Mein Vater – und das Hotel Métropole

Eine Wiederveröffentlichung (mit kleinen Ergänzungen) aus der „Vatertags-Serie“

Es soll nicht vergessen werden, dass ich noch sehr klein war, als mein Vater noch in diesem Hotel gearbeitet hat.  Es sind daher nur Erinnerungssplitter und wahrscheinlich ist mir später vieles nur erzählt worden. Mein Vater hat eine Hotelfachschule absolviert, und ist als „Bester“ daraus hervorgegangen. Dazu gab es sogar eine Medaille in der Vitrine

Wahrscheinlich konnte er deshalb sein Arbeitsleben im Hotel  Métropole beginnen. Er war im „Empfang“ tätig, ich glaube, dass er zuletzt dort Empfangschef war.

Meine Mutter und ich hatten meinen Vater zuweilen von seiner Arbeitsstätte, dem Hotel Métropole, abgeholt. An heißen Tagen sind wir manchmal damals in ein Bad gegangen, das am gegenüberliegenden Ufer im Donaukanal verankert war. Im Unterschied zum heute am schräg gegenüberliegenden Ufer befindlichen Badeschiff, floss damals das Wasser des Donaukanals direkt durch dieses Gebilde. Es erschien es mir wie ein großer Korb, der im Wasser schwamm. Es bestand aus einem grünen Holzgebäude, drinnen waren Umkleidekabinen und Garderobekasteln. Der Platz zum Schwimmen war nicht sehr groß, aber gegen den Strom konnte man lange schwimmen. Eine Absperrung verhinderte, dass man in den Donaukanal getrieben wurde. Längs der Mauer standen Holzpritschen. Dass ich dort angeblich einmal ins Wasser gefallen war, während sich meine Mutter umzog, gehört in die Legendensammlung der Familie, jedenfalls wurde ich an die Stäbe der Absperrung getrieben und dort dann von aufgeregten Badegästen herausgefischt – ist auch keine eigene Erinnerung. Es wurde gesagt, dass auch ein Schutzengelketterl um meinen Hals eine Rolle gespielt hat.

Etwas, woran ich mich immerhin dunkel erinnere. Während der Sommermonate lebten meine Mutter und ich bei Verwandten in Pernitz (auf Sommerfrische, sozusagen). Mein Vater kam uns an freien Tagen besuchen (das war selten das Wochenende). Und er brachte meist „Überbleibseln“ aus der Hotelküche mit. Meine Mutter ärgerte sich, dass ich die köstlichen Torten verweigerte (heute wäre das anders), aber die Verwandten, die damals zum Teil arbeitslos waren, nahmen sie mehr oder minder dankbar an.

Dann gab es noch Erzählungen an die prunkvollen Bälle im Hotel. Ich stellte mir das recht märchenhaft vor. Auch bei diesen Festen gab es “Restln“ anderer Art:  ich erbte von meinen Eltern zwei silberne oder wahrscheinlich versilberte Serviettenringe, die die schon recht unleserlich gewordene Aufschrift „Hausball Hotel Métropole 1929“ tragen. Ich halte sie in Ehren.

Und dann gab’s noch die G’schicht’ln von der exzentrischen Reichsgräfin Triangi.  Das folgende weiß ich nicht von meinem Vater, sondern es stammt aus dem Internet:  Geboren wurde sie 1868 als Tochter eines jüdischen Seidenfabrikanten in Brünn. In dritter Ehe heiratete sie 1903 den Redakteur der „Österreichisch-ungarischen Betriebsbeamtenzeitung“ Albano Hugo Josef Reichsgraf Triangi (so dürfte man sich heute auch nicht mehr nennen), der 1926 starb.  Nach dem Tod ihres Mannes wandte sich die 60jährige exaltierte und lebenslustige Witwe der „Kunst“ zu, nachdem sie das Flöten- und Mundharmonikaspielen erlernt hatte. Sie trat nun in Kabaretts, Kleinkunstbühnen und Vorstadtlokalen auf. Vom 17. Februar bis 5. März 1940 war sie in GESTAPO-Haft. Wenige Tage nach ihrer Enthaftung wurde sie wegen einer plötzlichen Erkrankung in die Krankenanstalt Rudolfstiftung gebracht, von wo sie bereits am nächsten Tag in die Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof überstellt wurde, wo sie am 28. April 1940 starb. Über diese ihre Zeit nach 1938 allerdings wusste mein Vater nichts zu berichten.

Vielleicht noch ergänzend zu diesen Erinnerungssplittern: Das Haus wurde von den Einheimischen angeblich als „jüdisches Sacher“ bezeichnet, weil es in der Ausstattung dem Hotel Sacher entsprochen haben soll und die Eigentümerfamilien Klein und Feix jüdischen Glaubens waren. Es gehörte jedenfalls zu den „großen“ Ringstraßenhotels, war üppig ausgestattet, reich verziert mit korinthischen Säulen, Karyatiden und Atlanten. Der Speisesaal im Innenhof war mit Glas überdacht.

Ein berühmter Gast war Mark Twain, der dort 1897 einen Teil seines insgesamt 20 Monate langen Wienaufenthalts bis Mai 1899 verbrachte. An der Front zum Franz-Josefs-Kai 33 betrieb der Vater Stefan Zweigs die Zentrale seiner Webwarenfabrik.

Es war besonders zynisch, weil wahrscheinlich viele Gäste sich später in den Zimmern befanden, die zu Zellen und Verhörräumen unter dem Gestaporegime umgebaut worden waren. Das Hotel wurde nach dem „Anschluss Österreichs“ noch im März 1938 von Reinhard Heydrich für die Gestapo, das wichtigste Instrument des NS-Terrors in Österreich, beschlagnahmt. Er richtete hier die Staatspolizeileitstelle Wien ein (und dekretierte, dass das Gebäude nicht weiter Hotel Métropole zu nennen sei). Mein Vater wurde zur deutschen Luftwaffe eingezogen.

Am 12. März 1945 brannte das ehemalige Métropole bei dem schweren Luftangriff auf Wien aus. Allerdings gibt es auch Zeugenaussagen, denen zufolge der Brand, nach relativ geringen Bombenschäden, von der Gestapo zwecks Spurenvernichtung Anfang April 1945 selbst gelegt worden sei. Noch in dem 1948 in Wien gedrehten Trümmerfilm „Der dritte Mann“ ist in einer Einstellung die gespenstische Ruine des Gestapo-Hauptquartiers zu erkennen. Dann wurden die Reste des Gebäudes abgerissen. Der Name „Hotel Metropol“ wurde seit dem Krieg von keinem Wiener Hotel gewählt.

Mein Vater hat wenig vom Krieg aber oft vom „seinem“ Hotel Métropole gesprochen

Mein Vater – und das Hotel Métropole

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