Viele von uns sind erschüttert, über das Verhalten des Obersten Gerichtshofes in den USA. Zwei Entscheidungen, die wie wir, die wir die USA früher bewundert und ja geliebt hatten, nicht verstehen können.
Das Oberste Gericht der USA hat in einem weitreichenden Urteil das Tragen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit erleichtert. Es erklärte eine restriktive Vorschrift im Bundesstaat New York für verfassungswidrig. Es ist eine Niederlage für New York – und für die Anhänger schärferer Waffengesetze in den gesamten USA: Der Oberste Gerichtshof hat ein über 100 Jahre altes Waffengesetz des Bundestaates jetzt als verfassungswidrig aufgehoben!
Nach der bisherigen Regelung durften Personen ihre Handfeuerwaffen in der Öffentlichkeit nur tragen, wenn sie eine entsprechende Lizenz hatten. Und diese Lizenz gab es bisher nur, wenn die Waffenträger einen besonderen Grund nachweisen können, dass sie die Waffen zur Selbstverteidigung unbedingt brauchen. Aber genau diese Vorbedingung verletzte das in der Verfassung garantierte Recht jedes Amerikaners, eine Waffe zu tragen, vor allem zur Selbstverteidigung in der Öffentlichkeit, so der oberste Richter Clarence Thomas in seinem Urteil. Auch die anderen fünf konservativen Richter stimmten für die Abschaffung des New Yorker Gesetzes. Die drei liberalen Richter erklärten dagegen, dass diese Entscheidung die Versuche der Bundesstaaten, die Gefahr durch Waffengewalt einzudämmen, ernsthaft erschwert.
Wir alle denken in diesem Zusammenhang an die vielen Schießereien in Schulen mit vielen toten Kindern und verstehen diese sechs Richter nicht.
Die Richter des Supreme Court stimmten mehrheitlich für die Aufhebung der Regelung Roe vs. Wade, damit kippt das Oberstes Gericht das landesweite Recht auf Abtreibung. Damit ist das aktuell geltende Recht auf Abtreibung in den Vereinigten Staaten nach fast einem halben Jahrhundert Geschichte. Sechs der neun Richter stimmten dafür, Roe vs. Wade zu kippen. (Meine Position zu diesem Thema: ich bedauere jede Frau, die sich aus welch immer Gründen gezwungen sieht abzutreiben, aber bei uns haben wir die sogenannte Fristenlösung, die ihr das immerhin ermöglicht. Es ist sicher keine einfache Entscheidung).
Diese Entscheidung wird besonders schwarze Frauen betreffen, die traditionell ärmer sind – und sich eine Reise in einen Bundesstaat, wo die Abtreibung weiterhin erlaubt sein wird, nicht werden leisten können.
Auch international hat diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofes für Aufsehen gesorgt. Die Vereinten Nationen etwa wiesen auf die Gesundheitsrisiken für Frauen hin. „Daten zeigen, dass die Einschränkung des Zugangs zur Abtreibung die Menschen nicht davon abhält, eine Abtreibung durchzuführen – sie macht sie nur tödlicher“, hieß es vom Uno-Bevölkerungsfonds dazu.
Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten ist das oberste rechtsprechende Staatsorgan der Vereinigten Staaten. Neben diesem obersten Bundesgericht existieren auf Ebene der Bundesstaaten Oberste Gerichtshöfe der Bundesstaaten.
Der USSC ist das einzige amerikanische Gericht, das explizit in der Verfassung der Vereinigten Staaten vorgesehen ist. Von wenigen Ausnahmen abgesehen werden nur Rechtsmittel gegen Entscheidungen der unteren Gerichte vom Supreme Court behandelt, wobei das amerikanische Rechtssystem keine strikte Abgrenzung zwischen Berufung und Revision kennt. Bei den meisten dieser Fälle geht es um die Verfassungsmäßigkeit von Handlungen der Exekutive und von Gesetzen, die vom Kongress oder von den Bundesstaaten verabschiedet wurden.
Der Supreme Court besteht aus neun Richtern, die nach Nominierung durch den Präsidenten vom Senat bestätigt, und danach auf Lebenszeit ernannt werden.
Im Februar 2016 starb US-Höchstrichter Antonin Scalia. Die republikanische Partei verhinderte die Bestellung eines Nachfolgers durch den amtierenden demokratischen US-Präsidenten Barack Obama mit der Erklärung, eine so wichtige Entscheidung kurz vor einer Wahl sei dem Wahlsieger oder der Wahlsiegerin vorbehalten.
Im November 2016 gewann der Republikaner Donald Trump die Wahl. Während seiner Amtszeit besetzte er drei Posten am Supreme Court neu: mit den Konservativen Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett. Letztere ersetzte die liberale Richterin Ruth Bader Ginsburg, die übrigens im September 2020 verstarb – zwei Monate vor der nächsten Präsidentschaftswahl. Diesmal legte die republikanische Partei die Entscheidung allerdings nicht in die Hände des Wahlsiegers!
US-Präsident Joe Biden nominierte im Februar 2022 Ketanji Brown Jackson als Nachfolgerin von Stephen Breyer, der zum Ende des Gerichtsjahres 2021/2022 in den Ruhestand treten wird. Am 7. April 2022 bestätigte der US-Senat ihre Ernennung. Die formelle Einführung in ihr Amt wird zum Anfang des nächsten Gerichtsjahres, im Oktober 2022 erfolgen. Sie wird dann die erste schwarze Frau, die dieses Amt bekleidet.
Dennoch ist anzunehmen, dass dieser Gerichtshof, dessen Mitglieder auf Lebenszeit ernannt sind, weiterhin „konservative“ Urteile fällen wird, die im Zweifelsfall dem weißen religiös orientierten Bevölkerungsanteil nutzen werden. Der tiefen Spaltung der USA Gesellschaft wird das sicher nicht entgegenwirken.