300 Mrd. Dollar suchen eine legale Verwendung!

In Washington und Brüssel möchte man gerne eingefrorenes russisches Staatsvermögen für den Wiederaufbau der Ukraine heranziehen.

Selenskyj meint, nicht die Steuerzahler sollten für den Wiederaufbau der Ukraine aufkommen, sondern der Angreifer Russland selbst. 300 Mrd. Dollar sollten direkt für den Wiederaufbau der Zerstörungen durch russische Raketen herangezogen werden.

Seit dem Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands wurde dank westlicher Sanktionen russisches Vermögen in beträchtlichem Umfang eingefroren. Überlegungen, sie ganz oder zu Teilen zu konfiszieren – die russischen Besitzer also zu enteignen – sind umstritten: Am weitesten gehen Vorbereitungen in den USA, die mit Großbritannien und Kanada die diesbezügliche Führung übernommen haben. Dieses Geld liegt auf Auslandskonten von Russlands Zentralbank und wurde durch die Sanktionen eingefroren.

Der Löwenanteil von etwa 191 Mrd. Dollar auf russischen Konten in Europa liegt in der Obhut der belgischen Treuhandstelle Euroclear, weitere rund 20 Mrd. Dollar werden in Japan vermutet, 5 Mrd. Dollar in den USA. Die Länder veröffentlichen keine transparenten Daten. Beschlagnahmte Reichtümer russischer Oligarchen wie Yachten werden in der Diskussion bislang nicht genannt. Zu in Deutschland eingefrorenen Vermögenswerten gibt es nur Schätzungen. Die Informationshoheit obliegt den Ländern. Es geht z.B. um 720 Mio. Euro einzuziehen, die von einer Tochterfirma der Moskauer Börse von der Großbank JP Morgan in eine andere Bank verschoben werden sollten.

Die USA haben per G7-Arbeitsgruppen klären zu lassen, um welche Vermögenswerte es sich genau handelt – Gold, Fremdwährungen oder Wertpapiere. Auch die Standorte der Vermögen sollen noch einmal unter die Lupe genommen werden.

Befürworter einer umfassenden Enteignung berufen sich auf die moralische Pflicht, den russischen Aggressor für den Schaden in dem jetzt mehr als zweijährigen Krieg zur Rechenschaft zu ziehen. „Es ist nur gerecht, moralisch richtig und machbar, die Zentralbankvermögen an die Ukraine zu übertragen – zur Stärkung der Selbstverteidigung, dem Wiederaufbau und dem Schadensersatz für Opfer“, schrieb die Kiewer Aktivistin Olena Halushka, Mitbegründerin der Nichtregierungsorganisation International Center for Ukrainian Victory.

Konfiszierte Mittel könnten aber von westlichen Staaten auch für Rüstungshilfe verwendet werden. Natürlich gäbe es rechtliche und wirtschaftlich Hürden, aber mit wirklichem politischem Willen seien diese überwindbar.

Zwar hatte von der Leyen für Europa selbst vergangenen Sommer eine Lanze dafür gebrochen, von den eingefrorenen Vermögenswerten in irgendeiner Art zugunsten der Ukraine zu profitieren. Doch spricht die EU hier nicht mit einer Stimme. Belgien sowie auch andere Mitgliedstaaten befürchten Nachteile.

Kleinster gemeinsamer Nenner scheint derzeit, auf Zinsgewinne der Finanzinstitute, die russische Milliarden verwahren, eine Art Übergewinnsteuer zu kassieren ­– und diese dann zu konfiszieren. Dafür müssten separate Konten für alle Anlage- und Zinsgewinne eingerichtet werden. Auch gegen diese Idee gibt es auch seitens Belgiens große Zurückhaltung – sowie  wohl auch in Deutschland und Frankreich.

Ein Zugriff auf Zinserlöse hätte den rechtlichen Vorteil, dass russisches Eigentum an sich unberührt bleibt. Dennoch hat die Europäische Zentralbank (EZB) offenbar davor gewarnt, dass selbst dies sich destabilisierend auf das Finanzsystem auswirken könnte. Internationale Anleger könnten sich aus Europa zurückziehen, wenn die EU auf Gewinne von Verwahrern zugreife. Die Vermögen selbst anzurühren, wäre noch riskanter. Euroclear hat von Januar bis September 2023 Sondererträge von 3 Mrd. Euro ausgewiesen und zahlt darauf rund 800 Mio. Steuern an die belgische Regierung.

Die Finanzmärkt stehen der Idee, Profite der „Frozen assets“ abzuschöpfen, eher „gemischt“ – also uneins, gegenüber. Bedenken richteten sich auf den Trend, Zentralbanken und Währungen sozusagen als Waffen einzusetzen – wie dies mit dem Verhängen der Sanktionen gegen Russland schon der Fall gewesen sei.

Westliche Verbündete der Ukraine vertreten in jedem Fall die Position, dass Russland für die Kriegsschäden geradestehen muss – eines Tages. Eine Schätzung der Weltbank kommt auf die gigantische Summe von bislang mindestens 400 Mrd. Dollar. In der jüngsten Erklärung sagten die G7-Nationen der Ukraine im Dezember ihren Beistand zu, russische Wiedergutmachung zu erlangen, dabei müssten jedoch die eigenen Justizsysteme und das Völkerrecht respektiert werden.

Eine Beschlagnahmung von eingefrorenem Geld eines anderen Staates wäre demnach ein Novum, das völkerrechtlich nicht gedeckt ist – und damit ein Verstoß. Daher liegen die Mittel bei so genannten Zentralverwahrern – neben Euroclear auch Clearstream in Luxemburg. Bedenkenträger wollen vermeiden, einen völkerrechtlichen Präzedenzfall zu schaffen. Das Prinzip der Staatenimmunität besagt, Staaten dürfen nicht einfach über das Vermögen anderer souveräner Staaten verfügen.

Des Diebstahls hat Russlands Staatspräsident Wladimir Putin den Westen schon bezichtigt, als Zentralbankkonten in einer ersten Sanktionswelle gegen Moskau eingefroren wurden. Und mit den Enteignungen würde der Westen gegen eigene Prinzipien der freien Marktwirtschaft verstoßen – und seine Glaubwürdigkeit auf den Finanzmärkten untergraben.

Sollte es aber dennoch zu Konfiszierungen kommen, würde Russland diese sofort gerichtlich anfechten – und im Gegenzug auch selbst Vermögen ausländischer Investoren und Anleger beschlagnahmen.  

Wie man es auch dreht und wendet: ohne üble Konsequenzen bliebe auch eine Beschlagnahmung und Nutzung für den Wiederaufbau der Ukraine nicht.  

300 Mrd. Dollar suchen eine legale Verwendung!

Zum 29. Februar

Heute ist also ein 29. Februar. Es ist ein zusätzlich „geschenkter“ Tag. Eigentlich ist jeder Tag ein Geschenk, das merkt man aber meist erst, wenn man schon alt ist und die noch vor einem liegenden Lebenstage immer spärlicher werden. Die genaue Zahl derer weiß man – zum Glück – ja nie. Dieser heutige geschenkte Tag ist sonnig und warm – Klimaschützer finden das nicht so gut, aber angenehm ist es dennoch.  

Wie ist es eigentlich zu diesem „geschenkten Tag“ gekommen (Wenn Sie es ohnedies schon lange wissen, übergehen sie den Rest)? Einen Schalttag fügt der – im Jahr 45 v. Chr. von Julius Caesar im Römischen Reich eingeführte – Julianische Kalender genau alle vier Jahre ein. Dann hat der Februar 29 statt 28 Tage und ein solches Schaltjahr 366 statt 365 Tage. Im gregorianischen Kalender – zu dem nach der Kalenderreform 1582 n. Chr. übergegangen wurde – entfallen in einer Spanne von 400 Jahren drei dieser Schaltjahre durch die verbesserte Schaltregel. Dadurch ist die durchschnittliche Dauer eines Kalenderjahres besser dem die Jahreszeiten bestimmenden Sonnenjahr (tropisches Jahr) angepasst, sodass deren Unterschied nur ungefähr eine halbe Minute beträgt.

Im Religionskalender des Islam – einem reinen Mondkalender – führt der zusätzliche Schalttag eines Schaltjahrs zur religiös begründeten Angleichung des Kalenderjahrs an den Zeitraum von zwölf Mondmonaten (astronomisches Mondjahr). Das astronomische Mondjahr ist um Bruchteile eines Tages länger als das 354 Tage lange gemeine Mondjahr.

In einem an das Sonnenjahr angepassten Mondkalender (gebundener Mondkalender) – wie im religiösen jüdischen Kalender – wird dem Mondjahr gelegentlich ein 13. Mondmonat (Schaltmonat) zugefügt.

Eine Sonderform der Schalttage sind Epagomene. Diese sind Zusatztage, die in einem Kalender zusätzlich zu den Monaten eingefügt werden, um die Länge des Sonnenjahres von 365 (bzw. in einem Schaltjahr 366) Tagen zu erreichen. Das ermöglicht Kalendersysteme, bei denen zum Beispiel alle Monate (bzw. die ihnen vergleichbaren Jahresabschnitte) die gleiche Länge aufweisen. Die Epagomenen können auch zu einem „Extramonat“ oder „Zusatzmonat“ mit eigenem Namen zusammengefasst sein.

Ein Sonnenkalender richtet sich im Unterschied zu einem Mondkalender nach dem Lauf der Sonne. Das davon bestimmte tropische Jahr hat eine Länge von 365,24219 Tagen (365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 45 Sekunden).

In Lunarkalendern (Mondkalendern) werden Schaltmonate benötigt, um mit der synodischen Periode des Mondes von 29,530589 Tagen konform zu laufen. Dabei bietet sich ein regelmäßiger Wechsel von „vollen Monaten“ zu 30 und Schaltmonaten („hohler Monat“) zu 29 Tagen an. Mit Sonderregeln werden die fehlenden 0,0306 Tage pro Monat (Metonischer Zyklus, Kallippischer Zyklus und andere) korrigiert. Daneben gibt es auch Schalttage, um das Lunarjahr mit zwölf Mondmonaten von etwa 354 Tagen durch Einschalten von meist elf „Toten Tagen“, der Zeit zwischen den Jahren, auf einen nicht-interkalierenden Mondkalender zu ergänzen.

Im islamischen Kalender, einem synodischen, also reinen Lunarkalender, ist die Bestimmung eines Schaltjahres wie folgt festgelegt: Nach einem gebräuchlichen System sind alle Jahre, die bei einer Division durch 30 einen Rest von 2, 5, 7, 10, 13, 16, 18, 21, 24, 26 oder 29 haben, Schaltjahre. Alle ungeradzahligen Monate haben 30 und alle geradzahligen Monate 29 Tage. In Schaltjahren wird dem zwölften Monat ein Tag hinzugefügt, sodass er dann 30 Tage hat. Somit besteht ein Jahr des islamischen Kalenders durchschnittlich aus 354,36667 Tagen. Astronomisch dauern zwölf Lunationen 354,367068 Tage. Das islamische Mondjahr ist also um 34,6752 Sekunden zu kurz. Dennoch ist eine gute Näherung in Hinblick auf die Mondphasen erreicht: Erst nach 2492 islamischen Kalenderjahren (also nach 29.904 Lunationen, oder zirka 2418 Sonnenjahren) müsste ein zusätzlicher Schalttag eingeschoben werden, um den Kalender mit der Mondphase wieder im Einklang zu bringen. Gegenüber dem Sonnenjahr ist das islamische Jahr allerdings um 10,876 Tage zu kurz. Deswegen wandert der islamische Jahresbeginn im Laufe von 34 Jahren einmal rückwärts durch alle Jahreszeiten.

Bewusst auf den seltensten Tag des Jahres wurde 2008 der Tag der seltenen Krankheiten von EURODIS, einer internationalen Nichtregierungsorganisation, gelegt, um die Aufmerksamkeit eben auf Patienten mit diesen seltenen Krankheiten zu lenken. In Nicht-Schaltjahren wird der Tag auf den 28. Februar mit weit weniger Aufmerksamkeit gelenkt.

Zum 29. Februar

Ein Palästinensischer Staat – eine mögliche Führungspersönlichkeit – sitzt lebenslang im Gefängnis

Jetzt, da „die Welt“ wieder Interesse am Schicksal der Palästinenser findet, werden plötzlich „Führungspersönlichkeiten“ dort gesucht, die die alt gewordene Generation ersetzen soll. Da wird auch wieder Marwan Barghouti genannt. Regelmäßig weisen ihn Umfragen als Favoriten für die Nachfolge des 87-jährigen Mahmud Abbas aus, des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde. Aber Barghouti ist Israels bekanntester politischer Gefangener.

Barghouti verbüßt fünf lebenslange Haftstrafen plus 40 Jahre in einem israelischen Gefängnis, nachdem die israelischen Behörden ihn während der zweimonatigen Militäroperation im Jahr 2002, während der zweiten palästinensischen Intifada im besetzten Westjordanland festgenommen und inhaftiert haben.

Barghouti wurde am 6. Juni 1959 in Kobar, in der Nähe von Ramallah, im besetzten Westjordanland geboren. Marwan stammt aus der im Westjordanland bekannten und politisch aktiven Barghouti-Familie. Im Alter von 15 Jahren trat er der Widerstandsorganisation Fatah bei. Später studierte er an der Universität Bir Zait im Westjordanland, an der er seinen Abschluss als Master im Fach Internationale Beziehungen machte. Barghouti heiratete 1984 eine Studienkollegin. Das Paar hat eine Tochter und drei Söhne. Marwan Barghouti ist auch als Abu Qassam und Abu Al-Qassam bekannt.

Er schloss sich Jassir Arafats Fatah an, die innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) die dominierende Fraktion bildete. Die PLO setzte sich für die Erreichung eines palästinensischen Staats durch den bewaffneten Kampf ein. Später war Barghouti Mitbegründer der Fatah-Jugend. Im Alter von 18 Jahren wurde er von Israel wegen seiner militanten Aktivitäten verhaftet und zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt.

Als einer der Anführer im Westjordanland während der ersten Intifada, die im Dezember 1987 begann, wurde Barghouti von Israel verhaftet und nach Jordanien deportiert, bis er 1994 im Rahmen des Osloer Abkommens von 1993 zurückkehren durfte. Die Osloer Abkommen (1993 und 1995) sahen einen palästinensischen Staat an der Seite Israels vor, den die von der PLO kontrollierte Palästinensische Autonomiebehörde regieren sollte. In der Folge setzte Barghouti sich für den Friedensprozess und die Etablierung eines palästinensischen Staats ein.

Barghouti, ein Befürworter des Abkommens, wurde 1996 in den Palästinensischen Legislativrat gewählt. Er bekleidete das Amt des Generalsekretärs der Fatah im Westjordanland, in dem er in Opposition zu Jassir Arafats Regierung stand. Als die Aussicht auf eine Zweistaatenlösung schwand, rief er zu öffentlichen Protesten auf und erklärte, dass die nächste Intifada „neue Formen des militärischen Kampfs“ aufweisen werde, um einen palästinensischen Staat an der Seite Israels zu erreichen.

Während der Zweiten Intifada, die im September 2000 ausbrach, war Barghouti der Führer des bewaffneten Fatah-Zweigs Tanzim, der gegründet wurde, um islamistischen Gruppen wie der Hamas und dem Palästinensischen Islamischen Dschihad entgegenzutreten. Diese hatten die Oslo-Abkommen abgelehnt und befürworteten die Fortsetzung des bewaffneten Kampfs. Israel reagierte, indem es Barghoutis Verhaftung forderte und 2001 ein Attentat auf ihn verüben ließ, das ihn nur knapp verfehlte und seinen Leibwächter tötete.

Im April 2002 nahmen israelische Soldaten Barghouti fest. Sie verhafteten ihn in seinem Haus in Ramallah im Westjordanland und brachten ihn nach Israel. An ihm als dem ranghöchsten palästinensischen Funktionär in israelischer Haft wollten sie ein Exempel statuieren, um zu beweisen, dass die palästinensische Nationalbewegung (in den Worten von damaligen Premierminister Ariel Sharon) „eine Bande von Mördern und Terroristen“ sei.

Vor einem israelischen Zivilgericht musste sich Barghouti wegen 26 Anklagen wegen Mordes und versuchten Mordes verantworten. Die Anklagen bezogen sich auf Angriffe der Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden der Fatah auf israelische Zivilisten und Soldaten. Laut Gericht sollte Barghouti sie unterstützt und autorisiert haben.

Barghouti lehnte es ab, sich gegen die Anschuldigungen und Beweise zu verteidigen, die auf Geständnissen beruhten, die unter Folter und Misshandlung erpresst worden waren. Er argumentierte, dass Israel nicht befugt sei, ihn als Beamten der Palästinensischen Autonomiebehörde, die auf das Osloer Abkommen zurückging, zu verurteilen. Barghouti präsentierte sich als Symbol des palästinensischen Widerstands und erklärte: „Mein Verbrechen ist nicht ‚Terrorismus‘ – ein Begriff, der offenbar nur für den Tod israelischer Zivilisten verwendet wird, aber niemals für den Tod von Palästinensern. Mein Verbrechen ist, dass ich auf meiner Freiheit bestehe, der Freiheit meiner Kinder, der Freiheit des gesamten palästinensischen Volkes. Und wenn das tatsächlich ein Verbrechen ist, bekenne ich mich dessen mit Stolz schuldig.“

Seit seiner Verurteilung ist Barghouti – wie andere palästinensische Gefangene auch – in Einzelhaft.  Es bestehen strenge Beschränkungen für Familienbesuche. Er darf keine Bücher, Kleidung, Lebensmittel und andere Gegenstände zu erhalten. Die Familie benötigt für Besuche bei ihm eine israelische Genehmigung, die regelmäßig unter fadenscheinigen „Sicherheits“-Vorwänden verweigert wird. Seine Frau Fadwa hat mehrmals versucht, ihn gemäß den Vereinbarungen zu besuchen, und wurde dann, nachdem sie den ganzen Tag gewartet hatte, doch abgewiesen.

Barghouti ist mehrfach in den Hungerstreik getreten, zuletzt 2017 zusammen mit 1.500 anderen Gefangenen verschiedener palästinensischer Parteien und Fraktionen in mindestens sechs Gefängnissen. Barghoutis Frau, eine Anwältin, führt den Kampf für seine Freilassung.

Naja, Israel hat schon mehr Gefangene freigelassen/ausgetauscht – aber Barghouti?

Ein Palästinensischer Staat – eine mögliche Führungspersönlichkeit – sitzt lebenslang im Gefängnis

Zu dem neuen zukünftigen Mitglied in unserer europäischen Familie:

Zu der Republik Moldawien

Eine Wiederveröffentlichung

Jetzt hat also die EU einem weiteren Land Beitrittsstatus gewährt, dessen interne Lage nicht geklärt ist, d.h. das eigentlich geteilt ist. Als ob sie, nämlich die EU, nicht schon genug Probleme mit einem geteilten Mitgliedsland hätte: Zypern.

Und die EU hat weder Nordmazedonien noch Albanien dieses Recht (Beitrittsstatus) zugestanden. Das finde ich ziemlich unfair, denn z.B. Nordmazedonien hat sich sogar überwunden und seinen Namen geändert, um diesen Status zu erreichen. Und das nur weil ein Mitgliedsland der EU von 27 (nämlich Bulgarien) nicht zugestimmt hat, derzeit mit einer eher fadenscheinigen Ausrede einer Regierungskrise. Dieses Einstimmigkeitsprinzip stranguliert unsere EU noch! 

Andererseits ist schon klar, warum dieses Zugeständnis an die Ukraine und die Republik Moldawien in Zeiten der russischen Aggression in der Ukraine notwendig erscheint. Denn man muss sich nur die Karte anschauen: Im Norden, Osten und Süden wird die Republik Moldau vollständig von der Ukraine (jetzt eben auch Beitrittskandidat) umschlossen, denn zwischen Moldau und Schwarzem Meer liegt die ukrainische Region Budschak, die von Bessarabien abgetrennt wurde. Nur im Westen grenzt Moldau an den EU-Staat Rumänien.

Als Budschak wird der südliche Teil der historischen Landschaft von Bessarabien (dazu siehe: weiter unten) bezeichnet. Die Region liegt heute größtenteils auf dem Staatsgebiet der Ukraine (südwestlicher Teil der Oblast Odessa), ein kleinerer Teil befindet sich im Süden der Republik Moldau. Durch die sich ansiedelnden Kolonisten wurde das Land urbar gemacht und hatte somit für die damals rückständige russische Landwirtschaft einen gewissen Vorbildcharakter. Sie bauten hauptsächlich Getreide, Öl- und Hülsenfrüchte für den Export nach Odessa und in westeuropäische Städte an. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Budschak zu einer Art Kornkammer für das Land. In den Revolutionswirren von 1917 kam das Land Russland abhanden. Ein Landesrat erklärte 1917 Bessarabien und damit auch den Budschak zur Demokratischen Moldauischen Republik. Nach inneren Unruhen mit marodierenden Banden rief der Landesrat Rumänien 1918 um Hilfe, das Truppen entsandte. Im gleichen Jahr erfolgte der freiwillige Anschluss an Rumänien. Die westlichen Mächte erkannten den Anschluss an Rumänien an. Aus sowjetischer Sicht handelte es sich um eine von der rumänischen Regierung inszenierte Abspaltung von Russland und eine organisierte Annexion durch Rumänien.

Moldawien ist ein kleines Land, in etwa so groß, wie Oberösterreich und Niederösterreich zusammen, und es hat 2,6 Millionen Einwohner, nur wenig mehr, als es Bewohner von Nordmazedonien gibt.  Und Moldawien ist ein Binnensaat, obwohl die Küste des Schwarzen Meeres nur wenige als 2 Kilometer entfernt liegt. Das Kerngebiet liegt zwischen den beiden größten Flüssen Dnister und Pruth (mündet in die Donau) und damit in der historischen Landschaft Bessarabien.

Bessarabien ist mir noch aus der Berichterstattung im Zweiten Weltkrieg im Ohr, wahrscheinlich wegen der Rücksiedlung unter dem Motto „Heim ins Reich“ der etwa 93.000 Bessarabiendeutschen. Von 1814 bis 1842 waren ungefähr 9000 Deutsche nach Bessarabien eingewandert, aus denen sich im Laufe der Zeit die Volksgruppe der Bessarabiendeutschen bildete. 1940 nahm die Sowjetunion das Land durch militärische Besetzung wieder in Besitz und teilte Bessarabien erstmals. Jahrhundertelang war dieser Landstrich Pufferregion zwischen den Großmächten Österreich (damals halt!), Russland und dem Osmanischen Reich.

Am südlichsten Punkt der Republik Moldau hast das Land einen etwa 600 Meter langen Zugang zur Donau (die sich schon in ihrem Mündungsgebiet befindet). Ein kleinerer Teil des Landes mit etwa 17 % der Bevölkerung auf 12 % der Fläche liegt östlich des Dnister und hat sich 1992 im Zuge des Transnistrien-Konflikts unter dem Namen Transnistrien abgespalten. Der Transnistrien-Konflikt bezeichnet eine seit 1990 andauernde, kurzzeitig auch kriegerische Auseinandersetzung zwischen der ehemaligen Sowjetrepublik Moldau und dem inzwischen de facto unabhängigen Transnistrien, das sich im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion von der Republik Moldau abspaltete. Nach einem kurzen Krieg von März bis August 1992 erreichte Transnistrien eine De-facto-Unabhängigkeit, während Moldau seine Souveränität über das Gebiet einbüßte. Die Kämpfe forderten über 500 Todesopfer und endeten erst durch die Vermittlung von General Alexander Lebed, der die dort stationierte 14. Armee Russlands befehligte.

Transnistrien erklärte sich 1992 unabhängig, ist aber wirtschaftlich und militärisch von Russland abhängig und wurde bislang von keinem anderen Staat anerkannt. Das Gebiet gehört völkerrechtlich weiterhin zur Republik Moldau. Der unsichere politische Status Transnistriens behindert seitdem maßgeblich die Entwicklung beider Gesellschaften. Es handelt sich also um einen „eingefrorenen Konflikt“. Die Entstehung des Transnistrien-Konflikts ist ursächlich mit der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 verbunden. Sie hat ihre tieferen Ursachen in der wechselhaften Geschichte der Region, einer ethnisch-lingual heterogenen Bevölkerung, ungelösten Eigentumsfragen bei der Auflösung der Sowjetunion und in vom Rest Moldaus abweichenden demografischen Verhältnissen in Transnistrien.

Die Landschaft der Republik Moldau ist flachwellig (zwischen 30 m und 430 m) und zu 80 % Kulturland, was der fruchtbaren Schwarzerde in der Steppe des Südens zu verdanken ist. Im Norden ziehen sich hügelige Ebenen mit lichten Eichenwäldern und Baumsteppen. Das warme, trockene Klima ermöglicht Wein- und Obstbau in großem Maßstab.

Ich glaube schon, dass uns dieser Landstrich mit seiner Vielfältigkeit in der näheren (Russlands Ambitionen) und weiteren Zukunft (Entwicklung in der EU) beschäftigen wird.

Zu dem neuen zukünftigen Mitglied in unserer europäischen Familie:

Gedanken beim Spaziergang durch die Tuchlauben und die Wollzeile.

Wiederveröffentlichung

Ja es passiert viel in der Welt, vieles könnte kommentiert werden. Um Ostaleppo wird noch immer erbittert gekämpft, ebenso um Mosul, dort werden „menschliche Schutzschilde“ vorbereitet. Von beiden Städten werden Flüchtlinge erwartet, in diesen Trecks können Terroristen nicht ausgeschlossen werden. Der Wahlkampf in den USA wird auch immer erbitterter und schmutziger. Erdogan verlängert neuerlich den Ausnahmezustand und will nun die Todesstrafe wieder einführen – eine Provokation für Europa? In Italien kommt die Erde nicht zur Ruhe…. Naja, und dass CETA jetzt einmal feierlich unterschrieben ist, verringert die europäische Blamage über das wallonische Debakel auch nicht wirklich, es ist klar, die EU gehört gründlich reformiert, aber sie ist gleichzeitig zerstritten – wie soll das gehen?

Also wende ich mich lieber vorläufig meiner Wiener Umgebung zu. Gar nicht weit voneinander entfernt: Zwei Straßen, die mit Textilien zu tun haben – die Wollzeile und die Tuchlauben, diese jetzt ein Teil des „Goldenen Quartiers“. Die Tuchlauben war schon immer eine der vornehmsten Straßen der Stadt, wie auch die Zunft der Tuchmacher eine der ältesten und wohlhabendsten gewesen ist und schon unter den Babenbergern mit Rechten und Freiheiten ausgestattet war.

Der Name Tuchlauben leitet sich von den hier ansässigen Tuchhändlern und Tuchschneidern ab, die in Lauben ihre Waren feilboten. Die Lauben waren ebenerdige Arkadengänge, von denen aus die sogenannten Gewandkeller zugänglich waren; ihr Bestand lässt sich bis 1289 zurückverfolgen, manche waren schon im Mittelalter besitzmäßig vom Haus getrennt und wurden gesondert im Grundbuch eingetragen.

In der Tuchlauben wohnten z.B. Wolfgang Amadeus Mozart, Alban Berg, Franz Schubert. Als „besondere Bauwerke“ können des Taxsche Bierhaus, das ehemalige Vizedomamt, der Hochholzerhof, der Tuchlaubenhof und der Seitzerhof bezeichnet werden. Taxsches Bierhaus (Tuchlauben 2), das kleine Häuschen verschwand mit dem Ausbau der Ersten österreichischen Spar-Casse; es trug seinen Namen nach dem bürgerlichen Bierwirt Franz Tax, der 1822-1837 auch Besitzer des Hauses war.

Das älteste bekannte Haus, das an der Stelle nunmehrigen Hochholzerhofs stand, trug bereits im 13. Jahrhundert den Namen „Zum langen Keller“. Immer wieder kam auch die Politik in den Streitigkeiten vor: Ein Günstling des ungarischen Königs Matthias Corvinus schalte und walte in diesem seinen Haus recht rücksichtslos. 1511 wurde das Gebäude in drei selbständige Häuser geteilt. Das vordere kam in den Besitz des Fleischhauers Leonhard Hochholzer. Nach der Schlacht am Weissen Berge (9. November 1620) wurde der Besitzer des Hochholzerhofes, Wolf Parth – wie auch die anderen Parteigänger des Winterkönigs Friedrich von der Pfalz – geächtet und seines Besitzes für verlustig erklärt. Es kam jedoch zu keinem Verkauf, da sich auch kein Käufer fand. 1770-1775 befand sich hier die Kunsthandlung „Zum König von Dänemark“ der Firma „Artaria & Comp.“, 1840 „Mathias Artaria Witwe & Comp.“.

Die Fassade wurde 1949 renoviert. Die BAWAG, die den Hochholzerhof zur Erweiterung ihres Stammhauses in der Seitzergasse erwarb, ließ ihn 1984-1986 unter Erhaltung (und denkmalpflegeischer Restaurierung) der Fassade im Inneren völlig neu gestalten. BAWAG P.S.K. (Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG) entstand im Jahr 2005 und befindet sich mit ca. 52 % im Mehrheits-Eigentum des US-Fonds Cerberus. Das Bankgebäude Tuchlauben 5, also der  Hochholzerhof, wurde neben anderen BAWAG-Immobilien, u.a. dem Tuchlaubenhof in der Tuchlauben 7 und 7a, an ein Konsortium um den Immobilieninvestor Rene Benko verkauft.

Da denkt man unwillkürlich an die BAWAG Affäre, an die Karibik Geschäfte, und die betroffenen Personen, Elsner, Flöttl, die Auswirkungen auf den ÖGB und die dort handelnden Personen, wie z.B. Fritz Verzetnitsch. Und natürlich überlegt man auch, wer wohl in den „Penthouses“ dieser handelnden Personen jetzt wohl wohnt.

Und es ist nur ein Katzensprung hinüber in die Wollzeile. benannt nach den dort sesshaft gewesenen Wollwebern und Wollhändlern; urkundlich erwähnt 1158. Zur Zeit Herinrichs II. Jasomirgott lag die Wollzeile noch außerhalb des ummauerten babenbergischen Stadtgebiets, reichte einst bis zum Wienfluss und ging in die nach Ungarn führende Fernhandelsstraße über (Ungargasse).

Auch in dieser Straße gibt es bemerkenswerte Häuser wie z.B. das Erzbischöfliche Palais, oder der Schmeckende-Wurm-Hof.  Daran knüpft sich ein „G’schichtl“: Der Materialwarenhändler Thomas Racher hatte im Jahr 1700 seinen Laden hatte. Ober der Gewölbetür, zwischen dem Erdgeschoß und einem Fenster des ersten Stockwerks, war ein blechernes, lindwurmartiges Ungeheuer befestigt. An diesem Fenster saß oft ein schönes blondlockiges Mädchen. Sie soll eine Waise gewesen sein, die hier im Universitätsviertel unter den Studenten recht bald einen Verehrer fand. Dieser steckte dem „Wurm“ in der Nacht vor dem Geburtstag seiner Verehrten einen prächtigen Blumenstrauß in den Rachen. Das Mädchen nahm den Strauß nicht an, sondern ließ ihn verwelken, so dass die Wiener einige Tage hindurch sahen, wie der Wurm an den Blumen „schmeckte“ (roch). Die Sache wurde zum Gespött der Leute und das Haus fortan „Zum schmeckenden Wurm“ genannt. Auf Nummer 11 befand sich Mitte des 18. Jahrhunderts die letzte Badstube. Das Simpl auf Nummer 36 ist uns allen noch ein Begriff – als dort die Großen der Nachkriegszeit auftraten.

Aber die Wollzeile ist auch ein Einzugsgebiet von Fremdem, die die Stadt besichtigen wollen, eine Einkaufsstraße, aber da treten dann leider „Lücken“ auf: wie z.B. das Turczynski. Franz Turczynski, kam aus Polen und hat das Geschäft 1882 gegründet, stattete Aristokraten aus, schickte diesen Jagd- und Safari-Kleidung in alle Welt nach. Dieses Lokal hat allerdings ein hübsches Papierwarengeschäft besetzt. Auch der auch Kirchenbedarfshändler Janauschek hat nun zugesperrt. Der geht mir allerdings etwas weniger ab. Das große Geschäft von Kreps Lederwaren steht ebenfalls seit Kurzem leer. Nun hat auch der Feinkostladen Böhle „den Rollbalken“ heruntergelassen. Der Böhle hat die Wiener seit Jahrzehnten mit Delikatessen aus aller Welt versorgt. Allerdings benötigte man Geduld, um in diesem Geschäft bedient zu werden, und grad billig war’s auch nicht.

Aber wenigstens bleiben die großen und kleineren Buchläden in der Wollzeile offen.

Gedanken beim Spaziergang durch die Tuchlauben und die Wollzeile.

Reminiszenzen über den Kohlmarkt

Eine Wiederveröffentlichung, aufgrund des heutigen Blogposts.

Kommen Sie mit auf einen Spaziergang über den Kohlmarkt? Wenn ich über den Kohlmarkt gehe, und das tue ich oft, kommen viele Erinnerungen. Da gab es einmal ein kleines Antiquitätengeschäft (jetzt aufgegangen in einem der großen „Labels“), indem ich meine ersten silbernen Ohrringel gekauft habe. Wirklich geht mir (noch immer) die Buchhandlung Berger ab, in deren Auslage man immer jene Neuerscheinungen fand, die wirklich interessant waren. Gerne waren wir im Café Arabia, trafen dort Freunde, es gab verschiedene „Runden“, die sich regelmäßig dort trafen. Das architekturgeschichtlich interessante Café war 1950 von Oswald Haerdtl (*1899; † 1959 Architekt, Designer und Architekturlehrer) eingerichtet worden. Man mag ja den Stil der 1950 Jahre lieben, oder auch nicht, aber um das „Arabia!“ und seine freundlichen Ober ist schon schade. Aus dem Café Arabia am Kohlmarkt wurde eine Filiale von Chanel Und jetzt gibt es kein Caféhaus am Kohlmarkt mehr! Auch das Griensteidl – allerdings am Michaelerplatz, aber nur einen Steinwurf vom Arabia entfernt – als „Ausweichquartier“, hat zugesperrt. Dieses Lokal war im späten 19. Jahrhundert ein berühmtes Künstlerlokal. Das Kaffeehaus befand sich im Palais Dietrichstein, gegenüber dem alten Burgtheater und der Hofburg. Im Januar 1897 wurde das Gebäude, in dem sich das Café befand, im Zuge der Neugestaltung des Michaelerplatzes abgerissen. 1990 wurde in dem nach 1897 erbauten Gebäude am selben Ort im Palais Herberstein wieder ein Café Griensteidl eröffnet. Eine Tradition der Jahrhundertwende war, dass in disputierten Wissenszweifelsfällen der Kellner um die entsprechende Ausgabe des Brockhaus gefragt wurde, den dieser dann an den Tisch brachte. Diese Tradition war 1990–2017 wieder lebendig, in einem Bücherschrank gegenüber dem Eingang gab es eine Ausgabe von der Zeit um 1900 sowie eines jüngeren Datums. Allerdings wird von uns Heutigen in diesem Fall nicht der Brockhaus, sondern das Smartphone konsultiert.

Der Kohlmarkt hat eine lange Geschichte, schon während der Römerzeit verlief die Zubringerstraße von der „porta decumana“ des Kastells Vindobona (an der Kreuzung Tuchlauben-Naglergasse-Graben) zur Limesstraße (Trasse Herrengasse-Augustinerstraße), in die sie am heutigen Michaelerplatz mündete. im 12. Jahrhundert verlief die „lange Mauer“, die vermutlich eine hochmittelalterliche Vorstadt im Bereich der Wallnerstraße abschirmte. Nach der Errichtung der neuen babenbergischen Ringmauer (um 1200) wurde die einstige Zubringerstraße verbaut und bis zu einem neu angelegten Stadttor verlängert. Schwer vorstellbar, dass dort schon die Stadtmauern standen, wo wir heute das Herz von Wien verorten. Der heutige Kohlmarkt trug 1255 und 1304 die Bezeichnung „Witmarkt“ (wit, wid = Holz) trug. Ab 1356 hieß diese Straße bereits „alter Kohlmarkt“, also nicht nach dem Kohl(-gemüse), sondern nach der Holzkohle.

Holzkohle kam aus der Gegend um den Schneeberg und die Hohe Wand und wurde dort von Köhlern hergestellt. Ich selbst habe als Kind noch Köhlerhütten im Wald gesehen. Es waren auch noch die Reste der Kohlenmeiler zu sehen. Holz wird in einen großen Haufen (über mannshoch) aufgeschlichtet und langsam verschwelt. Die Holzkohle wurde dann in geflochtenen Wagen nach Wien zum Verkauf gebracht, eine derartige Kolonne kann man auf alten Stichen von z.B. Gauermann gut sehen.

Aber zurück zum Kohlmarkt. Im Lauf der Zeit entwickelte sich der Kohlmarkt, der die Verbindung von St. Stephan über den Graben zur Hofburg herstellt, zu einer der vornehmsten Straßen Wiens (Prozessionen, Erbhuldigungszüge). 1848 wurde diese Straße vorrübergehend „Versöhnungsstraße“ benannt.  Heutzutage kann man sich gar nicht vorstellen, dass hier einst bis 1989 Autos gefahren sind. Erst dann wurde der Kohlmarkt zur Fußgängerzone.

Man kann nicht vom Kohlmarkt reden ohne den Demel, k.u.k. Hofzuckerbäcker, zu erwähnen. Mir in Erinnerung ist der Verkauf dieses Etablissements an den berüchtigten Udo Proksch, der 1973 im Obergeschoß Räume für den (politischen) Club 45 einrichtete; darüber hatte Verteidigungsminister Karl Lütgendorf seinen eigenen Salon.  2002 übernahm das Cateringunternehmen Do & Co den Demel. Als ich noch am Kärntnerring, bei der IAEA gearbeitet haben, gingen wir in der Mittagpause zuweilen zum Demel, jede von uns nahm etwas anderes – und wir kosteten rundherum. Damals wurde man beim Demel noch in dritten Person angesprochen. Heute zeige ich meinen Enkelkindern gerne die darin befindliche Schauwerkstatt, zuletzt noch im Fasching, habe ich dort Krapfen gekauft und für Weihnachten natürlich den Stollen.

Unter dem Kohlmarkt wurde während des Zweiten Weltkrieges das „Luftschutzraumnetz Innere Stadt“ zusammengestellt. Teile des Kohlmarkts gehörten zu den „Hauptstraßen“ dieser weit verzweigten Unterwelt. Spuren dieses unterirdischen Straßennetzes, in dem man auch einen „Dritten Mann“ hätte antreffen mögen, finden sich an dieser Stelle aber nicht mehr – dafür ist der Ordnungsdrang der Archivare verantwortlich, die in dem von 1945 bis 2003 hier ansässigen Patentamt gearbeitet haben. In den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts wurden die Keller betoniert und umgebaut, damit Hochregallager für Akten untergebracht werden konnten. Im Hof von Kohlmarkt 4 befindet sich noch immer das Luftschutzgitter eines Notausstiegs eingelassen in den Boden. Solche Gitter sollten die Luftversorgung sicherstellen, für den Fall, dass der Zugang zu einem der Keller verschüttet wurde. Vom Keller des Hauses aus kann man noch die in die Wand gehauene Sprossenleiter sehen, die ins Freie führte. Hoffentlich kommt keine Zeit, in der diese Keller als Schutzraum wieder benötigt werden.

Angeblich soll es auch einen unterirdischen Geheimgang vom Demel am Kohlmarkt bis zur Hofburg geben, durch den angeblich Veilchensorbet für Kaiserin Sisi transportiert wurde. Soll aber nicht stimmenm, meinen wieder andere!

Aber jetzt wieder zurück an die Oberfläche, hoffentlich haben Sie Lust auf einen Spaziergang über den Kohlmarkt bekommen.

Reminiszenzen über den Kohlmarkt

Altes und Neues aus meinem Wien

(auch zu dem jetzt blühenden Baum in der Kärntnerstraße)

Ich liebe mein Wien, wenn man Namen von Gassen liest, wie Kühfußgasse z.B., benannt nach einem Bierhaus dieses Namens. Hier befand sich ursprünglich der ältere Witmarkt (Kohlmarkt); der dreieckige Platz wurde bereits im 13. Jahrhundert teilweise verbaut (Tuchlauben). Ab 1503 spricht man vom „Gäßlein, als man auf St. Petersfreithof geht“ (1770 St. Peters Gässel), seit 1827 ist Kühfußgasse gebräuchlich.

Sowohl über den Kohlmarkt als auch über die Tuchlauben habe ich bereits geschrieben. Ich werde es umgehend wieder-veröffentlichen.

Aber noch etwas: heute bin ich durch die Kärntnerstraße gegangen, das geht derzeit, da nicht gar so viele Touristen in Wien sind. Und ich möchte über die dortigen Bäume berichten. Den folgenden Bericht aus Oktober 2000 habe ich gelesen: Die Wiener Stadtgärtner setzten in der Kärntner Straße über zehn neue Bäume ein. Die Rodung von überalterten und teilweise morschen Bäumen wurde aus Sicherheitsgründen notwendig. Am Montag wurden die ersten sechs gefällt, Mitte dieser Woche folgen die anderen. Bereits am Dienstag werden zwischen der Oper und dem ersten Abschnitt der Kärntner Straße so genannte Lederhülsenbäume (Gleditsia triacanthos) gesetzt. Diese besondere Alleebaumart zeichnet sich durch ihren lockeren bzw. lichtdurchlässigen Bewuchs aus. Lederhülsenbäume stehen zum Beispiel in der vor einigen Jahren neu gestalteten inneren Mariahilfer Straße. Die alten Bäume hatten keinen guten Stand und wiesen große Mängel in der Entwicklung der Wurzeln auf. Stadtgartenamtsrat Ing. Joachim Ratzka von der MA 42 sagte gegenüber der Rathauskorrespondenz: „Die neu gepflanzten Lederhülsenbäume sind wachstumsstark und werden sich durch Beimengung von speziellen Bodensubstraten sehr gut entwickeln“.

Nun, die Bäume, die ich jetzt dort wahrnehme sind Magnolien, sie wurden um 2010 gesetzt. Die   Magnolie wird in Wien abseits der bekannten Einkaufsstraße seit dem Ende 19. Jahrhunderts immer wieder gerne angesetzt wird. Magnolien (allerdings jene, mit den größeren Blüten gehören zu meinen Lieblingsbäumen.

Die in der Kärntner Straße verwendete „Magnolia kobus“ wird dabei nicht allzu großkronig und maximal zehn Meter hoch sowie bis zu sechs Meter breit. Sie entwickelt innerhalb von nur wenigen Jahren eine kompakt-kegelförmige bis breitrundliche Krone und ist im Unterschied zu anderen Magnolien-Arten absolut frosthart. Rund um die Bäume wurden Bankerln gebaut, die immer wieder zum (konsumfreien) Sitzen einladen. Die „Magnolia kobus“ ist auch nach ihrer weißen Blüte (ab Mai) ein attraktiver Laubbaum und zeigt im Herbst intensiv-goldgelbe Herbstfärbung, ihre Blüten bleiben im Gegensatz zur herkömmlichen Tulpenmagnolie relativ klein. Im Sommer werden die Bäume leicht besprüht, wodurch es in ihrem Schatten immer ein wenig kühler ist.

Für die Pflanzung dieser Baumart hatte man sich bereits im Vorfeld der Planungen zur neuen Fußgängerzone in der Kärntner Straße entschieden, weil die Blüten dieser Magnolie keine Rutschgefahr darstellen, keine Gefahr einer übermäßigen Verdunkelung der Straße durch zu hohen Wuchs besteht und das Stadtklima dem Baum nichts ausmacht.

Der alljährlich im April so reich blühende Laubbaum hat in Wien schon eine langjährige Tradition. Im Stadtpark, in Nähe des Strauß-Denkmals steht ein besonders altes Magnolienexemplar, welches bereits Ende des 19. Jahrhundert anlässlich des Stadtparkbaus gepflanzt wurde. Auch die Magnolia vor der Stadtgartendirektion wurde 1930 gepflanzt und hat in ihren vielen Lebensjahren inzwischen eine stattliche Größe erreicht. Auf meiner später jährlich stattfindenden „Magnolienrunde“ besuche ich diese Bäume und andere in meiner weiteren und näheren Umgebung.

Aber heute ist der 28. Februar, und einer dieser Magnolienbäume in der Kärntnerstraße blüht. Nur einer, ich habe dann aufgepasst, ein weiterer hat schon große Knospen, bei den anderen sieht man fast gar nichts. Ich habe mich so gefreut, diese Blüten zu sehen, allerdings auch überlegt, dass es im Februar einen einzigen Morgenfrost gegeben hat. Derzeit meint es der Klimawandel gut mit uns (aber ich bin auch kein Landwirt, dessen Ernte von den Wetterkapriolen abhängt).  

Altes und Neues aus meinem Wien

Die EU will die Umweltzerstörung zurückdrehen

Zum nun beschlossenen Renaturierungsgesetz.

Ich halte es für eine gute Nachricht: EU-Parlament verabschiedet mit knapper Mehrheit (mit 329 Ja- und 275 Nein-Stimmen) das Renaturierungsgesetz. Leider ist das in der österreichischen Berichterstattung ein wenig untergegangen, wir sind noch immer zu sehr mit Kurz beschäftigt. Wäre doch eigentlich an der Zeit dieses Thema einmal ad acta zu legen und sich endlich mit Wichtigerem zu beschäftigen.  

Bis 2030 will die EU den Zustand ihrer Flüsse, Moore und Wälder deutlich verbessern. Denn mehr als 80 Prozent der Natur in Europa sind in einem schlechten Zustand oder zerstört. Nun wurde das lang geplante Renaturierungsgesetz vom EU-Parlament angenommen. Mit einer knappen Mehrheit aus Grünen, Sozialdemokraten, Teilen der Liberalen und Konservativen hat das EU-Parlament ein Gesetz zu verschärften Naturschutzauflagen abgesegnet. Mit dem sogenannten Gesetz zur Wiederherstellung der Natur plant die EU, die Umweltzerstörung zurückzudrehen. Damit sich die Natur erholt, sollen künftig mehr Bäume gepflanzt, Moore wieder vernässt (Wort stammt nicht von mir) und Flüsse in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden.

Das Gesetz verpflichtet die EU-Länder, bis 2030 mindestens je 20 Prozent ihrer Flächen und Meeresgebiete wiederherzustellen – und bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme, wie Grasland, Seen, Flüsse sowie landwirtschaftlich genutzte Flächen. Darauf hatten sich die Europaabgeordneten schon im November mit den Vertretern der Mitgliedsstaaten geeinigt. Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen, das gilt aber als wahrscheinlich (na hoffentlich). Das heißt: Die EU-Länder sollen dafür sorgen, dass beispielsweise die Zahl der Schmetterlinge zunimmt, Hecken gepflanzt werden und Äcker mehr Kohlenstoff speichern können. Landwirte müssen zudem weniger Pestizide einsetzen. Und: Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, Hindernisse in Flüssen wie Staudämme und Wehre zu entfernen.

Das Gesetz fordert außerdem eine positive Entwicklung verschiedener Indikatoren für Waldökosysteme und die Pflanzung von 3 Mrd. zusätzlicher Bäume. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem mindestens 25.000 km Flüsse in frei fließende Flüsse umwandeln und sicherstellen, dass die Gesamtfläche der städtischen Grünflächen und der Baumkronen nicht verloren geht.

Eine wichtige Rolle spielen auch Feuchtgebiete wie Moore und Sümpfe, die hierzulande immer weniger werden. Ende 2016 gab es im Westen nur noch rund 32 Quadratkilometer Moore und Sümpfe, Ende 2020 waren es nur noch gut 25 Quadratkilometer. Sollte die Zahl wieder zunehmen, könnte das auch beim Kampf gegen den Klimawandel helfen.

Das neue Gesetz könnte in den Mitgliedsländern den Rahmen liefern, um schon bestehende einzelne Projekte zu bündeln und großflächig Ökosysteme wiederherzustellen. Das Gesetz sieht aber auch eine vom Parlament geforderte Notbremse vor, so dass die Ziele für landwirtschaftliche Ökosysteme unter außergewöhnlichen Umständen ausgesetzt werden können, wenn sie die für eine ausreichende Nahrungsmittelproduktion für den EU-Verbrauch benötigte Fläche stark reduzieren.

Für die Landwirte bedeutet Renaturierung konkret, dass sie ihre Bewirtschaftung der Flächen umwelt- und biodiversitätsfreundlicher gestalten müssten. Das heißt: Mehr Vielfalt durch Blühflächen, durch Hecken oder temporäre Brachflächen. Wissenschaftler meinen: dass sich eine umweltschonendere Bewirtschaftung des Bodens in aller Regel sehr positiv auswirkt: Das Wasser bleibt besser verfügbar, es geht weniger Boden durch Erosion verloren, es gibt mehr Bestäuber, wodurch sich der Ertrag und die Bodenfruchtbarkeit verbessert.

Dennoch haben Rechte und konservative Politiker und Beschäftigte in der Landwirtschaft gegen das Gesetz protestiert und dabei teils verstörende Bilder produziert. Daraufhin hatte das Gesetz kurzzeitig auf der Kippe gestanden. Tatsächlich sind die Landwirte von den Folgen betroffen: Sie dürfen beispielsweise weniger Pestizide einsetzen. Nach Darstellung von Bauernverbänden kann das Gesetz die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und die Ernährungssicherheit in der EU gefährden. Dies sei ein Rückschritt für die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz, meinen Bauernvertreter. Abgeordnete der Europäischen Volkspartei unterstützten sie und stimmten mehrheitlich gegen das Gesetz. Dagegen wird argumentiert: das EU-Gesetz sei praxistauglicher geworden und auch mit einer intensiven Landwirtschaft vereinbar: Es gäbe in den Ackerbauregionen bestimmte Vogelarten wie Rebhuhn, Kiebitze, Grauammer und andere – die brauchen die Landwirtschaft, um überhaupt leben zu können.

Umweltverbände beklagten ihrerseits Lücken in dem nun beschlossenen Kompromiss. Darin stehen etwa zahlreiche Ausnahmen, die die zu schützende Fläche verringern. Die EU-Länder können die neuen Auflagen zudem aussetzen, wenn etwa die Lebensmittelpreise stark steigen. (Ob unser massiver Bodenverbrauch dadurch auch verringert wird?)

Jetzt aber ist das umstrittene Gesetz rechtskräftig.

Die EU will die Umweltzerstörung zurückdrehen

Als in Europa der Terror herrschte

RAF in Deutschland und Rote Brigaden in Italien

Derzeit Meldungen: RAF-Terroristin Daniela Klette in Berlin gefasst.

Daniela Marie Luise Klette (* 5. November 1958 in Karlsruhe) gilt als ehemaliges Mitglied der terroristischen Vereinigung Rote-Armee-Fraktion (RAF). Über eine mögliche Zugehörigkeit Klettes zur Kommandoebene der Terrororganisation RAF in den 1980er und 1990er Jahren herrscht aufgrund unzureichender behördlicher Erkenntnisse keine Einigkeit. Klette wird verdächtigt, seit 1990 an einer Vielzahl von Straftaten beteiligt gewesen zu sein.

Aber all das ist lange her, und möglicherweise wissen viele (Jüngere) wenig über die RAF und den Terror, den sie ausgeübt hat.

Die Rote-Armee-Fraktion (RAF) war eine linksextremistische terroristische Vereinigung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war verantwortlich für 33 Morde an Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, deren Fahrern, an Polizisten, Zollbeamten und amerikanischen Soldaten sowie für die Schleyer-Entführung, die Geiselnahme von Stockholm und mehrere Sprengstoffattentate mit über 200 Verletzten.

Die RAF, in ihrem Selbstverständnis eine kommunistische, antiimperialistische Stadtguerilla nach südamerikanischem Vorbild ähnlich den Tupamaros (die Tupamaros waren eine kommunistische Guerillabewegung Uruguays, die sich aus gewerkschaftlichen Elementen formte und von 1963 bis in die 1970er Jahre als Untergrundbewegung tätig war. Seit 1985 agiert sie als politische Partei), wurde 1970 von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler, Ulrike Meinhof und weiteren Personen gegründet. 1998 erklärte sie ihre Selbstauflösung.

Eine als „Offensive 77“ bezeichnete Serie von Anschlägen im September und Oktober 1977, die dazu dienen sollte, inhaftierte RAF-Mitglieder der ersten Generation freizupressen, führte in eine als Deutscher Herbst bezeichnete Krise der Bundesrepublik. Sie endete mit den Suiziden der inhaftierten Anführer der ersten Generation der RAF in der JVA Stuttgart in der sogenannten Todesnacht von Stammheim.

Diverse Anschläge der späten RAF, darunter neun Morde, sind bis heute nicht aufgeklärt. 1991 verübte die RAF ihren letzten Mord, 1993 den letzten Anschlag. Im Juni 2011 wurde das letzte RAF-Mitglied aus der Haft entlassen. Nach zwei ehemaligen Angehörigen wird bis heute gefahndet.

Die Auseinandersetzung mit der RAF hatte erhebliche gesellschaftspolitische Folgen. Sie führte zur Entwicklung der Rasterfahndung und der Verabschiedung einer Reihe von Anti-Terror-Gesetzen durch den Deutschen Bundestag. Die Ereignisse sind Grundlage einer Vielzahl von Sachbüchern, Fernsehdokumentationen, Spielfilmen, Theaterstücken und Romanen, erschienen im In- und Ausland.

Die RAF wurde anfangs als „Baader-Meinhof-Bande“ oder als Baader-Meinhof-Gruppe bezeichnet. Gebräuchlich ist seit etwa Mitte der 1970er Jahre ihr selbst gewählter, auf die sowjetische Rote Armee bezogener Name „Rote-Armee-Fraktion“.

Es lassen sich drei Generationen unterscheiden, zwischen denen keine oder nur geringe personelle Kontinuität vorhanden war. Diese unterscheiden sich zudem durch Organisationsstrukturen und Veränderungen in Theorie und Praxis. Gleichwohl stellt das Generationenmodell eine Vereinfachung dar.

Die Anzahl der im Untergrund aktiven Mitglieder des sogenannten harten Kerns aller drei Generationen betrug in den 1970er bis in die 1990er Jahre zusammengefasst etwa 60 bis 80 Personen. Wegen Unterstützung der RAF wurden im gesamten Zeitraum 914 Personen verurteilt, wegen Mitgliedschaft 517.

Bei ihren terroristischen Anschlägen oder Geiselnahmen ermordeten RAF-Mitglieder 33 Menschen, mehr als 200 erlitten Verletzungen. Ein Schusswechsel, der 1979 in Zürich zwischen Polizisten und Angehörigen der RAF stattfand, endete für eine Passantin tödlich. Im Nachhinein war nicht zu klären, ob das tödliche Projektil von der Polizei oder der RAF stammte. Aus diesem Grund wird diese Passantin häufig als 34. Opfer der RAF gezählt. Außerdem starben in der Zeit ihres Bestehens 27 Mitglieder und Sympathisanten der RAF. Davon wurden zwölf erschossen, fünf starben bei Explosionen, sieben durch Suizid, eins starb an den Folgen eines Tumors und zwei kamen bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Vier unbeteiligte Personen erschoss die Polizei irrtümlich bei Festnahmeversuchen.

2007 wurde der Wert der durch Anschläge der RAF verursachten Sachschäden auf umgerechnet 250 Millionen Euro geschätzt. Die 1974 bis 1977 in Reaktion auf die RAF-Verbrechen verabschiedeten Gesetze griffen in die Persönlichkeitsrechte aller Bundesbürger ein und sind bis heute in Kraft!

26 RAF-Mitglieder wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Anlässlich von Begnadigungsgesuchen kam es in der deutschen Öffentlichkeit regelmäßig zu teils hitzigen Debatten über den Umgang mit den ehemaligen Terroristen. Im Juni 2011 wurde das letzte ehemalige Mitglied aus der Haft entlassen.

Nach zwei ehemaligen Mitgliedern wird bis heute gefahndet: Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub. Friederike Krabbe wurde ebenfalls nicht gefasst, aber nach ihr wird nicht mehr gefahndet. Bei drei weiteren ist der Verbleib ungeklärt: Ingeborg Barz und Angela Luther gelten seit 1972, Ingrid Siepmann seit 1982 als vermisst. Die Haftbefehle wurden aufgehoben. Daniela Klette wurde im Februar 2024 in Berlin-Kreuzberg gefasst.

Vielleicht nur ergänzend: zu dieser Zeit gab es in die die „Roten Brigaden“. Die Roten Brigaden (Brigate Rosse, BR) waren eine von 1970 bis 1988 bestehende kommunistische Terrororganisation in Italien. Sie wurden betrachteten sich als Stadtguerilla nach Vorbild der uruguayischen Tupamaros. Die Gruppe verübte 73 Mordanschläge und organisierte zahlreiche Entführungen und Banküberfälle. Den Höhepunkt des italienischen Linksterrorismus bildete die Entführung und Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten Aldo Moro 1978. Insgesamt wurde zwischen 1969 und 1989 gegen 1337 mutmaßliche Aktivisten der Roten Brigaden ermittelt. In Italien wurde dieser Zeitraum als die Epoche als bleierne Zeit bezeichnet.

Als in Europa der Terror herrschte

Meine wahrscheinlich unerhebliche Meinung zur 2-Staaten-Lösung

(ich möchte nur vorausschicken, dass ich mit einem Finger tippe – und das dauert!)

Bei allem guten Willen, den ich Beteiligten unterstelle. Ich halte die Zwei-Staaten-Lösung für eine Schimäre.

Mein einfacher Grund dafür: es gibt einfach keinen Platz mehr dafür. Das, was einstens palästinensisches Territorium war, ist jetzt von ca. 279 jüdischen Siedlungen durchsetzt, die durch Israelis vorbehaltenen Straßen verbunden sind.  700 000 Israeli leben bereits dort. Selbst man viel guten Willen unterstellt: man kann doch auch diese Menschen nicht vertreiben. Man kann einen palästinensischen Staat weltweit anerkennen (ja, auch ohne Israel) ober wo sollte der denn liegen?

Aber die Forderungen nach einer Zwei-Staaten-Lösung in Nahost werden immer lauter. Blickt eigentlich irgendeiner dieser „Forderer“ je auf eine Landkarte?  Israel lehnt diese Forderung bislang vehement ab. Zugleich wächst in Israel die Sorge vor der einseitigen Anerkennung eines palästinensischen Staates durch die USA und Europa.

Ich lese nur darüber, was sich jetzt im Westjordanland abspielt. Friedliche Hirten weideten ihre Schafe auf einer Weide nahe Hebron. Siedler griffen sie an, nutzten Drohnen um die Schafe zu vertreiben. Das ist nur ein Vorfall. Zwischen Oktober und Februar wurden 561 solcher und ähnlicher Vorfälle gemeldet. Die Siedler töteten mindestens 8 Palästinenser, verwundeten 111. 1208 Palästinenser wurden vertrieben, darunter 586 Kinder, in etwa 198 Haushalte.

Aber es sind keine einzelnen Vorfälle, sondern systematische Brutalität von extremistischen Siedlern. Und die IDF, sofern vorhanden, schaut zu.  Das sind Schritte zur ethnischen Säuberung!

Nach internationalem Recht sind die Siedlungen nicht rechtmäßig. Aus 16 palästinensischen Siedlungen sind seit Oktober 2023 die Bewohner vertrieben worden. Israelische Siedler leben jetzt dort und sorgen dafür, dass die ursprünglichen Bewohner ja nicht zurückkehren können.

Und die israelische Regierung unterstützt derartige Vorkommnisse! Auch an der Gaza-Front unterstützen immer mehr Siedler das israelische Militär. Die Grenzen zwischen den Sicherheitskräften und bewaffneten Siedlern verschwimmen zunehmend.

Aber als bei der Münchner Sicherheitskonferenz über die Lage im Nahen Osten gesprochen wurde, ging es auch um einen großen Plan: Auf dem Tisch liegt eine Waffenruhe in Gaza, die Freilassung der verschleppten Geiseln, der Wiederaufbau des zerstörten Gebiets – und ein palästinensischer Staat. Fakt aber ist: die israelische Offensive in Rafah könnte Hunderttausende Palästinenser über die Grenze auf ägyptisches Gebiet treiben. Präsident al Sisi will das aber mit allen Mitteln verhindern.

Vorangetrieben wird dieser Plan der Anerkennung des palästinensischen Staates von den USA und von den arabischen Staaten Jordanien und Ägypten, Katar und Saudi-Arabien. Dafür sind wir doch alle: aber wo soll sich dieser Staat befinden? Im Westjordanland – siehe oben – wird das gerade verunmöglicht. Und im zerstörten – möglicherweise durch eine israelische Sicherheitszone verkleinerten Gaza werden kaum alle Palästinenser Platz haben. Bleibt m.E. nur der derzeit ägyptische Sinai (wo ich lese, dass bereits riesige Lager eingezäunt werden, um flüchtende Palästinenser aufzunehmen.)

Begründet wird diese Haltung z.B. damit: Die größte Niederlage für Hamas und diejenigen, die Israel das Existenzrecht absprechen ist, wenn es zu einem Friedensvertrag der arabischen Welt mit Israel kommt, wo klar und deutlich das Existenzrecht Israels nicht nur anerkannt, sondern in Friedensverträgen mit all seinen Nachbarn gesichert ist und zugleich, dass damit auch die Anerkennung des Volkes der Palästinenser und damit auch der eigenen Staatlichkeit auf den Weg gebracht wird.

Ich verstehe auch recht gut, dass der palästinensische Premier Mohammad Shtayyeh unter den gegebenen Umständen zurücktritt. Die Wirtschaft in den palästinensischen Gebieten liegt brach, der Frieden mit Israel ist noch lange nicht in Sicht – wie wird sich der Staat unter diesen Voraussetzungen weiterentwickeln?

Bevor noch lange von dem Palästinenser Staat gesprochen wird, seine Anerkennung diskutiert wird, soll mir bitte jemand erklären, wo er sich letztlich physisch befinden soll.

Meine wahrscheinlich unerhebliche Meinung zur 2-Staaten-Lösung