„Die Türkei vom Mittelmeer bis an die Chinesische Mauer“

Gestern habe ich einen interessanten Vortrag gehört. Es ging um die Türkei und „ihre internationale Stellung“. Es wurde jedenfalls gesagt, der Beitritt zur EU wäre kein Thema mehr, z.B. wurden auch die Sanktionen gegen Russland nicht mitgetragen, aber Handelsverbindungen nach Europa bleiben stark. Interesse am Balkan wäre auch vorhanden. Interessant wären politisch für die Türkei die Schwarzmeeranrainer, da insbesondere Russland. Es war auch die Rede von Nordzypern.  Naja, nicht zur Freude aller unterstützt die Türkei auch die HAMAS (als politische Kraft). Es wird auch auf die Belastung der Türkei mit Flüchtlingen hingewiesen, und darauf, dass die Türkei sie gut betreut und nicht weiter in den Westen ziehen lässt.

Jedenfalls sieht sich die Türkei in ihrer Rolle als Mediator zwischen den Machtblöcken, auch aufgrund ihrer Geschichte: Das Osmanische Reicht umfasste viele der heutigen Trouble Spots.

Aber es fiel ein Satz, der mich an andere Staaten erinnerte: „Die Türkei vom Mittelmeer an die chinesische Mauer“ (also ähnlich dem „Land vom Jordan bis zum Meer“), wobei ich dabei auch an die Uiguren in China, also „hinter der Mauer“ – also Grenze – denke, die ja eigentlich auch ein Turkvolk sind.

Aber solche Vorträge regen mich an, „nachzuschauen“ (und das Folgende war nicht Inhalt des Vortrags).

Wenn die Türkei auch kein EU-Mitglied ist, ist sie dennoch ein schwieriger (Beitritt Schwedens), aber unverzichtbarer NATO-Partner. Seit 1952 gehört die Türkei der NATO an. Das Land steckt in einer schwierigen geostrategischen Lage zwischen Iran, Syrien, Russland und dem Westen. Erdogan verfolgte bislang eine Politik der maximalen Bewegungsfreiheit gegenüber allen Nachbarn. Die Türkei kontrolliert die Zufahrt zum Schwarzen Meer, ein für den Westen ebenso wie für Russland eminent wichtiger strategischer Faktor. Hier wie dort hat die Türkei den Ruf eines schwierigen, ja unberechenbaren Partners.

Und es gibt eine Organisation der Turkstaaten, vielleicht noch kein Machtblock, aber doch in der Lage, Einfluss auszuüben.

Die Organisation der Turkstaaten (OTS) ist eine 2009 gegründete internationale Organisation mehrerer Turkstaaten mit Hauptsitz in Istanbul. Mitgliedstaaten sind Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, die Türkei und Usbekistan; Beobachterstaaten sind Nordzypern, Turkmenistan und Ungarn. Ziel der OTS ist die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Turkstaaten. Generalsekretär ist derzeit ein kirgisischer Diplomat.

Die Organisation der Turkstaaten wurde am 3. Oktober 2009 in der aserbaidschanischen Stadt Nachitschewan mit der Unterzeichnung des sogenannten Nachitschewan-Vertrags gegründet. Die Idee zur Organisation stammte vom kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew (bis 2019 der Präsident Kasachstans). Gründungsmitglieder des Kooperationsrat der turksprachigen Staaten bzw. Turkischer Rat genannten Staatenbundes waren Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan und die Türkei. Auf dem 8. Gipfeltreffen in Istanbul im November 2021 erfolgte die Umbenennung in Organisation der Turkstaaten. Die OTS kann verglichen werden mit dem Commonwealth of Nations oder der Arabischen Liga.

Die prinzipiellen Organe der Organisation der Turkstaaten sind:

  • Rat der Staatsoberhäupter
  • Rat der Außenminister)
  • Senat (Rat der Weisen)
  • Komitee von Beamtenexperten
  • Sekretariat

Das wichtigste Entscheidungsgremium der Organisation ist dabei der Rat der Staatsoberhäupter. Jeweils für ein Jahr hat ein Land den Vorsitz, welcher in alphabetischer Reihenfolge unter den Mitgliedstaaten rotiert. Dabei übernehmen Vertretende dieses Landes den Vorsitz aller Organe. Ausnahme ist das Sekretariat, für welches ein Generalsekretär oder eine Generalsekretärin jeweils für vier Jahre gewählt wird. Die Aktivitäten werden vom Sekretariat mit Sitz in Istanbul koordiniert und unterstützt. Derzeit wird der Vorsitz der Präsidentschaft von der Türkei wahrgenommen.

Unter dem Namen „Turkic World Vision 2040“ haben die Staatsoberhäupter der Mitgliedsstaaten beim 8. Gipfeltreffen am 12. November 2021 in Istanbul eine gemeinsame Absichtserklärung unterschrieben. Das Dokument beinhaltet die Eckwerte und Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit bis 2040. Dabei wurden vier Schwerpunkte gesetzt. Eine Auswahl aus dem Dokument:

  • Politische und Sicherheitszusammenarbeit
  • Wirtschaftliche und Sektor bezogene Zusammenarbeit
  • Zusammenarbeit zwischen den Bürger
  • Zusammenarbeit mit externen Organisationen

Soweit ich das sehe, hat die wirtschaftliche Zusammenarbeit hohen Stellenwert: Beim Gipfel vom 12. November wurde mehrfach auf das Hauptziel der Verwirklichung des freien Verkehrs von Waren, Kapital, Dienstleistungen, Technologien hingewiesen. Insbesondere die Digitalisierung soll schneller vorangetrieben werden und Investitionen in Technologien erhöht werden. Dafür sollen die Mitgliedsstaaten der Organisation der Turkstaaten optimale Rahmenbedingungen für Start-ups und innovative Unternehmen schaffen. Des Weiteren wurde zum Ziel gesetzt, den transkaspischen internationalen Ost-West-Mittelkorridor (zu diesem Projekt habe ich leider nichts finden können) zur kürzesten und sichersten Verkehrsverbindung zwischen Ost und West zu machen und die Mitgliedstaaten über diesen Korridor in die regionalen und globalen Lieferketten einzubinden. Visumspflichten und Zölle sollen so weit wie möglich abgeschafft werden.

Interessant erscheint mir die Mitgliedschaft Nordzyperns und Ungarns in diesem „Verein“.

Wir Europäer können da nur zusehen und feststellen, dass sich die politischen und wirtschaftlichen Schwergewichte verlagern und Europa doch einigermaßen ins Hintertreffen zu gelangen scheint. Traurig!

„Die Türkei vom Mittelmeer bis an die Chinesische Mauer“

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