„Genug des Blutes und der Tränen! Genug!“

Friede hat seine Zeit

Wenn ich mir das derzeitige Dilemma Israels anschaue, denke ich oft an Jitzchak Rabin.  Es geschah am 4. November 1995. Es war der Tag, an dem der israelische Ministerpräsident Jitzchak Rabin ermordet wurde – erschossen, nach einer großen Kundgebung in Tel Aviv. Rabin hatte Frieden schließen wollen mit den Palästinensern. Mit dem Mord an ihm wurde auch die Chance auf Frieden mit den Palästinensern zerstört.

Anfang der 90er-Jahre hatte es geheime Gespräche gegeben, an deren Ende das Osloer Abkommen stand. Ein Friedensfahrplan. In Washington bei US-Präsident Bill Clinton hatten Rabin und Palästinenservertreter Jassir Arafat das Abkommen unterzeichnet, es mit einem Händedruck besiegelt.

Und dann hatte Rabin dort im Garten des Weißen Hauses noch eine Friedensrede gehalten. „Wir sind dazu bestimmt, auf demselben Boden, demselben Land, zusammenzuleben“, meinte er damals an die Palästinenser gewandt. „Wir sagen Ihnen heute mit lauter und klarer Stimme: Genug des Blutes und der Tränen! Genug. (…) Wir sind wie Sie Menschen, die ein Zuhause bauen wollen, die einen Baum pflanzen, lieben, Seite an Seite miteinander leben wollen – in Würde, mit Verständnis füreinander, als freie Menschen. Wir geben heute dem Frieden eine Chance und sagen: Es ist genug! Lassen Sie uns beten, dass der Tag kommt, an dem wir alle den Waffen Lebewohl sagen.“

Rabin sprach von einem neuen Kapitel „im traurigen Buch unseres gemeinsamen Lebens“, ein Kapitel „der gegenseitigen Anerkennung, der guten Nachbarschaft, des gegenseitigen Respekts.“ Und dann zitierte er Worte der hebräischen Bibel. „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; (…) weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; lieben hat seine Zeit; hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit…“

Manchmal wünsch man sich, die Zeit zurückdrehen zu können, in diesem Fall bis vor dem Tod Jitzschak Rabins. Was wäre da alles möglich gewesen! Nach seinem Tod aber zerfiel der Friedensprozess, wurde zerbombt und langsam aufgerieben.

Jitzchak Rabin (geboren am 1. März 1922 in Jerusalem, damals Völkerbundsmandat für Palästina; ermordet am 4. November 1995 in Tel Aviv) war ein israelischer Militär, Diplomat und Politiker (Awoda). Das Amt des Ministerpräsidenten hatte er zwei Mal inne: erstmals von 1974 bis 1977 und nochmals von 1992 bis zu seiner Ermordung im Jahre 1995.

Rabin kämpfte vor der Gründung des Staates Israel in den zionistischen Einheiten der Hagana und des Palmach. Nach der Unabhängigkeit machte er Karriere in den Israelischen Verteidigungsstreitkräften. Von 1964 bis 1968 war er deren Generalstabschef (Ramatkal) und hatte somit die Kommandogewalt im Sechstagekrieg. Nach dem Ende seines Militärdienstes wurde er israelischer Botschafter in den USA (1968–1973).

Anschließend wurde er Knesset-Abgeordneter der linkszionistischen Arbeitspartei, ein Jahr später übernahm er den Parteivorsitz und das Amt des Ministerpräsidenten. Von 1984 bis 1990 hatte er das Amt des israelischen Verteidigungsministers inne, dieses führte er auch während seiner zweiten Amtszeit als Ministerpräsident 1992–1995. Über Jahre hinweg war Rabin einer der wichtigsten Entscheidungsträger in außen- und sicherheitspolitischen Fragen des Staates Israel. Er war einer der Architekten des Friedensprozesses im Nahen Osten. 1994 erhielt er gemeinsam mit seinem damaligen Außenminister Schimon Peres und dem langjährigen PLO-Chef und ersten Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Jassir Arafat, den Friedensnobelpreis.

Rabin nahm am Abend des 4. November 1995 an einer großen Friedenskundgebung auf dem Platz der Könige Israels in Tel Aviv teil. Der Platz trägt heute seinen Namen. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Ja zum Frieden, Nein zur Gewalt“. Jigal Amir, ein israelischer Jurastudent rechtsextremer, religiös-fanatischer Überzeugung, passte den Moment ab, als der Premierminister die Bühne verließ und zu seinem Auto geleitet wurde, dann schoss er auf ihn. Rabin starb kurz darauf im Ichilov-Hospital.

Kurz vor den tödlichen Schüssen hatte Rabin noch eine Rede gehalten: „Ich möchte gerne jedem Einzelnen von euch danken, der heute hierhergekommen ist, um für Frieden zu demonstrieren und gegen Gewalt. Diese Regierung, der ich gemeinsam mit meinem Freund Shimon Peres das Privileg habe vorzustehen, hat sich entschieden, dem Frieden eine Chance zu geben – einem Frieden, der die meisten Probleme Israels lösen wird. […] Der Weg des Friedens ist dem Weg des Krieges vorzuziehen. Ich sage euch dies als jemand, der 27 Jahre lang ein Mann des Militärs war.“

Jigal Amir (* 23. Mai 1970 in Herzlia) ist ein israelischer, rechtsextremistischer Attentäter, der am 4. November 1995 in Tel Aviv den israelischen Premierminister Jitzchak Rabin wegen dessen Friedenspolitik gegenüber den Palästinensern ermordete. Das nationalreligiöse Mitglied der israelischen Siedlerbewegung, damals Student der religiösen Bar-Ilan-Universität, verbüßt seither eine lebenslange Freiheitsstrafe, der Mörder sitzt im Gefängnis, hat geheiratet und ist Vater geworden.

Jemand wie Jitzschak Rabin fehlt heute Israel, den Palästinensern und der Welt!

„Genug des Blutes und der Tränen! Genug!“

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