Oder doch nicht?
Wenn ich mich so im Sommer in den Straßen umschaue, habe ich den Eindruck, dass es einfach keinen Dress-Code mehr gibt. Ein Teil der in der Stadt herumspazierenden Menschen sind sicher Touristen, und die sind meist „bequem“ angezogen. Das finde ich in Ordnung, nur wenn sie „wie für den Strand gekleidet“ (selbst wenn es teure Stücke sind, die sie da tragen) herumspazieren, in kurzen (Damen in kürzest möglichen) Hosen und irgend „Winzigstes“ oben, mit Flip-Flops durch die Gegend latschen, gefällt mir das gar nicht.
Das andere Extrem findet sich im Festspielsommer in Salzburg: untertags möglichst im Dirndl, die Herren im Steirerlook, und abends in bodenlangen Kleidern und (weißem) Smoking. Ich gebe zu, derzeit sehe ich Salzburg nur im Fernsehen.
Der Begriff Dress-Code bezeichnet Regeln und Vorschriften zur gewünschten Kleidung im privaten, gesellschaftlichen, kulturellen und geschäftlichen Umfeld. Mit dem Begriff werden auch Regeln bezüglich der Kleidung bezeichnet, die nicht per Gesetz oder Erlass, sondern aufgrund weicherer Faktoren bestehen: aufgrund von Konvention, aufgrund des Bedürfnisses nach Konformität, aufgrund einer stillschweigenden Übereinkunft, eines gesellschaftlichen Konsenses (bzw. eines Konsenses in einer gesellschaftlichen Gruppe) oder einer Erwartungshaltung z. B. eines Veranstalters oder eines Arbeitgebers.
Die Standards der Kleiderordnung können sich je nach Land, Region, Religion, ethnischer Gruppierung, Unternehmens-, Zunft- oder Branchenzugehörigkeit unterscheiden. In einigen Regionen ist z. B. das Tragen einer Tracht zu öffentlichen Ereignissen erwünscht, wird außerhalb dieser Regionen jedoch als unpassend empfunden oder ist sogar verpönt. Bestehende Kleiderordnungen sind zudem häufig modischen Einflüssen und dem Zeitgeist (z. B. Zylinder, Gehstock) unterworfen.
Ursprünglich wurden als Kleiderordnung Erlasse bezeichnet, die eine zulässige Bekleidung und den erlaubten Schmuck für die einzelnen Stände festlegten, zum Beispiel der Reichserlass von 1530:
„… daß sich jeder, wes Würden oder Herkommen er sei, nach seinem Stand, Ehren und Vermögen trage, damit in jeglichem Stand unterschiedliche Erkäntnüs sein mög […]“.
Neben religiösen und moralischen Gründen spielten soziale Erwägungen eine Rolle: Wenn beispielsweise in einer freien Reichsstadt ein Bürger durch verschwenderischen Lebensstil verarmte, fiel er der städtischen Fürsorge zur Last. Außerdem waren Kleiderordnungen ein Instrument des Protektionismus: Viele kostbare Materialien (etwa Seide) mussten aus anderen Ländern importiert werden, was zu einem unerwünschten Abfluss von Kaufkraft ins Ausland führte. Gleichzeitig wurde durch die unterschiedliche Kleidung die gesellschaftliche Hierarchie nach außen hin sichtbar.
Schon im Altertum gab es Kleiderordnungen entsprechend dem sozialen Status. Zu einem ständig wiederkehrenden Bestandteil der allgemeinen Gesetzgebung wurden die Kleiderordnungen erst im 14. Jahrhundert, in Deutschland waren es wohl zuerst die Speyrer und Frankfurter Verordnungen von 1336 sowie Göttingen mit Verfügungen von 1340 und 1342. Aus Italien, Spanien und Frankreich sind gesetzliche Bestimmungen über die Kleidung schon aus dem 13. Jahrhundert bekannt. Kleidungsvorschriften wurden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts von Landesherren, Reichstagen und Stadträten erlassen.
Karl der Große erließ im Jahr 808 ein „Aufwandgesetz“, das vorschrieb, wie viel jeder Stand für seine Kleidung ausgeben durfte. Für Prostituierte und Juden galten spätestens seit dem Mittelalter Kleidungsvorschriften wie der Gelbe Ring. In Speyer und in Straßburg wurde den Frauen 1356 lang herabfallendes, offen getragenes Haar verboten. 1370 folgte in Straßburg ein Verbot von Unterwäsche, die die Brüste anhob.
Im 16. Jahrhundert untersagten Spanien, Frankreich, Italien und England ihren Untertanen Gold- und Silberbrokate sowie Stickereien mit Gold- und Silberfäden. Im Krieg der Bauern von Langensalza forderten diese 1524 vergebens, die rote Schaube der Oberschicht tragen zu dürfen. 1530 beschloss der Augsburger Reichstag eine umfassende Neuregelung der Standestrachten, die 1548 erneuert wurde. Im 17. Jahrhundert gab es in Europa zunehmend Luxusbeschränkungen, auch aus religiösen Gründen. In Spanien und Frankreich wurden Spitzen verboten, vor allem solche aus Belgien. Im 18. Jahrhundert gehörten gepudertes Haar und das Tragen eines Degens zum Privileg der höheren Stände. Durch die Ideen der Aufklärung gerieten diese Standesvorschriften aber zunehmend ins Wanken, und die Französische Revolution erschütterte sie vollends.
Eine besondere Beachtung in den Kleiderordnungen fand der Pelz, oft ein Bestandteil der Schaube, als Besatz, Verbrämung oder als Fellinnenfutter. Die Reichspolizeiordnung von 1530 zeigt die Pelzhierarchie im Verhältnis zur gesellschaftlichen Rangordnung. Erst kürzlich habe ich gelesen, dass Tragen von Hermelin in früheren Zeiten nur den höchsten Adelskreisen vorbehalten war. Heute sieht man sie noch an bestimmten „Berufsbekleidungen“ – wie für Oberste Richter oder hohe Universitätsfunktionäre.
Im Arbeitsleben wird die Kleidung der Mitarbeiter über Vorschriften des Arbeitgebers dem angestrebten Image, der Unternehmenskultur oder der Corporate Identity eines Unternehmens angepasst. Hierbei können sehr unterschiedliche Standards vorgeschrieben sein, von der geforderten Farbwahl über einen besonderen Stil oder bestimmter Kleidungsstücke, dem Verbot einzelner Kleidungsstücke bis hin zum Tragen einer Uniform. Ein Arbeitgeber kann hierzu im Rahmen seines Direktionsrechtes recht weitgehende Vorgaben machen.
So gemütlich es in Trainingskleidung im Home-Office gewesen sein mag, ins Büro passt diese Bekleidung dann eher doch nicht. Mein Bekleidungsstil wurde noch in den 1970 Jahren jährlich vom Chef (nebst geleisteter Arbeit) beurteilt. Mir ist es z.B. noch heute peinlich, wenn ich für einen bestimmten Anlass „overdressed“, also zu „fein“ angezogen, zu feierlich gekleidet bin.
Andererseits mag ich es auch nicht, wenn österreichische offizielle Repräsentanten aus Regierung und Wirtschaft (z.B. bei Staatsbesuchen) „falsch“ angezogen sind.
Aber schließlich bin ich auch kein „Arbiter Elegantiarum“ wie weiland Titus Petronius im Altertum.