Der (nach der Wahl) demütige Politiker

Es gibt ein paar Sprüche, die werden regelmäßig nach Wahlen von den Gewählten oder Abgewählten geäußert, die ich in hohem Maße unpassend finde.

„Die Ergebnisse der Wahl annehmen“. Na was denn sonst, in einer Demokratie.

Dazu gehört auch die „demütige“ Annahme der Fakten. (Das habe ich bisher nur von Politikern, nie von P9olitikerinnen gehört.) Der Ausdruck Demut kommt von althochdeutsch diomuoti mit der Bedeutungen Demut und Erniedrigung; man ist demütig, also untertan, dienstwillig; damit bedeutet Demut: Gesinnung eines Dienenden, Gemüt eines Dieners oder Die Bestandteile des Wortes lassen sich weiter herunterbrechen in die beiden Wörter „dienen“ (dionōn; dio = Knecht) und „Mut“ (muot; auch: Sinn, Seele, Geist, Gemüt, Kraft des Denkens, Empfindens, Wollens. Im Mittelhochdeutschen bedeuteten die weibliche Form von Demut, Herablassung, Milde und Bescheidenheit. Die Demütigung war im Althochdeutschen die Dienstunwilligkeit; heute spricht man von Humiliation oder von Canossa.

Im christlichen Kontext bezeichnet Demut die Haltung des Geschöpfes zum Schöpfer analog dem Verhältnis vom Knecht zum Herrn, allgemeiner die „Tugend, die aus dem Bewusstsein unendlichen Zurückbleibens hinter der erstrebten Vollkommenheit (Gottheit, sittliches Ideal, erhabenes Vorbild) hervorgehen kann“. Der Demütige erkennt und akzeptiert aus freien Stücken, dass es etwas für ihn Unerreichbares, Höheres gibt. Ähnliche Begriffe sind Selbstverleugnung und Servilität. Allgemein wurde die Demut definiert als Liebe zum Dienen, Selbsterniedrigung, tiefe Bescheidenheit, Unterwürfigkeit, Ergebenheit. So erscheinen mir doch keine Politiker!

Zu unterscheiden ist die Demut als innere Haltung und der äußere Ausdruck von Demut, die demütige äußere Erscheinung. Im Idealfall stimmen beide überein. Wer sich demütig gibt, muss deshalb jedoch nicht demütig sein. Und umgekehrt kann derjenige, der hochmütig erscheint, einen echten Stolz und eine damit verbundene innere Demut haben. Wer seine (vorgebliche) Demut zur Schau stellt, ist stolz, nicht demütig. Die Demut besteht dann nur zum Schein.

Zu unterscheiden ist so auch zwischen Demut und Demütigung als öffentlicher Erniedrigung oder Beschämung, die der Starke dem Schwachen zufügt. Der im besten Sinne Demütige kann sich vom Mangel an Demut, dem Hochmut, gedemütigt finden; ebenso jedoch kann solche Demütigung als Waffe gegen den Hochmut gewendet werden.

Der Gedanke der Demut im Sinne des heutigen stark vom Christentum geprägten Verständnisses war der gesamten außerbiblischen bzw. -jüdischen oder -christlichen Antike und ihrer Ethik fremd. Demut bedeutet das Anerkennen der Allmacht Gottes. Demut beschreibt demnach die innere Einstellung eines Menschen zu Gott. Die Ethik des Alten Testaments fordert Demut als Ausdruck der grundsätzlichen Abhängigkeit des Menschen von Gott; im Neuen Testament und im Christentum orientiert sich die Demut am Vorbild Jesu. Die Demut spielt im jüdischen und christlichen Denken eine besondere Rolle. Im Alten wie im Neuen Testament ist Demut eine wesentliche Eigenschaft des wahren Gläubigen –, desjenigen, der mit Gott im Reinen ist.

In der heutigen christlichen und jüdischen Spiritualität wird Demut nicht als ein Sich-klein-Machen oder als Leugnen des eigenen Wertes gesehen, sondern als realistische Selbsteinschätzung des Menschen in seiner Position in der Welt: Der Mensch erkennt seine eigene Geringheit im Vergleich mit der Größe Gottes, aber zugleich seine Würde und seinen Wert als Geschöpf und Kind Gottes.

Es gibt da ein altes Zitat, das mir für die heutige politische Situation teilweise recht treffend erscheint: Am häufigsten freilich kommt die Demuth als Maske vor, deren sich die Heuchelei bedient, um sich Vortheile und Ehren zu erkriechen und zu erschmeicheln, weshalb eine absichtlich zur Schau getragene Demuth als sicheres Warnungszeichen vor heimlicher Tücke angesehen werden darf.

Heute wird Demut von Führungskräften im folgenden Sinn verlangt: Demut hat, wer

  • die eigenen Stärken und Schwächen erkennt,
  • andere dafür anerkennt, was sie tun,
  • immer lernbereit und offen ist und
  • versteht, dass er/sie nur ein kleiner Teil eines größeren Ganzen ist.

Demut wird als erlernbare Tugend angesehen, die auf drei Ebenen messbare Erfolge bringt. Zum einen für die Mitarbeiter, was z. B. Kreativität, Leistung und Ethik angeht, zum anderen auch für das Unternehmen z. B. in Bezug auf eine erfolgreichere Strategie oder eine bessere Fehlerkultur und drittens für die Führungskraft selber, z. B. was verbesserte Beziehungen und eine erhöhte Wahrnehmung von Führungspotential angeht.

Jetzt können Sie sich aussuchen, in welche der oben genannten Kategorien der nach der (Ab-)Wahl „demütige“ Politiker fällt.

Der (nach der Wahl) demütige Politiker

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