Der verlorene Dress-Code

Oder doch nicht?

Wenn ich mich so im Sommer in den Straßen umschaue, habe ich den Eindruck, dass es einfach keinen Dress-Code mehr gibt. Ein Teil der in der Stadt herumspazierenden Menschen sind sicher Touristen, und die sind meist „bequem“ angezogen. Das finde ich in Ordnung, nur wenn sie „wie für den Strand gekleidet“ (selbst wenn es teure Stücke sind, die sie da tragen) herumspazieren, in kurzen (Damen in kürzest möglichen) Hosen und irgend „Winzigstes“ oben, mit Flip-Flops durch die Gegend latschen, gefällt mir das gar nicht.

Das andere Extrem findet sich im Festspielsommer in Salzburg: untertags möglichst im Dirndl, die Herren im Steirerlook, und abends in bodenlangen Kleidern und (weißem) Smoking. Ich gebe zu, derzeit sehe ich Salzburg nur im Fernsehen.

Der Begriff Dress-Code bezeichnet Regeln und Vorschriften zur gewünschten Kleidung im privaten, gesellschaftlichen, kulturellen und geschäftlichen Umfeld. Mit dem Begriff werden auch Regeln bezüglich der Kleidung bezeichnet, die nicht per Gesetz oder Erlass, sondern aufgrund weicherer Faktoren bestehen: aufgrund von Konvention, aufgrund des Bedürfnisses nach Konformität, aufgrund einer stillschweigenden Übereinkunft, eines gesellschaftlichen Konsenses (bzw. eines Konsenses in einer gesellschaftlichen Gruppe) oder einer Erwartungshaltung z. B. eines Veranstalters oder eines Arbeitgebers.

Die Standards der Kleiderordnung können sich je nach Land, Region, Religion, ethnischer Gruppierung, Unternehmens-, Zunft- oder Branchenzugehörigkeit unterscheiden. In einigen Regionen ist z. B. das Tragen einer Tracht zu öffentlichen Ereignissen erwünscht, wird außerhalb dieser Regionen jedoch als unpassend empfunden oder ist sogar verpönt. Bestehende Kleiderordnungen sind zudem häufig modischen Einflüssen und dem Zeitgeist (z. B. Zylinder, Gehstock) unterworfen.

Ursprünglich wurden als Kleiderordnung Erlasse bezeichnet, die eine zulässige Bekleidung und den erlaubten Schmuck für die einzelnen Stände festlegten, zum Beispiel der Reichserlass von 1530:

„… daß sich jeder, wes Würden oder Herkommen er sei, nach seinem Stand, Ehren und Vermögen trage, damit in jeglichem Stand unterschiedliche Erkäntnüs sein mög […]“.

Neben religiösen und moralischen Gründen spielten soziale Erwägungen eine Rolle: Wenn beispielsweise in einer freien Reichsstadt ein Bürger durch verschwenderischen Lebensstil verarmte, fiel er der städtischen Fürsorge zur Last. Außerdem waren Kleiderordnungen ein Instrument des Protektionismus: Viele kostbare Materialien (etwa Seide) mussten aus anderen Ländern importiert werden, was zu einem unerwünschten Abfluss von Kaufkraft ins Ausland führte. Gleichzeitig wurde durch die unterschiedliche Kleidung die gesellschaftliche Hierarchie nach außen hin sichtbar.

Schon im Altertum gab es Kleiderordnungen entsprechend dem sozialen Status. Zu einem ständig wiederkehrenden Bestandteil der allgemeinen Gesetzgebung wurden die Kleiderordnungen erst im 14. Jahrhundert, in Deutschland waren es wohl zuerst die Speyrer und Frankfurter Verordnungen von 1336 sowie Göttingen mit Verfügungen von 1340 und 1342. Aus Italien, Spanien und Frankreich sind gesetzliche Bestimmungen über die Kleidung schon aus dem 13. Jahrhundert bekannt. Kleidungsvorschriften wurden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts von Landesherren, Reichstagen und Stadträten erlassen.

Karl der Große erließ im Jahr 808 ein „Aufwandgesetz“, das vorschrieb, wie viel jeder Stand für seine Kleidung ausgeben durfte. Für Prostituierte und Juden galten spätestens seit dem Mittelalter Kleidungsvorschriften wie der Gelbe Ring. In Speyer und in Straßburg wurde den Frauen 1356 lang herabfallendes, offen getragenes Haar verboten. 1370 folgte in Straßburg ein Verbot von Unterwäsche, die die Brüste anhob.

Im 16. Jahrhundert untersagten Spanien, Frankreich, Italien und England ihren Untertanen Gold- und Silberbrokate sowie Stickereien mit Gold- und Silberfäden. Im Krieg der Bauern von Langensalza forderten diese 1524 vergebens, die rote Schaube der Oberschicht tragen zu dürfen. 1530 beschloss der Augsburger Reichstag eine umfassende Neuregelung der Standestrachten, die 1548 erneuert wurde. Im 17. Jahrhundert gab es in Europa zunehmend Luxusbeschränkungen, auch aus religiösen Gründen. In Spanien und Frankreich wurden Spitzen verboten, vor allem solche aus Belgien. Im 18. Jahrhundert gehörten gepudertes Haar und das Tragen eines Degens zum Privileg der höheren Stände. Durch die Ideen der Aufklärung gerieten diese Standesvorschriften aber zunehmend ins Wanken, und die Französische Revolution erschütterte sie vollends.

Eine besondere Beachtung in den Kleiderordnungen fand der Pelz, oft ein Bestandteil der Schaube, als Besatz, Verbrämung oder als Fellinnenfutter. Die Reichspolizeiordnung von 1530 zeigt die Pelzhierarchie im Verhältnis zur gesellschaftlichen Rangordnung. Erst kürzlich habe ich gelesen, dass Tragen von Hermelin in früheren Zeiten nur den höchsten Adelskreisen vorbehalten war. Heute sieht man sie noch an bestimmten „Berufsbekleidungen“ – wie für Oberste Richter oder hohe Universitätsfunktionäre.

Im Arbeitsleben wird die Kleidung der Mitarbeiter über Vorschriften des Arbeitgebers dem angestrebten Image, der Unternehmenskultur oder der Corporate Identity eines Unternehmens angepasst. Hierbei können sehr unterschiedliche Standards vorgeschrieben sein, von der geforderten Farbwahl über einen besonderen Stil oder bestimmter Kleidungsstücke, dem Verbot einzelner Kleidungsstücke bis hin zum Tragen einer Uniform. Ein Arbeitgeber kann hierzu im Rahmen seines Direktionsrechtes recht weitgehende Vorgaben machen.

So gemütlich es in Trainingskleidung im Home-Office gewesen sein mag, ins Büro passt diese Bekleidung dann eher doch nicht. Mein Bekleidungsstil wurde noch in den 1970 Jahren jährlich vom Chef (nebst geleisteter Arbeit) beurteilt. Mir ist es z.B. noch heute peinlich, wenn ich für einen bestimmten Anlass „overdressed“, also zu „fein“ angezogen, zu feierlich gekleidet bin.

Andererseits mag ich es auch nicht, wenn österreichische offizielle Repräsentanten aus Regierung und Wirtschaft (z.B. bei Staatsbesuchen) „falsch“ angezogen sind.

Aber schließlich bin ich auch kein „Arbiter Elegantiarum“ wie weiland Titus Petronius im Altertum.  

Der verlorene Dress-Code

„Sonst kommst nach Lainz“

War einstmals eine Drohung

Heute assoziieren wir mit Lainz wahrscheinlich den Lainzer Tiergarte, manche den Lainzer Tunnel, die Werkbundsiedlung, das ORF-Zentrum Küniglberg, das Jesuitenkolleg etc. und so manche Villa – mit schönem Park.

Nichts mehr erinnert an das Versorgungsheim Lainz (errichtet zwischen 1902 – 1904), mit zwei Dutzend Pavillons zur Pflege von einigen tausend alten Leuten. Es trug zuletzt bis zur Schließung 2015 den Namen „Geriatriezentrum am Wienerwald“ und war, ebenso wie später das Krankenhaus, die Folge des neuen Heimatgesetzes, mit dem jeder nach zehnjährigem Aufenthalt in Wien ein Anrecht auf Armenversorgung bzw. Altersfürsorge erhielt. Es liegt am Fuße des Hörndlwaldes, eines Teils des Wienerwaldes.

Berüchtigt wurde dieses Altenheim aufgrund der Handlungen der so genannten Todesengeln von Lainz. Es waren mehrere Stationshelferinnen, sie ermordeten gemeinschaftlich im Krankenhaus Lainz in Wien während der Jahre 1983 bis 1989 eine größere Anzahl an Patienten des Krankenhauses. Die Mordserie begann 1983, als eine dieser Stationshelferinnen nach eigenen Angaben den angeblichen Wunsch einer Patientin nach einer tödlichen Morphiumspritze erfüllte. Sie sah in diesem „Gnadenakt“ nur eine „Sterbehilfe“ ohne besondere Schuld, wobei auch dieses Verbrechen mit maximal fünf Jahren Haft zu bestrafen gewesen wäre. Dieser Darstellung von „Tötung aus Mitleid“ und „gnadenvoller Erlösung“ widerspricht das brutale Vorgehen der vier Frauen. Die Opfer wurden entweder mit einer Überdosierung Insulin oder dem Schlafmittel Rohypnol vergiftet, andere mit Wasserzugaben getötet. Diese „Mundpflege“, so die zynische Eigenbezeichnung, lief nach folgendem Schema ab: Eine Stationsgehilfin hielt den Kopf fest und die Nase zu, die andere fixierte die Zunge und goss Wasser ein, bis das Opfer erstickt war. Dabei sollen sich die Opfer heftig gewehrt haben. Bei Patienten, bei denen bereits eine Wasserlunge bekannt war, konnte dies als natürlicher Tod erscheinen.

Die Station versorgte eine große Anzahl geriatrischer und multimorbider Patienten, Erfolgserlebnisse und Heilungserfolge gab es kaum. Es herrschte stellenweise eine Personalknappheit, eine große Anzahl von Hilfskräften (Stationsgehilfinnen) verrichtete therapeutische Pflegehandlungen, die nur diplomiertes Personal durchführen hätte dürfen. Außerdem existierten große Krankensäle und immer wieder Gangbetten. Die Gebäude und die Stationen befanden sich teilweise in einem sehr abgenutzten Zustand. Der Fall ging 1989 um die ganze Welt.

Was Wunder, dass sich alte Menschen fürchteten, dorthin „abgeschoben“ zu werden. Und dass, „sonst kommst nach Lainz“ eine familiäre Drohung sein konnte.

Anlässlich des 60-jährigen Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph beschloss die Stadt Wien 1907 den Bau ihres ersten eigenen Krankenhauses „freiwillig und ohne Anerkennung einer gesetzlichen Verpflichtung … in der Absicht, der Wiener Spitalsnot so weitgehend und so rasch als möglich abzuhelfen“. Bis dahin lag die medizinische Versorgung überwiegend auf den Schultern einiger Stiftungs- und Ordensspitäler. Daraus wurde eine weitläufige Anlage mit 18 Pavillons und Anstaltskirche mit zwei Türmen in Gartenstadt ähnlichem Charakter.

Das neue Krankenhaus, erbaut unter Bürgermeister Karl Lueger sollte eine „auf der Höhe der modernen Wissenschaft und Technik stehende Ausstattung“ erhalten und ebenso zur Ausbildung der Ärzte dienen. Bis 1918 hieß es „Kaiser-Jubiläums-Spital“. Danach erhielt es die einfachere Benennung „Krankenhaus Lainz“.

Es konnte seinen hohen medizinischen Stand auch nach dem politischen Zusammenbruch von 1918 halten und sogar ausbauen. Wegen eines Pflegeskandals im benachbarten Geriatrie Zentrum wurde es (ca. 2000) in Krankenhaus Hietzing umbenannt, was von der Allgemeinheit aber weitgehend ignoriert wurde. Im Jahr 2020 wurde das Krankenhaus im Zuge der Vereinheitlichung der Namensgebung der städtischen Spitäler in Klinik Hietzing umbenannt.

Das Lainzer Krankenhaus oder kurz „Lainz“, wie es von der Bevölkerung genannt wurde, entstand nach der damals modernsten Gesundheitslehre als Anlage mit etwa 10 nach Fachgebieten gegliederten Pavillons in einem etwa 10 Hektar großen Parkgelände. Das Areal liegt im Südwesten Wiens und des 13. Bezirks (Hietzing) und ist nur etwa 1 km von den Osthängen des Wienerwaldes entfernt, was für eine gute Luftqualität bürgt.

Beide Großinstitute zusammen verfestigten den weltweiten Ruf der Wiener medizinischen Schule, den unter anderem van Swieten und Ignaz Semmelweis begründet hatten.

Auch mein Mann wurde einmal „in Lainz“ operiert. Die Abteilung, in der er lag, war ehemals in „Lungen-Trakt“ gewesen, hatte hohe Räume, besonders hohe Fenster, mit Blick ins Grüne – in den schönen alten Park. Es gibt eine Terrasse, die allerdings nicht überall „behindertengerecht“ zu betreten war, aber eine großartige Aussicht über Teile Wiens bot, die Operation ist gut verlaufen, die Pflege war effektiv und sehr freundlich.

Dennoch, wenn es auch heute nicht Versorgungsheim genannt wird, sondern wahrscheinlich „Seniorenresidenz“ heißt, möchte ich dennoch, in eine derartige Institution übersiedeln. Ich hoffe jedenfalls weiterhin zu Hause bleiben zu können – auch wenn ich schon älter bin, als ich jemals geglaubt habe, werden zu können.

„Sonst kommst nach Lainz“

Meeresstraßen und ihr Bedeutungswandel

ein etwas exotisches Thema für eine Binnenländerin

Es gibt viele enge „Straßen im Meer“, die für manche Länder Gewinn bedeuten, aber für andere gröbere Hindernisse darstellen. Russland war ja seit langer Zeit an eisfreien Häfen interessiert, eroberte diese auch am Schwarzen Meer, aber da war noch immer der Bosporus – in osmanischer später türkischer Hand – der durchquert werden musste – und der dann gegebenenfalls auch gesperrt wurde.

Erinnern Sie sich an die Straße von Tiran (verbindet den Golf von Akaba mit dem Roten Meer, liegt also zwischen der Südspitze des Sinai und Saudi-Arabien) – und ihre Sperre 1967. Kurz vor dem Sechstagekrieg sperrte der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser die Straße von Tiran für die israelische Schifffahrt. Die Sperrung dieser Straße verstieß gegen die Konvention über Hoheitsrechte auf See und in den angrenzenden Zonen, die die UN-Seerechtskonferenz am 27. April 1958 angenommen hatte.

Die Straße von Hormus. So nennt man eine an der schmalsten Stelle zwischen den gegenüberliegenden Festlandsküsten 55 Kilometer (30 Seemeilen) breite Meerenge, die den Persischen Golf im Westen mit dem Golf von Oman, dem Arabischen Meer und dem Indischen Ozean im Osten verbindet. Zwischen dem Iran und Oman beträgt die engste Stelle nur ca. 38 Kilometer (20 Seemeilen). Seit der Antike ist die Straße von Hormus eine wichtige Schifffahrtsstraße. Durch sie verläuft der gesamte Schiffsverkehr von und zu den Ölhäfen Kuwaits, Katars, Bahrains, des Irak, der Vereinigten Arabischen Emirate und des Iran, dazu der größte Teil des saudi-arabischen Verkehrs. Da eine Sperre der Straße die Lieferungen von bedeutenden Teilen der Erdölgebiete im Nahen Osten (ca. ein Fünftel der globalen Ölversorgung) blockieren würde, ist sie von weltweiter strategischer Bedeutung.

Die Chinesen hinwieder sind auf die Straße von für ihren Schiffsverkehr in den Indischen Ozean und weite nach Europa angewiesen, die ist eine Meerenge in Südostasien zwischen der Malaiischen Halbinsel und der Nordostküste von Sumatra (Indonesien). Manche von uns erinnern sich noch an die Schlacht in der Straße von Malakka, eine Seeschlacht in der Schlussphase des Pazifikkriegs während des Zweiten Weltkriegs.

Sie liegt vollständig über dem südostasiatischen Festlandsockel und ist somit maximal etwa 200 Meter tief. Von dem Stadtstaat Singapur im Süden bis zum nördlichen Küstenbereich von Sumatra beträgt die Distanz etwa 930 Kilometer bei einer Breite zwischen 38 und 393 Kilometern. Aufgrund des hohen Schiffsverkehrsaufkommens für Import, Export und Energiezufuhr in den asiatischen Staaten, allen voran China, hat die Straße von Malakka große strategische Bedeutung. Sicherheitspolitisch steht China hier vor dem „Malakka-Dilemma“, da die USA im Konfliktfall diese Lebensader für Chinas Wirtschaft und Energie leicht blockieren könnten (siehe auch dazu: https://christachorherr.wordpress.com/2022/07/30/es-ist-noch-nicht-sicher-ob-nancy-pelosi-taiwan-besuchen-wird/). Auch entsprechend ihrer Bedeutung vor allem für den Ölhandel war sie lange eine der am stärksten von Piraten heimgesuchten Wasserstraßen. Aber schon seit Jahrhunderten verkehren hier Schiffe, und früh entwickelten sich Handelsstationen, die zugleich Zentren von Bildung, Wissenschaft und Kunst waren. Hier trafen sich Menschen mit unterschiedlichen Religionen aus vielen Regionen der Erde – hinduistische Mönche, christliche Priester, muslimische Gelehrte. Es gab einen regen Austausch über Navigationstechniken und die Kunst des Schiffbaus. Damals hat noch niemand von kultureller Aneignung gesprochen.

Die Hafenstadt Malakka wurde vor allem als Hauptumschlagplatz auf der Route zwischen Indien und China von muslimischen Händlern genutzt. 1511 wurde sie durch die Portugiesen erobert, nicht zuletzt, um die von Muslimen dominierte Seefahrt in der Region zu schwächen. Doch trotz der Eroberung blieben die muslimischen Händler in der Region einflussreich. Denn letztlich gaben sie dem weiter muslimisch dominierten Aceh Auftrieb. Die Hafenstadt Malakka hingegen entwickelte sich fortan vor allem für die europäischen Seefahrer zu einem wichtigen Zentrum. Durch Blockaden und Überfälle versuchten verschiedene europäische Nationen, Malakka unter ihren jeweiligen Herrschaftsbereich zu bringen. So blockierten die Niederländer 1640 zunächst den Hafen von Malakka, um die Stadt von den Warenströmen abzuschneiden und den Einfluss der Portugiesen zu schwächen. 1641 nahmen sie die Stadt schließlich ein und bauten von dort ihren Machtbereich aus. In den folgenden Jahren unterwarfen sie weitere Hafenstädte in der Region – unter anderem auch Aceh, womit der Einfluss der muslimischen Händler zeitweise geschwächt wurde.

Zum neuen großen Konkurrenten wurden jetzt die britischen Händler. Sie etablierten sich 1786 in Penang an der Nordwestküste der Malaiischen Halbinsel und gründeten den Hafen George Town, der zu einem Hauptumschlagplatz der Britischen Ostindien-Kompanie ausgebaut wurde. Um Konflikte zu vermeiden, einigten sich beide Mächte 1824 darauf, die südostasiatische Region untereinander aufzuteilen. Die Niederlande traten alle Eigentumsrechte nördlich der Straße von Malakka an Großbritannien ab und erhielten dafür im Gegenzug unter anderem britische Gebiete südlich der Straße von Malakka. Großbritannien entwickelte sich an der Straße von Malakka zur bestimmenden Macht. Einer seine wichtigsten Handelsstationen waren Singapur.

Hafenstädte entlang der Küsten sind seit Jahrhunderten nicht nur Umschlagplätze für Waren, sondern auch Orte, an denen sich Menschen fremder Kulturen austauschen. In China nehmen die Planungen für eine künftige Nordroute (Nordostpassage) bereits Formen an. Die 250 000-Einwohner-Stadt Hunchun, die im Nordosten an der Grenze zu Russland und Nordkorea liegt, wird in China bereits als zukünftiger Hub gehandelt. Nach Vorstellung der Chinesen könnte die Stadt, die am Fluss Tumen liegt, so bedeutend wie Singapur werden und China von Nordosten her mit Waren versorgen. (Siehe auch https://christachorherr.wordpress.com/2022/07/30/wird-es-der-klimawandel-bewirken-neue-handelsrouten/)

Meeresstraßen und ihr Bedeutungswandel

Es ist noch nicht sicher, ob Nancy Pelosi Taiwan besuchen wird,

aber die Wellen schlagen schon hoch

Wir alle beobachten mit Schrecken den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass auch die Volksrepublik China diesen Krieg beobachtet, denn auch sie erhebt Anspruch an ein Territorium – die Republik China. Ob der Verlauf des Russland-Ukraine-Kriegs die Herren In Peking dazu ermuntert, sich Taiwan zu „holen“, vermag ich nicht zu sagen.

Und in Taiwan hinwieder beobachtet man genau, was nach der Übernahme Honkongs in die Volksrepublik China, trotz Verträgen anderen Inhalts geschieht.  Am 1. Juli 1997 übernahm die Volksrepublik China in einem großen zeremoniellen Akt die Kontrolle über Hongkong von den Briten. Seitdem ist Hongkong eine Sonderverwaltungszone. Dies bedeutet, dass es in allen politischen Bereichen, ausgenommen Außen- und Verteidigungspolitik, ein hohes Maß an Autonomie genießt. Jedoch hat die Regierung in Peking wiederholt versucht, diese Autonomie auszuhöhlen.

Nancy Pelosi – immerhin dritthöchste Politikerin der USA – ist am 29.Juli 2022 mit einer Kongressdelegation in Richtung Asien aufgebrochen, ohne offenzulegen, ob sie auch in Taipeh haltmachen wird. Peking droht mit militärischen Maßnahmen, falls die Vorsitzende des amerikanischen Repräsentantenhauses wie angekündigt nach Taiwan reist. Am 28. Juli 2022 war Chinas Parteichef Xi Jinping bei einem Telefonat mit dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden deutlich geworden. „Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden nur verbrannt. Wir hoffen, dass die amerikanische Seite dies einsieht, sagte Xi warnend. „Wenn die US-Seite auf diesen Besuch besteht, wird China entschlossene und starke Maßnahmen ergreifen, um seine Souveränität und territoriale Integrität zu schützen“, verkündete der Pekinger Außenamtssprecher. China sieht das de facto unabhängige, demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz an, die sich die Volksrepublik, wenn notwendig auch militärisch, einverleiben will.

Der amerikanische Rückhalt für das demokratische Taiwan ist von enormer Bedeutung. Pelosis geplante Reise werde zwar von Chinas Staatsführung als Provokation gesehen. Aber die Vereinigten Staaten hätten „die Verpflichtung, Taiwan zu unterstützen – um die Stabilität im Indopazifik zu erhalten, um die Weltwirtschaft zu schützen und um die Demokratie zu fördern“.

Die Republik China, weithin bekannt als Taiwan, bzw. Republik China auf Taiwan genannt, ist ein nur von wenigen Staaten diplomatisch anerkannter Inselstaat in Ostasien. Sein Territorium besteht aus der Hauptinsel Taiwan (99 %) und anderen, kleineren Inseln. Der technisch hochentwickelte Industriestaat hat eine Bevölkerung von rund 23,5 Millionen Menschen.

Die Republik China wurde auf dem chinesischen Festland am 1. Januar 1912 in Nanking ausgerufen. Die Insel Taiwan, von 1895 bis 1945 unter Herrschaft des japanischen Kaiserreichs, fiel erst nach dem Zweiten Weltkrieg an die Republik China. 1949 – nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunistische Partei und der Gründung der Volksrepublik China auf dem Festland – zogen sich die Regierung, Eliten und Streitkräfte der Republik China auf die Insel Taiwan zurück. Dort etablierte die von Chiang Kai-Shek geführte Staatspartei Kuomintang unter Beibehaltung des Ausnahmezustands eine mehrere Jahrzehnte andauernde Einparteienherrschaft. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war von hohem Wirtschaftswachstum gekennzeichnet, gegen Ende der 1980er Jahre initiierte die Kuomintang eine schrittweise Demokratisierung. Gemäß verschiedenen Demokratieskalen ist die Republik China heute neben Japan einer der demokratischsten Staaten Asiens.

Auch nach der Ausrufung der Volksrepublik China 1949 vertrat die Regierung der Republik China den chinesischen Staat zunächst bei den Vereinten Nationen und war ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats. Als Folge der Ein-China-Politik der Volksrepublik brachen aber immer mehr Staaten ihre diplomatischen Beziehungen zur Republik China ab, die 1971 mit der UN-Resolution 2758 auch ihre UN-Mitgliedschaft an die Volksrepublik abgeben musste. 1979 brachen schließlich auch die USA die diplomatischen Kontakte ab, nachdem sie offizielle Beziehungen zur Volksrepublik aufgenommen hatten (Taiwan Relations Act). Nur eine Minderheit der Staatengemeinschaft unterhält heute formal diplomatische Beziehungen mit der Regierung in Taipeh. Die völkerrechtliche Stellung der Republik China ist bis heute umstritten und Gegenstand des Taiwan-Konflikts.

Die Volksrepublik China betrachtet Taiwan als „unabtrennbaren Bestandteil des chinesischen Territoriums“ (oft ungenau als abtrünnige Provinz beschrieben), während sich die Republik China auf Taiwan als souveränen Staat sieht, von dem sich Festlandchina durch die Gründung der Volksrepublik 1949 „abgespalten“ habe.

In den 1950er Jahren wurde der Taiwan-Konflikt militärisch ausgetragen, ab den 1980er Jahren folgte ein Prozess der allmählichen Annäherung, der hauptsächlich auf wirtschaftlichen Interessen basierte. Seit dem Amtsantritt des taiwanischen Präsidenten Ma Ying-jeou im Jahr 2008 verbesserten sich die Beziehungen der beiden Seiten zunehmend, was sich vor allem in dem 2010 unterzeichneten Rahmenabkommen über Wirtschaftliche Zusammenarbeit (ECFA) manifestierte. Nach der Amtsübernahme von Präsidentin Tsai Ing-wen im Jahr 2016 verschlechterten sich die Beziehungen jedoch wieder, nachdem Tsai deutlich bei mehreren Gelegenheiten das Recht Taiwans auf politische Selbstbestimmung betont hatte.

Zuerst muss abgewartet werden, ob Pelosi überhaupt nach Taiwan kommt. Denn lässt sie sich abhalten, erweckt dies den Anschein, dass China mit seinen Drohungen sie davon abgehalten hat.  Fährt sie jedoch hin, sieht es Peking als Provokation (die manche Schwarzseher bereits mit dem Ausbruch des Dritten Weltkriegs gleichsetzen) – und Anlass, militärisch einzugreifen.

Wir Europäer sind sowieso nur Zusehen.

Es ist noch nicht sicher, ob Nancy Pelosi Taiwan besuchen wird,

Wird es der Klimawandel bewirken? Neue Handelsrouten

Die Nutzung der Nordostpassage und Nordwestpassage (statt des Sueskanals)

Mit dem verstärkten Abschmelzen der Eismassen in der Arktis könnte künftig während der Sommermonate die Route über die Nordostpassage – statt Waren aus Asien durch den Suezkanal zu schicken) interessant werden.

Die Nordostpassage ist ein Seeweg im Nordpolarmeer entlang der Nordküste Eurasiens, der Atlantik und Pazifik verbindet. Dieser Seeweg ist rund 6.500 Kilometer lang und führt vom Europäischen Nordmeer durch Barents-, Kara-, Laptew-, Ostsibirische und Tschuktschensee bis zur Beringstraße und spielt damit für die Transarktische Schifffahrt eine Rolle. Der traditionelle Seeweg von Europa nach Asien (Rotterdam–Tokio) durch den Sueskanal beträgt 21.100 Kilometer, die Route durch die Nordostpassage ist mit nur 14.100 Kilometern Länge erheblich kürzer. Die Nordwest- und Nordostpassage waren dabei am 29. August 2008 erstmals beide gleichzeitig eisfrei, und auch in den Folgejahren blieb es die Nordostpassage stets für einige Wochen zwischen August und Anfang Oktober, wobei sich die Dauer der Passierbarkeit immer mehr auszudehnen scheint.

Ein Wiederaufleben der kommerziellen Nutzung der Nordostpassage brachte das Jahr 2009, als eine deutsche Reederei erstmals wieder mit zwei Handelsschiffen diesen Seeweg nutzte und auf diese Weise 5.400 km gegenüber der traditionellen Route durch den Sueskanal und das Mittelmeer einsparte. Die Schiffe besaßen nach Reederei-Angaben Eisklasse E3 und waren damit für diese nördliche Passage geeignet. Auf dem Weg nach Europa wurde ein Zwischenstopp im sibirischen Hafen Nowy Port eingelegt. Geführt wurden die Schiffe von russischen Kapitänen.

Zwischenzeitlich wurde der Ausbau der Nordostpassage zu einer bedeutenden Verkehrsader auch zu einem offiziellen Ziel der russischen Regierung erklärt und erhebliche Investitionen in die Modernisierung und Erweiterung der Eisbrecher Flotte sowie die begleitende Infrastruktur der Schiffsroute (wie z. B. die Anschaffung moderner Kommunikations- und Navigationsmittel) beschlossen, zu denen auch der ab 2013 vorangetriebene Bau des für den Flüssigerdgas-Export vorgesehenen Hafens Sabetta gehört. (Selbst wenn Russland kein Gas mehr nach Europa liefern sollte, wird der Flüssiggasexport in den Fernen Osten florieren!)

Ein speziell dafür gebauter Flüssiggastanker durchfuhr im Sommer 2017 erstmals die Nordostpassage ohne Hilfe eines Eisbrechers. Im September 2018 durchfuhr das erste Containerschiff als drittes Frachtschiff überhaupt die Nordostpassage durch das Polarmeer, wiederum ohne Eisbrecher.

Die russische Behörde meldete für das Jahr 2019 Komplettpassagen von 37 Schiffen mit 697.200 t Transportgut. Die Zahl der vollständigen Durchfahrten durch die Nordostpassage ohne Anlaufen eines russischen Hafens ist (noch) gering.

Ein Hinweis darauf, dass sich die Nordostpassage in naher Zukunft als Seeweg etablieren könnte, ist auch, dass sich ein großer chinesischer Rohstoffkonzern mit 12,5 Prozent an dem Bergbaukonzern Greenland Minerals and Energy im September 2016 beteiligt hat, der in Grönland unter anderem Seltenerdmetalle, Uran und Zink abbaut. Fachleute gehen davon aus, dass die Rohstoffe künftig verstärkt über die Nordostpassage nach China transportiert werden.

Die Nordwestpassage ist der etwa 5780 Kilometer lange Seeweg, der nördlich des amerikanischen Kontinents den Atlantischen Ozean mit dem Pazifischen Ozean verbindet. Er führt über das Nordpolarmeer und seine Randmeere sowie die dazugehörenden Meeresstraßen durch den kanadisch-arktischen Archipel und spielt damit für die Transarktische Schifffahrt eine Rolle.

Der Seeweg zwischen Europa und Asien (Rotterdam–Tokio) verkürzt sich erheblich: Die bisherige Route durch den Sueskanal beträgt 21.100 Kilometer, der neue Weg hätte eine Länge von 15.900 Kilometern. Obendrein vermeidet er von Piraterie betroffene Gebiete wie die Gewässer rund um Indonesien oder am Horn von Afrika. Wegen der klimatischen Bedingungen war die Nordwestpassage bisher wirtschaftlich kaum nutzbar, Klimaforscher gehen jedoch davon aus, dass sich dies in den kommenden Jahren aufgrund der globalen Erwärmung ändert.

Die wirtschaftliche Erschließung der Nordwestpassage wird derzeit intensiv vorbereitet. Geplant ist die Schaffung einer Service- und Sicherheits-Infrastruktur für den Tankerverkehr. Auch der Ausbau der zentral gelegenen Inuit-Siedlung Qausuittuq an der Resolute Bay zum Tiefwasserhafen wird erwogen. Es gibt jedoch auch Stimmen, die die Nutzbarkeit der Passage für Schiffe mit großem Tiefgang bezweifeln. Der Besitz der Nordwestpassage ist jedoch umstritten: Kanada beansprucht den Seeweg für sich, die USA sehen ihn als internationales Gewässer an.

Auf Schiffen mit Eisklasse unter anderen auch auf russischen Eisbrechern können etwa 100 Fahrgäste die Nordwestpassage binnen zwölf Tagen durchfahren. Im August 2009 fuhren erstmals zwei Kreuzfahrtschiffe mit knapp 350 Passagieren durch die Nordwestpassage von beiden Seiten aufeinander zu und trafen sich in der Mitte in Gjoa Haven. Beide Schiffe bieten jetzt regelmäßig Durchfahrten im Spätsommer an. Seit einigen Jahren fahren Schiffe kanadischer und britischer Reiseveranstalter durch die Nordwestpassage. Auch ein französischer Anbieter ist hinzugekommen. Zwischen 10.000 und 20.000 Euro werden für die Durchfahrt verlangt.

Welche Auswirkungen die Entwicklung dieser nördlichen Seeroute in den nächsten Jahrzehnten auf den Handel in Singapur haben wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. In jedem Falle bemüht sich Singapur, sich mit Maßnahmen wie der Forschungsförderung breiter aufzustellen, um künftig vom Handel nicht zu stark abhängig zu sein.

Wird es der Klimawandel bewirken? Neue Handelsrouten

Cherson – gegründet von Katharina der Großen

Derzeit heiß umkämpft

Heute lese ich, dass Cherson „so gut wie von russischem Nachschub abgeschnitten“ ist. Man wird sehen. Cherson liegt am Beginn des Mündungsdeltas des Dnepr. Bis zum Schwarzen Meer sind es noch rund 30 km. 60 km nordwestlich der Stadt liegt die Hafenstadt Mykolajiw, knapp 100 km südöstlich beginnt die Krim.

Bis 1774 gehörte die Region zum Khanat der Krim. Die Stadt Cherson wurde 1778 auf Weisung der russischen Zarin Katharina II. und auf Vorschlag des Fürsten Grigori A. Potjomkin neben der 1737–1739 erbauten russischen Befestigungsanlage Alexanderschanze gegründet. Die Anlage der Straßen, Plätze und Gebäude erfolgte in Form eines regelmäßigen Schachbretts. In der Nähe der Stadt wurde 1943 die „größte Eisenbahnkriegsbrücke des Zweiten Weltkrieges“ von deutschen Eisenbahnpionieren gebaut. Sie war 2 km lang, die Wassertiefe betrug 14 Meter, die Höhe über Wasser 10 Meter. Cherson war dann später – Kalter Krieg – ein wichtiger Stützpunkt der Schwarzmeerflotte. Diesen Status verlor die Stadt erst nach der ukrainischen Unabhängigkeit. Cherson besitzt durch seinen Flusshafen und Seehafen eine bedeutende Werftindustrie.

76,5 Prozent (Stand: 2001) der Einwohner sind Ukrainer, von denen 28,2 Prozent Russisch als Muttersprache benutzen. Die Russen machen 19,9 Prozent der Bevölkerung aus. Außerdem lebt noch eine kleine Gruppe Tataren in Cherson.

In den ersten Tagen des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 waren die Stadt und ihr Umland Schauplatz schwerer Gefechte zwischen russischen Truppen, welche von der Krim aus nach Norden vorstießen, und ukrainischen Verteidigern. Am Morgen des 2. März meldete das russische Militär, die Stadt Cherson vollständig unter Kontrolle gebracht zu haben. Offensichtlich war die Stadt selbst außer von wenigen Freiwilligen überhaupt nicht verteidigt worden. Ukrainer gingen nach der Okkupation auf die Straßen, um gegen die Besatzer zu demonstrieren.

Am 12. März gab es Meldungen, dass es in mehreren Städten im Bereich des von Russland besetzten Territoriums Versuche gegeben hatte, „prorussische“ Aktionen zu organisieren. Lokale Behörden verweigerten die Zusammenarbeit und die Bevölkerung protestierte weiter. In Cherson veröffentlichten Mitglieder des Regionalrats einen Appell und ihre Erklärung, wonach die Region Cherson ein integraler Bestandteil der Ukraine sei. Andere Szenarien wie angebliche Referenden würden weder von den Einwohnern der Region noch von den Abgeordneten des Regionalrats oder von den rechtmäßig gewählten Mitgliedern der lokalen Regierung unterstützt. Bei den Okkupationstruppen wurden die russischen Streitkräfte in der Stadt rasch durch die direkt Wladimir Putin unterstellte Nationalgarde, eine Einheit für Spezialaufgaben und Repression, ersetzt. Die Armee bildete einen Blockadering um die Stadt. Die Nationalgarde fahndete nach Personen, welche in der Armee waren oder nach in sozialen Netzwerken aktiven Personen; einige Menschen verschwanden einfach.

Als am 21. März Bewohner der Stadt gegen die Besatzer demonstrierten, eröffneten diese n das Feuer. Angeblich wären bei der Einnahme der Stadt Lebensmittelläden bombardiert worden. Angeblich wollten die Besatzer einfach warten, bis die Ukrainer in der blockierten Stadt so hungrig seien, dass sie russische Hilfe annähmen, was dann propagandistisch ausgeschlachtet werden könnte. Für chronisch Kranke sei es unmöglich sei, Medikamente zu bekommen. Wie in den anderen besetzten Orten in der Ukraine wurden Geschäfte von den Besatzern geplündert, sogar die Störe im Teich eines Fischereiladens seien erschossen worden.

Am 25. April lösten die Besatzer die Regionalverwaltung auf; anstelle des gewählten Bürgermeisters wurde von Russland ein neuer „Verwaltungsleiter“ eingesetzt. Die Militärverwaltung erklärte, im Mai den Rubel als Zahlungsmittel einzuführen. Da gesetzte russische Flaggen sofort entfernt wurden, mussten sie bewacht werden. Der Bürgermeister wurde jedoch erst Ende Juni verhaftet, seine Verhaftung erfolgte unter der Beschuldigung, zum „Glauben an eine Rückkehr des Nazismus ermutigt“ zu haben.

Die Besatzer diktierten nächtliche Ausgangssperren, auch dass Autos und Lastwagen nur Medikamente und Lebensmittel transportieren durften, dafür konnte der öffentliche Verkehr wieder aufgenommen werden.  

Bis Ende April hatten die Besatzer mehrfach versucht, ein „Referendum“ zu inszenieren. Stattdessen kamen Menschen mit ukrainischen Fahnen. Die Besatzer versuchten jeweils, die besonders aktiven Demonstranten zu identifizieren und auch aus diesem Grund waren es nach 2 Monaten immer weniger Menschen. In Cherson werde es kein Referendum geben, für einen Anschluss an Russland reiche ein Erlass Putins, so der stellvertretende Chef der Militärverwaltung.

Unter der Besatzung verließen bis Mai 2022 etwa die Hälfte der Bevölkerung die Stadt und ein Fünftel die ländliche Region. Die Verwaltung der Okkupanten erklärte, sie nehme „Firmen mit ungeklärten Besitzverhältnissen „temporär“ unter ihre Kontrolle. Anwohner berichteten von Massenentführungen, Folter, Raubüberfällen und Vergewaltigungen. Anfang Juli war von 600 Menschen die Rede, welche in der Region in Gefängnisse geworfen und gefoltert wurden. Im Umland beschlagnahmten die Besatzer Farmen, verkauften das Getreide und zwangen die Arbeiter, für sie zu arbeiten, dazu kamen Geiselnahmen zur Erpressung von Lösegeld. Trotzdem wurden die ukrainischen Flaggen und Inschriften in der Stadt auch im Juni nicht weniger.

Nach mehreren Anschlägen durch Autobomben kam erstmals am 24. Juni auch ein Kollaborateur ums Leben.

Jetzt sei es im Gebiet Cherson dem ukrainischen Militär dank vom Westen gelieferter Artilleriegeschütze gelungen, mindestens drei Brücken über den Dnipro zu beschädigen. Das erschwere Moskau die Versorgung der besetzten Gebiete und mache die russische 49. Armee, die am Westufer des Dnepr stationiert sei, äußerst verwundbar.

Die Absicht der Ukrainer dürfte sein, bis Winterbeginn das westliche Ufer des Dnepr zurückzuerobern und den Fluss zu einem natürlichen Hindernis zu machen. Damit hätten es die russischen Streitkräfte erheblich schwerer, im Frühjahr die Stadt Mykolajiw zu nehmen und dann weiter nach Odessa vorzustoßen. Allerdings verläuft die Front derzeit 20 bis 50 Kilometer vom Flussufer entfernt und die russische Artillerie feuert pausenlos auf das flache Steppengelände.

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Cherson – gegründet von Katharina der Großen

Auch sie dient Putin als Vorbild: Katharina die Große (Teil 1)

Jugend und beginnende Reformen der Kaiserin

Wenn auch manche Kreml-Astrologen schon die Putin-Ära ihrem Ende zugehen sehen, und seine potentiellen Nachfolger ins Gespräch bringen, ist es derzeit noch immer wichtig, zu versuchen, die Ziele Putins zu „erraten“, denn leider kann man es nicht anders bezeichnen.

Jedenfalls hat Vladimir Putin gemeint, dass nicht nur Peter I., der Große sein Vorbild ist, sondern auch Katharina II., ebenfalls die Große genannt. Katharina II., * 2. Mai 1729 als Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst in Stettin; † 6. Novemberjul. / 17. November 1796greg. in Sankt Petersburg, war ab dem 9. Juli 1762 Kaiserin von Russland und ab 1793 Herrin von Jever. Sie ist die einzige Herrscherin, der in der Geschichtsschreibung der Beiname die Große verliehen wurde. Katharina II. war eine Repräsentantin des aufgeklärten Absolutismus.

1743 beschloss die Kaiserin Elisabeth Petrowna auf Anraten Friedrichs II., ihren Nachfolger, den russischen Thronfolger Großfürst Peter Fjodorowitsch und späteren Kaiser Peter III., den ersten Kaiser aus der bis 1917 regierenden Dynastie Romanow-Holstein-Gottorp, mit Sophie, seiner Cousine zweiten Grades zu vermählen. Mit Ehrgeiz und Zielstrebigkeit erlernte die begabte Vierzehnjährige schnell die russische Sprache und versuchte, sich am Hof zu integrieren. Zugleich ließ sie sich im orthodoxen Glauben unterweisen, denn sie sah den Glaubenswechsel als notwendigen Schritt auf ihrem Weg. Damit verbunden war der Namenswechsel, aus Sophie wurde Jekaterina Alexejewa – den Namen Katharina hatte die regierende Kaiserin Elisabeth zur Erinnerung an ihre Mutter Katharina I. bestimmt. Am gleichen Tag wurde Katharina zur Großfürstin erhoben. Am 21. Augustjul. / 1. September 1745greg. fand die Hochzeit statt. Die Hochzeitsfeierlichkeiten dauerten zehn Tage. Die Ehe war dann aber nicht harmonisch.

Großfürstin Katharina war eine lebensfrohe und intelligente Frau. Sie musizierte gern und las viel, zunehmend wandte sie sich historischen und politiktheoretischen Werken (Montesquieu, Voltaire) zu, um so ihr Verständnis für die Politik zu schärfen und sich auf ihre Rolle als Mitregentin vorzubereiten. Währenddessen schuf sich Großfürst Peter seine eigene Welt in Oranienbaum (heute Lomonossow) und pflegte seine Vorliebe für alles Preußische, insbesondere das Militär.

Am 25. Dezember 1761jul. / 5. Januar 1762greg. starb Elisabeth. Daraufhin kam Katharinas Ehemann als Kaiser Peter III. an die Macht. Die ersten Staatshandlungen Peters III. waren ein Sonderfrieden mit Preußen, der zwar das Ende des Siebenjährigen Krieges bedeutete, für Russland allerdings Nachteile brachte, und die Einführung eines umfangreichen aufgeklärten Reformprogramms, wodurch er sich die Feindschaft der konservativen Kräfte des Landes zuzog. Katharina und ihre Vertrauten planten daraufhin einen riskanten Staatsstreich der aber gelang. Katharina wurde in Sankt-Petersburg durch den Metropoliten Setschin zur Alleinherrscherin Russlands erklärt. Peter III. wurde gefangen genommen und kam am 17. Juli 1762 unter ungeklärten Umständen ums Leben.

Das Leitbild ihrer Regierung entwickelte Katharina aus Voltaires These, dass im Jahrhundert der Aufklärung nicht mehr die großen Waffentaten, sondern die Veränderungen der Sitten, die Gesetzgebung, Handel, Gewerbe und Verkehr, Künste und Bildung von der Geschichtsschreibung gewürdigt werden sollen, die er in seinem 1756 erschienenen Essay über die Sitten und den Geist der Nationen formuliert hatte. Sie verkündete in einem Manifest, wie sie ihr Land regieren wollte: auf gesetzlichem Wege solche staatlichen Institutionen schaffen, durch die die Regierung unseres lieben Vaterlandes ihren Lauf nehmen kann, auf dass auch in Zukunft jede Staatsbehörde ihre Grenzen und Gesetze zum Zwecke der Wahrung der guten Ordnung habe.

Katharina ermöglichte z.B. tausenden deutschen Bauern die Ansiedlung in den Ebenen beiderseits der Wolga. Sie versprach den Siedlern Religionsfreiheit, Steuerfreiheit und das Verfügungsrecht über ihr Land. Das war der Anfang der sogenannten Wolgadeutschen. Weil die Kaiserin die schlimmen Auswirkungen der Leibeigenschaft kannte und in ihr ein schweres Hemmnis der landwirtschaftlichen Produktivität sah, strebte sie deren Abschaffung an – des gelang ihr allerdings nicht. Auch die Vereinheitlichung und Systematisierung der Gesetzgebung war ihr ein Anliegen. Auch diese war nicht besonders erfolgreich.

Als Herrscherin sah Katharina die Russisch-Orthodoxe Kirche und ihre Amtsträger vor allem in der Funktion, die Ordnung im Reich herzustellen und aufrechtzuerhalten. Den Priestern, die besonders auf dem Lande die einzigen Schriftkundigen waren, wies sie zunehmend mehr Aufgaben zu. In den Gottesdiensten hatten sie die Befehle der Kaiserin zu verlesen, etwa zu neuen Abgaben, den Salzpreisen oder auch zur Pockenimpfung.

Gegenüber dem Islam ging es Katharina vorrangig um Eingliederung und Kontrolle. Sie lehnte zwar die elisabethanische Politik der Zwangskonversionen ab, versuchte aber in der ersten Zeit, muslimische Adlige zur Konversion zu bewegen, etwa durch Geldanreize oder, indem sie ihnen den Besitz orthodoxer Leibeigener untersagte.

Mit den Teilungen Polens kamen große katholische und jüdische Bevölkerungsgruppen unter russische Herrschaft, und auch die Eingliederung der Unierten Katholischen Kirche brachte neue Herausforderungen für kaiserliche Religionspolitik. Katharina II. versuchte die römisch-katholische Kirche für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, obwohl sie den Katholizismus innerhalb des Imperiums als Gegner betrachtete. Der Beitrag der Jesuiten zur Schulbildung war Katharina so wichtig, dass sie den Orden in ihr Reich einlud, als er im übrigen Europa aufgehoben wurde.

So wird sie von Historikern beurteilt: Von der Natur reich ausgestattet und der Gunst der Stunde emporgehoben, hat es Kaiserin Katharina II. als Fortsetzerin des Werkes Peters I. verstanden, das Russische Reich auf der Bahn des Fortschritts weiterzuführen und mit dem westlichen Europa zu verbinden. Unter ihrer Herrschaft hat sich das Zarenreich nicht nur militärisch, sondern auch geistig und kulturell bewegt. Freilich waren es vorrangig die Waffen, die Zunahme der äußeren Macht, die das Selbstgefühl der Russen stärkten. Jedoch bestand Katharinas große Leistung in der Einbeziehung des ehedem geistig-griechisch verfassten Zarenreichs in das gesamteuropäische kulturelle Kommunikationssystem. Stellung und Umwelt erklären wohl das Maß an Eitelkeit und Selbstgefühl, das die russische Monarchin auszeichnete. Aber ohne das Vertrauen in dir eigene Kraft hätte die Herrscherin schwerlich die Erfolge zu erringen vermocht, die ihr gelangen.

Fortsetzung folgt.

Auch sie dient Putin als Vorbild: Katharina die Große (Teil 1)

Schöne neue Welt

Das Projekt NEOM und die futuristische City THE LINE

Ob es vernünftig ist, ob es nachhaltig ist, ja, sogar ob es notwendig ist, ob es überhaupt realisierbar ist, das möchte ich hier gar nicht diskutieren. Denn das Projekt fasziniert mich einfach. Der umstrittene saudische Kronprinz und Machthaber Mohammad bin Salman plant: Neom (Zusammensetzung aus „neo“ und „m“ (mustaqbal ‚Zukunft‘), das ist eine von der Regierung Saudi-Arabiens projektierte Planstadt mit angeschlossenem Technologiepark im Nordwesten des Landes unweit des Golfs von Akaba sowie an der Küste des Roten Meeres.

Schon am 24. Oktober 2017 wurde Neom in Riad erstmals vorgestellt. Es ist als Meilenstein in der Zukunftsplanung des Landes für die Ära nach der Ölförderung gedacht. Es ist ein Versuch Saudi-Arabiens, seine Einkünfte aus dem Öl zu diversifizieren. Das gesamte Projekt ist Teil der „Vision 2030“. Ein Ziel des Projekts ist es, ausländisches Kapital und Investoren in das Königreich zu holen. Gefördert werden sollen neue Ökonomiebereiche, um die saudische Wirtschaft für die Zukunft auf eine breitere Grundlage zu stellen, darunter Biotechnologie, Energie und Wasser sowie die mediale Entwicklung.

Das vorgesehen Gebiet liegt im Nordwesten des Landes am Roten Meer und an der Grenze zu Ägypten und Jordanien. Vorgesehen ist die Querung über die Straße von Tiran mit einer Brücke zwischen den Inseln Tiran und Sanafir, die lange Zeit zwischen Saudi-Arabien und Ägypten umstritten waren. Mit der Brücke entstünde eine Landverbindung von Nordafrika auf die Arabische Halbinsel und damit nach Vorderasien unter Umgehung Israels! Neom soll seinen Energiebedarf ausschließlich aus Wind- und Sonnenkraft speisen. Das Projekt hat zum Ziel, die Wirtschaft Saudi-Arabiens unabhängiger vom Öl zu machen.

Ein Teil davon soll eine Stadt namens The LINE für eine oder neun (?) Million Einwohner werden.  (neune wohl für Gesamt NEOM). “The Line” soll eine 170 Kilometer lange Stadt werden, deren Außenseiten in 500 Meter hohe Spiegeln gehüllt ist. Die Breite der Megacity wird demnach bei lediglich 200 Meter liegen. Bewohner: innen sollen in 5 Minuten Fußweg all ihre privaten Bedürfnisse erfüllen können. Dank einer modernen Infrastruktur auf Basis einer Hochgeschwindigkeits-U-Bahn soll man von einem zum anderen Ende in 20 Minuten fahren können. Auf Autos könne man so komplett verzichten, wodurch auch keine Emissionen entstehen. Die “Straße” der Stadt soll Fußgänger: innen und Radfahrer: innen vorbehalten sein. Es wurden auch bereits Flugtaxis und Drohnen für die Megastadt bestellt. Die Energie der Stadt soll zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Die Energie der Stadt soll zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Durch das langgezogene Design haben Bewohner: innen “direkten Zugang” zur umliegenden Natur (Wüste?), wie es heißt.

Neben “The Line” soll auch noch eine Industriestadt sowie ein Flughafen Teil des Projekts sein. Neom Airport wurde bereits Mitte 2019 eröffnet. Neom Bay soll der erste realisierte Teil von Neom werden. Hierzu wurde 2019 bereits der internationale Flughafen Neom eröffnet.

Am 29. März 2022 erfolgte die Grundsteinlegung für eine Fabrik zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Ab 2026 soll das Gas über den Hafen von Duba exportiert werden.

Wird mit diesem Projekt versucht, Saudi-Arabien in Bezug auf Modernität und wirtschaftliche Entwicklung international in die ‚Pole Position‘ zu rücken? Soll ein „neues Silicon Valley“ entstehen?

Natürlich wirft dieses Projekt Fragen auf: hat Saudi-Arabien genügend eigenes Kapital, woher sollen die (qualifizierten) Arbeitskräfte kommen und weist Saudi-Arabien überhaupt geeignete Standards auf, um ein derartiges Projekt zu bewältigen? Ist ein derartiges Projekt überhaupt sinnvoll? Ist der in Saudi-Arabien praktizierte Islam mit einem derartigen Projekt kompatibel?

Und dann gibt es noch Widerstand der alteingesessenen Beduinen. Es gab, gibt und wird Zwangsräumungen geben. Es gibt Berichte von mehreren Verhaftungen von Stammesmitgliedern, die sich weigerten, ihre Häuser zu verlassen. Besonders öffentlichkeitswirksam ging Abdulrahim al-Howeiti vor, der sich in einer Videobotschaft an seine Landsleute wandte. Seine Heimat stehe zum Verkauf – kurz darauf wurde er getötet. Abdulrahim gehört dem al-Howeitat-Stamm an, der seit Jahrhunderten den Südwesten Jordaniens, den Sinai und den Nordwesten Saudi-Arabiens besiedelt. Seit Anfang 2021 wurden mehrere Dörfer in der Gegend ganz oder teilweise abgerissen und die Bewohner zwangsumgesiedelt.

Es erhebt sich die Frage: cui bono – wem dient dieses Projekt?

Schöne neue Welt

Zur Ausstellung „Love me Kosher“ im Jüdischen Museum

Heute ist es nicht mehr ganz so heiß, aber dennoch sonnig. Daher habe ich beschlossen, in ein Museum zu gehen, dort ist es immerhin kühl. Auf meiner Museumsbesuchsliste ganz oben stehen einerseits das Leopoldmuseum (die Alfred Kubin Ausstellung) oder andererseits das Jüdische Museum mit „Love me Kosher“. Aus mehreren Gründen (also z.B. der Weg ist weniger sonnig, oder die Ausstellung im Jüdischen Museum würde mich mehr erheitern) begab ich mich also in die Dorotheergasse.

Unterwegs gönnte ich mir noch kurz in Auslagen diverser „Fetzen“-Geschäfte zu schauen, nur um festzustellen, dass die Modefarbe olivgrün ist – also die Farbe der ukrainischen Uniformen oder des Leiberls von Wolodymyr Selenskyj. Also, das geht mir zu weit, diesem Modetrend werde ich sicher nicht folgen (wobei ich auch anderen eher nicht gefolgt bin).

Der Eingang des Museums ist noch immer bewacht, jetzt hat man allerdings ein „Häuserl“ hingestellt, in das sich die Bewacher zeitweilig zurückziehen können. Das ist ein freundlicher Akt, besonders im Winter, aber das Häuserl ist leider wiederum ziemlich schiach. Wer ist für diese “Stadtmöblierung“ eigentlich verantwortlich?  Das Palais Eskeles, allwo das Jüdische Museum beheimatet ist, hat doch so eine schöne Front.

Mit der Karte ins Jüdische Museum in der Dorotheergasse kann ich in den nächsten paar Tagen auch in jenes am Judenplatz gehen und mir dort die Ausstellung über das „Arabia“ am Kohlmarkt ansehen, in das ich in früheren Zeiten mit meinem Mann sehr gerne gegangen bin.  

Rucksack (vulgo Handtasche) musste ich verstauen, was dann aber angenehm war, weil ich nichts mit mir herumschleppte.

Die Ausstellung Love me Kosher ist einerseits sehr instruktiv, aber auch durchaus unterhaltsam. Gleich am Anfang wird man in einen Garten Eden geführt (inspiriert von Andre Heller, dort sind auch einige seiner Bilder ausgestellt). Denn im Judentum nehmen Liebe und Sexualität anders als in anderen Religionen einen hohen Stellenwert ein. Dass der Anfang des Lebens eine zwischenmenschliche Beziehung voraussetzt, proklamiert schon die Tora: „Gott segnete Adam und Eva und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret Euch und erfüllet die Erde.“ Sexualität ist somit ein natürlicher Bestandteil des Lebens.

Die Ausstellung befasst sich ausgehend also vom paradiesischen Zustand nach der Erschaffung der Welt, über die Betrachtung von Liebe und Sexualität im Tanach, die Rolle der Schadchan (Heiratsvermittler) bis hin zu Soziologin und Sexualtherapeutin Ruth Westheimer mit den Diskussionen im modernen Judentum zu Partnerschaft und LGBTIQ-Themen. „Love Me Kosher“ präsentiert mittels spannender Objekte aus den Sammlungen des Jüdischen Museums Wien und Leihgaben verschiedener nationaler und internationaler Institutionen Einblicke in eine sinnliche und beglückende Welt.

Die Ausstellung ist originell „beschriftet“ – auf einem Bett, auf Pölstern, viel kann man sehen über Hochzeiten und die dazugehörigen Rituale. Naja, Wien ist auch die Heimat von Sigmund Freud einerseits aber auch von Autoren, Filmemachern und Schauspielern, besonders um die Jahrhundertwende (Anfang 20. Jahrhundert!).  Hier finden die Mutzenbacher ebenso wie der Reigen ihre Plätze, aber auch Hedi Lamarr mit Ekstase. Es gibt auch Filmausschnitte.

Aber auch das Elend von jungen Frauen die in die Reichs -und Residenzstadt Wien kommen, und nur die Prostitution zur Unterhaltsbeschaffung wählen können. Das Thema Sex wird auch im Zusammenhang mit dem Holocaust dekliniert.

Ich kann diese Ausstellung nur empfehlen, netter und inspirierender ist es zweifelsohne, sie nicht allein – sondern in Zweisamkeit zu besuchen.

Zur Ausstellung „Love me Kosher“ im Jüdischen Museum

Der schicksalsträchtige 28. Juli

Dieser 28. Juli scheint in der Geschichte ein durchaus schicksalsträchtiger Tag zu sein. Dazu nur wenige Beispiele

988: Mit der Taufe des Großfürsten Wladimir I. wird die Kiewer Rus christianisiert.

Wladimir (* um 960; † 1015) wird in der Russisch-Orthodoxen Kirche und der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche als apostelgleicher Heiliger verehrt. Liegt nicht schon da die Wurzel für die derzeitigen Auseinandersetzungen im Russland-Ukraine-Krieg? Nach dem Tod des Vaters 972 wurde Wladimir Fürst von Nowgorod, dem zweitwichtigsten Zentrum der Rus. Kampflos fiel ihm die Hauptstadt Kiew in die Hand. Darauf lud er seinen Halbbruder Jaropolk zu Verhandlungen ein und ließ ihn umbringen, wodurch er zum Alleinherrscher der Kiewer Rus wurde. Insgesamt vergrößerte er die Rus durch die Unterwerfung der verschiedenen benachbarten Völker so, dass es bereits unter ihm vom Dnepr bis zum Ladogasee und bis an die Düna reichte. Das wichtigste Ereignis der Regierungszeit Wladimirs war die Christianisierung der Kiewer Rus anlässlich seiner Vermählung mit Prinzessin Anna von Byzanz, Tochter des byzantinischen Kaisers. Dafür erhielt er den Beinamen der Heilige und wurde nach seinem Tod in den Stand eines Heiligen der orthodoxen Kirche erhoben. Vor seiner Taufe beschreibt ihn die Heiligenlegende als Wüstling mit sieben Hauptfrauen und 800 Mätressen. Er war ein eifriger Anhänger des Heidentums gewesen. Zum christlichen Glauben brachte ihn der Überlieferung zufolge die Vernunft.

1809: Die Napoleonischen Kriege auf der Iberischen Halbinsel: In der Schlacht von Talavera hindert Arthur Wellesley, der spätere Herzog von Wellington, den spanischen König Joseph Bonaparte, Portugal zu erobern.

Der Feldzug Napoleon Bonapartes auf der Iberischen Halbinsel dauerte von 1807 bis 1814. Von spanischer Seite wird er Spanischer Unabhängigkeitskrieg, von britischer Seite Peninsular War genannt. Dieser Krieg, Teil der napoleonischen Kriege, wurde vor allem von Spanien, Portugal und Großbritannien gegen Frankreichs Vorherrschaft ausgetragen. Begonnen hatte er als Versuch Frankreichs, Portugal mit in die Handelsblockade gegen Großbritannien einzubinden.

Am 25. Juli 1809 hatten sich zwei französische Korps unter Marschall Victor mit dem aus Madrid herankommenden König Joseph in einer Gesamtstärke von 45.000 Mann verbunden. Die Spanier zogen sich wieder westwärts zu den britischen Truppen zurück. Dennoch stießen Spanier und Franzosen östlich von Talavera aufeinander. Die Spanier unter General de Cuesta zogen sich am 27. Juli auf die in Stellung gehenden britischen Truppen unter General Wellesley zurück. In der Schlacht bei Talavera de la Reina gelang Wellington zusammen mit den Spaniern unter Cuesta und Contreras am 28. Juli ein großer Sieg. Im weiteren Verlauf des Jahres konnte der inzwischen zum Viscount Wellington ernannte Heerführer jedoch lediglich die Franzosen an der Eroberung Portugals hindern.

Unterdessen hatten der Fünfte Koalitionskrieg und kleinere Aufstände im deutschsprachigen Raum begonnen, die Napoleon zwangen, starke Truppenkontingente aus Spanien abzuziehen. Nach dem Sieg gegen Österreich bei Wagram im Juli 1809 konnte Napoleon seine Truppen in Spanien wieder verstärken und bereitete einen Schlag gegen Wellesleys Truppen in Portugal vor.

1914: Einen Monat nach der Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajewo erklärt Österreich-Ungarn Serbien den Krieg und beginnt damit den Ersten Weltkrieg.

Am 23. Juli hatte Österreich-Ungarn ultimativ von Serbien eine gerichtliche Untersuchung gegen die Teilnehmer des Komplotts vom 28. Juni unter Beteiligung von k. u. k. Organen gefordert. Dies lehnte die serbische Regierung, bestärkt durch Russlands Zusage militärischer Unterstützung im Konfliktfall, als unannehmbare Beeinträchtigung ihrer Souveränität ab. Russlands vom panslawistischen Motiv mitbestimmte Haltung wurde im Zuge des französischen Staatsbesuches in St. Petersburg (20. bis 23. Juli) wiederum durch Frankreich unterstützt, das in Bekräftigung der Französisch-Russischen Allianz den Russen für den Kriegsfall mit Deutschland Unterstützung garantierte. Am 28. Juli 1914 erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg. Aus einem Lokalkrieg wurde innerhalb weniger Tage ein Kontinentalkrieg unter Beteiligung Russlands und Frankreichs. Deutsche Truppen griffen Frankreich von Nordosten an und verletzten dabei die Neutralität Belgiens und Luxemburgs, das führte zum Kriegseintritt der belgischen Garantiemacht Großbritannien und seiner Dominions, was zur Ausweitung zu einem Weltkrieg führte.

1943: In Hamburg lösen die bis dahin schwersten Luftangriffe der Geschichte im Zuge der Operation Gomorrha einen verheerenden Feuersturm aus, der große Teile der Stadt vernichtet, mindestens 35.000 Menschen tötet und über eine Million obdachlos macht.

Operation Gomorrha war der militärische Codename für eine Serie von Luftangriffen, die vom Bomber Command der Royal Air Force (RAF) und der Eighth Air Force der USAAF im Luftkrieg des Zweiten Weltkriegs vom 24. Juli bis zum 3. August 1943 auf Hamburg ausgeführt wurden. Es waren die bis dahin schwersten in der Geschichte des Luftkrieges. Begünstigt durch besondere Witterungsbedingungen entfachten die Flächenbombardements insbesondere in den östlichen Stadtteilen diesen verheerenden Feuersturm.  

Am Vormittag des 27. Juli 1943 herrschten bereits Temperaturen von über 30 °Celsius. Die Temperatur stieg bis auf 32 °Celsius an. In der Nacht vom 27. zum 28. Juli 1943 begünstigte diese seltene Wetterlage den „atmosphärischen“ Feuersturm. Die aufsteigenden sehr heißen Brandgase der beginnenden Brände durchstießen die darüberliegenden kühleren Luftmassen bis zu etwa 7000 Meter Höhe. Dadurch bildete sich ein einziger atmosphärischer Kamin. Dadurch waren die Brände bereits in der Entstehungsphase unbeherrschbar geworden. Menschen wurden in die Feuer gerissen, brennende Balken und Gegenstände durch die Luft gewirbelt, auch dicke Bäume entwurzelt, Flammen und Funkenflug zogen durch die Straßenzüge. Die Geschwindigkeit des Feuersturms erreichte Orkanstärke bis zu geschätzt 75 Meter pro Sekunde (270 km/h). Der Feuersturm kam zwischen 5 und 6 Uhr morgens zum Erliegen. Eine sieben Kilometer hohe Rauchwolke, die die Sonne unsichtbar machte, lag am 28. Juli 1943 über der Stadt.

(Über das Ende des bewaffneten Kampfes der IRA gegen die britische Herrschaft in Nordirland 2005 erzähle ich ein andermal!)

Der schicksalsträchtige 28. Juli