Zum Erzbischöflichen Palais in Wien

Gestern durfte ich an Feierlichkeiten im Erzbischöflichen Palais in Wien teilnehmen (darüber berichte ich dann im Anschluss).

Es gäbe zwar viele Tore, denn das Palais erstreckt sich von der Rotenturmstraße, dem Stephansplatz bis zur Wollzeile, die aber alle geschlossen sind, bis auf eines (bewachtes) in der Wollzeile. Man kommt in den ersten Hof (teilweise mit Efeu überwachsen, blickt kurz nach oben, und hat einen wunderbaren Blick auf Dach und Türme des Stephansdoms. Durch einen Gang kommt man in den nächsten Hof – und es fällt einem nichts anderes ein, als welche Feste man hier feiern könnte. Ein Wandbrunnen darf hier nicht fehlen. Über ein imposantes, barockes Treppenhaus (mit rotem Teppich) – genannt Puttenstiege (die Stufen aus Kaiserstein – aus Kaisersteinbruch) kommt man über einen Raum indem alte Kaseln, Monstranzen, Pokale etc. ausgestellt sind, in einen Empfangsraum – und dann in einen großen Festsaal.  Von dem Empfangsraum kann man auch in den sogenannten Wintergarten kommen.

Das ursprüngliche Gebäude an der Stelle des heutigen Erzbischöflichen Palais wurde bereits 1276 erstmals urkundlich erwähnt. Der Bischofshof wurde im Jahre 1579 unter Bischof Caspar Neubeck vergrößert und verschönert. Er erhielt später den Namen Propsthof beziehungsweise nach der Erhebung der Propstei zum Bistum (1469) den Namen Bischofshof (1475). Dieses Gebäude brannte jedoch bei einem Stadtbrand im Jahre 1627 vollkommen nieder und wurde in den Jahren 1632 bis 1641 unter Bischof Anton Wolfrath und seinem Nachfolger Philipp Graf Brauner durch das heutige Palais ersetzt. An den Baukosten beteiligte sich unter anderem Kaiser Ferdinand II. mit 100.000 Reichstalern. Ein Wehrturm, der bis 1640 an der Ecke gegen die Wollzeile stand, wurde demoliert und sein Areal ebenfalls für das Gebäude des Bischofshofs verwendet. 1641 entstand im Hof der Bibliothekstrakt. Die kleine Andreaskapelle wurde 1638 umgebaut und zusätzlich zum ursprünglichen Patrozinium des heiligen Achatius nun auch dem heiligen Andreas geweiht. Der Gebäudekomplex wurde nach dem Vorbild eines monumentalen manieristischen Stadtpalastes erbaut. Die Stuckdekoration der Fassade wurde 1716 hergestellt. 1869 erhielt die ebenerdige Fassade eine moderne Form (die Parterreräume gegen den Dom wurden zu Verkaufsläden umgestaltet). Dazu gehörten die Apotheke „Zum schwarzen Bären“ (vor 1425–mindestens 1499); die Apotheke „Zum goldenen Löwen“ (1594–1604); die Wollhandlung Helly; sowie die Wiener Städtische Versicherungsgesellschaft.

Kaiser Karl VI. konnte 1722 bei Papst Innozenz XIII. erreichen, dass das Fürstbistum Wien (seit 1631) in den Rang eines Erzbistums erhoben wurde. Ab 1723, der Ernennung von Bischof Siegmund Graf Kolleritsch zum Fürsterzbischof trägt das vormals Bischöfliche Palais den Namen Erzbischöfliches Palais. Im 19. Jahrhundert erfolgte eine Aufstockung des Anwesens.

Als Reaktion auf die berühmte Rosenkranz-Demonstration nach einer flammenden Predigt Kardinal Einsitzers wurde das Palais am 8. Oktober 1938 durch die Hitlerjugend gestürmt und verwüstet.

Während der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg wurden die Kellergewölbe des Palais als Luftschutzkeller genutzt. Um mehr Platz für das Diözesanarchiv zu schaffen, wurde unterirdisch zusätzlicher Raum geschaffen. Das neue Archiv reicht mit zwei Geschoßen in eine Tiefe von 12 Metern.

Heute beherbergt das Palais die Residenz des Kardinals und einen Teil der Verwaltungsbehörden der Erzdiözese Wien.

Noch kurz zur Rosenkranzdemonstration: Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 wurden alle nicht nationalsozialistischen Vereine und Verbände aufgelöst und verboten. Das betraf auch alle römisch-katholischen österreichischen Studentenorganisationen sowie andere katholische Vereine und Verbände.

Zur Andacht der Jugend beim traditionellen Rosenkranzfest am 7. Oktober 1938 im Dom zu St. Stephan kamen überraschend viele Jugendliche (ca. 7.000, manche schätzten sogar 10.000). Der in seinem Verhältnis zu den Nazis umstrittene Erzbischof von Wien, Kardinal Theodor Unnützer, nahm die Gelegenheit wahr, die Anwesenden aufzurufen, „gerade jetzt in dieser Zeit umso fester und standhafter unseren Glauben zu bekennen, uns zu Christus zu bekennen, unserem Führer, unserem König und zu seiner Kirche“. Augenzeugenberichten zufolge herrschte in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kathedrale angesichts der zündenden Predigt eine „unbeschreibliche Stimmung“. Nach der Rosenkranzfeier im Dom gingen die mehreren Tausend Jugendlichen nicht nach Hause, es kam vor der Kirche zu einer spontanen Demonstration. Die jungen Menschen sangen voll Begeisterung am Stephansplatz Kirchenlieder und skandierten vor dem Erzbischöflichen Palais „Wir wollen unseren Bischof sehen!“ (anstelle von „Wir wollen unseren Führer sehen!“). Diese spontane, nicht angemeldete Versammlung wurde von Polizei und Gestapo aufgelöst und einige Teilnehmer verhaftet.

Am Abend des 8. Oktober 1938 stürmten und verwüsteten Mitglieder der Hitlerjugend das Erzbischöfliche Palais. Dort zertrümmerten sie Fenster, zerstörten Gemälde und warfen Möbel zum Fenster hinaus. Gegen sich zur Wehr setzende Bedienstete wurde Gewalt angewendet, der Zeremonie und spätere Wiener Erzbischof-Koadjutor Franz Jáchym wurde im Handgemenge verletzt. Den Sekretär Jakob Weilbacher drohte man aus dem Fenster zu werfen, dieser konnte sich jedoch erfolgreich wehren.

Zum Erzbischöflichen Palais in Wien

4 Gedanken zu “Zum Erzbischöflichen Palais in Wien

  1. jt schreibt:

    Danke für den informativen Bericht! Ich bin schon gespannt, wer als neuer Erzbischof bald(?) im Palais wohnen wird. (Hoffentlich bald: Ich würde Schönborn noch ein paar ruhige Jahre vergönnen.)

    PS: Die Autokorrektur hat „Innitzer“ ziemlich verwordagelt.

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  2. Jörg schreibt:

    Liebe Christa ! Deine Verachtung gegenüber den Kardinal hast Du durch die Verballhornung seines Namens sehr elegant dargelegt. Chapeau !

    Jörg

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