Die Kubakrise – im Vergleich zu jetzigen Situation

Lagerung taktischer Atomwaffen in Belarus

Im Zusammenhang mit der russischen Stationierung von „taktischen Atomwaffen“ in Belarus wird auch die Kuba-Krise zitiert, die letztlich dann doch noch gut ausgegangen ist, wohl aufgrund von Handlungen einiger einzelner verantwortungsbewusster Personen.

Die Kubakrise im Oktober 1962 war eine Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, die sich aus der Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba im Rahmen des nuklearen Wettrüstens entwickelte.

Wir haben sie zitternd und verschreckt im Fernsehen verfolgt. Ein „Atom-Welt-Krieg“ schien damals bevorstehend. Wir – in Europa – wären wohl Betroffene gewesen, aber beeinflussen konnten wir hier gar nichts.

Die eigentliche Krise dauerte dreizehn Tage. Ihr folgte eine Neuordnung der internationalen Beziehungen. Mit der Kubakrise erreichte der Kalte Krieg eine neue Dimension. Beide Supermächte kamen während dieser Krise einer direkten militärischen Konfrontation und somit einem möglichen Atomkrieg am nächsten. Erstmals wurden daraufhin dessen ungeheure Gefahren einer breiten Öffentlichkeit bewusst. Das war alles Teil des Kalten Krieges.

Wie wurde dieser Zwischenfall gelöst:

Die beiden Staaten vereinbarten folgende Bedingungen: Die Sowjetunion zieht ihre Raketen aus Kuba ab. Dagegen erklären die USA, keine weitere militärische Invasion Kubas zu unternehmen und in geheimer Absprache ihrerseits die amerikanischen Jupiter-Raketen aus der Türkei abzuziehen. Der Abzug aus der Türkei findet etwas später und unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, um die NATO-Partner der USA nicht zu brüskieren und die Vereinigten Staaten als Sieger der Krise darstellen zu können.

Am 5. November begann der Abzug der Mittelstreckenraketen von Kuba, der offiziell innerhalb von fünf Tagen vollzogen war. Der ursprüngliche Plan der Sowjetunion war, die Raketen den Kubanern zu übertragen. Doch als Chruschtschow am 15. November 1962 erfuhr, dass Castro vor ihrem Einsatz auch zu Angriffszwecken gegen die USA nicht zurückschreckte, entschied er sich dafür, alle Atomsprengköpfe in die Sowjetunion zurück zu holen.  Hierauf lösten die USA schließlich die Seeblockade um Kuba auf.

Enttäuscht über den glimpflichen Ausgang der Krise war Fidel Castro. Er war verärgert darüber, dass der nukleare Krieg ausblieb. Dass sein Land dabei zerstört worden wäre, wollte er in Kauf nehmen, da das kubanische Volk bereit gewesen sei, seine revolutionären „Pflichten gegenüber dem Vaterland und der Menschheit zu erfüllen“. In seiner Wut auf Chruschtschows Einlenken ließ Castro im ganzen Land antisowjetische Demonstrationen durchführen.

Nach der Krise verblieben sowjetische Kurzstreckenraketen der Kategorie FROG auf Kuba. Sie konnten zwar aufgrund der geringen Reichweite keine US-amerikanischen Städte treffen, aber den US-Stützpunkt in der Bucht von Guantanamo und heranfahrende Schiffe bedrohen.

Die unmittelbaren Ergebnisse der Kubakrise waren ein taktischer Erfolg der Sowjetunion, da durch den Abzug der US-Atomraketen aus der Türkei und Italien eine für die Sowjetunion günstigere Lage erreicht wurde als beim vorhergehenden Status quo. Zudem erreichte die Sowjetunion Sicherheitsgarantien für Kuba.

Die Krise führte zu ersten Verhandlungen über eine Rüstungskontrolle. Es gab fortan eine Entspannungspolitik zwischen den beiden Supermächten. So bemühten sie sich einer direkten Konfrontation aus dem Weg zu gehen und trugen ihre Auseinandersetzungen stattdessen in Stellvertreterkriegen in Vietnam und Afghanistan aus. Ihre Interessen konzentrierten sich nach der Krise auch auf die Bereiche des Globus, die noch nicht klar zwischen Ost und West verteilt waren.

Kennedy entzog den Militärs die eigenständige Verfügung über die Atomwaffen. Die Präsidenten tragen den Code seitdem ständig bei sich. Auch die UdSSR führte 1968 ein solches System ein. Da der Abzug der Jupiter-Raketen aus der Türkei nicht öffentlich bekannt wurde, entstand keine politische Beschädigung Kennedys.

Um friedensgefährdenden Missverständnissen und direkten Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, wurde der Informationsaustausch zwischen den Großmächten verbessert. So wurde beispielsweise 1963 als weitere Reaktion auf die Krise der Heiße Draht eingerichtet, eine direkte Fernschreibverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml, die den direkten Kontakt zwischen den Staatsmännern ermöglichen sollte. Auf diese Weise sollten in einer Krisensituation sofortige Verhandlungen möglich sein, so dass eine Eskalation abgewendet werden könne.

Die Kubakrise führte letztendlich zu einer neuen Beziehung zwischen den Supermächten, die sich in einer beiderseitigen Entspannungspolitik ausdrückte. Auch erneuerten sich die außenpolitischen Doktrinen. Die USA gingen (teilweise schon vor der Krise) zu einer militärischen Strategie der Flexible Response über und in der Sowjetunion proklamierte Chruschtschow nun die Friedliche Koexistenz.

Nun heute sind Raketen nicht gegen die USA gerichtet, sondern primär auf die Ukraine und sekundär auf einige europäische Staaten, die früher Teil der Sowjetunion bzw. des Warschauer Pakts waren aber heute sowohl der EU als auch der NATO angehören. Es ist nicht ein „opferbereites“ Kuba, mit Fidel Castro an der Spitze „am Drücker“, sondern Putin selbst, und nicht Lukaschenko, von dem angenommen wird, dass er sich der Konsequenzen eines Einsatzes (Einschreiten der USA) hoffentlich wohl bewusst ist.  

Wir Europäer können in diesem Zwist wohl nur auf das Beste hoffen.

Die Kubakrise – im Vergleich zu jetzigen Situation

Zwei Zeiten – parallel – im krisengeplagten Libanon

Der Libanon war einst ein friedliches wohlhabendes Land, seine Hauptstadt Beirut galt als das Paris des Ostens. Wir, mein leider verstorbener Mann und ich hatten das Glück am Ende dieses Zeitalters den Libanon besuchen zu können. Im Frühling, man konnte schon in den Strand Cafés sitzen, man konnte ins Gebirge fahren, man konnte Altertümer besichtigen – man konnte mit dem Taxi ins benachbarte Syrien, nach Damaskus – damals unzerstört – fahren und am selben Tag zurückkehren.  

Das ist lange her (siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts) , und heute ist der Libanon fast ein „failed State“. Die Gründe sind ein jahrelanger Bürgerkrieg, und die Rolle der Religionen  in der Politik.

Heute sehen wir einen grotesken „Erfolg“ dieser Politik: Im Libanon sind die Menschen am Sonntag, dem 26. März (nachdem in der Nacht die Zeitumstellung erfolgt ist)  mit zwei geltenden Uhrzeiten aufgewacht. Hintergrund ist eine politische Auseinandersetzung über die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit. Der geschäftsführende Ministerpräsident Nadschib Mikati will demnach die Uhren im Land erst in vier Wochen umstellen lassen – offenbar, weil er so bei Muslimen punkten will, für die der Fastenmonat Ramadan begonnen hat. Diese können ihr Fasten bis zur Zeitumstellung bereits gegen 18 Uhr brechen anstatt 19 Uhr. Im Internet tauchte ein Video Mikatis auf, wie er den Schritt mit Parlamentspräsident Nabih Berri diskutiert. Der Libanon ist konfessionell stark gespalten.

Die maronitische Kirche rief auf, die Uhren trotzdem eine Stunde vorzustellen, wie in den meisten Ländern Europas. Die TV-Sender MTV und LBCI, andere Medien sowie katholische Schulen stellten die Uhren ebenfalls am.

Verwirrung dürfte vor allem bei Flugreisenden entstehen. Die staatliche Fluggesellschaft Middle East Airlines (MEA) folgte dem Schritt Mikatis und veröffentlichte eine Tabelle mit jeweils um eine Stunde vorgezogenen Abflugzeiten. Damit will die Airline offenbar im internationalen Flugplan bleiben und Anschlussflüge ermöglichen, ohne dass Reisende in einer anderen Zeitzone ihre Flüge antreten müssen als der offiziell geltenden. Auf Twitter kursierte ein Video, wie am Flughafen von Beirut zwei Uhren nebeneinander zwei Uhrzeiten anzeigen.

In sozialen Medien machte der Witz die Runde, dass man sich im Libanon jetzt mit dem Zusatz „muslimischer Zeit“ oder „christlicher Zeit“ verabreden müsse. Dieses Chaos wäre komisch, wenn es nicht ein weiteres Zeichen des totalen Versagens auf allen Ebenen der politischen (religiösen) Anführer wäre.

Der Libanon ist seit 1926 eine Republik und derzeit eine parlamentarische Demokratie. Die innenpolitische Lage ist aufgrund des Konfessionalismus sehr komplex und wenig stabil. Mehrere Präsidenten, Ministerpräsidenten und andere Politiker wurden in der Geschichte des Libanon während oder nach ihrer Amtszeit ermordet. Die Verfassung von 1926 wurde zuletzt 1999 geändert, über deren Einhaltung wacht der Verfassungsrat des Libanon.

Die vier höchsten Staatsämter sind Mitgliedern bestimmter religiöser Gruppen vorbehalten:

  • Das Staatsoberhaupt muss maronitischer Christ sein,
  • der Parlamentspräsident muss schiitischer Muslim sein,
  • der Regierungschef muss sunnitischer Muslim sein,
  • der Oberbefehlshaber der Armee muss Christ sein.

Diese Regeln basieren nicht auf der Verfassung von 1926, sondern auf dem Nationalpakt von 1943 und wurden zwischen den Vertretern der Konfessionen zuletzt im Abkommen von Taif (1989) bestätigt.

Der Libanon hatte 2020 6,8 Millionen Einwohner. Das jährliche Bevölkerungswachstum betrug −0,4 %. Von den Einwohnern sind etwa 95 % arabischer, 4 % armenischer, 1 % anderer Abstammung. Im Land verteilt leben zudem kurdische, 408.438 bei UNRWA registrierte palästinensische sowie irakische und syrische Flüchtlinge. Zudem gibt es arabischsprachige Mhallamis aus der Türkei, die hauptsächlich in den 1920er und 1940er Jahren in den Libanon eingewandert sind.

Die Bevölkerungsstruktur hatte sich ab 2011 durch den Zustrom zahlreicher Flüchtlinge des syrischen Bürgerkriegs stark verändert, das Land nahm ca. 1,5 Mio. Syrer auf. Flüchtlinge machen damit etwa ein Viertel der Wohnbevölkerung des Libanon aus.

Es gibt im Libanon 18 anerkannte Religionsgemeinschaften, die größten davon sind maronitische Christen, schiitische und sunnitische Muslime. Im Jahr 1956 wurde der Anteil der Christen im Libanon mit 54 % der Bevölkerung angegeben, bildete damit die Mehrheit gegenüber Muslimen und Drusen. Es  wird geschätzt, dass der Anteil der Christen aufgrund niedrigerer Geburtenraten, höherer Emigration sowie überwiegend nicht-christlicher Immigration auf etwa 39 % zurückgegangen ist und sie somit nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit des Landes stellen. Nach den neuesten Angaben müssten inzwischen Muslime einen Anteil von bis zu 59,7 % ausmachen.

Die jüngste Geschichte des Libanon ist durch zahlreiche Kriege gekennzeichnet, besonders hart hat die Bevölkerung der Bürgerkrieg (1976 – 1989) getroffen.

Der Libanon steckt derzeit in einer der schwersten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte. Das Land ist seit Monaten ohne Präsident und die geschäftsführende Regierung Mikatis nur eingeschränkt handlungsfähig.

Da sind die derzeitigen zwei Zeiten (bis zum Ende des Ramadan) wohl nur ein Randproblem.

Zwei Zeiten – parallel – im krisengeplagten Libanon

Atomwaffenstationierung in Europa (anhand von Deutschland)

und die Friedensbewegung.

Im Zusammenhang mit Lieferung von taktischen Atomwaffen durch Russland nach Belarus und dem Vorwurf Russlands, dass auch in NATO-Ländern  derartige Waffen lagern, habe ich Deutschland als Beispiel genommen. (siehe auch: https://christachorherr.wordpress.com/2023/03/26/zur-stationierung-russischer-taktischer-atomwaffen-in-belarus/)

Kernwaffen in Deutschland lagern seit dem Kalten Krieg in Sondermunitions- bzw. Sonderwaffenlagern. Ihr Einsatz war im Westen durch die Bundeswehr im Rahmen der nuklearen Teilhabe und anderer NATO-Streitkräfte im Verteidigungsfall und im Osten durch die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland vorgesehen.

Deutschland hat den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet. Historiker schätzen, dass allein die Vereinigten Staaten zeitweise mehr als 5000 Kernwaffen in der Bundesrepublik lagerten. Hinzu kamen Kernwaffen des Vereinigten Königreichs.

Die Bundeswehr stellt heute Trägerflugzeuge für amerikanische Atomwaffen, die im Verteidigungsfall durch deutsche Piloten zum Ziel geflogen werden. Derzeit ist dies das Kampfflugzeug Tornado auf dem Fliegerhorst Büchel für die B61-Wasserstoffbombe, in der Vergangenheit auch Raketen und Haubitzen von Luftwaffe und Artillerie.

Die Vereinigung der Amerikanischen Wissenschaftler (FAS) äußerte in ihrem jährlichen Bericht zum Stand der Atomaren Bewaffnung der US-Streitkräfte von 2021 [veraltet] die Vermutung, dass ungefähr 100 Kernwaffen B61 der Typen 3 und 4 auf sechs Standorten von NATO-Partnern stationiert sind. Es wird davon ausgegangen, dass davon ungefähr zwanzig Kernwaffen am Standort Büchel deponiert sind.

Kurz zur Geschichte der Bewaffnung Deutschlands während des Kalten Krieges:

Wiederbewaffnung bezeichnet die erneute Einführung militärischer Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950er Jahren. Das Thema wurde von 1949 bis 1956 in der Öffentlichkeit und Politik im Hinblick auf den erst wenige Jahre zurückliegenden Krieg sehr kontrovers diskutiert. Der Deutsche Bundestag lehnte in seiner ersten außenpolitischen Debatte am 24. und 25. November 1949 eine nationale Wiederbewaffnung ab. Die weiteren politischen Diskussionen führten nach der Verschärfung des Ost-West-Konflikts durch den Koreakrieg zum Eintritt der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) (1952) und die NATO (1955). Damit verbunden war die Gründung der Bundeswehr 1955.

Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 hatten die vier alliierten Siegermächte USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich als Hauptmächte der Anti-Hitler-Koalition unter anderem die vollständige Entmilitarisierung Deutschlands beschlossen. Die Alliierten hatten vorgesehen, das besiegte Land auch in Zukunft militärisch schwach zu halten. Dies spielte sowohl für die Erstellung des deutschen Grundgesetzes wie auch für die Verfassung der DDR eine wichtige Rolle. Durch den Aufbau bewaffneter Polizeieinheiten in beiden Teilen Deutschlands und die zunehmenden Spannungen im beginnenden Kalten Krieg wurden die entsprechenden Vereinbarungen der Potsdamer Konferenz jedoch schnell hinfällig.

Am 3. Oktober 1954 gab Bundeskanzler Konrad Adenauer die Verpflichtung ab, dass die Bundesrepublik Deutschland auf die Herstellung von ABC-Waffen auf ihrem Staatsgebiet verzichtet. Im Jahr 1957 wurde dann ein Vertrag mit Frankreich und Italien zur Entwicklung von eigenen Atomwaffen unterzeichnet.

Von den Vereinigten Staaten wurden erstmals im Jahr 1953 Geschütze  mit atomaren Artilleriegeschossen bei der 7. US-Armee in Westdeutschland stationiert. Als die Öffentlichkeit am 5. April 1957 von der nuklearen Aufrüstung erfuhr, protestierte bis August 1958 protestierte die Initiative Kampf dem Atomtod gegen Atomwaffen. Am 25. März 1958 billigte der Deutsche Bundestag jedoch mit der Stimmenmehrheit der CDU/CSU-Fraktion die Stationierung. 1960 lagerten 1500 amerikanische Atomsprengköpfe in der Bundesrepublik und weitere 1500 im übrigen Westeuropa.

Im Jahre 1963 erreichte die Anzahl der Kernwaffentests mit 180 Explosionen weltweit einen Rekord. Die Strahlenbelastungen wirken bis heute auch in Mitteleuropa nach. Der Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser von 1963 sollte die Belastungen reduzieren.

Die Kernwaffen standen auch der Bundeswehr für die Ausbildung und Anwendung im Kriegsfall („Verteidigungsfall“) zur Verfügung. Der Abwurf atomarer Bomben wurde auf den Luft-Boden-Schießplätzen Nordhorn- und Siegenburg Range trainiert.

Die deutsche Bundesregierung drängte von 1958 an bei den Alliierten auf die Genehmigung, nuklearenergiegetriebene U-Boote einsetzen zu dürfen. Im erweiterten Brüsseler Vertrag vom 17. März 1948, dem die Bundesrepublik Deutschland 1954 beigetreten war, waren die Herstellungsverzichte festgehalten. Das Anliegen blieb verwehrt. Es blieb bei der 1962 in Auftrag gegebenen nuklearenergiegetriebenen „Otto Hahn“ für Testzwecke.

Zwischen 1967 und Oktober 1983 wuchs die deutsche und europäische Friedensbewegung an, was in vielen Kundgebungen Ausdruck fand. Der Stationierung der Pershing II und Marschflugkörpern  wurde jedoch am 22. November 1983 vom Deutschen Bundestag mit 286 zu 255 Stimmen zugestimmt. Sie wurde wenige Tage später umgesetzt. Stationiert wurden 108 Pershings; die Bundesregierung verlangte zwischen 1981 und 1984 eine Zusage der Vereinigten Staaten, dass es bei dieser Grenze bleibe.

Bereits am 16. November 1983 hatten die Grünen sich an das Bundesverfassungsgericht gewandt, um in einem Organstreitverfahren gegen die Bundesregierung Lagerung und Einsatz von Atomraketen auf dem Gebiet der Bundesrepublik zu verhindern. Der zulässige Antrag wurde im Dezember 1984 als unbegründet zurückgewiesen.

Michail Gorbatschow und Ronald Reagan unterzeichneten am 8. Dezember 1987 in Reykjavík den INF-Vertrag zum Abbau aller amerikanischen und sowjetischen Mittelstreckenraketen binnen drei Jahren in Europa.

Und jetzt?

Atomwaffenstationierung in Europa (anhand von Deutschland)

Zur Stationierung russischer taktischer Atomwaffen in Belarus

Angesichts wachsender Spannungen mit dem Westen hat der russische Präsident Wladimir Putin eine Stationierung taktischer Atomwaffen im Nachbarland Belarus – das direkt an die Ukraine grenzt – angekündigt. Mit dieser Verlegung nach Westen will Russland erstmals seit den 1990er Jahren Nuklearwaffen außerhalb des eigenen Staatsgebiets bereithalten. Belarus ist der engste Verbündete Russlands bei dessen Krieg gegen die Ukraine, hat allerdings keine eigenen Truppen in die Kämpfe geschickt.

Im Gegensatz zu strategischen sind taktische Atomwaffen (etwa Bomben oder Sprengköpfe für Raketen) ihrer geringeren Zerstörungskraft und Reichweite für den Einsatz auf dem Schlachtfeld konzipiert. Taktische Atomwaffen haben eine geringere Reichweite als Interkontinentalraketen, aber doch noch mehrere hundert Kilometer. Die Sprengwirkung liegt zwischen 1 und 50 Kilotonnen TNT. Russland stationiert aber keine strategischen Atomwaffen in Belarus, die etwa die USA erreichen könnten, aber Länder innerhalb der EU, also uns alle!

Russland verstoße damit nicht gegen den internationalen Atomwaffensperrvertrag. Putin verwies darauf, dass auch die USA bei Verbündeten in Europa Atomwaffen stationiert haben. „Wir machen nur das, was sie schon seit Jahrzehnten machen“. Putin hat damit insofern recht, die USA haben im Zuge der atomaren Abschreckung der NATO, Atomwaffen in mehreren europäischen Ländern stationiert. Offizielle Angaben dazu gibt nicht, es sollen aber in den Niederlanden, Belgien, Italien und in Deutschland US-Atomwaffen lagern – außerdem im asiatischen Teil der Türkei.

Mit der Stationierung reagiert Putin auf die zunehmenden Spannungen mit der NATO im Zuge seines Krieges gegen die Ukraine. Konkret empörte sich Moskau zuletzt über die mögliche Lieferung von Uranmunition aus Großbritannien an die Ukraine. Die Geschosse mit abgereichertem Uran haben eine besondere Schlagkraft, um etwa Panzer zu zerstören. Putin warnte vor dem Einsatz solcher Munition. Uranmunition gehöre „zu den schädlichsten und gefährlichsten für den Menschen“, da der Uran-Kern radioaktiven Staub verursache und die Böden verseuche. „Wir haben ohne Übertreibung Hunderttausende solcher Geschosse“, sagte er. Bisher seien sie aber nicht eingesetzt worden. In GB meint man, dass der Kern dieser Granaten aus abgereichertem Uran besteht, das für eine Nuklearexplosion zu wenig Radioaktivität enthält. Abgereichertes Uran ist ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Kernbrennstäben. Uran ist ein sehr schweres Metall, die Geschosse mit abgereichertem Uran haben deshalb eine besondere Durchschlagskraft, etwa um Panzer zu zerstören. Die britische Armee verwendet nach eigenen Angaben seit Jahrzehnten abgereichertes Uran in ihren panzerbrechenden Geschossen. Das Verteidigungsministerium in London warf Putin Falschinformation vor, nachdem er von einer „nuklearen Komponente“ gesprochen hatte. Putin wisse, dass dies nichts mit nuklearen Waffen oder Fähigkeiten zu tun habe, hieß es.

In Belarus sollen nun mit taktischen Atomsprengköpfen bestückbare Iskander-Raketen stationiert werden. Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte an, dass das Training dafür in Belarus am 3. April beginnen werde. Die nötigen Vorrichtungen für die mit atomaren Sprengköpfen bestückbaren Iskander-Raketen sollen am 1. Juli fertiggebaut sein. Aus Minsk gab es dazu zunächst keine Angaben.

Was bedeutet das nun? Zunächst ist die Stationierung von Atomwaffen unmittelbar an der Grenze zur Ukraine ein starkes Signal an den Westen und die NATO. Im Westen wird aber davon ausgegangen, dass die Ankündigung der Stationierung taktischer Nuklearwaffen in Belarus irrelevant für das Risiko einer Eskalation zu einem Atomkrieg ist, das nach wie vor äußerst gering ist. Es wird für eine Maßnahme im Informationskriegs Russlands gehalten. Mich beruhigt das aber nicht besonders!

Schon seit Beginn der „Spezialoperation“ dient Belarus den russischen Truppen als Aufmarschgebiet. Über Belarus kommt Nachschub, Soldaten werden dort ausgebildet. Belarus und dessen Machthaber Alexander Lukaschenko gehören zu Moskaus engsten Verbündeten. Das Land ist politisch und wirtschaftlich vollständig von Russland abhängig. Lukaschenko habe immer wieder um die Stationierung der taktischen Atomraketen gebeten, so Putin. Russland habe Belarus zuletzt schon beim Umbau von Flugzeugen geholfen, von denen nun zehn so ausgerüstet seien, dass sie ebenfalls taktische Nuklearwaffen abschießen könnten.

Russland behält sich aber die Hoheit über diese Waffen vor.

In der Bevölkerung von Belarus wächst der Widerstand gegen die Verwendung der Heimat  als Aufmarschgebiet russischer Truppen. Aber die Bevölkerung kann nur mit „Nadelstichen“ operieren. Die Opposition wurde durch Lukaschenko brutal unterdrückt, dem durch Putin in diesem Prozess der Rücken gestärkt worden ist und wird.  

Was dort einmal passieren könnte, wenn es Lukaschenko und/oder Putin nicht mehr gibt, wage ich mir kaum vorzustellen. Jedenfalls werden die beiden Machthaber durch diesen Atomdeal gegenüber der Bevölkerung vorläufig noch weiter gestärkt.

Das „freie, demokratische“ Belarus ist damit weiterhin geschädigt.

Zur Stationierung russischer taktischer Atomwaffen in Belarus

Alex Katz – in der Albertina

Mich hat das Plakat für die Ausstellung in die Albertina gelockt. Ich kann es nicht erklären warum. Und ich war sehr berührt von dieser Ausstellung. Eigentlich bin ich nur wenig jünger als der Maler. Daher ist mir vieles „vertraut“, das er gezeichnet oder gemalt hat. Besonders beeindruckt haben mich z.B. seine Zeichnungen in der U-Bahn, er konnte mit wenigen Strichen eine Person „definieren“. Von den vielen Frauenportraits hat mich eine Bleistiftzeichnung von Connie besonders berührt. In seinen großflächigen Portraits kann man z.B. das Alter der Personen problemlos erkennen. Oft war seine Frau Ada sein Model – in der Ausstellung kann man sie durch ihr Leben begleiten. Faszinierend sind die „coolen“ Personengruppen, oft im Freien sitzend oder stehend. Interessant sind jene „Packpapierbogen“, auf denen man noch die Skizzen sehen kann.  

Für mich portraitiert Katz „mein Amerika“, ich habe ein sehr prägendes Jahr in diesem Land als Studentin gelebt, darunter zwei Monate in New York. Mein Mann und ich haben sehr viele Urlaube in den USA verbracht, sind aber immer wieder in den Osten des Landes zurückgekehrt, anfänglich nach New York später nur mehr nach Washington.  Einen Urlaub haben wir auch nur an der Ostküste, daher auch in Maine verbracht. Und Katz stellt auch eine Lebensart dar, die ich erleben durfte.

Es war ein ganz anderes Amerika, als jenes, das Basquiat teilweise fast zeitgleich gesehen hat.

1927 in New York geboren, zählt Alex Katz zu den bedeutendsten Vertretern der zeitgenössischen US-amerikanischen Kunst. Großformat, breiter Pinselstrich, starke Farben: So kennt man Katz. Ihm geht es um Farbe und Komposition. Doch was macht Alex Katz bis heute so einzigartig? Formalästhetisch haben wir Katz zweifelsohne die Rettung der Strenge des Hard-Edge-Paintings in die figurative Malerei zu verdanken. Die scharfkantigen Umrisse des Hard-Edge, der Radical Flatness galten als Endpunkt der Malerei: Es war Kunst, die reine Abstraktion und künstliche Motive abbilden wollte. Mit anderen Worten: Kunst für eine puristische Darstellung von künstlichen Motiven und Formen – keineswegs dazu geeignet, Motive aus der banalen Realität darzustellen. Damit bricht Alex Katz und kombiniert schnöde Wirklichkeitsdarstellungen aus dem Alltag mit dieser vermeintlich dafür nicht geeigneten Malweise des Hard-Edge.

Katz gilt  als Erfinder des ‚Cool Painting‘. Die Motive für das ‚unterkühlte Malen‘ findet Katz in der gut situierten Freizeitgesellschaft seiner Künstlerumgebung und den Landschaften von Maine. Es handelt sich fast ausschließlich um Freunde, um LiteratInnen, viele seiner Sujets stammen auch aus der New Yorker Tanzszene.

Katz stellt damit fest, welche Realität ihn umgibt – wenn auch auf abstrakte und radikale Weise. Es gelingt ihm dadurch seine emotionalen, kraftvollen Sujets in eine kühle Distanz zu bringen. Noch vor der Pop-Art beschreitet er seinen eigenen Weg der gegenständlichen Malerei, für die Rationalität, Sinnlichkeit und Abstraktion gleichermaßen kennzeichnend sind. Scheinbar ist seine Kunst rein gegenständlich. Bei genauerer Betrachtung eröffnet sich jedoch ein hoher Abstraktionsgrad.

Bekanntheit von Weltrang erlangte Katz erst in seinen 70ern. Heute ist Katz einer der ganz wenigen KünstlerInnen, die etwa im Whitney Museum of American Art im New Yorker Meatpacking Dirstrict permanent in der Schausammlung zu sehen sind: Man kann Katz daher durchaus als einen der ‚zeitgenössischsten‘ Künstler, als einen der wichtigsten Pfeiler betrachten, um zeitgenössische Kunst zu verstehen.

Alex Katz (* 24. Juli 1927 in Brooklyn, New York) wurde als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer (sein Vater hatte durch die sowjetische Revolution eine Fabrik verloren, die er in Russland besaß) geboren und wuchs im New Yorker Stadtteil Queens auf. Sein Vater war ein Kaufmann, seine Mutter Theaterschauspielerin. Von 1946 bis 1949 studierte Alex Katz an der Cooper Union Art School in New York, einer Kunstakademie, die der französischen Avantgarde nacheiferte. Anschließend ging er bis 1950 an die Skowhegan School of Painting and Sculpture in Skowhegan, Maine.

Von Anfang Juni bis Mitte September zieht Katz jedes Jahr von seinem SoHo-Loft in ein Bauernhaus aus Schindeln aus dem 19. Jahrhundert in Lincolnville, Maine. Er ist seit 1954 in Lincolnville im Sommer ansässig.

Seine erste Einzelausstellung 1954 in der Roko Gallery in New York war ein Misserfolg. 1960 und 1964 entwarf er Bühnenbilder und Kostüme für die Auftritte der Paul Taylor Dance Company beim Spoleto Festival. 1972 erhielt er ein Guggenheim-Stipendium für Malerei. 1994 wurde Alex Katz zum Mitglied (NA) der National Academy of Design gewählt. Im selben Jahr richtete die Cooper Union Art School eine Gastprofessur ein, finanziert mit dem Verkaufserlös aus zehn von Katz gespendeten Bildern. Im April 2001 war Alex Katz Gaststipendiat der American Academy in Berlin. Seit 1988 ist er Mitglied der American Academy of Arts and Letters. Er lebt in New York und Maine.

Charakteristisch für die Porträts von Katz sind überlebensgroße Brustbilder und Köpfe und ihre vereinfachte, flächenhafte, fast schablonenartige Gestaltung, wobei der Gesichtsausdruck, ähnlich wie auf Werbeplakaten, auf das Wesentliche reduziert ist.

Eigentlich hatte ich noch vorgehabt, mir noch eine andere Ausstellung in der Albertina anzusehen. Aber nach der beeindruckenden Katz-Ausstellung wollte ich das nicht mehr.

Alex Katz – in der Albertina

Besuch beim Reinthaler in der Gluckgasse

Gestern habe ich eine feierliche Auferstehungsmesse besucht, gemeinsam mit vielen, vielen anderen, von denen ich einige gekannt habe. Sie war, wie sie sein sollte, erhebend, mit guten Worten, schöner Musik, in der ehemaligen Hofpfarrkirche.

Und wie’s so geht, mag man nach einem derartigen Erlebnis nicht unmittelbar nach Hause gehen. Also entschlossen wir (meine Freunde und ich) uns noch etwas gemeinsam essen zu gehen. Als wir die Kirche verließen fing es gerade zu regnen an. Vorsorgliche hatten viele ihre Schirme mitgebracht, ich freute mich über den Regen, auf den wir schließlich schon lange warteten. Bei mir ging’s sich gerade noch aus, schnell etwas in der Umgebung zu besorgen und dann trafen wir einander im Reinthaler, in der Gluckgasse. Ich gehe oft an dem Restaurant vorbei, Freunde preisen es (besonders die Innereien) – als Wiener Beisl an, aber hinein habe ich es noch nie geschafft.

Die Italiener haben ihre Trattoria, die Deutschen ihre Kneipe und die Franzosen ihr Bistro. Und die Wiener haben ihr Beisl. Beisln gibt es nur in Wien, nicht „am Land“ in Österreich. Ist ein Beisl wirklich eine dunkle, etwas enge holzgetäfelte Wirtsstube?  Und gibt es dort deftige Hausmannskost?

Alsdann: meine Freunde sind dorthin vorausgegangen, ich kam nach. Einige der Gäste saßen im Freien, im Schanigarten, naja, kalt war es nicht, aber geregnet hat es. Aber es war die Marquise ausgefahren – also saß man dort im Trockenen. Ich stieg die Stiege hinunter – und schaute mich um. Es stimmt,  es ist sehr eng, und es war sehr voll, zu bedenken ist, dass es gerade 6 Uhr abends war. Ich durchschritt den ersten Raum, auch im zweiten Raum keine Spur von meinen Freunden, dann muss man an der Küche vorbei, an gehetzten Kellnern, die die Speisen abholen, auch in diesem nächsten Raum sah ich keine Spur von meinen Freunden, dann in einem Eck versteckt, saßen sie. Und einen Tisch hatten sie nur bekommen, wenn wir um ½ 8 das Lokal wieder verlassen würden. (Wir hatten nicht vorbestellt).

Beisln sind halt beliebt, in Wien, besonders an einem Freitag am Abend!

Die Speisekarte war lang, ich konzentrierte mich auf das Tagesangebot – auch lang!  Wir waren zu dritt, meine Freunde tranken Bier, ich nahm einen Apfelsaft. Meine Freunde wählten gebackenen Kabeljau mit Erdäpfelsalat (ich glaube letzterer war für die Wahl ausschlaggebend), ein Fiakergulasch (d.h. mit Ei und Würstel) und ich nahem eine geröstete Leber mit Erdäpfeln.  Das Essen wurde bald gebracht. Das Fiakergulasch wurde sehr gelobt,  der Fisch sah nicht nur trocken aus – er war es auch (Fisch mache ich mir am liebsten selber). Naja, und meine Leber war – für meinen Geschmack – doch ein wenig zu hart. Die Erdäpfel und der Saft waren gut. Die Bedienung war sehr freundlich.

Es war noch Zeit und mein Freund bestellte einen Mohr im Hemd (ich weiß schon, so darf er nicht mehr heißen, aber ich kenne ihn noch so, als ihn meine Mutter gemacht hat). Ich durfte ihn kosten und er entsprach durchaus meinen Vorstellungen.

Ich bekam dann noch einen Macchiato, ich brauch halt einen Kaffee nach dem Essen.

Die Preise sind noch durchaus moderat hier. Kurz vor  ½ 8 wurden unser Tisch abgeräumt, grad die noch nicht leeren Gläser wurden uns gelassen und dann wurden wir darauf aufmerksam gemacht, die die Leute, die eben für diese Zeit bestellt hatten, schon da wären.

Wir verließen das Lokal. Es regnete, in einem neu eröffneten Lokal ebenfalls in der Gluckgasse standen dicht gedrängt viele junge Leute (was dort verkauft wird, konnten wir aus dem Namen nicht schließen, und gesehen haben wir auch nicht hinein), sodass man kaum an ihnen vorbeikam. Es regnete noch  – aber nicht mehr lang. Mehr Regen hätten wir schon noch gebraucht!

Jetzt war ich auch im Reinthaler gewesen!

Besuch beim Reinthaler in der Gluckgasse

Ein paar Gedanken – zu Streiks

Derzeit – so scheint es mir – wird allenthalben gestreikt. In Frankreich beispielsweise, aber auch in Deutschland. In Frankreich ist das Streikrecht als individuelles Grundrecht in der Verfassung verankert. Zwar sind politische Streiks offiziell illegal, Streiks gegen bestimmte sozial- und wirtschaftspolitische Belange werden jedoch nicht als politische Streiks angesehen. Auch Streiks, die sich gegen den Staat in seiner Funktion als Arbeitgeber richten, sind rechtmäßig. Im Bereich des Öffentlichen Dienstes ist gesetzlich geregelt, dass nur repräsentative Gewerkschaften zum Streik aufrufen

Ein Streik ist im Arbeitskampf eine vorübergehende Niederlegung der Arbeit durch eine verhältnismäßig große Anzahl von Arbeitnehmern, die ein gemeinsames Ziel im Rahmen ihrer Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse erreichen wollen. Die kollektive Arbeitsniederlegung verletzt – nach dem kollektiven Arbeitsrecht – nicht ihre Arbeitspflicht, da für die Dauer des Streiks das Beschäftigungsverhältnis als suspendiert gilt.

Streiks gibt es schon sehr lange: Mit dem Schlachtruf „Wir sind hungrig!“ wird in einem Papyrus des Schreibers Amun-Nechet vom ersten bekannten Streik der Geschichte, dem Streik von Deir el-Medineh, berichtet. Die mit dem Bau der Königsgräber in Theben-West im Alten Ägypten beschäftigten Arbeiter legten 1159 v. Chr. die Arbeit nieder, weil sie seit achtzehn Tagen nicht mit ihrem Deputat an Getreide entlohnt worden waren. Der erste berichtete Streik im Heiligen Römischen Reich ist durch ein Dokument aus dem Jahr 1329 verbürgt: Damals streikten in Breslau die Gürtlergesellen ein Jahr lang.

Durch den dauerhaft auftretenden Konflikt zwischen Kapital und Arbeit als stabilen gesellschaftlichen Großgruppen setzten sich Streiks als Form der Interessenvertretung während der Industriellen Revolution weitgehend durch, obwohl staatlicherseits immer wieder versucht wurde, sie für illegal zu erklären. In Frankreich und England hatte die industrielle Revolution früher eingesetzt als am Kontinent. Demgemäß am es dort auch früher zu Streik-Bewegungen. Es war auch die Zeit der größten Streiks im damaligen  Österreich. Es waren anarchistische Kämpfe. Die Arbeiter schlugen alles kurz und klein. Anarchisten wollten die Kapitalisten schädigen. Fabriken wurden niedergebrannt und Maschinen zertrümmert.

In der Gründerzeit der 1870er Jahre führte die gute Konjunktur in Verbindung mit einem weiteren Industrialisierungsschub zu einer neuen Streikwelle. Immer lauter wurde dabei der Ruf der Arbeiterbewegung nach einer Verbesserung des weitgehend ungeregelten rechtlichen Status der Arbeiter – erste Erfolge waren zu verzeichnen. In England fand, nach früheren kleineren Arbeitskämpfen, der große Streik der Dockarbeiter in London ein erhebliches öffentliches Interesse.

Im 19. Jahrhundert etablierte sich der Streik als eine der wichtigsten Methoden zur Interessenvertretung insbesondere der Industriearbeiter und Bergleute. Die Arbeitsniederlegungen waren zunächst spontane Vorgänge, ehe sie von den Gewerkschaften institutionalisiert wurden. In Österreich begannen mit der Gründung der Sozialdemokratischen Partei 1889 gewerkschaftliche und sozialpartnerschaftliche Tendenzen, Streiks in geordnete Bahnen zu lenken.

Die Streiks folgten im Wesentlichen dem Konjunkturverlauf: In Krisenzeiten ging die Zahl der Streiks zurück, während in Zeiten der Hochkonjunktur die Zahl der Arbeitskämpfe und Streiks zunahm.

Über den wirtschaftlichen Bereich hinaus diskutierte die Arbeiterbewegung seit dem Ersten Weltkrieg auch über Streiks zur Durchsetzung politischer Ziele. Während des Ersten Weltkrieges wurde die bisher übliche konjunkturbedingte Durchführung von Arbeitskämpfen durchbrochen. Vor dem Hintergrund des Versorgungsmangels und der Kriegsmüdigkeit kam es in dieser Zeit zu ersten politisch motivierten Streiks gegen den Krieg. Diese Bewegungen wurden blutig niedergeschlagen. Die Arbeitsniederlegungen zur Abwehr des Nationalsozialismus während der Weltwirtschaftskrise wegen der Massenarbeitslosigkeit hatten keinen Erfolg.

In England z.B. kam es lange nicht zu einer umfassenden staatlichen Sozialgesetzgebung, wodurch Streiks als Mittel der Selbsthilfe notwendig waren. In Großbritannien kam es 1926  zu einem landesweiten Generalstreik. Aufgerufen dazu hatte der britische Gewerkschaftsbund (Trades Union Congress) nach einer Aussperrung der Bergleute durch die Bergwerksbesitzer, die Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerungen durchsetzen wollten. Die Regierung setzte die Armee ein. Soziale Kämpfe und Streiks erreichten Höhepunkte in der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre, ebbten während des Zweiten Weltkrieges ab. Jedoch hatte sich der politische Druck so erhöht, dass die britische Labour-Regierung Ende der 1940er Jahre mit dem Aufbau eines umfassenden Sozialstaates beginnen musste – eine Komponente davon etwa die Einheitskrankenversicherung NHS (National Healthcare System). Anfang der 1980er wehrte sich dann die Lokführer-Gewerkschaft Aslef gegen die von British Rail (damals Staatskonzern) gewünschte Einführung flexibler Arbeitszeiten. Schließlich stellte British Rail ein Ultimatum: Alle Streikenden würden entlassen, falls die Aslef-Mitglieder nicht zum Dienst auf E- und Dieselloks erschienen. Aslef gab nach. Zum Entscheidungskampf zwischen der Regierung und ihren Plänen für einen wirtschaftsliberalen Umbau der Gesellschaft unter Abschaffung des sozialstaatlichen Reglements wurde jedoch der Britische Bergarbeiterstreik 1984/1985. Trotz einer seit den 1930er Jahren kaum gekannten Solidarisierungswelle in allen Teilen des Landes und allen Schichten der Bevölkerung ging der Streik letztlich verloren, da die Regierung im Geheimen Kohlevorräte angelegt hatte. Die Niederlage verringerte die Macht der britischen Gewerkschaften dauerhaft und beschädigte das Selbstbewusstsein der Arbeiterbewegung nachhaltig.

Nach dem Zweiten Weltkrieg formierte sich in Österreich die Sozialpartnerschaft – somit wurden im Konsens sinnvolle Lösungen für Preis- und Lohnerhöhungen gefunden. Daher wird im Europa-Vergleich in Österreich nur selten gestreikt. Z.B. gab es 2020 hierzulande nur einen Ausfalltag pro 1.000 Beschäftigte. Zum Vergleich: In Deutschland waren es 9 Tage, weniger waren es in der Schweiz (0,5), Polen (0,4) und Schweden (0,0). Dieses Bild bestätigt sich auch in einer längerfristigen Beobachtung.

Hoffen wir, dass die derzeitigen Streiks In Frankreich und Deutschland bald zu einem friedlichen Ende kommen und in Österreichs weiterhin Streiks selten bleiben.

Ein paar Gedanken – zu Streiks

Warum erinnert mich das an die derzeitige Situation in Israel

Das Ermächtigungsgesetz in Deutschland 1933

Es ist mir klar: Vergleiche hinken! Die Welt 90 Jahre später ist eine andere geworden. Israel ist mit anderen Problemen konfrontiert, als Deutschland damals. Aber die Gewaltenteilung zu durchbrechen, war, ist und bleibt undemokratisches Verhalten.

Am 24. März 1933: Mit seiner Verkündung tritt das am Vortag beschlossene Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich, das sogenannte Ermächtigungsgesetz, in Kraft. Damit können von der Reichsregierung beschlossene Reichsgesetze von der Reichsverfassung abweichen, womit diese im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung de facto außer Kraft gesetzt wird.

Mit diesem Gesetz übertrug der Deutsche Reichstag die gesetzgebende Gewalt de facto vollständig auf die neue Reichsregierung unter Adolf Hitler und hob damit die für eine demokratische Staatsordnung konstituierende Gewaltenteilung auf. Das Gesetz bildete zusammen mit der Verordnung des Reichspräsidenten vom 4. Februar und der Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 die Grundlage für die Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur.

Die Weimarer Verfassung verbot so genannte verfassungsdurchbrechende Ermächtigungsgesetze nicht ausdrücklich. In der Praxis wurden sie als akzeptabel angesehen, wenn sie mit derselben qualifizierten Mehrheit angenommen wurden, mit der man die Verfassung ändern konnte, also mit einer Zweidrittelmehrheit in Reichstag und Reichsrat.

Weil es absehbar war, dass die Abgeordneten der SPD dem Gesetz nicht zustimmen würden und die Abgeordneten der KPD wegen Flucht oder Verhaftung nicht erscheinen konnten, war die für ein verfassungsänderndes Gesetz nötige Zweidrittelmehrheit gefährdet. Daher änderten zunächst die Abgeordneten aller Parteien außer der SPD unter den Augen illegal anwesender bewaffneter und uniformierter SA- und SS-Angehöriger die Geschäftsordnung des Reichstags, wonach unentschuldigt fehlende Abgeordnete formal als „anwesend“ galten, bevor sie im Reichstag zur Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz schritten. Für das Erreichen der Zweidrittelmehrheit zur Annahme des Gesetzes waren wegen der Gegenstimmen der SPD die Stimmen der Zentrumspartei ausschlaggebend.

Das bedeutete, dass neue Gesetze nicht mehr verfassungskonform sein mussten, insbesondere die Wahrung der Grundrechte nicht mehr sicherzustellen war, und dass Gesetze neben dem verfassungsmäßigen Verfahren auch allein von der Reichsregierung erlassen werden konnten. Somit erhielt die Exekutive auch legislative Gewalt. Die im ersten Artikel erwähnten Verfassungsartikel 85 Abs. 2 und 87 banden Haushalt und Kreditaufnahme an die Gesetzesform. Durch das Ermächtigungsgesetz konnten also nunmehr der Haushaltsplan und Kreditaufnahmen ohne den Reichstag beschlossen werden.

Die Gültigkeit des Ermächtigungsgesetzes betrug vier Jahre – damit wurde Hitlers Forderung „Gebt mir vier Jahre Zeit und ihr werdet Deutschland nicht wiedererkennen“ verwirklicht. (Wahrhaftig eine prophetische Aussage – wenn auch anders als gedacht.)

Das Ermächtigungsgesetz beseitigte den Rechts- und Verfassungsstaat in Deutschland. Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 führte zur Entlassung bzw. Zwangspensionierung jüdischer und linker Beamter. Das Eigentum der Gewerkschaften wurde unmittelbar nach dem 1. Mai, dem „Tag der Arbeit“, eingezogen, und noch am gleichen Tag, dem 2. Mai 1933, wurden die Gewerkschaftsführer verhaftet. Schließlich wurden zwischen Mai und Juli nacheinander alle politischen Parteien außer der NSDAP verboten (abgesehen von SPD und KPD lösten sich alle anderen Parteien freiwillig auf, darunter auch die mit der NSDAP koalierende DNVP). Zuvor waren bereits alle Gemeinden und Teilstaaten des Landes „gleichgeschaltet“ worden, d. h. man hatte die föderale Gliederung des demokratischen Staates durch die zentralistische Diktatur der Reichsregierung ersetzt. Durch das Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 wurde die Gleichschaltung der Länder vollendet.

Per Gesetz vom 1. Dezember wurde schließlich die „Einheit von Staat und Partei“ verkündet. Der nunmehr ganz von der NSDAP beherrschte Reichstag trat in den folgenden Jahren bis 1945 nur noch wenige Male zusammen; fast alle neuen Gesetze wurden von der Reichsregierung bzw. von Hitler selbst erlassen.

Das Ermächtigungsgesetz wurde zum Schlüsselgesetz für die Gleichschaltung Deutschlands auf allen Ebenen. Gesetzgebungsverfahren des Reichstags wurden bald selten; auch die Gesetzgebung durch die Reichsregierung ging immer mehr zurück (im Reichsgesetzblatt sind die auf der Grundlage von Ermächtigungsgesetzen erlassenen Gesetze an der Eingangsformel „Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen“ zu erkennen). Spätestens nach Kriegsbeginn wurden die Gesetze durch Verordnungen und schließlich durch Führerbefehle ersetzt, was zu erheblicher Rechtsunsicherheit führte, da die zahlreichen Führerbefehle nicht immer ordnungsgemäß verkündet wurden und sich oft widersprachen.

Das Gesetz wurde vom nationalsozialistischen Reichstag am 30. Januar 1937 um weitere vier Jahre bis zum 1. April 1941 sowie am 30. Januar 1939 bis zum 10. Mai 1943 verlängert. Am selben Tag bestimmte Hitler mittels Erlass die fortdauernde Geltung der Befugnisse aus dem Ermächtigungsgesetz ohne Befristung. Um einen Anschein von Legitimität zu bewahren, heißt es dort am Ende: „Ich [der Führer] behalte mir vor, eine Bestätigung […] durch den Großdeutschen Reichstag herbeizuführen.“ Mit dem Beschluss des Großdeutschen Reichstags vom 26. April 1942 war Hitler allerdings bereits mit uneingeschränkten Machtbefugnissen ausgestattet worden.

Am 20. September 1945 wurde das Ermächtigungsgesetz durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht des Alliierten Kontrollrats formal aufgehoben.

Warum erinnert mich das an die derzeitige Situation in Israel

Großmächte und Europa?

Wirtschaftlich ist die Europäische Union (EU) schon längst eine Großmacht. Führende Politiker plädieren nun dafür, dass sie auch militärisch zum Global Player wird.

Wenn man kurz in die Geschichte schaut, wird man feststellen, dass Europa bereits mehrfach eine Großmacht war. Es war Rom, also das römische Reich, dass von Britannien bis zum Kaukasus reichte. Das Mittelmeer war ein römisches Binnenmeer, das römische Reich umfasst auch Nordafrika. Wie war dies möglich? Es gab eine einheitliche Währung, es gab eine einheitliche Gerichtsbarkeit, es gab ein gutes Straßennetz, das bis weit ins Mittelalter hinein benutzbar blieb. Und es gab die Legionen, die einerseits neues Territorium eroberten, und die Feinde an den Rändern in Schach hielten. Und es gab – für die oberen Schichten, aber bis in die Mittelschicht hinein, viele zivilisatorische Errungenschaften,  wie steinerne Häuser mit Fußbodenheizung, Bäder etc.

Von der zweiten Großmacht zu dieser Zeit – nämlich China wissen wir alle viel weniger. Die Großmächte handelten miteinander, Güter wurden über die Seidenstraße ausgetauscht.

Im Mittelalter in Europa ging vieles verloren, Invasoren (meist aus dem Osten) zerstörten diese Zivilisation, aber gerade der Islam in seiner Blütezeit bewahrte vieles, das im Altertum erreicht worden war. Die Mongolen und Turkvölker waren eher zerstörerisch unterwegs.

Europa erholte sich etwas – in der Zeit der Renaissance. Da waren es die Europäer, die die Welt entdeckten, zuerst waren es die Spanier und Portugiesen, die sich die neue Welt aufteilten. Sie plünderten ihre neuen Gebiete und brachten Gold nach Europa (ein Teil davon wurde allerdings von englischen Piraten abgezweigt). Aber das Gold brachte kein Glück und keinen Wohlstand für alle.

Die Zeit des Kolonialismus begann, die Engländer und Franzosen – in geringerem Maße die Belgier teilten sich Afrika untereinander auf. Relativ später begannen die Italiener und noch später die Deutschen sich an diesem Kolonialismus zu beteiligen.

Das Britische Weltreich (englisch British Empire oder kurz Empire) war das vom 17. bis zum 20. Jahrhundert bestehende, größte Kolonialreich der Geschichte und vom Ende der Napoleonischen Ära bis zum Ersten Weltkrieg die führende Weltmacht. Zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung, 1922, umfasste es mit 458 Millionen Einwohnern und ca. 33,67 Millionen km² sowohl ein Viertel der damaligen Weltbevölkerung als auch ein Viertel der Landfläche der Erde. Unter der Herrschaft des Vereinigten Königreichs vereinte es Dominions, Kronkolonien, Protektorate, Mandatsgebiete und sonstige abhängige Territorien auf allen Kontinenten, die aus englischen und später britischen Überseebesitzungen, Handelsposten und Strafkolonien hervorgegangen waren. Auch nach ihrer Unabhängigkeit sind viele ehemalige Teile des Empire im Commonwealth of Nations verbunden. Wie zuvor schon das spanische Kolonialreich galt auch das Britische Weltreich als Reich, „in dem die Sonne nie untergeht“. Sein politischer, juristischer, sprachlicher und kultureller Einfluss wirkt bis heute in vielen Teilen der Welt nach. Ebenso spielen viele koloniale Grenzziehungen bei heutigen regionalen Konflikten eine Rolle. GB allerdings, kämpft mit den Folgen des Brexits.

Im Rahmen der Konflikte von 1914 – 1945, eigentlich ein innereuropäischer Bürgerkrieg begannen sich die Gewichte zu verschieben. Die Macht wanderte einerseits nach Westen – in die USA – und andererseits nach Osten – in die Sowjetunion. Und dann herrschte der Kalte Krieg. Im Kalten Krieg standen sich die bis 1945 gemeinsam gegen Deutschland kämpfenden USA einerseits und die Sowjetunion andererseits mit den jeweils mit ihnen verbündeten Staaten gegenüber. Diese Staatenblöcke repräsentierten gegensätzliche wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Ordnungen.

In der Charta von Paris wurde am 21. November 1990 der Kalte Krieg formell beigelegt. Die 34 KSZE-Staaten bekannten sich zur Demokratie als Regierungsform und zur Achtung der Menschenrechte. Mitte 1991 folgte die Auflösung des Warschauer Pakts und des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW). Der rasche Niedergang und schließlich kollapsartige Zusammenbruch der Sowjetunion kam für westliche Beobachter wie auch für die amerikanische Führung teilweise überraschend, da die Sowjetunion bis zuletzt den Status der hochgerüsteten Supermacht besaß, die die eigenen Interessen und Einflussgebiete kaum freiwillig preisgeben würde. Andererseits gab es westliche Analysen, die eine Zahlungsunfähigkeit und den ökonomischen Zusammenbruch der Sowjetunion prognostiziert hatten.

Der neuerliche Aufstieg zur Weltmacht China begann in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Dreimal in den vergangen 2000 Jahren war China Weltmacht: während der Han-Dynastie (206 v. Chr. Bis 220, der Tang-Dynastie (618 bis 907) und der Qing-Dynastie seit 1644. Noch im Jahr 1820, zwei Jahrzehnte vor Beginn der Opiumkriege, steuerte China fast ein Drittel zur weltweiten Wirtschaftsleistung bei. Nun, nach fast vier Jahrzehnten wirtschaftlicher Reformen, so sieht es die KP-Spitze, sei allmählich die Zeit gekommen, da das Land wieder die Position einnehme, die ihm zustehe. Präsident Xi Jinping erobert Rohstoffe, Technologien – und Macht über ganze Staaten. In Schwellen- und Entwicklungsländern Asiens, Südamerikas und Afrikas baut Peking Straßen, Eisenbahnlinien, Staudämme und Pipelines. Dafür fordert die chinesische Führung politische Loyalität und versucht nebenbei noch, sein autokratisches Wertesystem zu exportieren. Bei vielen der großen Infrastrukturprojekte bringt China Arbeiter und Baumaterialien aus der Heimat gleich mit. Der wirtschaftliche Nutzen für das einzelne Land ist bei manchen Projekten denn auch beschränkt, zumal China die Staaten oft ganz schlicht auch als Rohstofflieferanten betrachtet. Bei allem was Peking tut, hat es zunächst seinen eigenen Vorteil im Blick.

Nun, da scheint Europa (EU) eher nicht mithalten zu können, auch fehlt Europa der militärische Arm (die NATO wird von den USA beherrscht).

Vielleicht wird die Demographie auf die zukünftige Entwicklung Einfluss nehmen: China, Russland und Europa schrumpfen. Europa weist viele Einwanderer (Asylanten) auf …  Doch dazu ein andermal.

Großmächte und Europa?

Zum Hainfelder Parteitag

Heute im Netz las ich, dass Robert Menasses Vorfahren am Hainfelder Parteitag teilgenommen haben. Und da dachte ich daran, dass meine Mutter öfter erzählt hat, dass ihr Großvater auch dort dabei gewesen ist.

Was sich diese Männer wohl denken würden, hörten sie von den Problemen der Sozialdemokratie heute.

Der Parteitag, der vom 30. Dezember 1888 bis zum 1. Januar 1889 im niederösterreichischen Hainfeld stattfand, gilt als die eigentliche Geburtsstunde der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs.

Es war in erster Linie das Verdienst Victor Adlers, der mit seinen Enthüllungsreportagen über das Elend der Wienerberger Ziegelarbeiter in der Zeitschrift Gleichheit zum strahlenden „Helden“ der Wiener Arbeiter avanciert und der selbst von den Fraktionskämpfen innerhalb der österreichischen Arbeiterbewegung weitgehend unbelastet war, zwischen den verfeindeten Gruppierungen der „Gemäßigten“ und „Radikalen“ zu vermitteln und diese endlich zu versöhnen. Auch damals schon: „verfeindete Gruppen“.

Zum Hainfelder Parteitag waren 110 Delegierte aus Wien und allen Kronländern – mit Ausnahme Dalmatiens – geladen worden; die 73 erschienenen, stimmberechtigten Delegierten beschlossen hier die Gründung einer neuen sozialdemokratischen Partei und verabschiedeten die von Victor Adler verfasste und von Karl Kautsky gebilligte „Prinzipien-Erklärung“:

Die sozialdemokratische Arbeiterpartei in Österreich erstrebt für das gesamte Volk ohne Unterschied der Nation, der Rasse und des Geschlechtes die Beseitigung der ökonomischen Abhängigkeit, die Befreiung der politischen Rechtlosigkeit und die Erhebung aus der geistigen Verkümmerung.

Die Ursache dieses unwürdigen Zustandes ist nicht in einzelnen politischen Einrichtungen zu suchen, sondern in der das Wesen des ganzen Gesellschaftszustandes bedingenden und beherrschenden Thatsache, daß die Arbeitsmittel in den Händen einzelner Besitzender monopolisirt sind.

Die Besitzer der Arbeitskraft, die Arbeiterklasse, wird dadurch zum Sklaven der Besitzer der Arbeitsmittel, der Kapitalistenklasse, deren politische und ökonomische Herrschaft im heutigen Staate Ausdruck findet. Der Einzelbesitz an Produktionsmittel, wie er also politisch den Klassenstaat bedeutet, bedeutet ökonomisch steigende Massenarmuth und wachsende Verelendung immer breiterer Volksschichten.

Aber der einzigen potenziellen weiblichen Delegierten, Anna Altmann (1852–1937) aus Polzental in Böhmen, wurde die Teilnahme am Parteitag verweigert – soweit zum Satz … „ohne Unterschied des Geschlechts“. Vielleicht hätte es sie erfreut zu wissen, dass eine Frau im 21. Jahrhundert Bundesparteivorsitzende geworden ist, weniger vielleicht der derzeitige Kampf um den Parteivorsitz.

Der Parteitag gab der gesamten Arbeiterbewegung neues Selbstbewusstsein. Im Jahr 1890 entstanden allein in Wien 30 neue Arbeitervereine und die Mitgliederzahl der sozialdemokratischen Organisationen wuchs von 15.000 auf 50.000. Daran konnte auch die staatliche Repression nichts ändern, als etwa die „Gleichheit“ wegen der Unterstützung eines Streiks der Pferdetramwaykutscher in Wien 1889 verboten und ihr Herausgeber Victor Adler als „Anarchist“ zu vier Monaten Kerker verurteilt wurde.

Die Arbeiterbewegung nahm nun auch den Kampf um die Arbeitszeitverkürzung auf. Zum Symbol dieses Kampfes wurde der 1. Mai, der als Feiertag der Arbeiterschaft erstmals 1890 begangen wurde. Symbol für den Kampf der ArbeiterInnenbewegung gegen Faschismus, Klerikalismus und Kapitalismus waren dann die Drei Pfeile (die auch irgendwo in der Versenkung verschwunden sind). Die Rote Nelke wurde zum Widerstandssymbol des fortschrittlichen Proletariats (auch nicht mehr „in“ heute?)

Dann habe ich mir noch das Programm von Hainfeld angesehen, und fand Folgendes: „In Erwägung, daß der Zwist der Fraktionen die Interessen der Partei und somit der Arbeiterklasse schwer geschädigt hat, daß die Entwicklung der Partei jene wenigen Streitpunkte beseitigt hat, welche, durch die Ränke und den Druck der Feinde der Arbeiterklasse sowie durch verwerfliche Pflege des Personenkults in ihrer Wichtigkeit übertrieben, die Spaltung der Partei veranlaßt haben.

In Erwägung, daß die Einigung der Partei dem energisch geäußerten Willen der Genossen im ganzen Lande entspricht, beschließt der heutige Parteitag einstimmig in Anwesenheit von Mitgliedern beider ehemals bestandenen Fraktionen:

Der Parteitag erklärt den Parteizwist durch die Annahme des Programms für beendet!

Es steht nur zu hoffen, dass das auch für jenen Parteitag gilt, der dann im Mai 2023 abgehalten werden soll, nach der „Wahl“ des/der Vorsitzenden durch die Pateimitglieder. Zwist und Abstimmungen hat es in der Partei immer gegeben: selbst der später so große Bruno Kreisky musste sich einer Wahl stellen. Auf dem Bundesparteitag der SPÖ vom 30. Jänner bis zum 1. Februar 1967 wird Bruno Kreisky zum Parteivorsitzenden gewählt und löst somit Bruno Pittermann an der Spitze der Sozialdemokratie ab. Seine Wahl zum SPÖ-Vorsitzenden im Jahr 1967 nach dem Rücktritt Pittermanns ging nicht ohne Differenzen vonstatten. Die Wiener Landesparteiorganisation und die Sozialistischen Gewerkschafter unter der Führung Anton Benyas sprachen sich gegen ihn aus. Sie unterstützten einen Gegenkandidaten (Hans Czettel), gegen den sich Kreisky in einer Kampfabstimmung durchsetzte.

Ich wünsche mir einen Kandidaten/Kandidatin, der/die Partei mit Erfolgschancen in die nächste Wahl führen kann (um eine „niederösterreichische Situation“ auf Bundesebene zu verhindern!)

Entscheidende Tage für die Republik – die hoffentlich im Sinne der Hainfelder Prinzipien ablaufen werden.

Zum Hainfelder Parteitag