Zum jüdischen Fest Schawuot

Dies ist das jüdische Erntedankfest, das 50 Tage, also sieben Wochen plus einen Tag, nach dem Pessachfest gefeiert wird. Heuer beginnt es am Abend des Dienstags, 11. Juni 2024 – Donnerstag, 13. Juni 2024. In Israel dauert das Fest einen Tag, in der Diaspora zwei Tage. Schawuot ist deshalb ein Erntedankfest, da zu dieser Zeit in Israel der erste Weizen geerntet wird.

Das Judentum feiert den neuerlichen Empfang der Zehn Gebote am Berg Sinai. Beim erstmaligen Empfang hatte Mose die Steintafeln mit den Zehn Geboten laut biblischer Überlieferung zerschmettert, weil das Volk Israel ein Goldenes Kalb anbetete. Daraufhin ging Mose wieder auf die Spitze des Berges Sinai, um die Gebote ein weiteres Mal zu erbitten.

Die Juden, die am Sinai standen, bestätigten ihren Bund mit Gott, indem sie erklärten: „Wir werden tun und hören“. Die Tora betont aber: „Und nicht mit euch allein stelle Ich diesen Bund fest und diesen Eid, sondern mit dem, der hier mit uns heute steht vor dem Ewigen, unserem Gotte, und mit dem, der nicht hier mit uns heute ist“. Der Talmud erklärt den zweiten Teil dieses Verses als deutliches Einbeziehen von allen zukünftigen Generationen der Juden.

Eine zentrale Rolle beim Geben der Tora nahmen die Kinder ein. Als Gott dem Volk Israel die Tora geben wollte, so wird erzählt, forderte Er Bürgen für deren Einhaltung. „Himmel und Erde sollen unsere Bürgen sein“, sagten die Juden, aber Gott antwortete: „Diese werden nicht ewig bestehen“. „Die Vorväter sollen unsere Bürgen sein“, sagten die Juden, aber Gott antwortete: „Diese sind beschäftigt“. Erst als die Juden versprachen: „Unsere Kinder sollen unsere Bürgen sein“, stimmte Gott zu: „Diese sind exzellente Bürgen“.

Das Wochenfest bildet den Abschluss der Frühlingsfeste und der Erstlingsfrüchte, zu denen Pessach und das Omer-Zählen gehören. Die Synagoge wird geschmückt, denn an diesem Tag symbolisiert sie den Sinai. Die Zehn Gebote stehen im Mittelpunkt der Tora Lesung. Sie werden unter Begleitung einer besonderen Melodie vorgelesen, und während sie vorgelesen werden, steht die ganze Gemeinde. Für diesen Abschnitt wird als Zeichen der besonderen Ehre der Rabbiner oder sonst ein führendes Gemeindemitglied zur Tora aufgerufen. Zuvor wird ein Gebet auf Aramäisch unter Begleitung einer besonderen Melodie, das Akdamut, gesprochen, ebenso der Segen Schehechejanu. Mit ihm wird um die Erlaubnis gebeten, überhaupt mit der Tora Lesung beginnen zu dürfen. Neben den Zehn Geboten wird auch aus dem Buch Rut gelesen. König David, der Urenkel Ruts, wurde der Überlieferung nach am Tag eines Schawuot geboren und starb nach 70 Jahren auch an einem solchen Tag.

Traditionell wird Milch getrunken, dazu werden süße milchige Speisen (Eierkuchen mit Quark/Topfen, Käsekuchen usw.) und Honig gegessen, da die Tora mit Milch verglichen wird, die das Volk Israel wie ein unschuldiges Kind begierig trinkt. Für diesen Brauch gibt es eine Reihe von Gründen:

  • Im Hohenlied Salomos wird die Tora mit Honig und Milch verglichen mit den Worten: „Honig und Milch unter eurer Zunge. Am Tag der Gesetzgebung wird an diese Worte erinnert, indem das gegessen wird, mit dem die Tora verglichen wurde: Milch und Honig.
  • Das hebräische Wort „Chalaw“, Milch, hat in der Gematrie den Zahlenwert vierzig: Es erinnert an die vierzig Tage und Nächte, die Mose auf dem Berg Sinai zubrachte, bis er die Tora und die Gesetzestafeln erhielt, um sie Israel zu geben. 
  • Bis zur Gesetzgebung kannte das Volk Israel noch keine besonderen Kaschrutvorschriften. All diese Vorschriften erhielt es plötzlich am 6. Siwan auf einen Schlag, und es stellte sich heraus, dass alles Geschirr unrein war und nicht mehr verwendet werden konnte, denn in ihnen hatte man unkoscheres Fleisch gekocht und Milch mit Fleisch vermischt. Die Lösung des Problems bestand darin, dass die Menschen Milchspeisen aßen, sowie Obst und Gemüse, bis das Geschirr koscher gemacht wurde und Fleisch nach den Kaschrutgeboten geschächtet wurde.

Viele Gläubige studieren die Nacht hindurch in der Synagoge die Tora (‚Nachtwache‘). In den Synagogen und Jeschiwot, den Talmud-Toraschulen, bleibt man im Allgemeinen die ganze Nacht über wach und verbringt die Zeit mit dem gemeinsamen Torastudium (d. h. immer zwei zusammen). Auch halten Rabbiner und Schriftgelehrte Vorträge. Von Zeit zu Zeit wird das Studium durch Gesang und Tanz unterbrochen, und so geht es weiter bis zum Morgengrauen. Dann versammeln sich in der ersten Morgendämmerung alle zum Gebet, um schon beim Sonnenaufgang das Schma Jisrael zu sprechen.

Vier Mal pro Jahr – zu Jom Kippur, Schmini Azeret, am letzten Tage von Pessach und dem zweiten Tag von Schawuot – wird nach aschkenasischem Ritus ein besonderes Gedenkgebet Jiskor -(„Erinnerung“), zum Gedenken der verschiedenen Seele des Vaters und/oder der Mutter in der Synagoge gesprochen. Dies beinhaltet eine Bitte für Zedaka (Spenden, Wohltaten) zu deren Wohle. Nur jene, deren Vater und/oder Mutter nicht mehr unter den Lebenden weilen, verbleiben während des Jiskorgebetes in der Synagoge. Jeder andere verlässt vorübergehend den Raum, um so den Nachkommen einen ernsten privaten Moment zu gewähren, indem sie sich im Andenken an ihre verstorbenen Eltern vereinen können.

Eine Erklärung für diese Tradition ist, dass das jüdische Volk schlief, als Gott am Morgen des 6. Siwan die Tora geben wollte und Er selbst sie wecken musste. Um diesen Lapsus zu korrigieren, bleibt man die ganze Schawuot Nacht wach. Die chassidischen Lehren weisen weiters darauf hin, dass das Schlafen des jüdischen Volkes ein fehlgeleiteter Versuch war, die Aufnahme der göttlichen Tora mit dem unterbewussten, transzendenten Teil der Persönlichkeit vorzubereiten.

Mir scheint es nicht ganz einfach, ein Fest in Israel zu feiern.

Zum jüdischen Fest Schawuot

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