Zur Zeit, als Österreich ein Herzogtum war, als in Wien gerade eine neue Stadtmauer gebaut wurde (Teile davon kann man heute noch am Stubentor sehen) und die Babenberger, die über Österreichische Lande herrschten, gerade aus Klosterneuburg nach Wien übersiedelt waren, wurde auch das Veilchenfest gefeiert. Jener, der das erste Veilchen fand, legte seinen Hut darauf, lief zum Hof in Wien, meldete sich beim Herzog und teilte ihm mit, das erste Veilchen gefunden zu haben. Daraufhin ordnete der Herzog das Veilchenfest an, er zog mit seinem Gefolge, begleitet von seinem Hofstaat, begleitet von Musikern und vielen neugierigen Wienern, zu dem Ort, wo das Veilchen unter einem Hut lag. Dort – so war es üblich, wurde gesungen, getanzt, geschmaust und getrunken. Das kam wohl auch daher, dass die Winter kalt waren und es auch wenig zu essen gab. Daher wurde der Frühling besonders sehnsüchtig erwartet.
An einem wunderschönen Vorfrühlingstag wanderte ein Barde, also ein Dichter und Sänger, namens Neidhart von Reuental, am Fuße des Kahlenberges entlang, blickte auf die Erde und entdeckte ein Veilchen. Da in diesem Jahr noch kein Veilchenfest gefeiert worden war, eilte er erwartungsvoll zurück in die Stadt, betrat die Burg des Herzogs, ließ sich melden und verkündete stolz, das erste Veilchen gefunden zu haben.
Der Herzog freute sich, nicht nur, dass das erste Veilchen gefunden worden war, sondern auch dass es sein Sänger, Neidhart war, der es gefunden hatte. Sogleich ordnete er huldvoll das Frühlingsfest an, zu dem er ankündigte auch seine Gemahlin mitbringen zu wollen. Welche Ehre für Neidhart.
Sehr zur Freude der Wiener wurde das Fest ausgerufen. Es dauert nicht lange, bis sich ein langer Zug gebildet hatte: Voran ging Herr Neidhart, der ja den Weg zum Veilchen zeigen musste. Im folgten die Musiker, damals waren es Trompeten, Posaunen und Pauken, eine Schar weißgekleideter Mädchen, dann ritt gemeinsam das Herzogspaar in ihren Festgewändern auf prächtig geschmückten Pferden . Ganz nach ihrem Rang ordneten sich die Ritter und Adeligen nun in den Festzug ein, zuletzt die Bürger von Wien und das gewöhnliche Volk. Es war ein langer Weg, der fröhlich zurückgelegt werden musste. Heute könnten wir ihn mit der Straßenbahn, der Linie D fahren.
Endlich waren alle bei dem Hut angelangt und bildeten einen Kreis, um einen Blick auf das erste Veilchen werfen zu können. Es war das Vorrecht des Herzogs, den Hut aufheben zu dürfen, um das erste Veilchen zu begrüßen. Der Hut wurde nun feierlich aufgehoben, aber herrjeh, es befand sich kein Veilchen darunter, sondern ein Kothaufen. Der Herzog war erbost, er beschimpfte Neidhart, es ärgerte ihn besonders, dass er seine Gemahlin mitgebracht hatte. Neidhart versuchte sich zu entschuldigen und brachte vor, dass ihm ein übler Streich gespielt worden war, aber er konnte den Herzog nicht umstimmen. Die Menschen, die umher standen, lachten Neidhart aus. Und alle die anderen, die fröhlich herausgekommen waren, fühlten sich um ihr Fest betrogen. Sie wollten Neidhart zu Leibe rücken, aber dieser entzog sich durch Flucht. Dann erst zogen sie sich erbittert in die Stadt zurück.
Neidhart verlangsamte seinen Lauf, als er sah, dass er nicht mehr verfolgt wurde und dachte nach, wer ihm das denn angetan haben könnte. Dabei entdeckte er ein Wirtshaus in Heiligenstadt, indem er gedachte einen Humpen Wein zu trinken. Vor diesem Wirtshaus tanzte die Jugend des Ortes um eine Stange, auf der – ein Veilchen befestigt war. SEIN Veilchen. Neidharts Wut vergrößerte sich zusehends. Er fragte einen Burschen, woher dieses Veilchen stamme. Der Junge erzählte ihm lachend, dass einige arglistige Bauern, die einen Ritter beobachtet hatten, als er einen Hut auf die Erde gelegt hatte, das darunter liegende Veilchen gepflückt und es durch Mist ersetzt hatten. Nun zierte es die Stange in Heiligenstadt.
Da Neidhart nicht nur ein Barde, sondern auch ein stolzer Ritter war, zog er sein Schwert, um die Bauern zu bestrafen. Die Bauern stoben auseinander, es wurde niemand getötet, doch aber einige,möglicherweise Unschuldige, verletzt.
Jedenfalls riss er das Veilchen von der Stange, eilte stehenden Fußes zurück in die Stadt. Es gelang ihm zum herzog vorzudringen, und ihm das Veilchen zu überreichen. Er erzählte dem Herzog von dem bösen Streich, der ihm gespielt worden war. Der Herzog lachte, war wieder versöhnt und versicherte Neidhart seiner Huld. Er erkannte, dass Neidhart sich die Heiligenstädter Bauern zu Feinden gemacht hatte, das sie auch, bis an das Lebensende von Neidhart, blieben.