Wenn man alt wird, verliert man laufend liebe alte Freunde. Und diejenigen, die man noch hat, sind ängstlich und unsicher geworden, gehen nicht mehr gerne aus, da bleibt dann nur mehr das Telephonieren. Ärgerlich ist sie schon, die anhaltende Hitze, von allen Seiten wird man gewarnt, man soll möglichst wenig hinausgehen, sich schonen etc. Es ist ja wahrscheinlich begründet, aber es freut mich halt gar nicht. Bis jetzt gab die diversen Lockdowns, die Eigenverantwortungszeiten, während derer man Kontakte hätte meiden sollen, dann hatten Freunde Quarantänen einzuhalten und jetzt soll man wegen der Hitze eingeigelt zu Hause bleiben. Sie müssen zugeben, das kann schon einigermaßen fad sein.
Aber es gibt auch Lichtblicke. Es gibt nämlich noch Freunde von Freunden, die man erst kürzlich kennengelernt hat, die auch zu Hause sitzen und vorgeschlagen haben, dass ich gestern abends zu Besuch kommen sollte. Na gerne habe ich diese Einladung angenommen. Diese liebe Dame – auch Witwe, so wie ich, wohnt nicht weit von mir. Sie hat gemeint, sie verfüge über eine Terrasse und am Abend würde es dort kühler; sie wolle etwas Einfaches, Kaltes zum Essen vorbereiten.
Gesagt, getan, ich freute mich darauf, und der Aufenthalt auf einer Terrasse erschien mir sehr erstrebenswert. Also die Dame, die Freundin meiner Freundin, jetzt hoffentlich dann auch meine Freundin, wohnt in einem ausgebauten Dachboden. Sie hätten das meiste selbst gemacht, bei diesem Ausbau, sonst wäre er finanziell nicht zu stemmen gewesen, erzählte sie.
Ich erreichte den letzten Stock in einem eleganten Innenstadthaus, wahrscheinlich um die Jahrhundertwende (vom 19. ins 20.Jahrhundert, wohlgemerkt) erbaut. Der Gang vor der Eingangstür war schon sehr heiß, aber als ich die Wohnung betrat, blieb mir vor lauter Staunen der Mund offen.
Der Eingangsbereich ist ein großer spärlich, aber elegant möblierter Raum, der auf der einen Seite zu einer kleineren Terrasse führt, auf der anderen, durch einen Wintergarten, also Glashaus, auf eine weitere große Terrasse. Vorerst war ich überwältigt. Die Hausherrin entschuldigte sich, da es überall Stufen gäbe, was aber dem Raum entspräche, wie er ursprünglich vorgefunden worden war. Der Boden – überall Klinkersteine. Ich warf auch einen Blick in den „Winteraufenthaltsraum“, der war ein „Conversation Pit“, wie man es zur Zeit der 60er Jahre gebaut hat. Also man schritt in eine Art Grube, die mit einer rundum-laufenden Bank mit viele Pölstern versehen war, um einen gemütlichen großen Couchtisch.
Die Nachbarwohnung, so wurde mir erzählt, war früher die Waschküche des Hauses gewesen, jetzt wohnten Kinder – mit ihrer Familie meiner neuen Freundin dort.
Wir ließen uns mit einer kleinen Flasche Prosecco auf der größeren Terrasse nieder. Rundherum sah man nur ausgebaute Dachböden und Balkone, die gegen die Sonner beschirmt waren und viele Sträucher und Blumen. Denn die Terrasse ist mit Blumentrögen umstellt und im Wintergarten finden sich exotische Pflanzen. (Der Neid könnt‘ einem fressen, wenn ich an mein enges Balkönchen denke).
Bei Betrachtung der Pflanzen in dieser Umgebung fand ich mich in der Annahme bestätigt, dass bei uns schon jetzt ein Klima herrscht, wie es früher im nördlicheren Italien üblich war, wo Zitronen, Kumquats, Feigen, Oliven und vieles andere mehr etc. wachsen. Die Rosen waren weitgehend abgeblüht, dafür blühte der Oleander, die Hortensien, auch die Bougainville und vieles mehr, so gut kenn ich mich bei Pflanzen auch wiederum nicht aus.
Wir verbrachten einen gemütlichen Abend mit Essen, Trinken und Plaudern. Langsam, sehr langsam wurde es dunkel, es war still, nur manchmal zwitscherten Vögel, ich hielt sie für Amseln, lag aber angeblich falsch, den Lärm der Straße hörte man in der Höhe nicht. Es wurde eine Kerze au den Tisch gestellt. Leider war der Himmel leicht überzogen, also sah man keine Sterne.
Nur ungern verließ ich dieses Paradies, tauchte kurz in den Lärm der Straße ein, denn langsam leerten sich die Schanigärten. Wieder zu Haus überlegte ich, ob ich die Fenster schon aufmachen könnte – eigentlich nicht. Ich tat’s dennoch, und hoffte, dass es in der Früh kühler sein würde ….