Zur Sommersonnenwende

Eine modifizierte/gekürzte Wiederveröffentlichung

Morgen, am 19 Juni 2024 ist Sommerbeginn um 22:50 Uhr. Es ist der früheste Sommerbeginn seit mehr als 200 Jahren! (So spricht unser Wetter-Guru in Österreich!) Der längste Tag des Jahres. Heuer ist es bei uns auch ordentlich heiß. Nicht nur bei uns. Auch in Saudi-Arabien, in Mekka, bei dem Haddsch.

Dieser Tag des Jahres hatte bereits in prähistorischer Zeit eine besondere Bedeutung. Heidnische Bräuche vermischten sich später mit christlichen. Gefeiert wird in Europa immer noch.

Archäologen haben entdeckt, dass bereits die Kulturen der Steinzeit die Sommersonnenwende bestimmen konnten. Bezüge zum längsten Tag des Jahres werden auch in der berühmten Felsanlage von Stonehenge in Großbritannien vermutet, die schätzungsweise um 3100 vor Christus errichtet wurde. Heute feiern dort Esoteriker die Sommersonnenwende.

Im heidnischen Mitteleuropa, bei Kelten und Germanen, war die Sonnenwende ein Höhepunkt im Jahresablauf – und Anlass für Feste zu Ehren der Fruchtbarkeit. Der Tag galt im Volksglauben später als sagenumwoben und geheimnisumwittert. Es hieß, Hexen und Dämonen seien los, aus Höhlen ließen sich verborgene Schätze heben, während aus Bächen und Seen der Klang versunkener Glocken zu hören sei. Da die milden Sommernächte jedoch als weit weniger gefährlich wahrgenommen wurden als die Zeit der Sonnenwende im Winter wurden aus Abwehrzaubern gegen das Böse heitere Volksfeste – im Mittelpunkt standen häufig Feuer und Wasser.

Die Sonne hat essentielle Bedeutung für das irdische Überleben. Die Sommersonnenwende trug einen Aspekt des Todes und der Vergänglichkeit in sich. Dem gegenüber standen die länger werdenden Tage nach der Wintersonnenwende, die Leben und Auferstehung verkörperten. Diese Wendepunkte schlugen sich entsprechend in Ritus und Mythologie nieder. Bemerkenswert ist, dass die Sonne im abendländischen Kulturkreis immer dem männlichen Prinzip zugeordnet ist, jedoch hier eine Ausnahme im germanischen Sprachraum besteht, welcher in der Sonne die Mutter sieht. Je größer der Unterschied zwischen dem harten Winter und dem warmen Sommer, desto intensiver wurde von jeher dieser Tag gefeiert. Im Norden Europas, in den Weißen Nächten), haben Sonnenwendfeiern – als Mittsommerfest bezeichnet – große Bedeutung.

Nach der Christianisierung versuchte die katholische Kirche, die heidnische Sonnenwend-Tradition abzuschaffen. Da alle Versuche scheiterten, legte die Kirche schließlich den Gedenktag für Johannes den Täufer auf den 24. Juni – und übernahm zahlreiche Bräuche. Das Feuer stand nun für Jesus Christus. Am Abend der Johannisnacht gab es ein Feuerspringen auf dem Dorfplatz oder Johannisfeuer auf Anhöhen. Bei uns haben sich viele dieser Traditionen verloren, werden aber zunehmend für den Tourismus wiederentdeckt.

In den skandinavischen Ländern und im Baltikum, wo es im Sommer nachts kaum dunkel wird, sind die Bräuche lebendiger geblieben. In Schweden zählt Mittsommer neben Weihnachten zu den wichtigsten Familienfesten des Jahres. In Dänemark und Norwegen gibt es an vielen Orten Fackelumzüge und üppige Mahlzeiten. Die Finnen zieht es in ihre Hütten auf dem Land. In Estland und Lettland ist der Johannistag ein Feiertag, Freunde und Familien treffen sich im Garten oder im Wald, zünden Feuer an und grillen.

Das Neuheidentum übernahm die Bräuche des Mittsommerfeuers und des Opfers an den „Wassermann“ sowie teilweise den Hierros Gamons (Heilige Hochzeit) von Göttin und Gott (mit unterschiedlichen Göttern assoziiert), die jedoch eher als Repräsentanten der Fruchtbarkeit denn als Stammesgötter angesehen werden. Haselnüsse, Walnüsse, Beeren, Eberesche und Kirschbäume gelten als Symbole des Mittsommerfestes.

Historisch ist kein keltisches Mittsommerfest nachweisbar, jedoch feierten die Ostkelten im heutigen Kroatien zehn Tage vor der Sommersonnenwende die Heilige Hochzeit ihres Stammesgottes Toutanos mit der Göttin Rigani. In Irland, wo die Mittsommernacht Oiche Fheile Eoghain genannt wird, werden traditionell Mittsommerfeuer am Hügel der Fee Aine entzündet und auf der Isle of Man zahlt man traditionell an diesem Tag die Steuer an Manannan den Schutzpatron der Insel.

Manche Regime ließen sich die Verwendung dieses Festes nicht entgehen. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden die angeblich altgermanischen Sonnenwendfeiern „wiederbelebt“ und als offizielle Feiertage in die Symbolik von „Volk, Blut und Boden“ integriert. In der DDR veranstaltete der sozialistische Jugendverband Freie Deutsche Jugend Sonnwendfeiern.  Ob bzw. was heuer bei den (Extrem)-Rechten gefeiert werden wird, werden wir erst sehen.

Ein wichtiger Ort für Sonnenwendfeiern sind die Extern steine (markante Sandstein-Felsformation im Teutoburger Wald). Hieran beteiligen sich unter anderen Anhänger neuheidnischer und esoterischer Gruppen; diese Sonnwendfeier zieht jedoch auch Neonazis an.

Alljährlich zur Sommersonnenwende zünden die Menschen in Österreich nach alter Tradition Sonnwendfeuer an, um böse Geister zu vertreiben. Das feurige Spektakel erleuchtet den Nachthimmel und verzaubert die Besucher. Die Sonnenwende im Nibelungengau z.B.  ist nicht nur ein sehenswertes Spektakel, sondern auch ein beeindruckendes Bekenntnis zum ländlichen Raum. Vielerorts wird in Tirol auch das Herz-Jesu-Feuer entzündet. Dieses geht auf den Herz-Jesu-Schwur im Jahr 1796 zurück, mit dem die Tiroler Einheit im Kampf gegen Franzosen und Bayern hergestellt werden sollte. Zum Zeichen des Schwurs wurden damals Bergfeuer entfacht.

Was immer der Grund zum Feiern ist – nehmen sie ihn wahr!

Zur Sommersonnenwende

Hinterlasse einen Kommentar