FPÖ gegen das „System“

Erinnert an Hitlers Kampf gegen „das System“ in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts

Mich stört das Wort „System“, wie es von der Freiheitlichen Partei derzeit verwendet wird. „Mit Euch gegen das System“ ist auf den Wahlplakaten zu sehen. Das kopiert die Nationalsozialistische Propaganda der dreißiger Jahre.

„Als System (altgriechisch sýstēma „aus mehreren Einzelteilen zusammengesetztes Ganzes“) wird etwas bezeichnet, dessen Struktur aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlichen Eigenschaften besteht, die aufgrund bestimmter geordneter und funktionaler Beziehungen untereinander als gemeinsames Ganzes betrachtet werden (können) und so von anderem abgrenzbar sind.“

Als politisches System wird die Gesamtheit jener staatlichen und außerstaatlichen Einrichtungen und Akteure, Regeln und Verfahren bezeichnet, die innerhalb eines abgegrenzten Handlungsrahmens von Politikstrukturen an fortlaufenden Prozessen der Formulierung und Lösung politischer Probleme sowie der Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher politischer Entscheidungen beteiligt sind. Es wird wegen der erheblichen Komplexität der vielfältigen Aspekte in der Regel modellhaft beschrieben. Das politische System z. B. eines Staates wird durch seine Verfassung, die politische Kultur und politischen Eliten bestimmt. Aber auch für supranationale, internationale und transnationale Organisationen und Institutionen (etwa im Sinne der Regimetheorie) kann von einem politischen System gesprochen werden.

Es wird häufig missverstanden, dass Staatsform und Regierungsform nicht dasselbe sind. Ein Staat kann, wie Großbritannien, der Staatsform nach eine Monarchie, der Regierungsform nach eine Demokratie sein, während ein anderer, etwa die Sowjetunion, mit der Staatsform der Republik die Regierungsform der Autokratie oder Diktatur verbindet. Als Staatsform sind z.B. Monarchie und Republik weder ‚gut‘ noch ‚schlecht‘, sondern an sich neutral im Sinne politischer Wertfreiheit.

Na, das wäre noch nicht so besonders Schlechtes. ABER: Mit dem Begriff System bezeichneten Nationalsozialisten im verächtlichen Sinne die Weimarer Republik und – in Österreich – den austrofaschistischen „Ständestaat“ unter Engelbert Dollfuß und seinem Nachfolger Kurt Schuschnigg.

Abwertend und verächtlich gemeint war Systemzeit ein weitverbreiteter Begriff, mit dem die Nationalsozialisten im Deutschen Reich die Zeitspanne von 1918 bis zur „Machtergreifung“ 1933 beschrieben. In Österreich wiederum wurde der Begriff für die Zeit vom Betätigungsverbot der NSDAP im Juni 1933 bis zum „Anschluss“ 1938 verwendet. Weitere Komposita wie zum Beispiel Systempartei, Systempolitiker, Systembeamter oder Systempresse waren im Sprachgebrauch der Nationalsozialisten gängig.

Im Wahlaufruf der NSDAP vom März 1932 hieß es: „Der Führer […] fordert heute im Namen dieses Volkes das System in die Schranken.“ Im abwertenden Sinne war der Ausdruck „Systemzeit“ in den 1920er Jahren auch von konservativen und völkischen Kreisen benutzt worden.

Was ist mit System, bei der Verwendung der FPÖ gemeint, denn mit der Systemzeit in Österreich hat unser jetziges Umfeld recht wenig zu tun?

Z.B. Die österreichische Presse war im Ständestaat geknebelt und missbraucht, sie wurde ab 1933/34 in ihrer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus durch das Verbot der kommunistischen und sozialdemokratischen Presse enorm geschwächt. Sie wird jetzt als Systempresse (=Lügenpresse) bezeichnet, aber heute und hier gibt es Zeitungen jeder Couleur, national oder international, verschiedene Sender, privat oder öffentlich. Und alle Kanäle zu internationalen Sendern stehen offen. Diese Kneblung  ist doch ein keinster Weise vergleichbar mit der heutigen Situation.

Ein weiteres Beispiel zur „Unvergleichbarkeit: Die Christlichsoziale Partei war in der Ersten Republik der politische Arm der katholischen Kirche. Sie konnte sich daher weitgehend auf deren Unterstützung verlassen und darauf verzichten, selbst eine massenhafte Mitgliederbasis und ein eigenes dichtes Vereinsnetzwerk aufzubauen. Die CSP war stark föderalistisch mit je nach Bundesland differierenden Strukturen organisiert. In der 1933/34 schrittweise durch die christlichsoziale Regierung errichteten Diktatur ging sie de facto in der neu geschaffenen Einheitspartei Vaterländische Front auf (und wurde schließlich auch formal aufgelöst).

Wir haben heutzutage kein Naheverhältnis der Parteien bzw. politischen „Lager“ zur Kirche oder zu bewaffneten paramilitärischen Verbänden (Republikanischer Schutzbund, Heimwehren, Frontkämpferverbände). Es gibt in unserer Zeit kein dem Justizpalastbrand ähnliches Ereignis, bei dem mit Waffengewalt gegen Demonstranten vorgegangen worden ist.

Derzeit besteht noch keine Weltwirtschaftskrise – wie in dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts – und keine Arbeitslosigkeit mit Ausgesteuerten. Und es gibt auch keinen Bürgerkrieg, wie damals, als Soldaten auf Bürger schossen.  

Ich glaube es ist hoch an der Zeit, die Spitze der FPÖ der Verwendung von „Nazi-Sprech“ nicht nur zu bezichtigen, sondern dafür auch juristisch zu verfolgen. Auch die AfD konnte von der europäischen Fraktion Identität & Demokratie ausgeschlossen werden!

Die Plakate der FPÖ für die Wahlen zum EU-Parlament halte ich für „gesichert rechtsextremistisch“.

FPÖ gegen das „System“

2 Gedanken zu “FPÖ gegen das „System“

  1. Christiane Sandpeck schreibt:

    Mich beschäftigen die Personen aus dem Dritten Reich, da mich Biografien sehr interessieren. Um zu verstehen, wie meine Eltern so wurden, im Handeln und Denken. Als ich zuletzt eine Bio zu Heinrich Himmler sah, bin ich sehr erschrocken. Denn das Auftreten von Herrn Kickel, ist streckenweise sehr ähnlich!

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