Und die Suwalki Lücke
Ich kann es nur hoffen – wie viele, viele andere auch: ein direkter Schlagabtausch zwischen Russland und der Nato bleibt weiterhin unwahrscheinlich!
Was mich aber trotzdem verstört, ist, dass so viele Menschen, auf deren Urteil ich vertraue, selbst zugeben, Putin diese derzeitigen Aktionen nie zugetraut hätten. Warum soll er dann nicht auf den berühmten „Roten Knopf“ drücken? Aber schon im Kalten Krieg (1, denn was sich jetzt abspielt kann nur Kalter Kreig 2 sein) funktionierte das nukleare Gleichgewicht des Schreckens, welches die Machtblöcke in Schach halten konnte. Doch die Nato-Allianz muss dennoch auf alle Szenarien vorbereitet sein.
Ich war immer dafür, obwohl es natürlich irrelevant ist, dass man harte Sanktionen einsetzt, dass man Putin Grenzen setzt, um zu verhindern, dass er weiterhin friedliche Nachbarn angreift. Aber ich habe Freunde, die behaupten, der Westen wäre zu weit gegangen, man hätte „es geruhsamer angehen müssen“, man hätte mit diesen harten Reaktionen den „Russischen Bären“ nur gereizt, und zu weiterem harten Vorgehen „gezwungen“. Wohlgemerkt, ich teile diese Ansicht nicht, aber überlege dennoch, ob ein Mensch, der sich eingekreist fühlt, in die Ecke getrieben meint, nicht erst recht beginnt, wild um sich zu schlagen. Ich weiß ja nicht, ob die Gerüchte stimmen, dass Putin Moskau verlassen und sich in einen Bunker im Ural zurückgezogen hätte, so wie weiland Stalin. Man muss schon höllisch aufpassen, nicht den Desinformationen von allen Seiten zu erliegen.
Und weiters lese sich, „dass Litauen sich fürchtet“. Ich denke mir – Litauen ist doch NATO-Mitglied. Aber auch Litauen fühlt sich umklammert. Denn im Rahmen des Aufmarsches hat der Kreml rund 30 000 Soldaten nach Weißrussland und damit in unmittelbare Nähe Litauens gebracht. Auch aus der benachbarten Ostsee-Exklave Kaliningrad droht Russland. Plötzlich sieht sich das Land auf zwei Seiten einer russischen Bedrohung gegenüber: sowohl aus Weißrussland als auch aus der hochgerüsteten russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad. Verletzlich wird dadurch besonders die sogenannte Suwalki-Lücke, der rund 90 Kilometer lange gemeinsame Grenzabschnitt mit Polen, der Weißrussland vom russischen Kaliningrad trennt. Würde hier ein russischer Keil hineingetrieben, würde das die drei baltischen Nato-Staaten Litauen, Lettland und Estland vom übrigen Gebiet des Nordatlantikpakts abschneiden und ihre Verteidigung noch schwieriger machen.
Der Grenzabschnitt verläuft zwischen zwei Dreiländerecken über 65,4 km Luftlinie bzw. 100 km am Boden, vom Dreiländereck Litauen-Polen-Belarus im Südosten zum Dreiländereck Litauen-Polen-Russland (Kaliningrad – ehemals Königsberg) im Nordwesten. Die letzten 12 Kilometer im Südosten folgen dem stark mäandrierenden Flusslauf der Marycha, eines linken Nebenflusses der Czarna Hańcza.
Diese Region gilt – insbesondere nach der Krimkrise – als eine der militärisch potentiell entzündlichsten in Europa. Es gäbe Mängel in der Infrastruktur und Organisation, die die NATO-Staaten an einer schnellen Reaktion im Falle der Bedrohung des Gebiets hindern. Russland und Belarus könnten im Falle eines möglichen militärischen Konflikts mit NATO-Staaten Interesse an einer Besetzung des Gebietes haben, um die baltischen Staaten vom NATO-Partner Polen zu isolieren. Von Experten wird befürchtet, dass die transatlantische Allianz im Fall eines russischen Angriffs nur 36 bis 60 Stunden lang den Nachschub über den Korridor sicherstellen können, bis die baltischen Hauptstädte besetzt und das Baltikum isoliert seien. Allerdings stationierte die NATO 2016 vier Bataillone in dem Gebiet und bezog es in ihre Großübung Anakonda 16 ein.
Bei der Übung „Winter 20“ der polnischen Streitkräfte im Winter 2020/21 wurde ein All-Out-Szenario angesetzt. Hier gelang es der russischen Armee zur Überraschung der Planer, Polen innerhalb von fünf Tagen zu überrollen, bei größten Verlusten innerhalb der polnischen Streitkräfte. Na hoffentlich hat man daraus gelernt und die richtigen Schlüsse gezogen – und auch Vorkehrungen umgesetzt.
Jetzt haben wir COVID-19 kaum hinter uns – wobei wir sehr viel lernen mussten, jetzt kommen weitere Aspekte dazu, von denen wir bisher nichts gewusst haben. Hoffentlich bleibt es nur dabei!