Überlegungen zur Zeit und zur Zeitgeschichte

Meine (Lebens)-Zeit ist wahrscheinlich – altersbedingt – nicht mehr lange. Daher ist es mir ein Gräuel Zeit zu verschwenden. Es ärgert mich, wenn jemand seine/ihre Zeit „totschlagen“ will oder sich „Zeit-Vertreiben“ will.  Ich finde, man sollte seine Zeit bestmöglich nutzen, das kann selbstverständlich auch eine „Ruhezeit“ sein. Man spricht auch von der verlorenen Zeit, ist das die Zeit, die man vergeudet hat?  Ist es die Zeit, die unwiederbringlich verloren ist, wenn sie nicht in der Erinnerung in einem Kunstwerk konserviert wurde. Oder ist es die Zeit, die Erinnerungen oder Imaginationen, die Namen oder Gegenstände hervorrufen. Manchmal kann z.B. ein Duft eine Erinnerung an eine bestimmte Zeit bringen ….

Jetzt ist schon wieder fast der Jänner des neuen Jahres um, ein wenig mehr als ein Zwölftel von 2022. Die Zeit verfliegt, sie rauscht vorbei. Manchmal fließt sie träge dahin, ein andermal rast sie vorbei. Jedenfalls steht sie nie still. Manchen von uns rennt sie davon. Die Wahrnehmung der Zeitdauer hängt davon ab, was in der Zeit passiert. Ein ereignisreicher Zeitraum erscheint kurz, „vergeht wie im Flug“. Hingegen dauern ereignisarme Zeiträume manchmal quälend lange. Von dieser Beobachtung leiten sich auch die Begriffe Kurzweil und Langeweile ab. Paradoxerweise empfindet man im Rückblick die Zeiten gerade umgekehrt: In ereignisreichen Zeiten hat man viele Informationen eingespeichert, sodass dieser Zeitraum lange erscheint. Umgekehrt erscheinen ereignisarme Zeiten im Rückblick kurz, da kaum Informationen über sie gespeichert sind.

Die Zeit ist eine physikalische Größe. Das allgemein übliche Formelzeichen der Zeit ist t, ihre SI-Einheit ist die Sekunde s. Die Zeit beschreibt die Abfolge von Ereignissen, hat also eine eindeutige, nicht umkehrbare Richtung. Die Zeit beschreibt das Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit kommend und zur Zukunft hinführend. Je nach der Komplexität gesellschaftlicher Ordnung werden Zeitfenster zur Einteilung der Lebensalter mit ihren jeweiligen Funktionen bestimmt: Säuglingsalter, Zeit der Kindheit, Zeit des jugendlich-Seins, Zeit des Erwachsenseins, Greisenalter oder: Kindergartenzeit, Schulzeit, Zeit des Studiums bzw. Lehrzeit, Erwerbsarbeitszeit, Freizeit. Innerhalb dieser gesellschaftlichen Zeitfestlegungen fädeln die Bürger ihre individuellen Biographien auf: z. B. Geburt, Initiationsriten (Taufe o. Ä.), Schuleintritt, schulische Karriere, Studium oder Berufseintritt, Heirat etc.

Zur Angabe eines Zeitpunkts wird die Uhrzeit verwendet. Als bürgerliche Zeit (UT, MEZ usw.) richtet sie sich annähernd nach dem Sonnenstand und ist durch staatliche Regelungen jeweils innerhalb einer Zeitzone einheitlich. Fast alle Lebewesen, bis hin zum Einzeller, besitzen eine biologische innere Uhr, die sich mit dem Tag-Nacht-Wechsel und anderen natürlichen Zyklen synchronisiert. Die innere Uhr zum Tagesrhythmus läuft aber auch ohne Tageslicht, auch an Menschen in Bunker-Experimenten, in denen die freiwilligen Versuchspersonen ohne jeden Hinweis auf äußere Zeitrhythmen lebten. Dabei stellte sich nach einiger Zeit ein konstanter Wach-Schlaf-Rhythmus von im Mittel etwa 25 Stunden ein. Man bezeichnet ihn als circadianen Rhythmus.

Wir versuchen die Zeit durch Messung zu „zähmen“. Manche teilen sie nach den Mondphasen ein, andere nach anderen Kriterien. Derzeit erfolgt bei vielen die Zählung nach Lockdown-Phasen. Astronomische Daten und Zeiten werden oft zweckmäßig als Julianisches Datum (JD) oder modifiziert als Modifiziertes Julianisches Datum (MJD) angegeben.

Wir alle verwenden Kalender, seien es Buchkalender in verschiedener Ausführung und Größe, vielleicht sogar ledergebunden, oder simple Hefterln. Ich mag Stehkalender – ein Blatt – eine Woche, und übrigens führe ich meinen Kalender am Computer – auch nicht immer praktisch. Andere den ihren auf dem Handy.

Dann wird oft von der Zeitgeschichte gesprochen. Das ist jene Epoche der Späten Neuzeit, die zumindest ein Teil der Zeitgenossen bewusst miterlebt hat, im engeren Sinn die wissenschaftliche Untersuchung und Darstellung dieses Zeitraums durch die Geschichtswissenschaft.

Dafür gibt es bestimmte Grenzen – bzw. Ausgangspunkte. Da gibt es zunächst die Epoche seit dem Ende des Ersten Weltkriegs bzw. seit der Oktoberrevolution in Russland ab 1917, das Ende des langen 19. und der Beginn des „kurzen 20. Jahrhunderts“. Zunehmend aber wird unter Zeitgeschichte die Epoche seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verstanden (da nur noch wenige Zeitzeugen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs leben – ich gehöre allerdings noch zu diesen Zeitzeugen!)

  • Die Epoche seit 1945 ist für die meisten Europäer und Nordamerikaner eine Zeit des gewaltlosen Zusammenlebens nach innen wie nach außen, die durch keine größeren militärischen Auseinandersetzungen geprägt ist.
  • Nach 1945 endete mit den allmählich einsetzenden Entkolonialisierungsprozesse die Vorherrschaft europäischer Mächte (Frankreich und Großbritannien waren als Teil der NATO mit den USA verbündet, Deutschland und Italien hatten ihren Großmachtstatus und ihre Kolonien infolge der Kriegsniederlagen verloren). Ein postkolonialer Blick auf die ehemaligen „Drittwelt“-Länder beginnt; ein zunehmend vom Dialog geprägtes Verhältnis der „Einen Welt“ hat hier seinen Ursprung.
  • In Westeuropa begann mit der Durchsetzung der Demokratie in den meisten Staaten (lediglich Spanien, Portugal und Griechenland erlebten noch eine von Unruhen und Diktatur geprägte Zeit) der europäische Einigungsprozess.

Als künftige Epochengrenze werden die 1970er Jahre diskutiert. In „Nach dem Boom“!

Aber egal, wie wir die Zeitgeschichte abgrenzen, ist es interessant, wie unterschiedlich sie „über die Zeiten hinweg“ – gedeutet werden.

Darüber werde ich dann wiederum ein anderes Mal mit Ihnen diskutieren.

Überlegungen zur Zeit und zur Zeitgeschichte

Die Welt, in die ich hineingeboren wurde

Was so im Jahr 1935 geschah

Wenn ich so in meine eigene lange Geschichte zurückdenke, versuche ich Ereignisse, die in für mich „bedeutungsvollen“ Jahren passiert sind, herauszufinden. Ich beginne einmal mit meinem Geburtsjahr, 1935.

„Geherrscht“ haben damals in den USA Franklin D. Roosevelt, in der Sowjetunion Joseph Stalin, in Großbritannien Stanley Baldwin, in Deutschland Adolf Hitler, in Italien Benito Mussolini, in Österreich Kurt Schuschnigg.

Österreichs Politik wurde weitgehend durch Vorkommnisse in seinen Nachbarländern bestimmt. Italien begann am 3. Oktober 1935 mit der Eroberung Abessiniens (Abessinienkrieg). Tripolitanien und Cyrenaika, Italiens nordafrikanische Kolonien, werden zur Kolonie Libia zusammengeschlossen. Das Französisch-Italienische Abkommen, mit dem sie unter anderem ihre Kolonialinteressen in Nordafrika abstimmen, ebnet den Weg zur italienischen Besetzung Äthiopiens und zur Gründung von Italienisch-Ostafrika. Italienische Truppen marschieren in Abessinien ein. Dort herrschte als Kaiser Haile Selassie I., „König der Könige“, „Löwe von Juda“, „Auserwählter Gottes“.

 International war Mussolini danach weitgehend isoliert und näherte sich Hitler an. Für die in Österreich regierende Vaterländische Front bedeutete das den Verlust einer wichtigen Schutzmacht. Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, Nachfolger des ermordeten Engelbert Dollfuß, musste nun nach Wegen suchen, das Verhältnis zum Deutschen Reich zu verbessern. Wie sein Vorgänger wollte auch er die Unabhängigkeit Österreichs bewahren.

In Deutschland beginnt die Aushöhlung des Vertrages von Versailles. Das Saargebiet gehört ab dem 1. März 1935 wieder uneingeschränkt zum Deutschen Reich. Die militärische Aufrüstung nimmt Fahrt auf, die Existenz der Luftwaffe wird bekanntgegeben, die allgemeine Wehrpflicht wird eingeführt, und die Aufrüstung wird verstärkt. Die deutsche Marine darf weiter ausgebaut werden. Für Männer und Frauen zwischen 18 und 25 wird die halbjährige Reichsarbeitsdienstpflicht eingeführt. Mit der Verabschiedung der Nürnberger Rassengesetze – bestehend aus dem Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre und dem Reichsbürgergesetz – auf dem 7. Reichsparteitag institutionalisieren die Nationalsozialisten ihre antisemitische Ideologie auf juristischer Grundlage.

Die Sowjetunion und die Tschechoslowakei schließen ein Beistandsabkommen, das dem Muster des gleichartigen Vertrags zwischen der UdSSR und Frankreich zwei Wochen zuvor folgt. Bei den Parlamentswahlen wird die Sudetendeutsche Partei von Konrad Henlein zur stimmenstärksten Partei.

Weltweit ist bemerkenswert: Der fast einjährige „Lange Marsch“ der „Roten Armee der chinesischen Sowjetrepublik“ endet unter der Führung Mao Zedongs. Die Philippinen, bisher Außengebiet der USA, erhalten eine Verfassung mit dem Status eines Commonwealth der Vereinigten Staaten für die Dauer von zehn Jahren.

In diesem Jahr kommt das erste Dosenbier, abgefüllt von der Brauerei Gottfried Krueger Brewery Company, in den Handel. Die US-amerikanische Brauerei Schlitz stellt in Richmond die erste Getränkedose vor. Mit dem Angebot von zehn preiswerten Penguin Books-Taschenbüchern revolutioniert Allen Lane den britischen Buchmarkt. Der US-Amerikaner Carl C. Magee beantragt ein Patent für ein münzgesteuertes Parkmessgerät. Der sowjetische Bergmann Alexei Grigorjewitsch Stachanow fördert in einer Schicht 102 Tonnen Kohle und übererfüllt damit seine Arbeitsnorm um das 13fache. Trotz geschönter Fakten wird daraufhin in der Sowjetunion die Stachanow-Bewegung gestartet, die auf eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität abzielt. Das Gedankenexperiment Schrödingers Katze des österreichischen Physikers Erwin Schrödinger (1887–1961) soll die Unvollständigkeit der Quantenmechanik demonstrieren, wenn man vom Verhalten subatomarer Systeme auf das makroskopischer Systeme schließen will. Die Richterskala (Aussagen über die Stärke von Erdbeben) wird von Beno Gutenberg und Charles Francis Richter am California Institute of Technology entwickelt. Der Fernsehsender Paul Nipkow beginnt vom Berliner Funkturm aus mit der Ausstrahlung des ersten regelmäßigen Fernsehprogramms der Welt. Leonard Keeler testet in einem Experiment erstmals einen Lügendetektor. Wallace Hume Carothers gelingt im Auftrag der DuPont-Werke die Entwicklung von Nylon. Der erste transparente Klebefilm wird entwickelt.

Die Hagia Sophia in Istanbul, erst Hauptkirche des Byzantinischen Reiches und dann ab 1453 Moschee, wird als Museum eröffnet (2020 wird sie in eine Moschee zurückdefiniert).

Mord im Dom von T. S. Eliot erlebte seine Uraufführung beim Canterbury Festival. George Gershwins Oper Porgy and Bess hatte am New Yorker Alvin Theatre ihre Broadway-Premiere. Die Uraufführung von Der trojanische Krieg findet nicht statt von Jean Giraudoux erfolgte in Paris.

Aber die Comedian Harmonists werden von der NS-Regierung verboten, sowie auch das Ausstrahlen von Jazz-Musik wird allen deutschen Rundfunksendern von Reichssendeleiter verboten wird. In den USA entsteht die Bewegung der Anonymen Alkoholiker.

1935 wird z.B. auch Elvis Presley geboren – er ist allerdings schon 1970 gestorben, ebenso wie der Dalia Lama (damals Tenzin Gyatso) und König Husein I. von Jordanien.   

Zu vielen dieser Ereignisse könnte man lange Erklärungen schreiben. Aber das wissen Sie wahrscheinlich ohnedies.

Die Welt, in die ich hineingeboren wurde

Überlegungen anlässlich des Films: Die Wannseekonferenz 2022

Es ist nicht immer einfach allein zu leben. Ich gebe zu, ich komm ganz gut damit zurecht, aber es gibt Erlebnisse, über die man einfach mit jemanden reden will. Und daher gibt es Veranstaltungen, die alleine zu besuchen mich nicht freut.

Da meine Freundin und ihr Mann, die aus Corona-Gründen nicht mehr zu unseren Abo-Vorstellungen im Burg- und Akademietheater kommen, geht mir das Pausen-Gespräch bzw. Gespräch nach der Vorstellung ab. Ich möchte einfach während oder nach einer Vorstellung mit jemanden über das Gesehene, Gehörte reden.

Ja, und vorige Woche, das wurde der Film Die Wannsee Konferenz im Fernsehen gezeigt. Ich hatte keine Zeit und alle meine Freunde meinten, ich sollte es doch „nachsehen“ (früher musste man nachsitzen, wenn man in der Schule etwas angestellt hatte.).

Aber nun ergab sich, dass einer meiner Enkel plante diesen Film auf einem großen Bildschirm im Familienkreis anzuschauen.  Ich wurde freundlich zu einem Frühstück, eigentlich Brunch mit Filmaufführung eingeladen. Das freute mich nun wieder sehr. Filme mit politischem Inhalt mit Personen aus verschiedenen Generationen anzusehen und hinterher zu diskutieren hat schon einen besonderen Reiz.

Nur ein Hinweis: Die Wannseekonferenz wurde bereits 1984 in einer deutschen Produktion verfilmt.  Es gab dann einen Film fast gleichen Namens (Original: Conspiracy) aus dem Jahr 2001.  Beide habe ich gesehen.

Ganz kurz der Inhalt des Films: Auf Einladung von Reinhard Heydrich kommen am Vormittag des 20. Januar 1942 in einer (wunderschönen) Villa am Großen Wannsee in Berlin fünfzehn hochrangige Vertreter der nationalsozialistischen Reichsregierung und der SS-Behörden zu einer „Besprechung mit anschließendem Frühstück“ zusammen. Ausschließliches Thema dieser Besprechungsrunde, die später als Wannseekonferenz in die Geschichtsbücher eingegangen ist, ist die von den Nationalsozialisten so genannte Endlösung der Judenfrage. Die Teilnehmer besprechen dabei organisatorische Fragen und legen Zuständigkeiten fest, die den systematischen, millionenfachen Massenmord an den Juden Europas betreffen, der längst angefangen hatte.

Historische Fakten (bekannt z.B. aus Nürnberger Prozess Aussagen etc.) sind die folgenden:

Hermann Göring hatte an Reinhard Heydrich, den Chef des Reichssicherheitshauptamtes, einen Erlass adressiert, die Endlösung der Judenfrage vorzubereiten.

Es ist bekannt, dass das sogenannte Wannsee-Protokoll die wichtigsten Punkte sachlich, korrekt wiedergibt, nur ist es kein wortgetreues Protokoll ist, weil ein gewisser Jargon, der vorgebracht wurde, in dienstliche Worte umformuliert wurde und außerdem drei oder gar viermal von Heydrich korrigiert worden ist. Das Ziel dieser Sitzung war, auf höchster (auch bürokratischer) Ebene diesen Erlass im Sinne Eichmanns und Heydrichs zu erfüllen und im Protokoll das Einverständnis aller hier Anwesenden zu dokumentieren. Sicherlich kann angenommen werden, dass die Aussagen eine Mischung aus Fakten und Schutzbehauptungen waren, denn Eichmann hatte jegliches Interesse, seine Stellung in der Mordmaschine klein- und die allgemeine Zustimmung großzureden. Wahrscheinlich kann man davon ausgehen, dass das Protokoll von Heydrich und ihm so redigiert worden ist, dass man sich auf keinen Satz mehr verlassen kann. „Annageln, im Protokoll verhaften“: Darum ging es. Keiner der am Wannsee Versammelten sollte später sagen können, er habe von der „Endlösung“ nichts gewusst, und möglicherweise haben ja genau jene, die sich die Möglichkeit offenhalten wollten, eben doch nichts gewusst zu haben, dafür gesorgt, dass alle Kopien verschwanden, wobei ihnen eine entging. Das Drehbuch dieses Films fußte auf diesem „modifizierten“ Protokoll.

In Kenntnis all dieser Details war der Film unerhört beklemmend. Natürlich war er hervorragend gespielt. Aber heute bewegen uns Fragen, wie war diese „bürokratische“ Abhandlung der geplanten Tötung aller Juden überhaupt möglich. Die Menschen in dem Film wirkten nicht „böse“, aber wie konnten sie dazu gebracht werden, andere Menschen als „Ungeziefer“ zu sehen, die „germanische Rasse“ als überlegen zu erachten. Es können doch nicht nur die ideologischen Schriften z.B. von Alfred Ernst Rosenberg (* 31. Dezember 1892jul. / 12. Januar 1893greg. in Reval – heute Tallin; † 16. Oktober 1946 in Nürnberg) gewesen sein. Ab 1920 trug Rosenberg mit zahlreichen rassenideologischen Schriften erheblich zur Verschärfung des Antisemitismus in Deutschland bei. Als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete (RMfdbO) verfolgte er im Rahmen seiner Ostpolitik das Projekt der Germanisierung der besetzten Ostgebiete bei gleichzeitiger systematischer Vernichtung der Juden. Es kann auch nicht der „Stürmer“ alleingewesen sein: Der Stürmer, ab 1932 mit dem Untertitel „Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit“, war eine am 20. April 1923 vom NSDAP-Gauleiter von Franken Julius Streicher in Nürnberg gegründete und herausgegebene antisemitische Wochenzeitung. Sie erschien am 22. Februar 1945 letztmals. Der Stürmer bediente sich einer besonders hetzerischen Sprache und zeichnete sich durch drastische – bei Schilderungen von „Rassendelikten“ pornographische – Berichte, Bilder und Karikaturen aus. Die Zeitung war keine offizielle NS-Publikation, sondern Streichers Privatbesitz.

Es gibt Vieles zum Nachdenken, und vor allem stellt sich die Frage: kann das wiederum passieren?

Überlegungen anlässlich des Films: Die Wannseekonferenz 2022

Ora et labora et lege – heute

Observationen und Gedanken in Göttweig

Es ist gar nicht so lang her, und ich war schon wieder in Göttweig – allerdings nur für kurze Zeit, und sicher nicht schweigend.  Wie schon erwähnt haben wir diesmal auch nicht im Exerzitienhaus, sondern im Gästeteil des Klosters gewohnt. Der Unterschied: ein „altes“ sehr repräsentatives Gebäude mit hohen Räumen, langen Gängen (ideal für mediterrane Blumen im Winter), nur mit Schlüssel zu erreichen. (Sie waren für uns vorbereitet).  Im Zimmer fand ich einen alten Sekretär (Möbel) vor, ebenso wie eine Récamiere (ein Art Sitz und Liegemöbel, aus dem zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus der Chaiselongue hervorging, benannt nach Julie Recamier, eine Salonniere zu Napoleons Zeiten) neben Kasten Bett und einen großen Tisch – und ausreichend Steckdosen! Wir aßen zwar nicht mit den Mönchen, erhielten aber dasselbe Essen – wie im Kloster.

Der eigentliche Zweck unseres Aufenthaltes war ein „Gespräch“. Der Abt, aber auch andere Mönche laden Gruppen Laien zu „Gesprächen“ unter verschiedenen Titeln ein. Es geht um ganz unterschiedliche Themen – aber in Summe bietet das Kloster „Raum“ für Funktionen von „Thinktanks“. Es geht primär um Themen, die sowohl die Religion, die Kirche aber auch die Gesellschaft betreffen. Laien, von denen man erwartet, dass sie zu den unterschiedlichen Themen etwas zu sagen haben, diskutieren frei, die Mönche führen ein, setzen Themenschwerpunkte und moderieren.

Und damit zeigt sich auch eine der vielen Funktionen der Klöster heutzutage. Nicht nur werden von vielen Klöstern Schulen geführt, die sehr oft Spitzenkräfte hervorbringen, sondern es werden relevante gesellschaftliche Themen unter Menschen verschiedenster Professionen der heutigen Zeit diskutiert. Die Corona Zeit hat einiges „eingebremst“, aber das Erwachsenenbildungsprogramm ist eindrucksvoll.

Es gibt auch manche Klöster, die noch immer Spitäler führen, aber fast alle anderen nehmen auch höchst unterschiedliche sozialen Funktionen wahr, es gibt noch immer die „Klostersuppe“ -wenn auch in höchst unterschiedlicher Form, oft gibt es auch ein Frühstück für Menschen, die auf der Straße leben müssen.

Die Mönche von Klöstern sind im Volleinsatz in (umliegenden) Pfarren. Durch den Priestermangel können viele Pfarren nicht mehr mit Weltpriestern besetzt werden, die Mönche der Klöster springen ein. Klöster sind noch immer Wirtschaftsunternehmen, denn der Erhalt der historischen Bausubstanz erfordert erhebliche Investitionen. Das bedeutet aber, dass Mönche neben ihrer spirituellen Aufgabe, als Land- und Forstwirte tätig sind, die Finanzen betreuen, ja eigentlich „Wirtschaftsbosse“ sein müssen. Aber auch die Klosterbibliothek will betreut werden. Neu erschienene Bücher werden gelesen, beurteilt, diskutiert und empfohlen.

In Nicht-Corona-Zeiten kommen viele Besucher zur Besichtigung von Kirche und Kloster, die wollen betreut und belehrt werden.  Und letztlich gibt es Restaurants für Fremde, und Besuchershops, wo Produkte des Klosters angeboten werden. Selbst wenn sie nicht direkt von Mönchen betrieben werden, müssen diese Tätigkeiten auch überwacht werden.

Kulturelle Veranstaltungen finden in Klöstern statt, die von weither Menschen anlocken, auch die Logistik dieser Veranstaltungen ist entweder selbst zu betreuen oder die entsprechenden Angestellten anzuleiten. Ausstellungen sind berühmt, müssen aber zusammengetragen werden.

Wie schon seit Jahrhunderten bestimmen Gebet, Arbeit und das Lesen in der Hl. Schrift sowie in den Vätertexten das klösterliche Leben. Erste und noch immer vornehmste Aufgabe aller Mönche ist es, Gott im Gebet zu verherrlichen. Mehrmals täglich treffen sie sich, um gemeinsam das Stundengebet zu beten und die Heilige Messe zu feiern. Dabei wird auf die feierliche Gestaltung des Gottesdienstes großen Wert gelegt. Dies zeigt sich auch in der gesanglichen und musikalischen Umrahmung der Gottesdienste. Aber auch der persönlichen Andacht (Schriftlesung, Meditation oder Rosenkranzgebet) ist im privaten Bereich weiter Raum gegeben.

Viele von uns leben heutzutage ein recht „üppiges“ Leben (im Verhältnis zu früheren Zeiten). Viel muss weggeworfen werden, wir könnten vieles „einsparen“. Mönchisches Leben ist geregelt und für Üppigkeit ist nicht immer Platz. Vielleicht könnten wir manches als Vorbild für unser tägliches Leben nehmen und uns mehr auf „Wesentliches“ besinnen. Impulse gibt es genug, wir müssen sie nur aufgreifen.

Ora et labora et lege – heute

Aus Göttweig: zum Ukraine Konflikt

Suchen nach einer – für allen Seiten – gesichtswahrenden Lösung

Mich beschäftigt und beunruhigt der derzeitige Ukraine-Konflikt sehr. Vor allem bekümmert mich unsere Hilflosigkeit. Was immer herauskommt, wir können es nur „erdulden“. Ein wenig erinnert mich die Situation an die Kuba-Krise.

Die Kuba-Krise von 1962 markierte den Höhepunkt des Kalten Krieges. Auf Kuba hatte die Sowjetunion Mittelstreckenraketen stationiert, die unmittelbar auf die USA gerichtet waren.

Nur kurz zur Vorgeschichte: Auf Kuba wurde 1959 Diktator Fulgencio Batista durch eine Revolution gestürzt. Die Führung übernahm seit 1959 Fidel Castro, der Kuba in einen sozialistischen Staat verwandelte. Da die USA ein Embargo gegen Kuba verhängten, schloss es sich der Sowjetunion als neuen Bündnispartner an. Die gegen Kuba verhängte Wirtschaftsblockade der USA führte zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion. Im Jahr 1961 führten die USA eine geheime Operation “Invasion in der Schweinebucht” durch. Mithilfe von Exilkubanern sollte die sozialistische Revolutionsregierung unter Fidel Castro gestürzt werden. Das Unternehmen erwies sich allerdings als Debakel. Kuba festigte seine sozialistische Ausrichtung und blieb im engen Austausch mit der Sowjetunion.

Im August 1962 nun entdeckte ein US-amerikanisches Aufklärungsflugzeug sowjetische Mittelstreckenraketen auf Kuba. Aufgrund der unmittelbaren Reichweite wären diese in der Lage gewesen, die USA militärisch anzugreifen. US-Präsident Kennedy berief einen Krisenstab ein und verhandelte über einen möglichen Luftangriff oder gar Invasion. Die Welt stand kurz vor einem Atomkrieg. US-Präsident Kennedy entschied sich gegen einen militärischen Eingriff. Stattdessen ordnete er eine Seeblockade an, die die weitere Belieferung der Mittelstreckenraketen stoppen sollte. Die sowjetischen Schiffe blieben zunächst stehen und drehten letztlich ab. Kennedy verhandelte unterdessen mit dem sowjetischen Staatschef Chruschtschow. Dieser forderte den Abzug US-amerikanischer Raketen aus der Türkei, um die eigenen Raketen aus Kuba zu entfernen. Die Verhandlungspartner fanden schließlich einen Ausgleich, der allen Seiten eine gesichtswahrende Lösung boten und bewahrten die Welt vor einer atomaren Eskalation.

Nach den erfolgreichen Verhandlungen (mit geheimen Absprachen) zogen die USA und Sowjetunion ihre in der Türkei bzw. auf Kuba stationierten Raketen ab. Die USA versicherten außerdem, von einer Invasion Kubas abzusehen.

Zentral für die Lösung der Kubakrise war, dass sowohl John F. Kennedy als auch Nikita Chruschtschow sich der Tragweite ihrer Entscheidungen bewusst waren. Beide versuchten, alle Entwicklungen unter Kontrolle zu behalten, dem politischen Gegner Zeit für seine Entscheidung zu geben und nicht blind auf die Ratschläge ihrer militärischen Berater zu vertrauen. Kennedy erklärte unmittelbar nach der Kubakrise, dass die Gefahr nicht darin gesehen wurde, dass die Sowjetunion von Kuba aus Raketen auf die USA schießen könnte, sondern dass dem Anschein nach die balance of power zugunsten der Sowjetunion aus dem Gleichgewicht geraten wäre. Die unmittelbaren Ergebnisse der Kubakrise waren ein taktischer Erfolg der Sowjetunion, da durch den Abzug der US-Atomraketen aus der Türkei und Italien eine für die Sowjetunion günstigere Lage erreicht wurde als beim vorhergehenden Status quo. Zudem erreichte die Sowjetunion Sicherheitsgarantien für Kuba.

Um friedensgefährdenden Missverständnissen und direkten Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, wurde der Informationsaustausch zwischen den Großmächten verbessert. So wurde beispielsweise 1963 als weitere Reaktion auf die Krise der Heiße Draht eingerichtet, eine direkte Fernschreibverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml, die den direkten Kontakt zwischen den Staatsmännern ermöglichen sollte.

Der derzeitige Ukraine Konflikt ist ja nicht gar so neu:  begonnen hat es mit der Krimkrise, zunächst durch verdeckte Interventionen und durch die Annexion, das heißt die erzwungene endgültige Eingliederung der Halbinsel in die geopolitische Einheit Russlands, durch russische Streitkräfte im März 2014. Die Gelegenheit für die Russische Föderation ergab sich aus einer Krise in der Ukraine, welche sich später in Teilen des ukrainischen Ostens zu einem offenen Krieg mit russischer Intervention auf Seiten der Separatisten entwickelte. Wir erinnern uns an stetige Schritte der Eskalation in den ostukrainischen Oblasten Donezk und Luhansk.

Aber nun: die Ukraine liegt in Europa, gar nicht so weit von Österreich entfernt. Und es verhandeln eigentlich nur Russen und Amerikaner, wo ist Europa? Österreich wäre – selbst wenn es nur bei einem Wirtschaftskrieg bliebe, von diesem Konflikt hart betroffen: Während der Westen Russland mit Sanktionen im Finanzsystem hart treffen kann, ist der Energiesektor im Gegenzug die eigene Achillesferse. Die Gasimporte aus Russland sind stabil hoch bei 80 Prozent des heimischen Bedarfs. Manchmal sogar darüber. Aus den USA kommt die Drohung: Sollte Russland in der Ukraine einmarschieren, bedeute dies das Aus für Nord Stream 2.

Meines Erachtens sollte eine möglichst friedliche Lösung gesucht werden, denn kriegerische Handlungen schaden allen Beteiligten, vor allem den betroffenen Menschen. Vielleicht sollten sich jene, die über Krieg und Frieden entscheiden, an der Kuba-Krise ein Beispiel nehmen.

Aus Göttweig: zum Ukraine Konflikt

Ora et labora

Über frühe Funktionen von Klöstern

Heute sind wir wieder in Göttweig, im Kloster; diesmal nicht im Exerzitienhaus, sondern im Gästeteil des prachtvollen Klosters.  Und der Wind pfeift heute sehr heftig, hier heroben, daher war ich nur auf einem kurzen Spaziergang. Und dabei habe ich über die Funktionen von Klöstern nachgedacht.

Und dabei ist mir das frühe Mittelalter eingefallen, so wie wir das halt in der Schule gelernt haben. Dem Kloster oblag im Mittelalter – in seinem Einzugsbereich – nicht allein die Pflicht, ein geistlicher, religiöser Stützpunkt des Glaubens zu sein, nein, das Kloster war – zu viel größerem Anteil – Bestandteil der weltlichen Gesellschaft: Es war Teil des Feudalsystems, nämlich als Lehnsherr für die Bauern und gleichzeitig Lehnsnehmer von der Kirche oder dem König. Das Kloster kümmerte sich um Kranke (Klosterapotheke), gab Reisenden Unterkunft, verlieh Gelder wie heute eine Bank, gab Sicherheit für das Alter, betrieb Handwerk, Landwirtschaft und Handel, oftmals auch eine Klosterschule. Klöster waren die Bewahrer der Kultur und Zentren der Bildung. Kulturelle Arbeiten wurden ausschließlich in Klöstern gefertigt, etwa Kopien alter Bücher. Es wurden Kunst- und Kulturgüter geschaffen. Zu nennen sind etwa die Reichskleinodien des Heiligen Römischen Reiches.

Angestrebt wurde nach dem Vorbild der Mönche in Ägypten: Autarkie: Arbeit als Mittel zur Freiheit von weltlichem Zwang. Eine Grundsicherung galt es zu erarbeiten, sowie die Mittel, den Armen zu helfen. Gemeinsames Arbeitsethos und Arbeitsorganisation hatten schon die ägyptischen Klöster bald sehr erfolgreich gemacht. Die Konvente wuchsen auf mehrere hundert Mönche an, es gab einzelnen Berufsgruppen zugewiesene Häuser innerhalb der Klöster: Töpfer, Leinenweber, Bäcker, Köche, Schneider, Zimmerleute, Schuhmacher oder Gärtner. Die Klöster wurden reich an Landbesitz, Viehherden, Schiffen, kurzum an irdischen Gütern.

Der Konsens aller klösterlichen Reformen – als deren größte und wichtigste, auch im Zusammenhang des Wertes von Arbeit, gewiss die des hl. Benedikt (seine Regel liegt hier in meinem Zimmer auf) zu gelten hat – ist seitdem: Vorrang in einem Kloster hat die Suche nach dem Reich Gottes, die wahre Arbeit im Weinberg des Herrn – die Spiritualität. Erst danach kommen die weltlichen Dinge.

Der heilige Benedikt von Nursia lebte um 480 bis 547. Von ihm stammt der klösterliche Spruch „Bete und Arbeite“ – „ora et labora“. Benedikt gründete 529 das Kloster Montecassino, dem er als Abt vorstand. Seine „Regel des Benedikt“ wurde Richtungsweisend für das gesamte Mönchstum im Abendland. Benedikt schuf drei Klostergelübde: Armut, Keuschheit und Gehorsam.  Die Regel des Benedikt gilt noch heute. Sie war im Mittelalter der wesentliche Grund dafür, dass Klöster auch Mittelpunkt der Kultur wurden.

Im Stillen hat das mittelalterliche Mönchtum Leistungen vollbracht, die zu den schwersten und großartigsten der Weltgeschichte gehören: das kunstvolle Abschreiben von Büchern. Mönche haben uns nicht nur die Bibel überliefert, sondern den größten Teil antiken Wissens und die Schriften des frühen Mittelalters.

Aber diese mittelalterlichen Klöster praktizierten Landwirtschaft, Pflanzenzucht, sie entwickelten Kräuter- und Heilkunde und gaben sie an die umgebende Bevölkerung weiter. Das Kloster war somit im Mittelalter ein bedeutendes Entwicklungszentrum. Ab dem 10. Jahrhundert tendierten die Klöster dazu, Laien in das Kloster aufzunehmen, damit auch dort das Handwerk ausgeübt werden konnte.

Die Cluniazensische Reform im 10. und 11. Jahrhundert war eine Gegenbewegung, die von der Benediktinerabtei Cluny in Burgund ausging. Hauptreformpunkte waren: Hauptpunkte der Reform waren:

  • strenge Beachtung der Benediktsregel
  • größte Gewissenhaftigkeit beim Opus Dei, den täglichen Gottesdiensten
  • Vertiefung der Frömmigkeit des einzelnen Mönches.

Durch die Gründung von Klosterverbänden bekam man die Mittel zu einer geistigen und wirtschaftlichen Erneuerung.

Die Benediktiner sorgten im 11. und 12. Jahrhundert für die Ausbreitung der romanischen Kunst in Europa, insbesondere in Spanien und Frankreich. Benediktiner und Zisterzienser, die Protagonisten des „ora et labora“, können als Wirtschaftspioniere mit erheblichem Einfluss auf die kulturelle und ökonomische Entwicklung des Abendlandes gelten. Ihre Klöster waren Horte der Bildung, Forschung und Wissenschaft – und die ersten größeren Wirtschaftsunternehmen. Mühlenlogistik, Salzproduktion, Bergbau und klösterliche Industriebauten aus dem 12. Jahrhundert gelten als Beispiele. In Klöstern gab es Wasserleitungen, als man in den Städten noch zum Brunnen vor dem Tore ging. Klöster waren nicht nur Vorreiter im Bildungs-, Kunst- oder Spitalwesen, sondern ebenso in der betrieblichen Arbeitsteilung und dem hochspezialisierten Handwerk. Im Kloster lebten Theologen und naturwissenschaftliche Forscher, Architekten und Ingenieure, Bauern, Müller, Bäcker, Braumeister, Metzger, Wagen- und Fassmacher, Schmiede, Tischler, Krankenpfleger, heilkundige Ärzte.

Zu Beginn des Spätmittelalters entstanden die Bettelorden.

Im späten Mittelalter verblassten die weltlichen Funktionen der Klöster. Die Städte traten an ihre Stelle. Mit den Stadtgründungen im Spätmittelalter, erschloss sich jedoch zunächst noch die Aufgabe der Sozialfürsorge für die Unterschicht und die Kranken- und Altenpflege in den Städten. In allen größeren Städten gab es bei der Gründung mindestens ein Kloster innerhalb der Stadtmauern. Es waren hauptsächlich die Franziskaner und andere Bettelorden, die diese sozialen Aufgaben wahrnahmen.

Zu heutigen Funktionen ein andermal!

Ora et labora

Ora et labora

Über frühe Funktionen von Klöstern

Heute sind wir wieder in Göttweig, im Kloster; diesmal nicht im Exerzitienhaus, sondern im Gästeteil des prachtvollen Klosters.  Und der Wind pfeift heute sehr heftig, hier heroben, daher war ich nur auf einem kurzen Spaziergang. Und dabei habe ich über die Funktionen von Klöstern nachgedacht.

Und dabei ist mir das frühe Mittelalter eingefallen, so wie wir das halt in der Schule gelernt haben. Dem Kloster oblag im Mittelalter – in seinem Einzugsbereich – nicht allein die Pflicht, ein geistlicher, religiöser Stützpunkt des Glaubens zu sein, nein, das Kloster war – zu viel größerem Anteil – Bestandteil der weltlichen Gesellschaft: Es war Teil des Feudalsystems, nämlich als Lehnsherr für die Bauern und gleichzeitig Lehnsnehmer von der Kirche oder dem König. Das Kloster kümmerte sich um Kranke (Klosterapotheke), gab Reisenden Unterkunft, verlieh Gelder wie heute eine Bank, gab Sicherheit für das Alter, betrieb Handwerk, Landwirtschaft und Handel, oftmals auch eine Klosterschule. Klöster waren die Bewahrer der Kultur und Zentren der Bildung. Kulturelle Arbeiten wurden ausschließlich in Klöstern gefertigt, etwa Kopien alter Bücher. Es wurden Kunst- und Kulturgüter geschaffen. Zu nennen sind etwa die Reichskleinodien des Heiligen Römischen Reiches.

Angestrebt wurde nach dem Vorbild der Mönche in Ägypten: Autarkie: Arbeit als Mittel zur Freiheit von weltlichem Zwang. Eine Grundsicherung galt es zu erarbeiten, sowie die Mittel, den Armen zu helfen. Gemeinsames Arbeitsethos und Arbeitsorganisation hatten schon die ägyptischen Klöster bald sehr erfolgreich gemacht. Die Konvente wuchsen auf mehrere hundert Mönche an, es gab einzelnen Berufsgruppen zugewiesene Häuser innerhalb der Klöster: Töpfer, Leinenweber, Bäcker, Köche, Schneider, Zimmerleute, Schuhmacher oder Gärtner. Die Klöster wurden reich an Landbesitz, Viehherden, Schiffen, kurzum an irdischen Gütern.

Der Konsens aller klösterlichen Reformen – als deren größte und wichtigste, auch im Zusammenhang des Wertes von Arbeit, gewiss die des hl. Benedikt (seine Regel liegt hier in meinem Zimmer auf) zu gelten hat – ist seitdem: Vorrang in einem Kloster hat die Suche nach dem Reich Gottes, die wahre Arbeit im Weinberg des Herrn – die Spiritualität. Erst danach kommen die weltlichen Dinge.

Der heilige Benedikt von Nursia lebte um 480 bis 547. Von ihm stammt der klösterliche Spruch „Bete und Arbeite“ – „ora et labora“. Benedikt gründete 529 das Kloster Montecassino, dem er als Abt vorstand. Seine „Regel des Benedikt“ wurde Richtungsweisend für das gesamte Mönchstum im Abendland. Benedikt schuf drei Klostergelübde: Armut, Keuschheit und Gehorsam.  Die Regel des Benedikt gilt noch heute. Sie war im Mittelalter der wesentliche Grund dafür, dass Klöster auch Mittelpunkt der Kultur wurden.

Im Stillen hat das mittelalterliche Mönchtum Leistungen vollbracht, die zu den schwersten und großartigsten der Weltgeschichte gehören: das kunstvolle Abschreiben von Büchern. Mönche haben uns nicht nur die Bibel überliefert, sondern den größten Teil antiken Wissens und die Schriften des frühen Mittelalters.

Aber diese mittelalterlichen Klöster praktizierten Landwirtschaft, Pflanzenzucht, sie entwickelten Kräuter- und Heilkunde und gaben sie an die umgebende Bevölkerung weiter. Das Kloster war somit im Mittelalter ein bedeutendes Entwicklungszentrum. Ab dem 10. Jahrhundert tendierten die Klöster dazu, Laien in das Kloster aufzunehmen, damit auch dort das Handwerk ausgeübt werden konnte.

Die Cluniazensische Reform im 10. und 11. Jahrhundert war eine Gegenbewegung, die von der Benediktinerabtei Cluny in Burgund ausging. Hauptreformpunkte waren: Hauptpunkte der Reform waren:

  • strenge Beachtung der Benediktsregel
  • größte Gewissenhaftigkeit beim Opus Dei, den täglichen Gottesdiensten
  • Vertiefung der Frömmigkeit des einzelnen Mönches.

Durch die Gründung von Klosterverbänden bekam man die Mittel zu einer geistigen und wirtschaftlichen Erneuerung.

Die Benediktiner sorgten im 11. und 12. Jahrhundert für die Ausbreitung der romanischen Kunst in Europa, insbesondere in Spanien und Frankreich. Benediktiner und Zisterzienser, die Protagonisten des „ora et labora“, können als Wirtschaftspioniere mit erheblichem Einfluss auf die kulturelle und ökonomische Entwicklung des Abendlandes gelten. Ihre Klöster waren Horte der Bildung, Forschung und Wissenschaft – und die ersten größeren Wirtschaftsunternehmen. Mühlenlogistik, Salzproduktion, Bergbau und klösterliche Industriebauten aus dem 12. Jahrhundert gelten als Beispiele. In Klöstern gab es Wasserleitungen, als man in den Städten noch zum Brunnen vor dem Tore ging. Klöster waren nicht nur Vorreiter im Bildungs-, Kunst- oder Spitalwesen, sondern ebenso in der betrieblichen Arbeitsteilung und dem hochspezialisierten Handwerk. Im Kloster lebten Theologen und naturwissenschaftliche Forscher, Architekten und Ingenieure, Bauern, Müller, Bäcker, Braumeister, Metzger, Wagen- und Fassmacher, Schmiede, Tischler, Krankenpfleger, heilkundige Ärzte.

Zu Beginn des Spätmittelalters entstanden die Bettelorden.

Im späten Mittelalter verblassten die weltlichen Funktionen der Klöster. Die Städte traten an ihre Stelle. Mit den Stadtgründungen im Spätmittelalter, erschloss sich jedoch zunächst noch die Aufgabe der Sozialfürsorge für die Unterschicht und die Kranken- und Altenpflege in den Städten. In allen größeren Städten gab es bei der Gründung mindestens ein Kloster innerhalb der Stadtmauern. Es waren hauptsächlich die Franziskaner und andere Bettelorden, die diese sozialen Aufgaben wahrnahmen.

Zu heutigen Funktionen ein andermal!

Ora et labora

Ein Chef überlegt, einen Posten neu zu besetzen

Auswirkungen von Corona auf gesellschaftliche Aspekte: Frauenarbeit

Stellen Sie sich vor: Sie wären ein Unternehmer – vom Personalmangel derzeit ziemlich hart getroffen. Sie haben einige der vielleicht vom AMS empfohlene Kandidaten zum Interview eingeladen. Eine ist darunter, die würde für den offenen Job sehr gut passen – die richtige Ausbildung, repräsentatives Auftreten – für Verhandlungen, schon etwas Berufserfahrung, der Chef würde sie am liebsten sofort anstellen. ABER: sie hat zwei Kinder unter 10 Jahren, eines in der Volksschule, eines im Kindergarten.  

Soll sich der Chef das unter den gegenwärtigen Umständen antun?

Welche Fragen wälzt dieser Chef nun, ausgelöst durch die täglichen Meldungen im Radio, im Fernsehen, in den Zeitungen. So und so viele Kindergärten sind aufgrund von aufgetretenen Pandemiefällen geschlossen, so viele Klassen sind wegen zwei aufgetretener Corona-Fällen geschlossen.  Was könnte denn diese junge Frau unter diesen Umständen tun, wenn in der Früh der Anruf käme, dass das Kind nicht in die Schule kommen kann, dass der Kindergarten geschlossen wäre? Hätte sie einen Mann, der dann das Kind betreuen würde – eher nicht. Stünden Großeltern am selben Ort zur Verfügung, die spontan die Kinder übernehmen könnten, oder sind die Großeltern auch noch berufstätig?

Sollte und könnte er ihr alle diese Fragen stellen? Viel früher hatte man junge Frauen bei derartigen Interviews gefragt, ob sie (verheiratet wären) und vorhätten, bald Kinder zu bekommen.  Derartige Fragen im Rahmen von Job-Interviews nach einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft sind heute nicht mehr zulässig. Aber darum geht’s ja gar nicht. Die Kinder hat sie ja schon – und wie sie erklärt hat, hätte sie, bei einem 20 – Stunden Job, „unter normalen Umständen“ alles im Griff. Und sie wirkt auch so, dass sie die anstehende Arbeit in 20 Stunden – oder vielleicht nur ein bisserl mehr – bewältigen könnte.

Soll er sie jetzt noch einmal einbestellen und diese Fragen nach „Ersatzbetreuungen“ der Kinder stellen? Oder sollte er vielleicht lieber doch – um alle diese Sorgen zu verhindern, den etwas weniger qualifizierten jungen Mann einstellen? Selbst wenn sie vieles im Home-Office erledigen können würde – konnte sie zu Anfang noch nicht ausreichend Erfahrung im Büro selbst sammeln, um die Arbeit im Home Office erledigen zu können. Und Home-Office mit einem oder zwei quirligen und unter diesen Umständen quengelnden Kindern zu Hause kann nicht einfach – und effektiv sein. Ist ihre Wohnung überhaupt groß genug, um einen eigenen (möglichst ruhigen) Arbeitsplatz einzurichten zu können? Könnte und sollte er derartige – doch sehr private – Fragen überhaupt stellen?

Der Chef kann nicht warten, er weiß – so wenig wie alle anderen – wann diese Pandemie endlich vorbei sein wird und diese Probleme mit Krankheit – Quarantäne – etc. vorüber sein werden. Der Posten muss jetzt, rasch besetzt werden.  Er entscheidet: er nimmt den jungen Mann. Leid tut’s ihm schon – aber er ist schließlich für seinen Betrieb verantwortlich und der ist kein Sozialunternehmen.

Wahrscheinlich werden heutzutage viele Chefs, viele Personalchefs diese oder ähnliche Überlegungen anstellen. Das bedeutet wieder einmal einen erheblichen Rückschritt für Frauenkarrieren in unserer Gesellschaft.

Denn – noch immer – sind es die Frauen, die sich für die Kinderbetreuung verantwortlich fühlen. Ich weiß, es gibt den Papamonat und immer mehr Männer nehmen auch Karenz in Anspruch. Aber es geht nicht nur darum, was sie letztlich wirklich tun, es geht um die Verantwortlichkeit.

Die jetzigen Generationen in der westlichen Welt haben noch keine Pandemie erlebt, die vorige tobte vor fast genau hundert Jahren. Es waren komplett neue Situationen, denen sich alle stellen mussten, die meisten haben es ganz gut gemeistert.  Wir alle haben viel gelernt.

Aber jetzt müssen wir weiterlernen um die sozialen Konsequenzen dieser Pandemie zu lösen. Die Menschen müssen wieder „von der Straße geholt werden“, d.h.  irgendwann müssen die Demonstrationen aufhören, der „Spalt in der Gesellschaft“ muss überbrückt werden, und an alle, die von der Pandemie direkt oder indirekt betroffen waren und sind, muss gedacht werden, um die richtigen Weichen für unser aller Zukunft jetzt stellen zu können.

Wir alle sind gefordert!

Ein Chef überlegt, einen Posten neu zu besetzen

Die Wut über das vergessene Handy

Welcher Konsequenzen es haben kann, wenn man Dinge beim Verlasssen des Hauses vergisst.

Früher, als Kind, als man mich mehr oder minder zwang, Klavierspielen zu lernen, gab es „Die Wut über den verlorenen Groschen“ op. 129, ein Klavierstück von Ludwig van Beethoven, an dem ich mich ziemlich erfolglos versuchte. Heute war es die Wut über das vergessene Handy, das mich umtrieb.

Ich war etwas gehetzt, daher habe ich mein Handy zu Hause vergessen. Und das ist heutzutage das lästigste, das man vergessen kann – denn auf diesem Ding ist z.B. auch die Green-Card drauf, die man für „fast alles“ derzeit dringend benötigt.

 Es war zu spät, noch einmal umzudrehen, ich wäre zum Termin zu spät gekommen. Dennoch überlegte ich, ob ich überhaupt in das Gebäude, zu meinem Temin kommen könnte … Ich konnte, denn Banken habe eine Sonderregelung, sie müssen zwar die Maskenpflicht und auch G-2 vorschreiben, dürfen es aber nicht kontrollieren. Ganz versteh‘ ich’s ja nicht, aber diesmal war es zu meinem Vorteil.

Aber ohne Handy sind wir ja auch sonst ziemlich hilflos, denn wer kennt noch die wichtigsten Telephonnummern auswendig? Außerdem wird von Freunden und Bekannten erwartet, dass eher umgehend zurückgerufen wird, und SMS z.B. beantwortet werden. Wir checken unsere Mails darauf, wir verwenden das Navigationssystem, wir checken die Abfahrtszeiten von öffentlichen Verkehrsmitteln, und schauen in Google/Wikipedia nach, wenn wir etwas dringend wissen wollen. Ich zumindest habe meine Kalender dort gespeichert. Und wir haben die Bestätigung des letzten Tests „auf dem Handy“, den wir ja im Theater, Konzertsaal etc. vorweisen müssen. Das Handy ist – unterwegs zumindest – unser Allzweckgerät, man kommt nicht ohne dessen Verfügbarkeit aus, auch z.B. wenn wir aufgrund einer Verkehrssituation zu spät zu kommen drohen, rufen wir den Partner halt einfach an…  

Ich habe schon vieles andere auch vergessen: z.B. die Schlüssel, es hat halt dann gedauert, bis jene Person, die über Ersatzschlüssel verfügt, mobilisiert werden konnte. Eine besonders blöde Situation ergab sich, als ich meinen Mann, der sich damals schon nur mehr im Rollstuhl fortbewegen konnte, bereits wohlbehalten in der Wohnung saß, ich meine Handtasche, mit den Schlüsseln zu Hause verstaut hatte, und die letzten Packerln noch vom Gang hereinholen musste – und der Wind die Türe zugeschlagen hat. Ich war ziemlich hysterisch, mein Mann konnte nicht aufstehen und mir die Tür aufmachen, das Handy war ebenfalls in der Wohnung, ordnungsgemäß in der Handtasche. Mein Mann und ich kommunizierten durch den Briefeinwurfschlitz, er konnte dann „Hilfe“ (Person mit Ersatzschlüssel) mobilisieren. Nachbarn versorgten mich zwischenzeitlich mit Kaffee …

Ich vergesse jetzt eher wenige Dinge als früher, nicht weil mein Gedächtnis besser geworden wäre, nein, leider ist das Gegenteil der Fall. Aber früher habe ich öfters die Handtasche gewechselt, damit sie gut zum jeweiligen Outfit passt. Nachdem ich eine Zeitlang öfters beraubt worden war, habe ich mir das abgewöhnt, ich verwende nur mehr eine leichte Handtasche, in Einheitsschwarz, sowohl untertags aber auch abends, zum Ausgehen. Wenn diese kaputtgeht (meist sind das die Zippverschlüsse) lasse ich sie richten bzw. kaufe mir ein ähnliches Modell.

Vom zu-Hause-Vergessen bedroht ist leider auch die Maske (jetzt habe ich immer einen neue eingesteckt). Aber wenn man sie vergisst, kann man fast überall Ersatzmasken kaufen – sollten nicht gerade alle Geschäfte geschlossen sein.

Autopapiere bzw. Autoschlüssel sind bei mir derzeit nicht mehr aktuell, da ich nicht mehr mit dem Auto fahre. Ja, ich bin der Meinung, dass ich es noch könnte, aber meine Reaktionsfähigkeit ist nicht mehr so gut, dass es gefahrlos möglich wäre. Und da ich auch oft Genickschmerzen habe, kann ich den Kopf nicht mehr so gut drehen, wie es – zum Überblick der gesamten Verkehrssituation erforderlich ist.

Aber das ist mir auch einmal – auf Reisen, noch mit meinem Mann – passiert. Ich habe – weil das Rollstuhlhandling nicht immer ganz leicht war, die ganze Handtasche – mit Pässen, Geld, Gutscheinen, Flugtickets, Schlüssel etc. etc. einfach in einem Coffee-Shop stehen lassen, und das in Reno, in den USA, bekannt für Gambling. Als ich draufkam, ließ ich meinen Mann – ausgerechnet vor einem „Heiratsinstitut“ sitzen, raste in den Coffeeshop zurück und dort stand noch die (zugegeben damals ziemlich schäbigen) Handtasche mit dem gesamten Inhalt. Wir waren beide enorm erleichtert.

Also, wenn Sie das nächste Mal das Haus verlassen checken Sie: Handy, Geld, Schlüssel, Maske? Soviel Zeit muss sein!

Die Wut über das vergessene Handy

Wie sich die Geschäfte in den Einkaufsstraßen ändern

Da gehe ich neulich durch die Stadt – und das tue ich oft – und was sehe ich, in sehr prominenter Lage – ein Autogeschäft. Nun, und da ich das bemerkt habe, ist mir dann nicht weit davon entfernt, ein Geschäft aufgefallen, das Motorräder verkauft.

Es scheint, als ob sich vieles einfach wiederholen würde. Ursprünglich (soweit ich mich halt erinnern kann) fanden sich – in prominenter Lage – große gemütliche, zuletzt etwas heruntergekommene Caféhäuser. Dann wurden „Espressos“ – mit ihrem spröden Charme – schick, man ging nicht mehr ins Caféhaus um Zeitung zu lesen, Schach, vielleicht sogar Billard zu spielen, im Espresso blieb man nicht sitzen, dort diskutierte man nicht mehr tiefsinnig. Und was geschah mit den Lokalen – dort wurden nun Autos ausgestellt und verkauft. Es war die große Welle der Motorisierung in Österreich. Es schien, dass es weniger wichtig war, wie man eingerichtet war, sondern welches Auto man fuhr. Das war das Statussymbol, das auch die „anderen“ wahrnehmen konnten. Die „heilige Kuh“ pflegte man auch sorgsam, der Samstagnachmittag war dem Autoreinigen und Polieren gewidmet. In den großen Geschäften standen die glänzenden, chromverzierten „Schlitten“, besonders amerikanische Automarken wurden bevorzugt.

Und irgendwann – vielleicht auch ein Weilchen überlappend – hatten die Banken begonnen, sich zu diversifizieren. Man wollte ein möglichst großes Stück von dem Kuchen des „Privatkundengeschäfts“ erobern. Das bedeutete eine möglich große Anzahl von Angestellten- und Arbeiterkunden für die Bank zu gewinnen. Die Firmen, in denen diese Personen arbeiteten, wollten nicht das Gehalt des Personals monatlich auf den Groschen genau abzählen und dann „einsackeln“, sondern an die Bank überweisen, wo es diese Angestellten dann selbst abheben konnten. Vor dieser Welle hatten die wenigsten „Otto Mustermanns“ Konten bei der Bank gehabt, bestenfalls ein Sparbuch. Nun aber mussten Produkte geschaffen werden, die man diesen neuen (Massen)-Kunden anbieten konnte, damit diese nicht am Zahltag sofort wieder ihr Geld abhoben. Und um diese neuen Kunden „optimal“ (und kostengünstig) betreuen zu können, wurden viele neue Zweigstellen benötigt, um „nahe am Kunden“ zu sein. Also wurden entsprechende Lokale gesucht.

Gleichzeitig entstanden auch die ersten Supermärkte – auch noch im städtischen Bereich (also noch nicht alle „auf der grünen Wiese“, mit entsprechender Bodenversiegelung), die ebenfalls große „ebene Lokale“ benötigten.

Die Autosalons wanderten dann bald in die „billigere Vorstadt“ ab, oft mit angeschlossenen Werkstätten für den Service. Bankfilialen und Lebensmittel- und etwas später Drogeriemärkte dominierten die Einkaufsstraßen. Man konkurrierte einander heftig. Kleine Lebensmittelgeschäfte, Fleischereien, Bäckereien, Parfümerie- und Drogeriegschäfte verschwanden damit damals fast ersatzlos.  

Nun stellte sich nach und nach heraus, dass Bankkundenbetreuung ziemlich teuer war, und man begann eifrig an automatisierten Lösungen für das Massengeschäft zu arbeiten. Manche von Ihnen erinnern sich vielleicht, als die ersten Bankomaten an den Bankfilialen außen montiert wurden. Ja, und diese „Verkaufsmethode“ entwickelte sich hervorragend, besonders weil die Österreichischen Banken ein gemeinsames System dafür entworfen hatten. Da aber manche Kunden nicht gar so gerne vor einem einsamen Bankomaten bei jedem Wetter standen, begann man sogenannte Foyers einzurichten. Das geschah teilweise in der Filiale selbst, da gab es die Probleme der Öffnungszeiten, das ja ein Foyer 24/7 (also 24 Stunden, 7 Tage die Woche) geöffnet sein musste, Filialen aber klare beschränkte Öffnungszeiten auswiesen.  Oder es wurden wieder kleine danebenliegende Lokale angemietet, in denen die Selbstbedienungsgeräte montiert werden konnten.

Also zum „reinen Geldabheben“ kamen die Kunden nicht mehr in die Bank, aber das “Einzahlen“ von Rechnungen, erfolgte auch noch in der „Außenstelle“, also fand man auch dafür automatisierte Lösungen. Ja, und dann plötzlich waren dann die Filialen zu groß und lagen auch zu dicht aneinander.  Nun begann das große Schließen. Vor allem auch deshalb, weil Banken fusioniert hatten, gab es ursprünglich die Länderbank, die Creditanstalt, die Z, jede mit ihrem Filialnetz. Dann gab es z.B. nur mehr die Bank Austria.  Viele dieser Filialen lagen fast direkt nebeneinander. Das große Schließen läuft noch immer. Eine neue Generation von Bankkunden ist herangewachsen, die ihre Bankgeschäfte nur mehr mittel PC oder Handy abwickelt – und nie eine Filiale von innen gesehen hat, die keinen Kundebetreuer mehr benötigt.  Wozu noch Filialen – heute macht man „on-line Banking“. Aber es gab auch andere „Ketten“, die vom Markt verschwanden:  Erinnern Sie sich noch an den Konsum beispielsweise, oder Schlecker etc.?

Jetzt wurden wieder Lokale in sehr prominenten Lagen frei. Da haben sich dann die großen internationalen Modeketten und auch teilweise sehr elegante Möbelhäuser darin etabliert.  

Und jetzt, in der hoffentlich fast schon Post-Corona-Zeit tauchen wieder Autos auf. Und kleine spezialisierte Geschäfte – z.B. Käse oder Fisch kann man schon recht leicht finden. Ob das schon ein Trend ist, weiß ich nicht, aber wir werden es ja sehen!

Wie sich die Geschäfte in den Einkaufsstraßen ändern