungsbau im Westjordanland (das im damaligen Teilungsplan nichtinkludiert war), der Grenzverlauf zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten sowie die Frage um einen eigenen Palästinenserstaat. Ein ewiger Streitpunkt ist auch Jerusalem.

Der Sechstagekrieg im Jahr 1967, in dessen Folge Israel den von Ägypten verwalteten Gaza-Streifen und das von Jordanien kontrollierte Westjordanland besetzte, hatte auch für den Status von Jerusalem gravierende Folgen. Israelische Streitkräfte eroberten sowohl die Altstadt als auch den Ostteil der Metropole. Erstmals kontrollierte Israel damit das gesamte Gebiet von Jerusalem.

Im Jahr 1980 beschloss die Knesset das so genannte „Jerusalemgesetz“, das faktisch Verfassungsrang hat. Darin wird das vollständige und vereinte Jerusalem als Hauptstadt Israels bezeichnet. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte das Gesetz in seiner Resolution 478.

Ich glaube, dass weitgehend der Wille zur Lösung des Problems fehlt, weil dieser „schwebende Zustand“ beiden Seiten die gedankliche Möglichkeit gibt, das ganze Gebiet einstmals allein beherrschen zu können.

Zum Thema: Israel Palästina, erster Teilungsplan 1947

Erster Adventsonntag 2021

Träumen vom Reisen – Reisen, die ich gemacht habe und Reisen, die ich noch gerne machen würde

Genau weiß ich nicht wieso, aber ich denke an „Reisen“. Ich weiß schon, real ist daran jetzt schon gar nicht zu denken, aber sich Gedanken darüber zu machen ist immerhin ziemlich erfreulich.

Ich habe mir überlegt, wie schade es eigentlich ist, dass wir meist in ein Flugzeug steigen, um von A nach B zu kommen. Besonders wenn es um Übersee-Reisen geht. Ja, Reisen mit Kreuzfahrschiffen haben sich eingebürgert, aber früher war das doch ganz anders, wenn man z.B. von Genua (oder Southampton – wie die Titanic) nach New York oder von Triest nach Shanghai (als Fluchtziel der Juden vor den Nazis 1938/1939) mit dem Schiff gereist ist. Die Seereise z.B. nach China dauerte einen Monat und war sehr kostspielig!

Früher sind die englischen Kolonialbeamten aber auch Militärs aller Grade von England per Schiff in die verschiedenen Kolonien gereist z.B. nach Indien. Ich erinnere mich an einen Film, in dem Engländer auf einem Schiff unentwegt Bridge spielen – und wie einer von ihnen aufstehen will, um den Suezkanal zu sehen, und von seine Bridgepartnern daran gehindert wird. (Wenn Sie sich vielleicht daran erinnern – bitte sagen Sie mir, wie der Film geheißen hat).

Es war ein geruhsames Reisen, wenn’s nicht gerade am Zwischendeck war, man hatte hinterher keinen Jetlag, denn der Zeitunterschied konnte langsam überbrückt werden. Für gesellschaftliche Unterhaltung war immer bestens gesorgt. Ein Problem konnte das Wetter darstellen, heftiger Wind und hoher Seegang konnten die schönste Reise für viele zum Albtraum werden lassen, denn die Seekrankheit ist alles andere als lustig.

Ich bin noch 1953 mit dem Schiff von Genua nach New York und von 1954 New York nach Genua gereist, ich war 18 bzw. 19 Jahre alt, und voller Erwartungen. Und sie wurden alle erfüllt. Die Reise dauerte 9 Tage, wir legten in Neapel, Barcelona an, wir passierten Gibraltar und später die Azoren (dort war das Wetter doch ziemlich rau), und liefen in den New Yorker Hafen ein, ein unvergessliches Erlebnis. Wir als Studenten waren zwar in der „dritten Klasse“ (aber eines Luxusschiffes, gebaut in Italien, genannt Andra Doria) untergebracht, wurden aber zwecks Unterhaltung der wenigen Passagiere der Ersten Klasse zu bestimmten Zeiten dort zugelassen (also nicht zu den Mahlzeiten).

Die Andrea Doria war mit drei auf Deck liegenden Schwimmbecken ausgestattet – einem für jede Klasse: Erste, Kabinen- und Touristenklasse. Auf zehn Decks konnte das Schiff 218 Passagiere der ersten Klasse, 320 der Kabinenklasse und 703 Passagiere der Touristenklasse befördern. Das Schiff wurde vielfach als eines der schönsten Passagierschiffe bezeichnet, die je gebaut wurden. Wohl kein Wunder, dass ich Schiffsreisen nachtrauere.

Ich muss überhaupt dankbar sein, für Reisen, die ich machen konnte, in Gegenden, in die man sich heute kaum mehr trauen kann. Da waren Reisen in den fast noch komplett unzerstörten Libanon, damals das Paradies des Nahen Ostens genannt. Und genauso konnte man dort auch leben. Wir konnten von Beirut mit dem Taxi Ausflüge z.B. nach Palmyra oder Damaskus machen. Wir waren in Byblos und in Baalbek, noch weitgehend allein.

Wir waren auch in Syrien, in Aleppo und neuerlich in Damaskus, wo durch den langen noch immer nicht beendeten Krieg so viel Schönes zerstört worden ist.

Wir kamen nicht nach Afghanistan, nicht in den Irak oder den Iran – das bedauere ich außerordentlich. Ich hatte für 2020 eine Reise nach Armenien und Georgien geplant, sie wurde auf 2021 verschoben und fand wieder nicht statt, ob es aufgrund von Corona abgesagt wurde oder ob eines neuerlichen Ausbruchs des Konflikts um Berg-Karabach weiß ich nicht. Die Reise wurde auf 2022 verschoben, aber jetzt fühle ich mich den zu erwartenden Strapazen doch nicht mehr gewachsen, abgesehen davon, ob diese Reise überhaupt stattfinden kann.

Aber es gibt ein Land, in das ich gerne noch einmal fahren würde – Marokko.  Noch einmal die Königsstädte (Fès, Marrakesch, Meknès und Rabat) sehen, noch einmal über den großen Atlas fahren, und diesmal vielleicht nicht nur am Rand der Sahara bleiben.  Nächte unter dem Sternenzelt zu verbringen und der Stille zu lauschen – das gehört zu den Träumen vom Reisen!

Jetzt gehe ich und zünde die erste Kerze auf dem Adventkranz an!

Erster Adventsonntag 2021

Zur Lage

Ich muss zugeben, dass ich diesen Lockdown, den vierten, eher auf die leichter Schulter genommen habe. Schließlich bin ich drei Mal geimpft, bevor ich „vulnerable Menschen“ getroffen habe, habe ich „gegurgelt“ (also mich getestet). Ich bin mir ziemlich sicher vorgekommen. Habe – wie viele von uns – gehofft, dass „der Spuk bald vorüber sein würde“, das heißt der Lockdown ginge dem Ende zu …

Ich habe mich wie viele andere über die ORF Gala Licht ins Dunkel geärgert. Bitte dort saßen „prominente“ Menschen unmaskiert(!) eng nebeneinander und ich darf nicht in meine Abonnementvorstellungen ins Theater oder ins Konzert gehen. Ich meine, dass sogenannte Prominente – wenn schon – dann Vorbilder in richtigem Verhalten sein sollten!

Aber es ist eh schon alles wieder anders. Jetzt kommt die Omikron Variante. Die SARS-CoV-2-Variante Omikron (englisch Omicron), B.1.1.529 ist eine Untervariante der Variante B.1.1 des Betacoronavirus SARS-CoV-2. Die Variante wurde am 9. November 2021 erstmals in Südafrika, Botswana und Hongkong identifiziert und erhielt am 24. November 2021 B.1.1.529. Sie wurde am 26. November 2021 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als besorgniserregende Variante eingestuft und mit dem 15. Buchstaben des griechischen Alphabets bezeichnet. Sie zeichnet sich durch eine hohe Zahl an Mutationen im Spikeprotein aus.

Angeblich habe diese Variante einen großen Evolutionssprung gemacht, sie könne eine verbesserte Übertragbarkeit haben und in der Lage sein, Teile des Immunsystems zu umgehen. Es ist (Stand 27. November 2021) noch nicht bekannt, ob die Variante Omikron schwerere oder leichtere Krankheitsverläufe verursacht als die bisherigen Varianten. Aber eine Infektion mit der Variante Omikron lasse sich mit den vorhandenen SARS-CoV-2-Tests nachweisen; die Identifikation der Variante selbst sei nur mittels Sequenzierung sicher möglich.

Die Unternehmen Biontech und Moderna starteten am 26. November 2021 Untersuchungen, ob die SARS-CoV-2-Impfstoffe der beiden Hersteller gegen die Variante ausreichend wirksam sind oder ob eine Anpassung erforderlich ist. Aber angeblich muss trotz ausstehender Laboruntersuchungen eine herabgesetzte Impfstoffwirkung „ernsthaft in Betracht gezogen werden“.

Es gibt schon einzelne Identifikationen in Europa.

Was heißt das jetzt? Mein „Sicherheitsgefühl“ ist wieder einmal erschüttert. Jetzt werde ich den Lockdown sehr sehr ernst nehmen. ÜBERALL Maske tragen, öffentliche Verkehrsmittel möglichst vermeiden, Treffen mit anderen Personen vermeiden. Also – die Gefahr ist eine solche, wie sie vor der Impfung gekannt hatten, so scheint mir.

Und wie sollen möglichst umgehend ALLE Geimpften mit einer speziell noch zu entwickelnden (wie lange kann das dauern?) Auffrischungsimpfung gegen OMIKRON wiederum geimpft sein werden. Das ist eine ordentliche logistische Herausforderung für alle Kommunen! Besonders dann, wenn die Impfpflicht für alle ab 1. Februar 2022 kommen soll.

Und bis dahin werden wiederum nur folgende Maßnahmen helfen: gutsitzende Masken, regelmäßiges Händewaschen, Abstand halten, verstärktes Lüften der Innenräume, Vermeidung von Menschenansammlungen, Impfung (sobald sie zur Verfügung steht).

Was heißt das wiederum für die Schulen? Home-Office wird wieder „Standard“ werden. Vorträge, Veranstaltungen werden alle wieder nur „on-line“ erfolgen, und wir werden uns kaum aus dem Haus wagen, egal, ob geimpft oder nicht. Wir sollten uns leider daran gewöhnen. Es wird nicht mehr – „wie früher“.

Ist das die ausgleichende Gerechtigkeit, die die gesellschaftliche Spaltung wieder reparieren kann? So haben wir uns da aber nicht vorgestellt!

Zur Lage

Familiengeschichte: eine wilde Spekulation oder Fakten?

Ich lese gerade ein sehr interessantes Buch, das mir wieder einmal zeigt, wie wenig ich von der außereuropäischen Geschichte weiß. Das Buch heißt „Agent Sonya“, von Ben MacIntyre. Es is zwar ein Roman, erzählt aber eine wahre Spionage-Geschichte aus der Zwischenkriegszeit und aus dem Zweiten Weltkrieg. Ich habe das Buch noch nicht zu Ende gelesen, bewege mich gerade so in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, in Shanghai.  Ich hatte wirklich keine Ahnung, wie es dort in er damaligen Zeit – in den ausländischen Gruppen – im Gegensatz zu der chinesischen Mehrheit zuging.

Vor allem hat mich das Engagement für die sowjetische Sache, das ja nicht nur in Shanghai damals groß war, sondern überall in Europa und den USA (Fellow Traveller) vertreten war, besonders in Deutschland, da ja da gerade Hitler und sein Faschismus groß wurden.

Und als ich da die Namen der beteiligten Journalisten las, ist mir eingefallen, dass meine Mutter öfters von einer amerikanischen Journalistin erzählt hat, die sie kennengelernt hatte. Leider habe ich damals nicht ordentlich aufgepasst (wer hat sich damals für die alten Geschichten der Eltern so besonders interessiert) und habe mir auch den Namen der Journalistin nicht vollständig gemerkt. Jetzt bilde ich mir aber ein, dass der Vornamen Dorothy gefallen ist.

Und jetzt habe ich im Internet nachgeschaut (Wikipedia sei Dank!)  und habe wirklich zwei Dorothys, Journalistinnen aus dieser Zeit gefunden. In dem oben genannten Buch angeführt ist eine Dorothy Parker, deren (leider kurze) Biographie keinen Aufenthalt in Wien enthält. Es gibt aber auch eine Dorothy – Thompson (* 9. Juli 1893, New York; † 30. Januar 1961 in Lissabon), eine amerikanische Schriftstellerin und Journalistin sowie Gründerin der „Weltorganisation der Mütter aller Nationen“ (W.O.M.A.N.). In der Zwischenkriegszeit ging Thompson als freiberufliche Korrespondentin für die Zeitungen Philadelphia Public Ledger und The New York Evening Post eine Zeitlang nach Wien.

Meine Mutter (1905 – 1990) hinwieder war von ihrer Stiefmutter schon mit 14 Jahren als „Hausmädchen“ in den „Dienst“ gegeben worden. D.h. dass sie im Haushalt dieser Familie lebte. Wo sie überall gedient hat, weiß ich leider auch nicht, aber die Rede war oft von einem „Herrn von Stein“. Da am Julius- Tandler-Platz 6 noch immer ein „Stiftungshaus – Stein“ steht, habe ich darüber einiges über die Familie Stein erfahren: Salomon Stein, 1844 in Jassy im Fürstentum Moldau (heute Rumänien) geboren, legte mit seinem 1863 in Kairo gegründeten Bekleidungsgeschäft den Grundstein für die später dominierende Stellung der Firma Stein im ägyptischen-österreichischen Bekleidungssektor. Ab 1869 in Wien nachweisbar, war er hier 1871–75 Inhaber der Fa. Salomon Stein, Produktenhändler. 1888 erhielt er mit seiner Familie die österr. Staatsbürgerschaft. Vor allem sein Sohn Doro Stein (11. 1. 1869 – 11. 12. 1940), der im neunten Bezirk am heutigen Julius-Tandler-Platz Nr. 6 1904 ein weitläufiges Verwaltungsgebäude als seine Zentrale errichtete, war es, der sukzessive in die Konfektionsbranche investierte und letztendlich zur überragenden Stellung Österreichs in diesem Bereich des Wirtschaftsaustausches mit dem Osmanischen Reich beitrug. 1888 erhielt er mit seiner Familie die österr. Staatsbürgerschaft. 1911 wurde Doro Stein mit dem Offiziers-Kreuz des Franz Joseph-Ordens ausgezeichnet. Die Kaufhäuser Steins gab es nicht nur in Kairo, sondern mit Stand 1914 noch in fünf weiteren ägyptischen Städten. Weiters verfügte Stein auch über eine Niederlassung in Saloniki. 1916 kam es zur Liquidierung des englischen Teils der Firma, während sich der österreichische Teil auf Heereslieferungen spezialisierte. Der Erste Weltkrieg und die damit verbundene neue Dominanz britischer Firmen in Ägypten hatten also den Niedergang des Warenhaus-Imperiums der Familie Stein eingeläutet, die 1938, mit der Besetzung Österreichs, zum völligen Niedergang führte. Doro Stein starb am 11. Dezember 1940.

Und während ihrer Dienstzeit im Hause Doro Stein, wo meine Mutter eine Lebensart vorfand, die ihr sichtlich sehr imponiert hat (und die sie mir später immer als vorbildlich empfohlen hat), könnte auch meine Mutter, damals Johanna Berger, diese amerikanische Schriftstellerin kennengelernt haben?

Ich weiß nicht, ob das alles eine wilde Spekulation ist, und auch, ob die Zeiten so wirklich zusammenpassen, aber leider ist heute niemand mehr am Leben, den ich befragen könnte.

Schade, dass ich nicht mehr gefragt habe!

Familiengeschichte: eine wilde Spekulation oder Fakten?

Ein virtuelles Geburtstagsfest

Mein verstorbener Mann wäre heute 89 Jahre alt geworden.

Ein Freund hat heute am Vormittag angerufen, ein anderer ein sehr liebes Mail geschickt. Ja, heute hätte mein verstorbener Mann seinen 89. Geburtstag gehabt. Ich freue mich, dass manche seiner Freunde noch an ihn denken. Eine Firma hat seinen Tod übersehen und ihm heute ein Geburtstagsmail geschickt. Tommy hatte sich so gewünscht, dass er neunzig Jahre alt würde.

Es ist aber leider bei 85 Jahren geblieben, wobei das bereits eine Gnade war, denn 25 Jahre nach seiner Gehirnblutung hat Tommy doch noch leben dürfen. Und er hat die Kraft gehabt, dennoch fast jeden einzelnen Tag davon zu genießen.

Das Feiern des Geburtstages hat er geliebt. Er hat sich über jeden Besuch, jeden Anruf gefreut, Geschenke waren ihm nicht einmal so wichtig. Es war auch schwer, mit den Geschenken, denn das, was er sich wünschte, hat er sich immer gleich selbst gekauft.  Das waren meistens Bücher. Nie ist er nach einem „Ausflug“, auch mit dem Rollstuhl, ohne neue Bücher nach Hause gekommen. Einmal konnte ich ihn mit einem Geschenk zum Geburtstag wirklich überraschen, ja sogar erfreuen. Mit einem Stehpult. Sehr gefreut hat er sich z.B. als seine Kollegen von der Zeitung „die Presse“ eine Spezialausgabe dieser Zeitung (nur für interne Zwecke) zu seinem Geburtstag zusammengestellt haben.

Sehr gefreut hat es sich immer über das Singen von „Happy Birthday“ etc. durch die Enkelkinder, am liebsten persönlich, aber auch durch das Telephon.

Aber das wichtigste an Geburtstagen war das Feiern, er hat sich gekränkt, wenn Familienmitglieder vergessen haben, ihn (zumindest) telephonisch, wenn schon nicht persönlich zu gratulieren. Runde Geburtstage (beim Älterwerden sogar „Halbrunde“) wurden groß gefeiert. Meist haben wir ein Lokal, oder einen Raum in einem Lokal (oft Heurigen) gemietet. Tommy hat akribisch die angebotenen Speisen überlegt und dann das Menü/Buffet zusammengestellt. Noch mehr Mühe machte er sich mit den Einladungslisten. Manchmal haben wir sogar Einladungskarten (natürlich beim Huber und Lerner) drucken lassen. Damals habe ich die Adressen aus seinem Kalender (dort führte man noch die Listen der Freunde und Bekannten mit Telephonnummern und Adressen) auf die Kuverts geschrieben, die wir dann verschickt haben. Tommy hat es nie gefallen, die Einladungen per Mail zu verschicken.  Manchmal wurde Tommy aber auch zu kleinen feinen Festen zu seinem Geburtstag eingeladen, von Politkern und Vertretern der Wirtschaft, da war ich dann nicht dabei, z.B. ins Palais Pallavicini.

Viele Freunde haben mich immer wieder gefragt, was sie ihm denn schenken sollten, und wunschgemäß (also den Wünschen meines Mannes entsprechend) habe ich immer gesagt: „Flüssiges Verzehrbares“, was dazu geführt war, dass es heute noch Flaschen gibt, die meinem Mann geschenkt wurden. Jetzt freuen sich meine Enkel, die teilweise bei mir wohnen, darüber).

Sein Sohn und seine Tochter waren selbstverständlich auch bei diesem Festen dabei, und mein Mann erwartete von jedem der beiden eine geschliffene Laudatio, was den beiden nicht immer große Freude gemacht hat. 

Eines von diesen Festen haben wir im Dachrestaurants des Justizpalastes gefeiert. Es war wunderschön auf das schon weihnachtlich beleuchtete Wien herunterzuschauen.  Da durften die großen Enkel schon dabei sein. Sie wurden auch den „Ehrengästen“ vorgestellt. Und einer meiner Enkel bezeichnete seine damalige Freundin (und jetzige Frau) ganz aufgeregt ob „der Ehre“, als meine „jetzige“ Freundin.

Ein anderes dieser Feste hat im Lusthaus im Prater stattgefunden, jenes zu seinem 60. Geburtstag. (Von dort ist mein Mann dann sofort zum Hofburgbrand gerast), aber es war ein Fest ganz nach seinen Wünschen gewesen, viele prominente Politiker waren gekommen.

Und im Jahr drauf, seinen 61. Geburtstag durften wir überhaupt nur ausnahmsweise feiern, denn mein Mann war nach seiner Gehirnblutung noch im Spital, er wurde im Rollstuhl ein einen Saal, den wir im AKH benutzen durften, gebracht, durfte nur ein halbes Achtel Wein trinken (also anstoßen), ein winziges Stück von der Torte kosten, denn er war auf Diät und es waren nur Familienmitglieder anwesend.  

Heute – wenn mein Mann noch leben würde, wäre er sicher empört über den Lockdown zu seinem Geburtstag und traurig, dass wir seine lieben Freunde (von denen auch schon einige verstorben sind) nicht einladen dürften, sondern schon ausladen müssten. Wahrscheinlich hätten wir dieses Fest für „zu Hause“ geplant gehabt …

PS: ich wollte nur hinzufügen, dass sich viel mehr „alte Freunde“ zu Tommys Geburtsag gerührt haben, als oben angegeben. DANKE! Das hat mich gefreut und gerührt!

Ein virtuelles Geburtstagsfest

In der Nacht vom 26. auf den 27.  November 1992 brannten die Redoutensäle der Hofburg aus

Wir sind sie bereits wieder gewohnt, die Bilder, die wir bei den Übertragungen aus dem Parlament sehen:  die Plenarsitzungen von Nationalrat und Bundesrat werden im Großen Redoutensaal der Hofburg abgehalten. Uns sind das Deckenbild und die 22 Wandbilder von Josef Mikl (gemalt 1992–1997) schon fast vertraut. (Mir haben sie anfänglich nicht gefallen, ich fand, dass sie nicht in diesen „ehrwürdigen“ Saal passten.) Eigentlich beachten wir den Saal, jetzt mit Plexiglaswänden für die einzelnen Abgeordneten ausgestattet, kaum, wir hören doch nur zu und beobachten die handelnden Personen. 

Ich habe noch den „alten Saal“ gekannt. Nein, nicht den ganz alten, aber jenen der bis zum Brand der Hofburg 1992 bestand. Dort fanden nach dem Krieg hinreißende Mozartopernaufführungen statt, als die Oper am Ring noch restauriert wurde. Aber dabei hat man den Saal an sich auch nicht besonders beachtet. Ich war auch noch bei einem Kaffeesiederball dort, und habe an einem Elmayer-Kränzchen mit meiner Enkeltochter teilgenommen.

Auch im Fernsehen habe ich den Saal gesehen:  bei dem Gipfeltreffen zwischen US-Präsident John F. Kennedy und UdSSR-Präsident Nikita Chruschtschow 1961. Und bei dem hier am 18. Juni 1979 von Jimmy Carter und Leonid Breschnew unterzeichneten Rüstungsbegrenzungsabkommen SALT-II.

Lange vor meiner Zeit konnte man dort die Uraufführung von Beethovens 8. Symphonie, Franz Liszt und Josef Strauss erleben.

Es war Maria Theresia, die ein Opernhaus aus dem 17. Jahrhundert umbauen ließ und damit die Redoutensäle geschaffen hat, gleichsam die Tanz- und Konzertsäle par excellence. Die Redoutensäle wurden immer wieder umgestaltet, etwa durch Verspiegelung der Fenster, Stuck und Goldleisten an der Decke oder die Einleitung der Elektrizität. 1973 baute man die Säle zu einem Kongresszentrum um.

In der Nacht vom 26. auf den 27. November 1992 entstand in der Hofburg ein Großbrand im Bereich der Redoutensäle am Josefsplatz. Es war die Nacht vor dem 60. Geburtstag meines Mannes, viel war er nicht zu Hause, in dieser Nacht.

In der Nacht auf den 27. November 1992 war ein Wachmann in der Wiener Hofburg auf seinem Rundgang, der ihn auf den Dachboden oberhalb der Redoutensäle führte. Zunächst bemerkte er Rauch, durch einen Schlitz der Aufhängung der großen Kristallluster in der Decke sah er Feuer. Mit einem Kollegen gab der junge Wachmann gegen 1.10 Uhr Alarm, zeitgleich schlug ein Rauchmelder in einer etwas von den Redoutensälen entfernten Dolmetscherkabine an. Drei Minuten später trafen die ersten Löschfahrzeuge ein. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, dass es der Beginn eines der größten Einsätze der Berufsfeuerwehr Wien nach dem Zweiten Weltkrieg werden sollte.

Die Ursache wurde nie geklärt. Als mögliche Auslöser gelten ein elektrischer Defekt oder glosende Zigarettenreste. Die Redoutensäle wurden zerstört, die angrenzende Nationalbibliothek blieb gerade noch verschont, ebenso der Präsidententrakt und die Schatzkammer.

Zu Beginn des Einsatzes tobte im Inneren des Redoutensaal-Traktes bereits das Feuer. Damals gab es in diesem Teil der Hofburg keine Brandabschnitte, so konnten sich die Flammen nahezu ungehindert ausbreiten. Brennbares Material in Form von Holz war in den Geschoß- und Zwischendecken sowie im Dachstuhl reichlich vorhanden. Nach außen hin war fast nichts zu bemerken. Grund dafür waren Fenster, die keine waren: Etwa einen halben Meter hinter den Glasscheiben befand sich die Holzverschalung des fensterlosen Redoutensaals. Kein Feuerschein, kaum Rauch drang aus dem Gebäude. Erst als die Verschalung verbrannt war und die Flammen bis zum Dach reichten, war das Ausmaß zu erahnen.

Erst als der Dachstuhl einstürzte, konnte die enorme Hitze aus dem Gebäude entweichen, starker Westwind trieb aber bis zu faustgroße Glutstücke Richtung Innenstadt. Der Prunksaal der Nationalbibliothek, die Schatzkammer und die Spanische Hofreitschule, aber auch nahe liegende Häuser waren gefährdet. 69 Lipizzaner wurden zum Teil mit Hilfe von Passanten in den Volksgarten gebracht. 240 Polizisten bildeten eine Kette und schafften mehr als 10.000 wertvolle Bücher aus der Nationalbibliothek. Erst gegen 6.00 Uhr war der Brand unter Kontrolle.

Insgesamt waren bis zum “Brand aus” fast 400 Feuerwehrleute mit etwa 50 Fahrzeugen aus dem gesamten Stadtgebiet im Einsatz, dazu kam Unterstützung von Freiwilligen Feuerwehren aus Wien und Niederösterreich, die auch halfen, die verwaisten Wiener Feuerwachen zu besetzen. Die umfangreichen und gefährlichen Nachlöscharbeiten dauern bis 28. November 1992.

Die Redoutensäle wurden bei dem Brand schwer beschädigt. Die Kosten für die Restaurierung beliefen sich auf insgesamt 840 Millionen Schilling (61 Mio. Euro). Die Fassade des Hofburgtraktes blieb unangetastet, innen wurden jedoch nicht nur die Säle wiedererrichtet. Auch der Dachraum wurde völlig neugestaltet und ein Konferenzraum für rund 1.000 Personen eingerichtet.

Der barocke Kleine Redoutensaal, wo 80 Prozent der alten Bausubstanz das Feuer überstanden, wurde detailgetreu rekonstruiert. Beim Großen Saal war das nicht möglich gewesen.

Am 26. Oktober 1997, also knapp fünf Jahre nach dem verheerenden Feuer, wurden die Redoutensäle wiedereröffnet.

In der Nacht vom 26. auf den 27.  November 1992 brannten die Redoutensäle der Hofburg aus

Goldener Sonntag statt Black Friday 2021

Heuer spielt sich die Einkaufsschlacht am Black Friday ausschließlich im Internet ab. Mir tun die Händler leid. Aber dafür dürfen sie am letzten Adventsonntag aufsperren. Einkaufssonntage, die gab es schon lange nicht mehr. Früher nannte man diesen Tag: Goldenen Sonntag (den Sonntag davor den Silbernen Sonntag).1893 war der Goldene Sonntag in Wien eingeführt worden. Der letzte Goldene Sonntag – ebenso wie der letzte Silberne Sonntag – fand in Wien zur Weihnachtszeit 1960 statt.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, denn meine Schwiegermutter betrieb zwei Parfümerien, eine davon in der Belvedere Gasse. Für sie war der Advent mit den offenen Sonntagen eine große Herausforderung, denn an diesen Tagen machte sie die höchsten Umsätze. Dennoch versuchte sie alles für ein großes Weihnachtsfest für die Familie vorzubereiten.  Ich fand es gut, als der Silberne und Goldenen Sonntag abgeschafft wurde, die Samstage blieben ja offen.  Aber – heuer – nach dem Lockdown (hoffentlich), finde ich den Goldenen Sonntag erfreulich.

Aber nun zum Black Friday:

Dazu habe ich schon zweimal geschrieben:

Nun kurz zur Geschichte des Goldenen Sonntags:

1893 war er schließlich so weit: Anfang Dezember wurde die Verordnung über die Sonntagsruhe für den Sonntag vor Weihnachten außer Kraft gesetzt. Dem Handel war es somit gestattet, bis 7.00 Uhr abends Geschäfte zu machen. Dass dies unbedingt notwendig sei, wurde so begründet: „Die Mehrheit entschließt sich erst im letzten Augenblicke und so kommt es, dass, je näher das Fest heranrückt, desto stärker der Andrang in den Geschäften wird.“

Zeitungen berichteten darüber: „Ein unbeschreibliches Gewühl herrschte auf dem Kohlmarkt, Graben und in der Kärntnerstraße. In dieser Straße war es in den Abendstunden stellenweise schwer, weiter zu kommen; die Wagen bewegten sich nur im Schritt vorwärts. (…) aus den Bezirken und den alten Vororten waren Tausende in die Stadt gezogen, um die Herrlichkeit der glänzend erleuchteten Auslagen zu bewundern. Das Gewühl dauerte bis gegen 7 Uhr abends (…) Nicht bloß in der Inneren Stadt, wo in einzelnen großen Niederlagen ein bedeutender Umsatz erzielt wurde, sondern auch in den Bezirken hat sich der ‚goldene Sonntag‘ glänzend bewährt, denn tatsächlich haben viele Geschenkekäufer den freien Tag abgewartet, um ihre Auswahl zu treffen.

Daher blieb der Goldene Sonntag von 1893 – selbst nach Einführung des Sonntagsruhegesetzes von 1895 – keine Ausnahme. Oft wurden Erfolg oder Misserfolg des Handelstags mit dem Wetter in Verbindung gebracht. Gab es mildes, freundliches Wetter, lockte es „ungezählt Tausende“ zum Einkauf. War das Wetter schlecht, konnte der Sonntag höchstens als „leichtvergoldeter Sonntag“ bezeichnet werden oder war gar „ein recht trauriger Goldener Sonntag“.

Auch 1914 war die Stimmung mehrheitlich noch gut. Dabei wurde schon auf sogenannte „Liebesgaben“ für Soldaten im Feld wurde mittels Feldpostsendungen geachtet. 1918 sind in der Berichterstattung über den Goldenen Sonntag Ernüchterung, Wehmut, Melancholie und sogar Galgenhumor spürbar. Die Lage blieb auch in den Folgejahren unstet. 1928 wurde der Goldene Sonntag (noch) mehrheitlich positiv bewertet. Als einen Goldenen Sonntag „der Billigkeit und der gesunkenen Kaufkraft der breiten Schichten der Bevölkerung“ sah man bereits den Einkaufstag des Krisenjahres 1929. Es wurde ein Weihnachtsfest der schweren wirtschaftlichen Depression und der schrecklichen Arbeitslosigkeit prognostizierte. In der Geschäftswelt wurde mit Preisreduzierungen um Kunden geworben. Einer schleppenden Erholung in den 1930er Jahren folgte mit dem Zweiten Weltkrieg die nächste Katastrophe. Inzwischen gab es – vermutlich seit 1933 – auch einen Kupfernen Sonntag, der den dritten Einkaufssonntag vor Weihnachten bezeichnete. Allerdings dürfte sich dieser Einkaufstag nicht als fixe Größe im Weihnachtsgeschäft etabliert haben.

Das erste Weihnachtsfest nach dem Krieg spiegelt die triste wirtschaftliche und soziale Not wider. Es gab einfach nichts, das man hätte kaufen können.  Der Handel war auf ein Minimum an Gütern reduziert. Bereits am 20. Dezember 1949 ging es in der Mariahilfer Straße zeitweise ausgesprochen lebensgefährlich zu. Jeder Käufer musste sich drängen und quetschen, er musste schieben und sich schieben lassen, um vorwärts zu kommen. Aber nicht nur dort, auch in anderen Geschäftsstraßen der Stadt herrschte reger Einkaufsbetrieb. Besonders begehrte Artikel damals Nylons (Strümpfe) und Pelzschuhe: Wer Strümpfe anzubieten hatte, machte an diesem Goldenen Sonntag das beste Geschäft. Der Wirtschaftsaufschwung der nächsten Jahre machte den Goldenen Sonntag rasch wieder zu einer neu belebten Selbstverständlichkeit im Weihnachtsgeschäft.

Der letzte Goldene Sonntag – ebenso wie der letzte Silberne Sonntag – fand in Wien zur Weihnachtszeit 1960 statt. Als Ersatz für die verkaufsfreien Sonntage wurden in Wien 1961 die vier Samstage vor Weihnachten zu „langen“ Einkaufssamstagen.

Vielleicht erinnern Sie sich – in dem Zusammenhang – auch um den Kampf um den 8. Dezember als Einkaufstag.

Und heuer – 2021?

Goldener Sonntag statt Black Friday 2021