Die 1932er

Gestern sind zwei davon gestorben, Gerhart Bruckmann und Ludwig Adamovic. Beide waren Freunde meines Mannes, allerdings in unterschiedlichen „Kreisen“. Beide dehnten ihre Freundschaft auch auf mich aus, und beide führten ihre Freundschaft auch nach dem Tod meines Mannes weiter. Ich bin sehr dankbar für diese Akzeptanz.

Der Kreis, der auch Gerhart Bruckmann umfasste, hatte sich 1950 gebildet. Es waren jene Studenten, die als allererste ein „Fulbright-Stipendium“ in die USA erhielten. Damals reiste man in die USA noch mit dem Schiff, und auf der „Constitution“ trafen einander mehrere österreichische Studenten, darunter z.B. Josef Krainer Jun., Hubert Feichtlbauer (auch ein 1932er, aber schon 2017 gestorben).  Man blieb einander ein Leben lang verbunden.

Einige dieser Studenten verbrachten einen Teil ihrer Ferien bereits in den USA, sie wurden Familien zugeteilt. Das diente nicht nur dem Aufpolieren der Sprachkenntnisse, sondern auch der Gewöhnung an den american way of life.

Später studierten sie dann an verschiedenen Universitäten, verbrachten aber „Festivitäten“ wie Weihnachten und Ostern bei „ihren“ jeweiligen Familien. Nun einige Aufnahmefamilien wohnten nahe beieinander, und ihre österreichischen Gäste besuchten sie auch später und hielten mit deren gleichaltrigen Kindern ebenfalls wieder lebenslangen Kontakt.

Gerhart Bruckmann, Hubert Feichtlbauer, einige wenige andere, sowie auch mein Mann verbrachten ihre Ferien in näherer Umgebung zueinander und so bildete sich in Wien eine Gruppe, die sich regelmäßig, wenn auch nicht allzu häufig traf.

Als dann alle schon in Pension waren, traf man einander häufiger und auch die Ehefrauen wurden zu diesen Treffen zugelassen. Sie müssen bitte bedenken, dass ich vieles nur aus Erzählungen kenne, da ja der sagenhafte Aufenthalt in den USA, bei meinem Mann in Cleveland Ohio, lange vor meiner Zeit mit ihm stattgefunden hatte.

Dort, bei diesen Gruppentreffen, habe ich Gerhart Bruckmann kennengelernt. Natürlich „kannte“ ich ihn von den Hochrechnungen im Fernsehen, aber bei diesen Treffen war er ein sich liebevoll um seine Frau kümmernde Ehemann, jemand der z.B. gerne von seinem Theaterspielen im (alten) Casino Zögernitz erzählte.

Mich als seit jeher an Computern und ihrer Nutzung Interessierten faszinierte natürlich seine „Hochrechnerei“.  Gerhart Bruckmann führte am 6. März 1966 mit einem von ihm entwickelten mathematischen Modell die weltweit erste Wahlhochrechnung durch. Fortan galt er dem österreichischen Fernsehpublikum als „Hochrechner der Nation“.  Auf Bruckmanns Modell wurde vom ORF bis 1986 zurückgegriffen. Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk war damit weltweit das erste Medienunternehmen, das Hochrechnungen in Radio und Fernsehen ausgestrahlt hat.

Von 1986 bis 2002 war Gerhart Bruckmann mit einer Unterbrechung ÖVP-Abgeordneter zum Nationalrat, dabei war er Wissenschaftssprecher, Umweltsprecher und zuletzt Seniorensprecher. Mit 70 Jahren zog sich Bruckmann im Jahr 2002 aus der aktiven Politik zurück. Er verfasste mehrere Bücher über Umwelt- und Klimaschutz, darunter 1978 „Sonnenkraft statt Atomenergie“. Man kann sich heute nur wünschen, dass mehr Menschen vom Kaliber Gerhart Bruckmanns im Nationalrat säßen.

Nach Studien an der TU-Graz (Bauingenieurwesen), dem Antioch College, Ohio, USA (Volkswirtschaft), der TU Wien (Versicherungsmathematik) und der Universität Wien (Mathematik, Statistik, Physik) habilitierte sich Bruckmann 1966 an der Universität Wien im Bereich Statistik.

Von 1957 bis 1967 war er Referent für Statistik in der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, ordentlicher Professor an der Johannes Kepler Universität Linz in den Jahren 1967 und 1968, ordentlicher Professor an der Universität Wien von 1968 bis 1992, Direktor des Instituts für Höhere Studien Wien von 1968 bis 1973, Dekan der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien von 1983 bis 1985 sowie wirkliches Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ab 1972. Er war auch als Konsulent des IIASA tätig, wo ihm u.a. die wissenschaftliche Durchführung einer Konferenzserie über „Weltmodelle“ oblag.

Weiters war er von 1988 bis 1991 Präsident des Österreichischen Akademikerbundes, Präsident der Österreichisch-Italienischen Gesellschaft, Mitglied des Club of Rome, Vorsitzender des Österreichisch-Japanischen Komitees für das 21. Jahrhundert, Österreichischer Seniorenbund (in den Bundesvorstand kooptiert) seit 1997, Exekutivsekretär der Europäischen Senioren-Union.

Gerhart Bruckmann war auch der Musik sehr zugetan. Als Kind hatte er Klavier erlernt und später als Student Cello. Er war ausgebildeter Chorleiter, hat selbst Chormusik komponiert und gründete an der Sommerhochschule der Universität Wien in Strobl einen Studentenchor. Auch sportlich hat er sich in einer Vielzahl von Sportarten versucht, von Skifahren über Regatta-Rudern bis Drachenfliegen. Er war Turniertänzer und hat als „Tanzmeister“ eine Eröffnungspolonaise einstudiert und geleitet.

Sein Charakteristikum war sein breites Wissen in unterschiedlichen Gebieten und das daraus resultierende multi- und interdisziplinäre Schaffen.

Auch er wir abgehen! R.I.P.

PS: ein anderer 1932er hat gerade geheiratet – Richard Lugner!

Die 1932er

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